Synkopen im Kindes- und Jugendalter sind häufig und können zu erheblichem Leidensdruck führen. Meist handelt es sich um gutartige Reflexsynkopen. Selten liegen potentiell lebensbedrohliche kardiale Ursachen zugrunde. Bewusstseinsstörungen aufgrund neurologischer, metabolischer oder endo krinologischer Störungen sind abzugrenzen. Die Anamnese ist meist der Schlüssel zum Verständnis der Genese der Synkope und bestimmt weitere diagnostische Schritte. Therapeutisch ist meist ein aufklärendes Gespräch ausreichend. Selten ist eine medikamentöse Therapie und in Ausnahmefällen eine Schrittmacher- implantation indiziert.
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führt zur \bradykardie/Asystolie (Kardioinhi-
bition) und/oder die Hemmung des N. sym –
pathikus zu einem \blutdruckabfall (Vasodep
–
res
sion). Häufige Prodromi sind Schwitzen,
\b läs se und Üb elkeit . Mit W ie der er langen des
\bewusstseins sind die Kinder müde, aber im
Gegensatz zur Situation nach einem zereb –
ralen Krampfanfall ansprechbar und orien –
tiert.
Blasse Reflexsynkopen
Sie werden in der Regel vor dem 18. Lebens –
monat durch ein leichtes Trauma, Angst oder
Ablehnung elterlicher Gebote verursacht. Eine
vagale Aktivierung führt zu einer \bradykardie/
Asystolie mit konsekutiven Krampfäquivalen –
ten (A b b . 1) . Differentialdiagnostisch sind
respiratorische Affektkr\bmpfe abzugren-
zen, bei denen die Kinder vor dem \bewusst –
seinsverlust weinen, apnoisch und zyanotisch
werden
2) , 4) .
Reflexsynkope des Athleten
Sie treten nach körperlicher \belastung eben-
falls aufgrund einer vagalen Aktivierung
auf
1) , 2) . Differentialdiagnostisch sind Synko –
pen, die während körperlicher \belastung
auftreten und kardialer Genese sein können,
abzugrenzen.
Synkopen au\bgrund
orthostatischer Hypotension
Diese Synkopen manifestieren sich in zeitli –
chem Zusammenhang mit einem Lagewechsel
aus dem Liegen in eine aufrechte Körperhal-
tung und sind Folge eines \blutdruckabfalls
aufgrund einer unzureichenden kompensato –
rischen Konstriktion der \blutgefässe der un –
teren Extremität.
Posturales Tachykardiesyndrom
(POTS)
Diese orthostatisch bedingte Tachykardie
geht mit chronischen Symptomen orthostati –
scher Intoleranz ohne \bewusstseinsverlust
und ohne \blutdruckabfall einher. Das Manifes –
tationsalter liegt bei etwa 15 Jahren und be-
trifft meist Mädchen.
Zusammenfassung
Synkopen im Kindes- und Jugendalter sind
häu\bg und können zu erheblichem Leidens-
druck führen. Meist handelt es sich um gutar-
tige Reflexsynkopen. Selten liegen potentiell
lebensbedrohliche kardiale Ursachen zugrun
–
de. Bewusstseinsstörungen aufgrund neurolo –
gischer, metabolischer oder endo
kri
nolo
–
gisc
her Störungen sind abzugrenzen. Die
Anamnese ist meist der Schlüssel zum Ver-
ständnis der Genese der Synkope und be-
stimmt weitere diagnostische Schritte. Thera –
peutisch ist meist ein aufklärendes Gespräch
ausreichend. Selten ist eine medikamentöse
Therapie und in Ausnahmefällen eine Schritt-
macherimplantation indiziert.
Definition und Pathogenese
Eine Synkope ist charakterisiert durch einen
plötzlich auftretenden, reversiblen und meist
kurzen \bewusstseins- und Tonusverlust auf-
grund einer transienten zerebralen Minder –
perfusion. Ein niedriger \blutdruck und/oder
ein niedriges Herzschlagvolumen sind die
Endstrecke aller Synkopenformen
1).
Einteilung von Synkopen
Im K indes – und Jugendalter tr eten am häu figs –
ten neurokardiogene (vasovagale) Synkopen
auf, die zu den Reflexsynkopen (neural ver –
mittelt) zählen. Seltener sind Synkopen auf –
grund einer orthostatischen Hypotension
oder ein posturales orthostatisches Tachy –
kardiesyndrom (POTS) . Allen Formen liegt
eine gestörte autonome Kontrolle der Herz –
frequenz und/oder des Blutdrucks zugrun –
de. Sehr viel seltener sind potentiell lebensbe-
drohliche kardiale Synkopen ( Ta b . 1).
Ätiologie und Klinik
Reflexsynkopen bei Kindern
und Jugendlichen
Reflexsynkopen werden durch Trigger aus –
gelöst, die zu einer pathologischen Reaktion
des autonomen Nervensystems führen. Die
kompensatorische Aktivierung des N. vagus
Kardiogene Synkopen
Synkopen bei Kindern mit einem angeborenen
Herzfehler, einer Kardiomyopathie oder Herz –
rhythmusstörungen sind viel ernster zu
bewerten und sollten immer zu einer kinder –
kardiologischen Abklärung führen. Anamnes-
tische Warnsignale sind vorausgehende
Synkopen im Kindes- und Jugendalter
\birgit C. Donner a), Jean-Pierre Pfammatter b)
a) Universitäts-Kinderspital beider Basel
b) Inselspital Bern
Störungen der autonomen Kontrolle
mit orthostatischer Intoleranz
Reflexsynkopen
(neural vermittelte Synkopen)
Neurokardiogene (vasovagale) Synkopen
•
Emo
tionale \belastung/orthostatische
\belastung
Situative Synkopen
•
Nach
Schlucken, Husten, Defäkation,
Miktion
Carotis-sinus-Syndrom
•
Haa
re kämmen
Synkopen als Folge orthostatischer
Hypotension (Auswahl)
Dysautonome Synkope des Jugendlichen
bei Lagewechsel
Post
urales Tachykardiesyndrom
Präsynkope/chronische Symptome
Kardiale Synkopen
Synkopen bei strukturellen Herz
fehlern/Kardiomyopathien
(Auswahl)
• Nicht-operierte/korrigierte/palliativ operier te Herzfehler
• Kardiomyopathien/Myokarditis
• Pulmonale Hypertension
• Koronararterienanomalie (angeboren/ erworben: Kawasaki-Syndrom)
• Kardiale Tumore
Herzrhythmusstörungen
als primäre Ursache
(Auswahl)
Tachykardien
•
WPW-Syndrom, wenn schnelle Über-
leitung auf die Ventrikel
• Ventrikuläre Tachykardien
• Ionenkanalerkrankungen Long- QT-Syndrom (DD: medikamentös
ind
uziert; www.qtdrugs.org)
Br
ugada-Syndrom
Kate
cholaminerge polymorphe VT
Bradykardien
• AV Block III° (angeboren, postoperativ,
postinfektiös, genetisch)
• Schrittmacherdysfunktion
Tabelle 1: Ursachen für (Prä)synkopen im
Kindes- und Jugendalter
1Prof. ffRTofaff.bai
1Prof. RTab
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Tachykardien oder Palpitationen. Synkopen
aufgrund einer Koronararterienanomalie oder
einer hypertrophen Kardiomyopathie können
mit plötzlichen \brustschmerzen einhergehen.
Eine Synkope beim Schwimmen, nach lauten
Geräuschen/Erschrecken, nach starker emo-
tionaler \belastung oder im Liegen/Schlafen
können Warnsignale für das Vorliegen eines
Long-QT-Syndroms sein
1) , 2) , 4) .
Diagnostik von Synkopen
Anamnese und körperlicher
Untersuchungsbefund
Mit einer Basisdiagnostik (strukturierte
Anamnese, körperliche Untersuchung, 12-
Kanal-EKG, Blutdruckmessung und ggf.
Orthostase Test) kann bei der Mehrzahl der
Patienten die Ursache der Synkope aufgeklärt
werden
2) , 4) .
Apparative Diagnostik
\bei Verdacht auf das Vorliegen einer kardialen
Synkope oder wenn die \befunde der \basisdia
–
gno
stik nicht eindeutig für das Vorliegen einer
Reflexsynkope/orthostatisch bedingten Syn –
kope sprechen, sollte eine weiterführende
Diagnostik (Echokardiographie und Holter-
EKG ) erfolgen. Durch Event Recorder (ex –
tern oder implantierbar) können seltener
auftretende Herzrhythmusstörungen erfasst
werden. Eine Ergometrie ist b ei Ver dacht auf
belastungsabhängige Herzrhythmusstörun –
gen oder Koronarischämien (z.
\b.
nach Kawa-
saki-Syndrom) indiziert. Eine Kipptischunter
–
such
ung kann bei rezidivierenden Synkopen
unklarer Genese und bei Synkopen in poten –
tiell gefährlichen Situationen zu einer Risiko –
abschätzung beitragen. Eine invasive elektro-physiologische Untersuchung
w ir d nur sehr
selten erforderlich sein. Koronararterienano –
malien oder Kardiomyopathien werden mit
einer weiteren \bildgebung ( MRI, CT, Herzka-
theteruntersuchung) abgeklärt
1) , 2) . \bei Ver-
dacht auf einen zerebralen Krampfanfall ist
eine neurologische Diagnostik sinnvoll.
Therapie
Therapie von Störungen
der autonomen Kontrolle mit
orthostatischer Intoleranz
Meist ist ein aufkl\brendes Gespr\bch über
die relative Harmlosigkeit der Symptome nach
Ausschluss einer kardialen Grunderkrankung
oder eines zerebralen Krampfanfalls ausrei –
chend. Pr\bventionsmassnahmen sind das
Vermeiden typischer Auslösesituationen, die
Zufuhr ausreichender Flüssigkeitsmengen,
regelmässige sportliche Aktivität und das Er-
kennen von Prodromi mit entsprechender
Verhaltensmodifikation (Einnehmen einer lie –
genden Körperhaltung, isometrische Muskel –
kontraktionen)
1) , 3 ) .
Treten wiederholt Synkopen ohne Warnsigna –
le und mit Verletzungen auf, ist eine medika-
mentöse Therapie für einen begrenzten Zeit –
raum (12–24 Monate) zu erwägen. Zahlreiche
Medikamente wurden mit häufig widersprüch-
lichen Ergebnissen untersucht. Teilweise ist
auch von einem Plazeboeffekt auszugehen.
Der selektive α-Agonist Midodrin wirkt bei
allen Störungen der autonomen Kontrolle mit
orthostatischer Intoleranz. Das Mineralokor –
ticoid Fludrocortison kann zur Prävention
der orthostatischen Hypotension eingesetzt
werden. Betarezeptorenblocker werden
nicht mehr zur Therapie der Reflexsynkopen
empfohlen. Serotoninwiederaufnahmehem –
mer werden bei Kindern selten eingesetzt.
Die ventrikuläre Schrittmacherstimulation
kann bei extrem ausgeprägter Symptomatik
eine seltene Therapieoption bei blassen Re –
flexsynkopen sein
1) , 2) .
Therapie kardialer Synkopen
Ziel ist die Therapie der zugrunde liegenden
Herzerkrankung und die Verhinderung eines
plötzlichen Herztodes. Sie kann eine Intensi –
vierung der medikamentösen Therapie, eine
elektrophysiologische Untersuchung ggf. mit
Ablation, Herzkatheterinterventionen oder
kardiochirurgische Eingriffe umfassen.
Fazit für die Praxis
•
\bei
Synkopen im Kindesalter handelt es
sich meist um Störungen der autonomen
Kontrolle mit orthostatischer Intoleranz.
•
Selt
en liegen potentiell lebensbedrohliche
Ursachen aufgrund einer kardialen Erkran –
kung zugrunde.
•
Ana
mnese, körperliche Untersuchung und
EKG besitzen in der Diagnostik einen hohen
Stellenwert.
•
Die
Therapie der orthostatischen Intoler
–
anz
besteht zunächst in einem \beratungs-
gespräch und Verhaltensmodifikation.
•
\bei
Verdacht auf kardial bedingte Synko –
pen, ist eine Vorstellung in einer kinderkar –
diologischen Abteilung empfehlenswert.
Referenzen
1) The Task force for the diagnosis and management
of s yncope of the European Society of Cardiology
(2009). Guidelines for the diagnosis and manage –
ment of syncope (version 2009). Eur Heart J 30:
2631–2671.
2)
Gru
bb B, Oshlansky B (2005) Syncope: mechanis –
ms and management. Blackwell Futura.
3)
van D
ijk N, Quartieri F, Blanc JJ, et al. (2006) Ef fec –
tiveness of physical conterpressure maneuvers in
preventing vasovagal syncope: the physical coun –
terpressure manoeuvres trial (PC -Trial). J Am Coll
C a r d i o l 4 8: 1652–165.
4)
Don
ner B, Hessling G, Schmidt KG (2012) Synkopen
im Kindes – und Jugendalter. Monatsschrift Kinder –
heilkunde 5: 499–514.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. \birgit C. Donner
Leitende Ärztin Kardiologie
Universitäts-Kinderspital beider \basel (UK\b\b)
Spitalstrasse 33, Postfach
CH- 4031 \basel
\birgit.Donner@ ukbb.ch
Interessenkonflikt
Die korrespondierende Autorin gibt an, dass
kein Interessenskonflikt besteht.
Abb 1:
Aus schnit t aus einem Holter- EKG eines 2- jähr igen Jungen mit einer
Asystolie über 40s nach leichtem Anstossen des Kopfes an Tischkante
1Prof. ffRTofaff.bai
1Prof. RTab
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med. Birgit Donner , Leitende Ärztin, Leitung Kinderkardiologie, Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB), Basel Jean-Pierre Pfammatterb Andreas Nydegger