Die kongenitale Hypothyreose ist die häufigste kongenitale Endokrinopathie mit einer Inzidenz von rund 1 : 3000 Geburten1)–4). Die Hypothyreose ist eine Stoffwechsellage mit unzureichender Versorgung des Organismus mit Schilddrüsenhormonen. Die normale Entwicklung des Gehirns in utero und postnatal ist in hohem Mass von einer adäquaten Versorgung mit Schilddrüsenhormonen abhängig. Bereits im ersten Trimenon kommt es deshalb zur Expression von Schilddrüsenhormon-Rezeptoren im embryonalen Gehirn5). Die kongenitale Hypothyreose tritt in der vulnerabelsten Phase der Hirnentwicklung auf, lässt sich aber postnatal durch das neonatale Screening diagnostizieren und behandeln. Sie stellt die häufigste vermeidbare Ursache der mentalen Retardierung dar.
12
In 15% der permanenten primären Hypo-
thyreosen treten vererbte genetische Stö –
rungen der Schilddrüsenhormon-Synthese
(Dyshormonogenese) in einer strukturell
normal entwickelten Schilddrüse auf. Das
Gewebe kann unter dem Einfluss der er-
höhten TSH-Werte proliferieren. Jedoch ist
die Strumabildung, insbesondere neona –
tal, nicht obligat
1)– 4) .
Transiente Formen der kongenitalen Hypo –
thyreose sind Folge von schwerem Jodman –
Die kongenitale Hypothyreose ist die
häufigste kongenitale Endokrinopathie
mit einer Inzidenz von rund 1
: 3000 Ge –
burten
1)– 4) . Die Hypothyreose ist eine
Stoffwechsellage mit unzureichender
Versorgung des Organismus mit Schild –
drüsenhormonen. Die normale Entwick –
lung des Gehirns in utero und postnatal
ist in hohem Mass von einer adäquaten
Versorgung mit Schilddrüsenhormonen
abhängig. Bereits im ersten Trimenon
kommt es deshalb zur Expression von
Schilddrüsenhormon-Rezeptoren im em –
bryonalen Gehirn
5). Die kongenitale Hypo –
thyreose tritt in der vulnerabelsten Phase
der Hirnentwicklung auf, lässt sich aber
postnatal durch das neonatale Screening
diagnostizieren und behandeln. Sie stellt
die häufigste vermeidbare Ursache der
mentalen Retardierung dar
1)– 4) .
Klassifizierung und Pathogenese
(siehe Tabelle 1)
Die kongenitale Hypothyreose kann nach
3 Kriterien klassifiziert werden: 1. Lokali –
sation der Pathologie (Schilddrüse = pri –
mär vs. Hypophyse oder Hypothalamus =
sekundär), 2. Dauer (permanent vs. transi –
ent) und 3. Schweregrad der Hypothyreo –
se (dekompensiert: TSH erhöht, f T4 er-
niedrigt vs. kompensiert: TSH erhöht, f T4
normal; auch isolierte Hyperthyrotropinä –
mie genannt)
1)– 4) . Die primäre kongenitale
Hypothyreose ist viel häufiger als zentrale
Defekte, weshalb diese seltenen Formen
nicht detailliert besprochen werden.
Die permanente primäre kongenitale Hy –
pothyreose wird in rund 85% der Fälle
durch eine Entwicklungsstörung der
Schilddrüse (Dysgenesie) verursacht. Die
häufigste Form ist die Ektopie (rund 70%)
mit szintigraphisch nachweisbarem Schild –
drüsengewebe zwischen Zungengrund und
prätrachealer Position als Folge eines ge –
störten embryonalen Migrationsprozes –
ses. Die Athyreose (rund 25%) stellt die
schwerste Form mit vollständigem Fehlen von Schilddrüsengewebe dar. Hypoplasie/
Hemiagenesie (5%) in prätrachealer Posi
–
tion ist selten
1)– 4) .
Kongenitale Hypothyreose – ein Update
über Diagnose, Therapie und Genetik
Gabor Szinnai, Universitäts-Kinderspital beider Basel UKBB, Basel
Permanente primäre kongenitale Hypothyreose
Dysgenesie (85%)
Schilddrüsenmorphologie:
• Ektopie
• Athyreose
• Hypoplasie/Hemiagenesie
Mögliche Gendefekte in familiären oder syndromalen Fällen:
• NK 2 homeobox 1 (NKX2-1/TTF1) (Brain-lung-thyroid Syndrom)
• Forkehead box 1 (FOXE1/TTF2) (Bamforth-Syndrom)
• Paired box Gen 8 (PAX8)
• TSH-Rezeptor (TSHR)
Dyshormonogenese (15%)
Schilddrüsenmorphologie:
• Normale Schilddrüse
• Struma
Gendefekte in abnehmender Häufigkeit:
• Thyroperoxidase (TPO)
• Thyroglobulin (TG)
• Pendrin (PDS, SCL26A4) (Pendred-Syndrom)
• Dual oxidase 2 (DUOX2)
• Natrium-Jodid-Symporter Gen (SCL5A5, NIS) (Jod-Transport-Defekt)
• Deiodinase (IYD) (Dehalogenase-Defekt)
Transiente primäre kongenitale Hypothyreose
Schwerer Jodmangel
Akuter Jodexzess (z. B. jodhaltige Desinfektionsmittel im Gebärsaal)
Maternale Schilddrüsen-Autoantikörper (meist TSH-Rezeptor blockierende AK)
Maternale Thyreostatikatherapie
Heterozygote DUOX2 Mutationen
Ta b e l l e 1: Klassifikation, Pathogenese und Genetik der primären kongenitalen Hypothyreose
Vol. 23 Nr. 5 2012
Fortbildung
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ersten Lebenswochen schleichend und
werden häufig verkannt. Deshalb wurde
die Diagnose in der Vor-Screening Ära in
50% der Fälle erst nach dem 3. Lebensmo-
nat gestellt
9).
Typische «Lehrbuch»-Zeichen sind ein Ik –
terus prolongatus, grosse Fontanellen
(v. a. posterior), Hypotonie, Adynamie,
Hypothermie, Makroglossie und eine Um –
bilikalhernie. Die Kinder werden als ruhig,
mit langen Schlafphasen und trinkfaul
beschrieben. Trotzdem nehmen sie rasch
an Gewicht zu
1)– 4) .
Auch bei negativem neonatalem Screening
muss beim Auftreten dieser Symptome
eine kongenitale Hypothyreose ausge –
schlossen werden. Mögliche Ursachen
sind
1. ein falsch negatives Screening-Resultat,
2. eine durch das TSH-basierte Screening
nicht erfasste zentrale Hypothyreose
oder
3. ein sekundärer postnataler Anstieg von
TSH bei noch knapp kompensierter Si –
tuation zum Zeitpunkt des Screenings
(z. B. Frühgeborene, bezüglich kongeni –
taler Hypothyreose diskordante Zwillin –
ge mit föto-fötaler Transfusion, Ektopie
oder Hemiagenesie mit Restfunkti –
on)
1)–4), 7), 10) .
Behandlung
Die Behandlung muss sofort nach Abnah –
me der Bestätigungsdiagnostik erfolgen.
Jeder Tag Verzögerung soll in dieser sehr
vulnerablen Phase der Hirnentwicklung
vermieden werden
11 ). Levothyroxin p. o. in
einer Dosis von 10–15µg/kgKG/d ist die
Therapie der Wahl. Frühe und hochdosier –
te Therapie kann auch bei schwerer Hypo –
thyreose das Risiko für IQ -Verlust durch
möglichst rasche Normalisierung der peri –
pheren Schilddrüsenhormone im Blut mi –
nimieren
1)– 4, 11), 12) . Die Tabletten sollten
zermörsert und mit 1–2 ml Wasser oder
Muttermilch verabreicht werden. Flüssige
Formen von Levothyroxin, welche im Aus –
land erhältlich sind, sind in der Schweiz
nicht zugelassen.
Elterninformation
Folgende Punkte sollten durch eine mit der
Erkrankung erfahrene Person besprochen
werden: 1. Ursache der kongenitalen
gel, Anwendung von jodhaltigem Desinfek
–
tionsmittel im Gebärsaal, transplazentarem
Übertritt von blockierenden Schilddrüsen –
autoantikörpern, thyreostatischer Therapie
der Schwangeren mit M. Basedow, oder
vererbte genetische Formen einer milden
Dyshormonogenese.
Neonatales Screening
Durch die Einführung des neonatalen
Screenings in den 1970er Jahren wurde die
präklinische biochemische Diagnose der
kongenitalen Hypothyreose möglich
6), 7) .
Die schwere zerebrale Schädigung von
betroffenen Kindern kann seither durch
Beginn einer Substitutionstherapie in der
ersten Lebenswoche komplett vermieden
werden. Somit ist das Neugeborenen-
Screening für kongenitale Hypothyreose
unter Berücksichtigung aller ökonomi –
schen Kosten einer lebenslangen menta –
len Retardierung eines der erfolgreichsten
und kosteneffizientesten Sekundärpräven –
tionsprogramme in der Medizin
8).
Da während und nach der Geburt das TSH
physiologischerweise bis auf Werte von
100 mU/L ansteigt und in den nächsten
Tagen sich langsam normalisiert, wird das
neonatale Screening erst am 3. Lebenstag
durchgeführt. In der Schweiz wird beim
TSH-basierten Screening ein Cut- off von
15 mU/L angewendet.
Ein pathologischer Screening-Test ist
jedoch noch nicht beweisend für eine
kongenitale Hypothyreose. Bei leicht er –
höhten, nicht sicher pathologischen TSH-
Werten wird von der Geburtsklinik oder dem betreuenden Pädiater eine zweite
Kontrolle mittels Filterpapierkarte ver
–
langt. Bei klar pathologischen TSH-Werten
wird vom Neugeborenenscreening-Labor
in Zürich ein regionales pädiatrisches Zen –
trum beauftragt, die Bestätigungsdiagnos –
tik und die sofortige Therapie einzuleiten.
Die hervorragende Sensitivität des TSH-
basierten Screenings ist aber auf die pri –
mären Hypothyreosen beschränkt. Das
heisst, dass trotz normalem neonatalem
Screening die seltenen zentralen Hypothy –
reosen (fehlender TSH-Anstieg) nicht aus –
geschlossen werden können und bei klini –
schem Verdacht trotzdem sofort eine
venöse Bestimmung von TSH und f T4, f T3
erfolgen sollte
1)–4, 7) .
Bestätigungsdiagnostik
Die venöse Bestätigungsdiagnostik um –
fasst TSH, f T3, f T4, Thyreoglobulin und bei
anamnestischen Hinweisen die Suche
nach mütterlichen Schilddrüsenautoanti –
körpern oder Jodmangel. Die Resultate
müssen nicht abgewartet werden, um eine
Substitutionstherapie mit Levothyroxin zu
beginnen. Ergänzend zur Blutuntersu –
chung sind folgende radiologischen Unter –
suchungen sinnvoll:
1. Ultraschall der Schilddrüse, mit der
Frage nach Lokalisation der Schilddrü –
se und nach Struma gemäss altersent –
sprechender Norm.
2. Röntgen des linken Knies a. p. zur Be-
stimmung des Knochenalters. Die Ab –
senz einer oder beider Epiphysenfugen
weisen beim Termingeborenen auf eine
schwere intrauterine Hypothyreose hin.
3. Die Schilddrüsen-Szintigraphie ist eine
optionale Untersuchung und darf nie
den Beginn der Therapie verzögern. Die
Szintigraphie kann auch ein bis zwei
Tage nach Beginn der Therapie oder bei
Bedarf nach dem 3. Lebensjahr nachge –
holt werden. Die Szintigraphie ist eine
funktionelle Untersuchung und ermög –
licht eine genauere ätiologische Abklä –
rung als der Ultraschall.
Klinik der kongenitalen Hypothy –
reose (siehe Tabelle 2)
Die klassischen klinischen Zeichen einer
kongenitalen Hypothyreose sind nur bei
ca. 5% der Patienten bei Geburt vorhan –
den
9). Sie entwickeln sich im Verlauf der
Ikterus prolongatus
Grosse Fontanelle (v. a. posterior)
Hypotonie, Adynamie, kurze Wachphasen
Trinkschwäche
Rasche Gewichtszunahme trotz Trinkfaulheit
Hypothermie
Makroglossie
Zunehmend grobe Gesichtszüge
Umbilikalhernie
Ta b e l l e 2: Klinische Warnsymptome, die bei
normalem neonatalen Screening an eine
Hypothyreose denken lassen sollten
Vol. 23 Nr. 5 2012
Fortbildung
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Hypothyreose mit Entwicklung von neuro-
logischen Zeichen trotz adäquater Substi –
tution (Hypotonie und später Choreoathe –
tose) sollte an das Brain-lung-thyroid
Syndrom gedacht werden. Zusätzlich kann
in 50% der Patienten Lungensymptome
auftreten (Surfactant-Mangel-Syndrom am
Termin, chronische interstitielle Lungener –
krankung). Das Syndrom wird durch Muta –
tionen im NK-homeobox 2 (NKX2-1)- Gen
verursacht und wird autosomal dominant
vererbt
2)–4), 16) .
Die kongenitale Hypothyreose ist im Wei –
teren assoziiert mit dem Down-Syndrom,
Williams-Beuren-Syndrom und Pseudohy –
poparathyroidismus Typ 1a
1)– 4) .
Offene Fragen
Während die Therapie und Prognose der
schweren Formen der kongenitalen Hypo –
thyreose unbestritten sind, wird die The –
rapie der milden Hyperthyrotropinämie
beim Termingeborenen kontrovers disku –
tiert. Einerseits besteht die Sorge um die
neurokognitive Entwicklung dieser Kinder
ohne Therapie, andererseits gibt es zurzeit
keine Evidenz für eine schlechtere neuro –
logische Langzeitprognose. Diese Fälle in
der «Grauzone» benötigen wie die schwe –
ren Formen ebenfalls rasch eine Evaluati –
on und Beratung durch einen Spezialisten,
der mit den Eltern pro und contra einer
Therapie ausführlich diskutiert und indivi –
duelle Empfehlungen abgibt.
Zusammenfassung und Take home
message
• Die zentr ale Hy p othy r e ose w ir d dur ch das
TSH-basierte Screening nicht erfasst.
• Falsch-negative Resultate im Screening
können bei milden Formen (Hyperthyro –
tropinämie) und sekundärer Dekompen –
sation (Ektopie, Frühgeburt, Zwillinge)
auftreten.
• Trotz normalem Screening sollte bei je-
dem Säugling oder Kleinkind mit klini –
schen Zeichen, die an eine Hypothyreose
denken lassen, frühzeitig eine Kontrolle
der Schilddrüsenwerte erfolgen.
• Die Therapie muss rasch beginnen. The –
rapieerfolg und Compliance sollten in
den ersten Lebensjahren engmaschig
monitoriert werden.
• Die neurologische Langzeitprognose ist
bei frühem Therapiebeginn und guter
C ompliance in den meis ten Fällen nor mal.
Hypothyreose, 2. Fehlender Zusammen
–
hang zwischen «lifestyle» während der
Schwangerschaft und kongenitaler Hypo –
thyreose, 3. Normale neurokognitive Ent –
wicklung durch konsequente Substituti –
onstherapie, 4. Wichtigkeit der Compliance
und der regelmässigen Nachsorgeuntersu –
chungen, 5. Korrekte Verabreichung der
Therapie und 6. Reduzierte Resorption von
Levothyroxin bei gleichzeitiger Einnahme
von Soya, Eisen und Calcium
1).
Follow-up
Das Ziel der Therapie ist es, das fT4 inner –
halb der ersten 2 Wochen zu normalisie –
ren, das TSH bis zur 4. Lebenswoche
11 ).
Deshalb sind Nachkontrollen nach Beginn
der Therapie in 2 wöchentlichen Abstän –
den sinnvoll. Auch nach Normalisierung
der Schilddrüsenparameter sind in den
ersten 3 Jahren regelmässige Kontrollen
notwendig, um frühzeitig Dosisanpassun –
gen an das Gewicht vornehmen zu können
und die Compliance zu überprüfen. In
Langzeitstudien wurde gezeigt, dass Kin –
der mit einmalig erniedrigtem fT4 und er –
höhtem TSH im ersten Lebensjahr einen
tieferen IQ aufweisen als optimal behan –
delte Kinder. Die Guidelines der American
Academy of Pediatrics (AAP) empfehlen
deshalb Kontrollen 1–2 monatlich in den
ersten 6 Lebensmonaten und 3–4 monat –
lich ab dem 6. Lebensmonat bis zum 3.
Jahr. Zielbereich für das fT4 ist die obere
Hälfte der Norm
1)– 4) .
Bei Kindern mit einer milden kongenitalen
Hypothyreose oder isolierten Hypothyro –
tropinämie, welche behandelt wurden, ist
nach dem 3. Lebensjahr (nach Abschluss
der Hirnentwicklung) ein Absetzversuch
möglich, um eine transiente von einer
permanenten Form zu unterscheiden. Zu
diesem Zeitpunkt kann auch eine im neo –
natalen Alter nicht durchgeführte Szinti –
graphie nachgeholt werden, um die Ätiolo –
gie präzis zu klären. Bei Wiederanstieg des
TSH nach Absetzen der Therapie muss von
einer permanenten Form ausgegangen
werden, die lebenslange Substitution be –
nötigt
1)– 4) .
Neurologische Langzeitprognose
Kinder, die innerhalb der ersten 2 Lebens –
wochen und mit adäquater Dosis behandelt
wurden, entwickelten keine mit der konge -nitalen Hypothyreose assoziierte sensori
–
neurale Hypakusis oder psychomotorische
Entwicklungsretardierung
6), 7), 12) . Jedoch
wurde von einzelnen Autoren beschrieben,
dass trotz hochdosierter Therapie Patien –
ten im Alter von 14 Jahren einen normalen,
aber signifikant niedrigeren IQ als gesunde
Kinder aufwiesen
13). IQ -Verlust tritt am
ehesten bei Kindern mit schwerer Hypothy –
reose, Athyreose, ungenügender initialer
Dosis oder Malcompliance auf
11 ) , 1 3 ) . Spezi –
alisierte entwicklungsneurologische Kon –
trollen sind bei diesen Risikopatienten
frühzeitig zu erwägen.
Genetik
Eine Beratung der Eltern über den Erbgang
der Erkrankung je nach Ätiologie ist zentral.
Eine spezialisierte genetische Beratung
sollte allen Familien, falls gewünscht, ange –
boten werden. Die Suche nach Gendefek –
ten ist bei familiären Fällen, spezifischen
syndromalen Formen sowie bei Patienten
mit unerklärten neurologischen Defiziten
trotz adäquater Substitutionstherapie sinn –
voll, um die Familie bezüglich Wiederho –
lungsrisiko und Prognose zu beraten.
Die Formen der Schilddrüsen-Dyshormono –
genese werden autosomal rezessiv vererbt
und treten familiär auf. Hierbei handelt es
sich um Gendefekte in Proteinen, die zur
Schilddrüsenhormon-Synthese notwendig
sind (siehe Tabelle 1): Defekte im Thyroper –
oxidase-Gen und Thyroglobulin-Gen führen
häufig zu ausgeprägter Strumabildung, wel –
che bereits intrauterin sonographisch er –
kennbar sein kann. Die Hypothyreose ist
immer vorhanden. Mutationen im Pendrin-
Gen führen zum Pendred-Syndrom (Kombi –
nation von Innenohrschwerhörigkeit, Mal –
formation der Cochlea und kongenitaler
Hypothyreose). Jedoch tritt die Hypothyre –
ose meist erst nach der Neonatalperiode
auf, weshalb diese Kinder selten im Scree –
ning erfasst werden
1)– 4) .
Die Schilddrüsen-Dysgenesie tritt meist
sporadisch auf, jedoch finden sich auch
familiäre Fälle
14). Kinder mit Schilddrüsen-
Dysgenesie haben eine höhere Rate an
assoziierten Missbildungen, insbesondere
Herzfehler sind gehäuft und müssen ge –
sucht werden
15). Bei familiären Formen fin –
den sich Mutationen im paired box gene 8
(PAX8) und dem TSH-Rezeptor- Gen (TSHR).
Bei Kombination von milder kongenitaler
Vol. 23 Nr. 5 2012
Fortbildung
15
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Korrespondenzadresse
Dr. med Gabor Szinnai, PhD
Pädiatrische Endokrinologie/Diabetologie
Universitäts-Kinderspital beider Basel UKBB
Spitalstrasse 33
4 0 31 B a s e l
gabor.szinnai@ukbb.ch
• Eine
genetische Beratung und allfällige
Mutationssuche ist sinnvoll bei familiä –
ren Fällen, spezifischen syndromalen
Formen und bei Patienten mit neurolo –
gischen Symptomen trotz adäquater
Therapie.
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r o i d i s m: d a t a f r o m t h e I t a l i a n Reg i s t r y f o r C o ng e n i –
Der Autor hat keine finanzielle Unterstützung und
keine anderen Interessens konflikte im Zusammen-
hang mit diesem Beitrag deklariert.
Vol. 23 Nr. 5 2012
Fortbildung
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PD Dr. med. Gabor Szinnai , Abteilung Diabetologie und Endokrinologie, Universitäts-Kinderspital beider Basel UKBB Andreas Nydegger