In der Kinderarztpraxis sind Symptome im Bereich von Vulva und Scheide häufig und lösen oft zu Unrecht vielseitige Sorgen aus1). Die Symptome sind meist gleichartig und wenig spezifisch, die Klagen lassen sich im Wesentlichen mit «es beisst, es kratzt, es brennt» zusammenfassen.
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Eine typische Situation in einer Kinderarzt-
praxis:
\bohra wird von ihrer Mutter begleitet, sie ist
4-jährig und kratzt sich manchmal zwi –
schen den Beinen. Die Mutter stellt fest,
dass die Vulva ihrer Tochter oft gerötet ist.
Sie gibt ihrer Sorge Ausdruck: «Man hat mir
gesagt, sie sei vielleicht missbraucht wor –
den\b ; ich habe das G efühl, dass sie mastur –
biert\b; ich fürchte, sie wird später Probleme
haben\b»
Klinische Fallvignette Tabelle 1: Interpretation bakteriologischer Befunde bei Kleinkindern
Obligat pathogene Keime Fakultativ pathogene Keime
Beta-hämolysierende Streptokokken Gr. A E. coli
Haemophilus influenzae Enterobacter aerogenes
Corynebacterium diphtheriae Proteus
Shigella Pseudomonas aeruginosa
Yersinia Bacteroides, Peptokokken,
Peptostreptokokken
Trichomonas vaginalis
7) Staphylokokken (aureus, epidermidis,
saprophyticus)
Chlamydia trachomatis Streptokokken B, C, D, F, G, agalactiae,
faecalis, pneumoniae
Neisseria gonorrheae, meningitidis Listeria monocytogenes
Treponema pallidum Candida albicans
Mycoplasma hominis, Ureaplasma
urealyticum
Gardnerella vaginalis
Actinomyces (eventuellen Fremdkörper
suchen)
Einführung
In der Kinderarztpraxis sind Symptome im
Bereich von Vulva und Scheide häufig und
lösen oft zu Unrecht vielseitige Sorgen aus
1).
Die Symptome sind meist gleichartig und
wenig spezifisch, die Klagen lassen sich im
Wesentlichen mit «es beisst, es kratzt, es
brennt» zusammenfassen.
D er A nsat z ist im P r inzip klinisch. Das \b iel ist ,
Kind und Eltern eine gezielte Betreuung zu
bieten, da das Fortbestehen der Symptome
Verängstigung und übertriebene Massnah –
men auslöst, beim Kind ebenso wie bei den
verantwortlichen Erwachsenen.
Vulvovaginitis in der Praxis
Die Fallvignette 1 illustriert die üblichen,
durch chronische oder akut-entzündliche
Symptome im Bereiche von Vulva und Scheide
hervorgerufenen Befürchtungen. Diese be –
treffen sowohl Vergangenheit als auch Gegen –
wart und \bukunft. Wie oft bei gynäkologi –
schen Problemen bei Kleinkindern überträgt
die Mutter ihre Vorstellungen als erwachsene
Frau auf ihre Tochter. Gesundheitsfachleute
neigen dazu, dasselbe zu tun, obwohl Krank –
heitserscheinungen im Kindesalter sich von
jenen des Erwachsenen unterscheiden.
Das Thema sexueller Missbrauch ist in den
Medien sehr präsent und Bemühungen zur
Prävention sind zu Recht konstant, Symptome
Vulvovaginitis bei jungen Mädchen
Saira-Christine Renteria, Lausanne
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
im Genitalbereich werden deshalb schnell mit
sexuellem Missbrauch in \busammenhang ge
–
bracht. Ebenso werden Fortpflanzungsschwie –
rigkeiten heute offener besprochen und die
Befürchtung zukünftiger Infertilität taucht
selbst während der hormonellen Latenzzeit auf.
Der an Bezugspunkte bei Frauen im gebärfä –
higen A lter gewohnte A r z t seiner seit s w ir d b ei
Juckreiz zu Unrecht eine Mykose diagnostizie –
r en. Diese Ur s ache kann b ei fehlender pub er –
tärer Östrogenisierung (d. h. Latenzphase
bzw. Tannerstadium 1), ausser bei Immunsup –
pression, praktisch ausgeschlossen werden.
Trotz dieser Tatsache wurden bei
1/3 in die
kindergynäkologische Sprechstunde wegen
Juckreiz/Brennen im Vulvabereich zugewiese –
nen Mädchen vorgängig Antimykotika ver –
schrieben. Ab Tannerstadium ≥ 2 ( Tab. 4 ) kann
hingegen eine vulvovaginale Mykose vorlie –
gen, mit käsigem vaginalem Ausfluss, Juck –
reiz, lokaler Rötung, Kratzspuren und manch –
mal schmerzhaften Erosionen, die sich von
der Vulva ins Perineum und perianal ausbrei –
ten können. Der Ausfluss unterscheidet sich
dann vom typischen dysfunktionellen Weiss –
fluss nur durch die fehlende stärkeartige
Wirkung auf die Unterwäsche.
Klinischer \bnsatz
Anamnese
Obwohl die Beschreibung der Symptome
wenig zur ätiologischen Einteilung einer Vul –
vovaginitis beiträgt, dient sie dem Verständnis
der Umstände und zum Ausschluss anderer
Krankheiten. Gewisse Krankheiten haben ein
Prädilektionsalter, wie der Lichen sclerosus et
atrophicans oder das Vorhandensein eines
Fremdkörpers ( Tab. 3 ). Es ist empfehlenswert,
auf das Erlangen von Sauberkeit und auch
eventuelle Regressionsphasen einzugehen,
obwohl weder Vulvovaginitis noch Fremdkör –
per spezifische Indikatoren von sexuellem
Mis sbr auch o der A g g r es sion sind. Im Kontex t
einer Trennung sind Konsultationen auf Grund
von Rötung im Vulvabereich nach einem Wo –
chenende beim anderen Elternteil häufig. Die
Rötung kann Ausdruck einer quantitativen
oder qualitativen Änderung hygienischer
Massnahmen sein, oder emotionaler Span –
nungen, die das Kind durch «autoerotisches»
Handeln kompensiert, ohne jeglichen \busam –
menhang mit erwachsener Sexualität. Diese
Möglichkeit muss jedoch bei anhaltenden
oder rezidivierenden Symptomen im Auge
behalten werden. Beispielsweise die Erfah –
rung eines 7-jährigen Mädchens, das mehr –
mals mit der Diagnose Herpes genitalis auf
der pädiatrischen Notfallstation gesehen wur –
de, und bei welchem die wiederholten sexuel –
len Aggressionen erst nach 6 Monaten er –
kannt wurden; oder ein vaginaler
Gonokokken-positiver Abstrich bei einem
11-jährigen Mädchen, dank welchem bei der
Umgebungsabklärung genitale Kontakte ent –
4Eine teeypnesee chS
4Eine typschSuasorEtEc KSdEsSz syKisSpsyS-pcKsyt x:Ks
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Tabelle 2: Hauptsächlichste, altersabhängige Differentialdiagnosen der Vulvovaginitis – Neu-
geborenen- und Säuglingsalter
Tabelle 3: Hauptsächlichste, altersabhängige Differentialdiagnosen der Vulvovaginitis – präpu –
bertär
Neugeborene und Säuglinge
Infektionsbedingte Krankheiten
• Candidamykose (Windeldermatitis)
• Sexuell übertragbare Krankheiten, vertikale materno-fötale Übertragung (z. B. Chlamydia
trachomatis, HPV)
Entzündliche Krankheiten
• Chemische Reizung
> durch Hautpflegemittel, Feuchttücher
> durch Windeln
> durch Waschmittel
• Mechanische Reizung
> Reiben durch Windeln
Präpubertät
Infektionsbedingte Krankheiten
• Bakterielle Vulvovaginitis (Darmflora)
• Begleitvulvovaginitis bei ORL-Erkrankungen
• Infizierter Fremdkörper
• Sexuell übertragbare Krankheiten (cave: Sexueller Übergriff)
• Oxyuren
• Viral (systemisch, Varizellen etc.)
Entzündliche Krankheiten
• Chemische Reizung
> Inadäquate Intimpflege
> Reizung durch Hautpflegemittel (Seife, Feuchttücher, Slipeinlagen)
• Mechanische Reizung
> Fremdkörper, «Sandkastenvaginitis»
> Chronischer vaginaler Ausfluss
> Reibung durch zu enge Kleidung, bei Übergewicht/Adipositas
> Masturbation, sexueller Übergriff
Spezifische Entzündungen
• Lichen sclerosus et atrophicans
• Psoriasis
deckt wurden, deren Bedeutung es nur unvoll –
ständig begriffen hatte (Tab. 1) .
Allgemeine Untersuchung
Die Bestimmung der Tannerstadien erlaubt es,
den Östrogenisierungsgrad der vulvovagina –
len Schleimhaut zu beurteilen. Dieser be –
stimmt die Empfänglichkeit der Scheide für
pathogene Keime sowie auch die klinischen
Befunde nichtinfektiöser Krankheiten im Vul –
vabereich. Eine Konsultation bei Verdacht auf
Vulvovaginitis erfordert deshalb auch eine
allgemeinklinische Untersuchung.
Genitale und anale Untersuchung
Die klinische Untersuchung umfasst die Ins –
pektion von Vulva, Perineum und perianaler
Region. Typisches Symptom einer infektiösen
Vulvovaginitis ist der Ausfluss mit u. U. Maze –
ration und unangenehmem Geruch. Ebenso
können Kratzspuren beobachtet werden. Die –
se Symptome können fluktuierend sein. Durch
Traktion können im Allgemeinen der Introitus
und intravaginale Sekretionen eingesehen
werden. Selbst wenn gewisse Fremdkörper
(Toilettenpapierkügelchen, kleine Spielsa –
chen) im Introitus leicht sichtbar sind, sollte
das Entfernen dem Spezialarzt überlassen
werden, da sie leicht in die Tiefe gestossen
werden können. Bei blutigem Ausfluss oder
Rezidiv nach adäquater Behandlung sollte
eine Vaginoskopie durchgeführt werden, um
einen okkulten Fremdkörper auszuschliessen.
Bakteriologische Abstriche
In den meisten Fällen ist eine bakteriologi –
sche Untersuchung weder für Differentialdia –
gnose noch Behandlungsplan notwendig
2).
Wird jedoch die Indikation gestellt, so muss
eine Kontamination der Probe durch norma –
lerweise im Vulva- und Perineumbereich vor –
handene Flora vermieden werden, was nur
durch eine intravaginale Entnahme möglich
ist. Dies erfolgt mittels Vaginoskopie oder
durch Einführen in die Vagina eines an die
Hymenöffnung der Patientin angepassten
Wattestäbchens. Der unangenehme Kontakt
der Vulva mit einem trockenen Wattestäbchen
wird jede weitere Entnahme oder Vaginosko –
pie problematisch machen. Um dies zu verhin –
dern, wird es mit sterilem NaCl angefeuchtet.
Eine elegante Methode besteht im Absaugen
von vaginalen Sekretionen mittels einem
Neugeborenen-Absaugkatheter oder einer
Magensonde mit angesetzter Spritze. Das
Einführen in die Vagina wird durch ein Gel
erleichtert. Bei sexueller Aktivität in der Adoleszenz oder
wenn eine Anamnese von sexuellem Miss
–
brauch und/oder entsprechende Symptome
eine Infektion im oberen Genitaltrakt vermu –
ten las sen, sollte mit tels P CR nach Chlamydi –
en und Gonokokken gesucht werden. \bu be –
merken ist, dass eine Chlamydieninfektion
völlig symptomlos verlaufen kann.
Klinische Diagnose bei Vulvovagini –
tis-artigen Symptomen
In der klinischen Praxis ist es empfehlens –
wert, die verschiedenen Problemkreise, die
sich hinter der Diagnose «Vulvitis oder Vulvo –
vaginitis» verstecken, in infektiöse, unspezi –
fisch entzündliche und spezifisch entzündli –
che Krankheiten einzuteilen.
Gewisse Krankheiten können manchmal
gleichzeitig b es tehen, do ch is t es f ür ein w ir k –
sames Vorgehen notwendig, die Grundprob –
lematik zu bestimmen. Dies ist in den meisten Fällen bei der Erstuntersuchung möglich, oder
spätestens nach einem therapeutischen Ver
–
such.
Infektiöse Krankheiten
Wird eine infektiöse Vulvovaginitis vermutet,
hängt die Differentialdiagnose vom Alter und
insbesondere vom Pubertätsstadium, anders
gesagt vom Grad der hormonellen Imprägnie –
rung der Genitalschleimhaut ab
3). Während
der hormonellen Ruhephase (Tannerstadium
1) dominieren unspezifische bakterielle Infek –
tionen, Begleitvaginitiden bei ORL-Infekten
sowie anale Parasiten, begünstigt durch die
atrophische Vaginalschleimhaut. Mykosen
hingegen treten, ausser im Säuglingsalter
( Tab. 2 ) erst in der Präpubertät (Tannerstadi –
um ≥ 2) auf. Infizierte Fremdkörper kommen
in jedem Alter, insbesondere aber beim Klein –
kind und nach der Pubertät vor. Gewisse
Vulvitiden können eine Begleiterscheinung
einer allgemeinen Infektion sein (z. B. Varizel –
4Eine teeypnesee chS
4Eine typschSuasorEtEc KSdEsSz syKisSpsyS-pcKsyt x:Ks
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Pubertät
Infektionsbedingte Krankheiten
• Candidamykose (ab Tannerstadium
≥2)
• Bakterielle Vaginose
• Sexuell übertragbare Infektionen (oft asymptomatisch/cave: Sexuelle Übergriffe)
• Viral: Herpes Typ I (-II)
Entzündliche Krankheiten
• Chemische Reizung
> Intimhygiene (Seife, Parfum, Spray, Slipeinlagen, Epilation etc.)
Hautkrankheiten
• Psoriasis
Tabelle 4: Hauptsächlichste, altersabhängige Differentialdiagnosen der Vulvovaginitis –
Pubertät
len). Diese kann bei fehlender Allgemeinun
–
tersuchung unbeachtet bleiben.
Gewisse Infektionen sind wegen ihrer analen
Lokalisation, gekennzeichnet durch perianale
Rötung und/oder Kratzspuren, bekannt. Vul –
vovaginale Kontamination ist häufig, sie kön –
nen der Aufmerksamkeit des Pädiaters des –
halb entgehen, wenn die vulvovaginalen
Symptome im Vordergrund stehen (Oxyuren,
Shigellen, Yersinia). Ausgesprochene Rötung,
eventuell mit einer Erosion erweckt den Ver –
dacht auf eine Anitis durch hämolysierende
Streptokokken der Gruppe A. Die Vulva kann
ein gleichartiges Erythem aufweisen.
Eine infektiöse Vulvitis kann als Sekundärin –
fektion einer entzündlichen Krankheit vor –
kommen (Lichen sclerosus et atrophicans,
Mo. Behçet, Psoriasis); diese Erscheinungs –
form ist jedoch selten, wenn die Grundkrank –
heit behandelt wird.
Unspezifische Entzündungen
Im K indes alter handelt es sich meis t um loka –
le Reizungen ( Tab. 3 ). Entscheidend ist die
Suche nach externen mechanischen oder
chemischen Reizfaktoren. Therapeutisch ist
ein koordiniertes Vorgehen wichtig, mit Aus –
schluss des schädlichen Agens und nötigen –
falls Änderung der Gewohnheiten und lokalen
Hygiene, wie weiter unten beschrieben, um
die lokalen physiologischen Verhältnisse wie –
derherzustellen.
Obwohl entzündliche Vulvitiden vom rein
körperlichen Gesichtspunkt aus wenig beun –
ruhigend sind und auf einfache pflegerische
Massnahmen ansprechen, können sie in der
Sprechstunde viel \beit beanspruchen, und im
Geiste der Eltern und schliesslich auch des
Mädchens viel Raum einnehmen. Eine aus –
führliche anamnestische Erhebung der Ge –
wohnheiten und Erwartungen gegenüber der
Körperhygiene, sowie Vorstellungen und
Kenntnisse der äusseren, aber auch inneren
weiblichen Geschlechtsorgane, ermöglicht
selbst bei Rezidiven eine bessere Betreuung
und verhindert wiederholte und oft unnötige
Konsultationen. Es kann notwendig sein, Er –
fahrungen der Eltern bezüglich Fertilität, gy –
näkologischen Problemen, körperlicher Inte –
grität sowie eventuellen sexuellen Übergriffen
zu erfragen, um die Ängste zu verstehen, die
einer übermässigen elterlichen Fürsorge zu –
grunde liegen. Es liegt in der Verantwortung
des Pädiaters, das Kind vor übertriebener und
zudringlicher oder gar missbräuchlicher Kör -perpflege im Genitalbereich zu schützen. Die
Sprechstunde kann z. B. einem jungen, sich
in der Pubertät befindenden Mädchen, des
–
sen Mutter sie noch täglich zwischen den
Beinen wäscht und inspiziert, die Möglichkeit
bieten, seinen Wunsch nach Autonomie und
Respekt der Privatsphäre auszudrücken.
Spezifische entzündliche Krankheiten
Während nichtinfektiöse Entzündungen zum
grössten Teil unspezifische Ausschlussdiag –
nosen sind, wird der Lichen sclerosus et
atrophicans, seitdem die Ärzte mit dieser Di –
agnose vertrauter sind, bei jungen Mädchen
immer häufiger diagnostiziert. Die subjektiven
Symptome sind variabel und bestehen aus
Juckreiz, Brennen und manchmal Bluten aus
Blutblasen. Klinisch stellt man eine entfärbte,
perlmuttartig und atrophisch wirkende Haut
fest. In den meisten Fällen kommt es mit
Eintreten der Pubertät zur Spontanremission.
Die Prävalenz dieser Krankheit ist schlecht
bekannt, es wird ein Erbfaktor vermutet. Es
werden verschiedene ätiologische Hypothe –
sen aufgestellt (z. B. autoimmunes Gesche –
hen). Die Behandlung besteht, ausser der
Bekämpfung bakterieller Sekundärinfektio –
nen, in topischem Kortison während akuten
Phasen. Als Erhaltungstherapie kommen fette
Salben in Frage.
Die Ulzera bei Morbus Behçet, obwohl vor
dem Alter von 20 Jahren selten, und eine Se –
kundärinfektion durch Kratzen bei Psoriasis
der Vulva (und des Gesässes im Kindesalter)
können auf den ersten Blick wie Begleiter –
scheinungen einer Vulvovaginitis aussehen.
Erst das Andauern der Beschwerden trotz
Behandlung der Sekundärinfektion weist auf
die genannten Diagnosen hin, womit die Pati –
entin fachärztlicher Behandlung zugeführt
werden kann. Bei Verdacht auf Vulvovaginitis häufige
nichtentzündliche Erkrankungen
Synechien oder Fusion der inneren Schamlip
–
pen sind nur selten mit einer Vulvovaginitis
assoziiert, obwohl die Befürchtung von Kom –
plikationen durch eine Vaginitis häufig als
Grund zur Lösung von insbesondere ausge –
dehnten Synechien angeführt wird. Der Öst –
rogenmangel während der hormonellen Ruhe –
phase scheint zum spontanen Verkleben der
inneren Schamlippen ohne entzündliche Re –
aktion beizutragen.
Kontaminierter, bei der Miktion retrograd in
die Vagina geflossener Urin kann zu übelrie –
chenden Ausdünstungen führen. Der kurz auf
die Miktion folgende Ausfluss kann den sym –
ptomatischen Weissfluss einer Vaginitis nach –
ahmen. Dies stört namentlich Mädchen nach
dem Sauberwerden. Die Behandlung einer
Synechie ist nur bei erwiesenen Symptomen
indiziert
5).
Eltern, Umfeld und selbst Lehrkräfte, die sich
zwanghafter masturbatorischer Aktivität ge –
genüber sehen, wünschen oft Abklärungen in
Hinsicht auf eine mögliche Infektion, da sie
daran zweifeln, insbesondere häufige Mastur –
bation könne in diesem Alter auf spontanem
Entdecken beruhen. Ein Auslöser kann eine
wenig b ekannte For m der Sy ne chie sein , jene
der Klitorisvorhaut, die bei jüngeren Mädchen
Reizung oder Unbehagen hervorruft, welche
diese in der Klitoris lokalisieren. Mit dem
Kolposkop kann eine Straffung der Vorhaut
über die Klitoris hinweg festgestellt werden,
diese beinahe oder ganz zudeckend. Oft kann
am Ort einer kleinen residuellen Öffnung oder
unvollständigen Verklebung unter der Klitoris –
vorhaut eine Smegmaretention beobachtet
werden. Nachdem die Klitoris durch lokale
Behandlung mit Östrogenen (möglichst unter
4Eine teeypnesee chS
4Eine typschSuasorEtEc KSdEsSz syKisSpsyS-pcKsyt x:Ks
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Adoleszenz
Infektionsbedingte Krankheiten
• Candidamykose
• Bakterielle Vaginose
• Sexuell übertragbare Infektionen (sexuell aktiv und/oder sexuelle Übergriffe)
• Viral: Human papilloma virus HPV, Herpes Typ I und II
Unspezifische Entzündungen
• Chemische Reizung
> Intimhygiene (Seife, Parfum, Spray, Monatsbinden, Slipeinlagen, Vaginalduschen etc.)
> Epilation
> Latexallergie
• Mechanische Reizung
Hautkrankheiten
• Psoriasis
Tabelle 5: Hauptsächlichste, altersabhängige Differentialdiagnosen der Vulvovaginitis – Ado –
leszenz
Tabelle 6: Hauptsächlichste therapeutische Ansätze bei spezifischen Krankheiten
Oxyuren Mebendazol, Pyrantel
Mykose Säugling: Clotrimazol topisch
Adoleszenz: Vaginalovula (Clotrimazol) oder
Behandlung p. o. bei Rezidiv oder wenn
Einführen der Ovula unmöglich (Fluconazol)
Streptokokken Gruppe A Penicillin/Amoxicillin
Trichomonas, Gardnerella, Anaerobier Metronidazol
Lichen sclerosus et atrophicans Topische Kortikoide
(z. B. Betamethason Fettsalbe)
Vermeidung systemischer Wirkung) wieder
frei wird, scheint die \bugwirkung der Vorhaut
auf die Klitoris nachzulassen, und damit die
subjek ti ven Sy mptome sow ie das z wanghaf te
Masturbieren.
Ein Urethralprolaps oder –polyp kann zur
Fehldiagnose Vulvovaginitis führen. Erst die
kolposkopische Untersuchung erlaubt es, die
ausgestülpte Urethraschleimhaut oder den
Polypen zu identifizieren und vom Introitus
abzugrenzen, aus welchem sie hervorzuragen
scheinen. Damit ist die Quelle der Blutspuren
in der Unterwäsche, anfänglich als hämorrha
–
gische Vaginitis betrachtet, geklärt.
Das Rhabdomyosarkom manifestiert sich
klassischerweise durch eine ungeklärte vagi –
nale Blutung; reichlicher, isolierter und unblu –
tiger Ausfluss kann jedoch ebenfalls ein An –
zeichen sein. Fehlt eine andere plausible
Erklärung, muss ein atypischer vaginaler
Ausfluss aktiv abgeklärt werden (Vaginosko –
pie)
6).
Intimpflege und Hygiene –
massnahmen
Folgende Faktoren begünstigen im Kleinkin –
desalter eine bakterielle Kontamination:
• Verschmutzung durch Stuhl beim Reinigen
oder bei Durchfall
• Unpassende Stellung beim Harnlösen,
Adipositas oder anatomische Besonder –
heit der Vulva, Rückfluss von Urin in die
Scheide begünstigend
• Schwierige Hygiene und Bildung einer
feuchten Kammer beim adipösen Mädchen
• Kontakt der Genitalorgane mit dem Boden
oder verschmutzten Finger des Mädchens
Hygieneberatung wie korrektes Reinigen nach
dem Stuhlgang, Kindersitz auf den Toiletten,
Tragen angepasster Unterwäsche genügen
oft, um eine unspezifische Vulvovaginitis zu
meistern. Was oft als ungenügende Hygiene
betrachtet wird, erweist sich in den meisten
Fällen als unangepasste Hygiene. So kann
übertriebener Gebrauch von Seife und Desin –
fektionsmitteln abträglich sein. Bei starker
Smegmaproduktion ersetzt die regelmässige
Reinigung mit einer Fettcrème zwischen den
inneren Labien und um die Klitorisvorhaut
vorteilhaft das unwirksame Reiben mit Seife.
Fett erleichtert die Beseitigung der weissli –
chen Beläge, die zu Rötung und Juckreiz oder
Brennen führen. Eine antiseptische Emulsion,
leicht bakteriostatisch aber nicht reizend, z.
B. MEA-Sulfosuccinat 30 mg/g (Lubex
®), kann den Hygienebedürfnissen genügen,
wenn die Reinigung der Vulva schwierig ist.
Milchsäure enthaltende Produkte begünsti
–
gen das Säure-Basen- Gleichgewicht, was sich
b ei Reizungen eb enf alls güns tig ausw ir k t . Die
Milde eines Schaumes mit einem bioaktiven,
natürlichen Inhaltsstoff 2QR (Multi-Gyn Femi –
Wash
®), welcher üblen Geruch neutralisiert,
trägt dazu bei, Mädchen die häufig unter
Reizungen leiden, mit der Intimpflege zu ver –
söhnen.
Das Korrigieren von Fehlern führt im Allgemei –
nen r asch zu einer Ver b es ser ung. A n Haut und
Schleimhäute angepasste Antiseptika, z. B.
Povidon Iod 10 mg/ml (Betadine
®), 1 : 25
verdünnt für Sitzbäder oder Chlorhexidinglu –
konat 0.5 mg/ml (Hibidil
®) können während
einigen Tagen angewendet werden. Kamillo –
san
® liquidum wird bei Kindern entsprechend
dem Werbeslogan «eignet sich immer» häufig
für Sitzbäder verwendet, längerdauernde An –
wendung kann jedoch reizend sein. Das Auf –
treten oder Andauern einer Reizung der Vulva
kann Ausdruck einer Kontaktallergie sein.
Obwohl ätherische Öle und Flavone eine ent –
zündungshemmende und leicht desinfizieren –
de und deodorisierende Wirkung haben, sind
andere Lösungen vorzuziehen.
\bntibiotische Behandlung
Antibiotische Behandlung ist selten notwen –
dig ( Tab. 1) . Dabei wird die Wahl von Kultur
und Antibiogramm abhängen. Am geeignets –
ten ist die orale Einnahme. Metronidazol
(Flagyl
®, Elyzol ®) (10 -20 mg/kg/d während 7
Tagen) wird bei anaeroben Keimen, Trichomo –
nas und Gardnerella verschrieben.
Vulvovaginale Mykosen des Säuglings werden
mit Nystatin 25 000 E/g (Mycostatin
®) oder
Clotrimoxazol 10 mg/g (Canesten ®) als Cre –
me während 6-10 Tagen behandelt. Vaginale
O v ula , wovon es ver schie dene P r äpar ate gibt ,
sind bei Jugendlichen, sofern individuell ak –
zeptiert, möglich und wünschenswert. Fluco –
nazol (Diflucan
®) p. o. oder Ketoconazol (Ni –
zoral ®) sind eine Alternative bei Rezidiven
oder falls das Einführen der Ovula zu Schwie –
rigkeiten führt. Bei topischer, externer Be –
handlung werden nicht alle befallenen Körper –
teile erreicht (Vagina, Rektum). Intravaginale
Anwendung von lyophilisierte Doederleinbak –
terien vom Typ Lactobacillus acidophilus
enthaltenden Vaginaltabletten, assoziiert mit
0.03 mg Estradiol ( Gynoflor
®) und/oder Spü –
lungen mit Milchsäure (Vagoclyss ®) für Ju –
gendliche, die aus kulturellen Gründen Schei –
denduschen bevorzugen, fördern nach einer
4Eine teeypnesee chS
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Infektion die Normalisierung der Vaginalflora
und helfen, Rezidiven vorzubeugen.
Prä- und Probiotika
Es konnte gezeigt werden, das Prä- und Pro-
biotika bei der Wiederherstellung des Gleich –
gewichtes der intestinalen Mikroflora ihren
Platz haben. Nicht indiziert sind sie hingegen
beim Säugling und Immunsupprimierten. Es
gibt derzeit für Jugendliche zahlreiche Vagi –
nalflora-Angebote, um nicht von Modeer –
scheinungen zu sprechen, deren Nutzen in der
präpubertären Phase jedoch noch bewiesen
werden muss.
Praktische Schlussfolgerungen
Symptome im Bereiche von Vulva und Vagina
wie Rötung, Juckreiz oder Ausfluss sind und
werden im Verlaufe des Lebens einer Frau
häufig sein. Sie beginnen schon im Kindesal –
ter, obwohl das Thema of t Tabu und die Prob –
lematik unter Fachleuten des Kleinkindesal –
ters oft schlecht bekannt ist. Die Intimsphäre
betreffend, erregen sie viel mehr Besorgnis
als eine allergische Rhinitis, eine seröse Mit –
telohrentzündung oder virale Konjunktivitis,
obwohl meist ebenso benigne und flüchtig.
Oft genügen Hygieneratschläge und adäquate
lokale Pflege. Bei verdächtigen Hinweisen und
üblicherweise mit sexueller Aktivität verbun –
denen Infekten muss an die Möglichkeit sexu –
eller Übergriffe gedacht werden.
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Center of Disease Control and Prevention.
https://www.cdc.gov/std/tg2015/trichomoniasis.htm
(eingesehen am 28.6.2017).
Korrespondenzadresse
Dr Saira- Christine Renteria, MER
FMH gynécologie-obstétrique
Médecin adjoint
Département femme-mère-enfant Services
de Gynécologie- Obstétrique CHUV
Av. Pierre Decker 2
1011 Lausanne
Saira- Christine.Renteria @ chuv.ch
Der Autor hat keine finanzielle Unterstützung und keine
anderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit
diesem Beitrag deklariert.
4Eine teeypnesee chS
4Eine typschSuasorEtEc KSdEsSz syKisSpsyS-pcKsyt x:Ks
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Korrespondenz:
Autoren/Autorinnen
S. Renteria