Sojabohnen wurden erstmals 1909 als Grundstoff zur Herstellung von Säuglingsnahrung eingesetzt, zunächst mit Verwendung zur Behandlung von Durchfällen und später zur diätetischen Behandlung von Säuglingen mit Kuhmilcheiweissunverträglichkeit. In den folgenden Jahrzehnten wurden Säuglingsnahrungen auf der Basis von Sojabohnenmehl, seit 1960 auf der Basis von Sojaeiweissisolaten, empirisch für eine breite Palette von Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen des Säuglings eingesetzt, ohne dass der Nutzen dieses Vorgehens durch systematische Studien belegt wurde. In den vergangenen Jahren sind zunehmend Fragen und Besorgnisse zur Verwendung von Sojanahrungen für Säuglinge diskutiert worden, insbesondere vor dem Hintergrund hoher Gehalte an Phytoöstrogenen. Pädiatrische Fachgesellschaften und Behörden in Australien, Europa, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Kanada, Neuseeland und den USA haben empfohlen, Sojanahrungen für Säuglinge nur bei besonderer Indikation zu verwenden. Die Ernährungskommission nimmt hier vor dem Hintergrund der erwähnten Empfehlungen Stellung.
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Sojabohnen wurden erstmals 1909 als
Grundstoff zur Herstellung von Säuglings –
nahrung eingesetzt, zunächst mit Verwen –
dung zur Behandlung von Durchfällen und
später zur diätetischen Behandlung von
Säuglingen mit Kuhmilcheiweissunverträg –
lichkeit 1)–3) . In den folgenden Jahrzehnten
wurden Säuglingsnahrungen auf der Basis
von Sojabohnenmehl, seit 1960 auf der
Basis von Sojaeiweissisolaten, empirisch
für eine breite Palette von Krankheiten
und Befindlichkeitsstörungen des Säuglings
eingesetzt, ohne dass der Nutzen dieses
Vorgehens durch systematische Studien
belegt wurde. In den vergangenen Jahren
sind zunehmend Fragen und Besorgnisse
zur Verwendung von Sojanahrungen für
Säuglinge diskutiert worden, insbesondere
vor dem Hintergrund hoher Gehalte an
Phytoöstrogenen. Pädiatrische Fachgesell –
schaften und Behörden in Australien, Eu –
ropa, Frankreich, Grossbritannien, Irland,
Kanada, Neuseeland und den USA haben
empfohlen, Sojanahrungen für Säuglinge
nur bei besonderer Indikation zu verwen –
den 4)–10) . Die Ernährungskommission nimmt
hier vor dem Hintergrund der erwähnten
Empfehlungen Stellung.
Säuglingsnahrungen
auf Sojaeiweissbasis
In der Europäischen Union dürfen Säuglings –
anfangsnahrungen und Folgenahrungen auf
der Basis von Kuhmilchprotein oder Sojapro –
tein angeboten werden. Da die biologische
Wertigkeit von Sojaeiweiss geringer ist als
diejenige von Kuhmilcheiweiss, wird für
Nahrungen auf Sojaeiweissbasis ein höherer
Mindesteiweissgehalt gefordert (2,25 g/100
kcal gegenüber 1,8 g/100 kcal für kuhmilch –
basierte Nahrungen) 11)–13) . Zum Ausgleich
des geringen Methioningehaltes von Soja –
eiweiss werden Sojanahrungen mit freiem
L-Methionin angereichert. In vergleichenden
Studien zeigte sich, dass die Methionin –
supplementierung von Sojanahrungen, die
2,2 und 2,6 g Eiweiss/100 kcal enthielten,
die Gewichtszunahme, Harnstoff- und Al –
bumin-Konzentrationen im Serum günstig
beeinflusste 14). Kontrollierte Studien bei
reifgeborenen Säuglingen, die in den ersten
4–12 Lebensmonaten Säuglingsnahrung aus
Kuhmilcheiweiss oder aus Sojaeiweiss mit
Methioninzusatz erhielten, zeigten etwa
gleiche Ergebnisse für Gewichtszunahme
und Längenwachstum, Knochenmineralisie –
rung und zahlreiche biochemische Parame –
ter 15)–19) . Auf der Grundlage dieser Ergebnisse
wird gefolgert, dass Sojanahrungen bei reif –
geborenen Säuglingen eine angemessene
Nährstoffversorgung sicherstellen können,
jedoch keinen Vorteil gegenüber kuhmilch –
basierten Säuglingsnahrungen aufweisen.
Im Gegensatz dazu war die Gabe von So –
janahrungen an 17 Frühgeborene von der
3.–8. Lebenswoche mit einem Geburtsge –
wicht unter 1500 g in einer Studie mit einer
signifikant geringeren Gewichtszunahme und
niedrigeren Protein- und Albuminkonzen –
trationen im Plasma assoziiert als in einer
Kontrollgruppe mit Gabe einer Frühgebo –
renennahrung auf der Basis von Kuhmilch –
molkenprotein mit gleicher Energie- und
Eiweisszufuhr 20). Auf der Grundlage dieser
Ergebnisse wird empfohlen, Frühgeborene
nicht mit Sojanahrungen zu ernähren.
Phytat
Säuglingsnahrungen mit Sojaeiweissisola –
ten enthalten um 1–2% Phytat, das die Resorption von Mineralstoffen und Spuren
–
elementen wie Phosphor, Eisen, Zink und
möglicherweise Jod reduzieren kann 21), 22) .
Der geringeren Bioverfügbarkeit von Eisen,
Phosphor und Zink in Sojasäuglingsnah –
rungen wird durch höhere Gehalte Rechnung
getragen 12). Von 125 Frühgeborenen, die
mit Sojanahrungen ernährt wurden, zeigten
jedoch 32% trotz zusätzlicher Gaben von
Calcium und Vitamin D eine röntgenologisch
nachweisbare Osteopenie bzw. Rachitis 23), 24) .
Dagegen traten bei Frühgeborenen mit sehr
niedrigem Geburtsgewicht, die eine vermin –
derte Gewichtszunahme unter Sojanahrung
aufwiesen, keine Zeichen von Rachitis oder
gestörtem Mineralstoffwechsel auf 20). Durch
Behandlung mit Phytase kann der Phytat –
gehalt von Sojanahrung vermindert und die
Resorption von Zink und Kupfer erhöht wer –
den 25), 26) . Soweit der Ernährungskommission
bekannt, werden jedoch die in Europa verfüg –
baren Sojaeiweissnahrungen nicht generell in
ihrem Phytatgehalt reduziert.
Aluminium
Die Ernährungskommission der amerika –
nischen Akademie für Pädiatrie hat auf
den höheren Aluminiumgehalt von Soja –
nahrungen (500–2400 µg/l) im Vergleich
zu Kuhmilchnahrungen (15–400 µg/l) und
Muttermilch (4–65 µg/l) hingewiesen, der
durch Kontamination der Zutaten bedingt
ist9). Bei Säuglingen und Kleinkindern mit
Niereninsuffizienz und bei Frühgeborenen
besteht durch die verringerte renale Elimi –
nation von Aluminium theoretisch ein Risiko
einer Aluminiumretention in Blut und Ge –
weben (Gehirn und Knochen) mit toxischen
Wirkungen und Beeinträchtigung der Cal –
ciumabsorption. Allerdings bleibt die täg –
liche Aluminiumaufnahme auch bei hohem
Gehalt in Sojanahrungen unter der von der
Weltgesundheitsorganisation als tolerabel
angesehenen täglichen Zufuhrmenge von
1 mg/kg 27). Zu möglichen Langzeitwirkungen
der erhöhten Aluminiumzufuhr durch Soja –
nahrungen bei gesunden Kindern liegen
jedoch keine Informationen vor. Dennoch
erscheint aus Gründen des vorbeugenden
Gesundheitsschutzes eine möglichst weit –
gehende Reduktion des Aluminiumgehaltes
dieser Produkte wünschenswert.
Phytoöstrogene
Unter dem Begriff Phytoöstrogene wird eine
Gruppe pflanzlicher Substanzen zusammen –
Konsensuspapier
Stellungnahme zur Verwendung
von Säuglingsnahrungen
auf Sojaeiweissbasis 1
Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin,
Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie.
Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin: H. J. Böhles, C. Fusch, O. Genzel-Boroviczeny, J. Henker, B. Koletzko (Vorsitzender), M. Kersting (Gast), M. Lentze, R. G. Maaser, F. Manz, W. Mihatsch, F. Pohlandt, H. Przyrembel (Gast) Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie: C. P. Braegger (Präsident), P. Baehler, O. Baenziger, D. Belli, G. Délèze, R. Furlano, J. Laimbacher, M. Roulet, J. Spalinger, P. Studer
1 Dieser Artikel ist in der Monatsschrift Kinderheilkunde 2006 erschienen
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Vol. 17 No. 5 2006 E m p f e h l u n g e n / R e c o m m a n d a t i o n s
gefasst, die eine östrogenartige Wirkung
entfalten können 28). In Sojabohnen finden
sich besonders hohe Phytoöstrogengehalte,
insbesondere der Isoflavone Genistein und
Daidzein, die überwiegend als Glykoside
(Genistin und Daidzin) vorliegen 29). Isofla –
vone können an Östrogenrezeptoren binden
und dosisabhängig östrogenartige oder an –
tiöstrogene Wirkungen entfalten 30). Soja-
Säuglingsnahrungen enthalten wesentlich
höhere Isoflavonkonzentrationen (17,5–47
µg/ml) als Kuhmilch-Säuglingsnahrungen
(0,1–5 µg/l) und Muttermilch (0–32 µg/l) 7),
29). Bei mit Sojanahrungen ernährten Säug –
lingen führt die hohe Zufuhr zu stark erhöh –
ten Plasmakonzentrationen an Isoflavonen
(552–1775 ng/ml, mittlere Konzentration
980 ng/ml), die erheblich über den Plas –
magehalten bei Säuglingen unter Kuhmilch –
nahrungen (9,4±1,2 ng/ml) oder gestillten
Säuglingen (4,7±1,3 ng/ml) liegen 29), 31), 32) .
Über die biologischen Wirkungen dieser ho –
hen Nahrungszufuhr und Plasmakonzentra –
tionen an Phytoöstrogenen bei Säuglingen
besteht Unsicherheit. Auf molarer Basis
haben Isoflavone eine etwa 1×10 –4–1×10 –3
geringere östrogene Aktivität als 17–Östra –
diol 33). Bei Tieren hat eine hohe Zufuhr an
Phytoöstrogenen nachteilige Wirkung auf
die sexuelle Differenzierung, Reproduktion
sowie die Entwicklung des Immunsystems
und fördert die Karzinogenese 8), 29), 34)–36) .
Allerdings sind neben krebsfördernden auch
krebsverhütende Effekte bei Tieren be –
schrieben worden. Eine mögliche Erklärung
könnte darin liegen, dass in den Studien, die
zu negativen Effekten führten, überwiegend
isolierte, nicht-glykosylierte Isoflavone und
zum Teil eine parenterale Zufuhr verwendet
wurden, während in Studien mit krebsverhü –
tenden Wirkungen Sojaeiweiss mit hohem
Gehalt an Glykosiden verfüttert wurde 37).
Studien mit nicht genau definierten Isofla –
vonpräparationen sind untereinander nicht
vergleichbar 38), 39) .
Genistein und Daidzein können in vitro bei
Konzentrationen von 1–10 µMol/L die Akti –
vität der Schilddrüsen-Peroxidase hemmen,
die für die Synthese von Schilddrüsenhor –
mon unverzichtbar ist. Diese Hemmung
ist in Anwesenheit von Jod (150 µMol/L)
reversibel 40). Das Serum von Säuglingen, die
Sojanahrungen erhalten haben, weist Isofla –
vongehalte in dieser Grössenordnung auf 29).
Phytoöstrogene können zu einer reduzierten
Plasmakonzentration an freiem Thyroxin
führen und das Risiko der Manifestation
einer Hypothyreose im Säuglingsalter erhö –
hen 7), 41)–43) . Eine retrospektive epidemolo –
gische Studie mit Telefoninterviews von 59
Kindern mit Autoimmunerkrankungen der
Schilddrüse fand, dass 31% als Säuglinge
Sojanahrungen erhalten hatten, während
dies nur bei 12% ihrer gesunden Geschwister
und bei 13% von gesunden gleichaltrigen
Kontrollkindern der Fall war 44).
Strom und Mitarbeiter führten in den USA
telefonische Interviews bei 811 Erwachse –
nen im Alter von 20–34 Jahren durch, die
als Säuglinge in den 60er- und 70er-Jahren
an vergleichenden Ernährungsstudien mit
Soja- und Kuhmilchnahrungen teilgenom –
men hatten 45). Während für die meisten er –
fragten Endpunkte (Körpermasse, Schilddrü –
sen- und andere endokrinologische Erkran –
kungen, Pubertätsverlauf, Fertilität, Krebs,
Geschlechtsorientierung, Fehlbildungsrate
der eigenen Kinder) keine Unterschiede zwi –
schen den beiden Fütterungsgruppen gefun –
den wurde, berichteten Frauen, die im Säug –
lingsalter mit Sojanahrung ernährt worden
waren, über eine signifikant längere Dauer
der Monatsblutung (+0.37 Tage, p<0.05),
stärkere Menstruationsbeschwerden (rela -
tives Risiko für starke Beschwerden 1.77,
95%-Konfidenzintervall 1.05–3.0) und über
häufigeren Gebrauch antiasthmatischer und
antiallergischer Medikamente (18.8% vs.
10.1%, p=0.047), während sich bei Männern
lediglich ein nicht signifikanter Trend zeigte
(15.8% vs. 10.2%, p=0.08).
Ein möglicher Zusammenhang zwischen
einer Säuglingsernährung mit Sojanahrung
und dem späteren Auftreten von Erdnussal-
lergien wird diskutiert 46), 47) .
Kommentar
Obwohl die zitierten Daten keine sicheren
Schlussfolgerungen zulassen, räumen sie
die Besorgnis über mögliche nachteilige
Effekte der Ernährung mit Sojanahrungen
nicht aus. Deshalb sprechen sich die Er -
nährungskommissionen dafür aus, Soja -
nahrungen nicht als Standardnahrung für
die Ernährung nicht gestillter Säuglinge zu
verwenden, sondern sie nur mit spezifischen
Indikationen bei ausgewählten Säuglingen
einzusetzen.
Die Ernährungskommissionen weisen in
diesem Zusammenhang darauf hin, dass
die derzeit in Deutschland auf dem Markt
befindlichen Sojanahrungen für Säuglinge
nicht als Säuglingsnahrungen für die Ernäh -
rung gesunder Säuglinge angeboten werden,
sondern als bilanzierte Diäten (Lebensmittel
für besondere medizinische Zwecke). Ent -
sprechend dürfen sie nach geltendem eu -
ropäischem Recht nur unter medizinischer
Überwachung bei Patienten eingesetzt wer -
den, nicht aber für die Ernährung von gesun -
den Kindern 48), 49) .
Mögliche Indikationen
für Säuglingsnahrungen
auf Sojaeiweissbasis
Schwere persistierende Laktose
intoleranz und Galaktosämie
Die seltenen Fälle von hereditärem angebo -
renem Laktasemangel im Säuglingsalter und
die klassische Galaktosämie (Galaktose-1-
Phosphaturidyltransferase-Mangel) sind In -
dikationen für die Verwendung laktosefreier
Sojanahrungen 50). Eine Laktoseintoleranz
auf genetischer Basis, die sich frühestens
im zweiten Lebensjahr manifestiert und
eine passagere Darmmukosaschädigung
mit vorübergehender Verminderung der
Laktaseaktivität, z.B. im Rahmen einer aku -
ten Gastroenteritis, sind in der Regel keine
Indikation für die Verwendung einer laktose -
freien Sojanahrung 51), 52) .
Kuhmilchallergie
Vor der Verfügbarkeit therapeutischer Nah -
rungen auf der Basis extensiver Proteinhy -
drolysate wurden Säuglinge mit Kuhmilchal -
lergie in der Regel mit Sojanahrungen be -
handelt. Jedoch ist auch Sojaprotein ein
häufiger Auslöser allergischer Reaktionen.
Das Auftreten von Sojaeiweissallergien nach
Gabe von Sojanahrungen bei Säuglingen
mit Kuhmilchallergien wurde in einer Häu -
figkeit von bis zu 30–50% berichtet, mit
einer höheren Häufigkeit bei Kindern mit
nicht IgE-vermittelter Enteropathie 53)–57) .
Von 2108 Säuglingen mit Kuhmilcheiweiss -
allergie in Italien wurden 50% mit einer
Sojanahrung behandelt. Bei 47% der Kinder
wurde die Sojanahrung wieder abgesetzt,
mit einer höheren Abbruchrate bei Säug -
lingen in den ersten drei Lebensmonaten
(53%) als bei Kindern im Alter über einem
Jahr (35%) 58). Diese Beobachtungen spre -
chen für eine schlechtere Verträglichkeit
einer Sojanahrung bei jungen Säuglingen
mit Kuhmilchallergie, wie sie auch in einer
randomisierten finnischen Studie berichtet
wurde 59). Die Ernährungskommission der
amerikanischen Akademie für Pädiatrie 10)
und die Ernährungskommission der ESPG -
HAN 11), 60) (European Society of Paediatric
Gastroenterology, Hepatology and Nutriti -
E m p f e h l u n g e n / R e c o m m a n d a t i o n s
18
Vol. 17 No. 5 2006
on) haben von der Gabe von Sojanahrungen
als initiale Behandlung bei Säuglingen mit
Kuhmilchallergie abgeraten. In Übereinstim -
mung mit diesen Stellungnahmen empfeh -
len die Ernährungskommissionen hier für
den Behandlungsbeginn bei Säuglingen mit
Kuhmilchallergie die Verwendung therapeu -
tischer Nahrungen auf der Basis extensiver
Eiweisshydrolysate oder ggf. auf der Basis
von Aminosäuremischungen, insbesondere
wenn extensive Hydrolysate nicht toleriert
werden. Sojanahrungen sollten bei Säug -
lingen mit Kuhmilchallergie in den ersten 6
Lebensmonaten generell nicht verwendet
werden. Falls ab dem zweiten Lebenshalb -
jahr Sojanahrungen als therapeutische Diät
wegen ihrer geringeren Kosten und bes -
seren Akzeptanz erwogen werden, sollte
die Toleranz von Sojaprotein durch eine
Belastung des Kindes unter kontrollierten
Bedingungen geprüft werden.
Prävention atopischer Erkrankungen
Ein präventiver Effekt von Sojanahrungen
für allergische Erkrankungen wird durch
kontrollierte Studien nicht gestützt. Eine
Metaanalyse von fünf randomisierten und
quasi-randomisierten klinischen Studien
zeigte, dass Sojanahrungen dem Auf -
treten von Nahrungsmittelallergien bei
Säuglingen mit erhöhtem Risiko nicht
vorbeugen 61).
Säuglingskolik und vermehrtes Spucken
In einer Metaanalyse von 27 kontrollierten
Interventionsstudien bei infantiler Kolik
zeigte sich in Studien mit guter metho -
discher Qualität kein Nutzen einer Ernäh -
rung mit Sojanahrungen 62).
Ethische und religiöse Gesichtspunkte
Einige Familien möchten ihren Säuglingen
aufgrund vegetarischer oder veganischer
Überzeugungen oder aus religiösen Gründen
wie bei koscherer Ernährung keine Kuh -
milchnahrungen geben. Für diese Familien
können Sojanahrungen unter Berücksich -
tigung der zuvor erwähnten Bedenken eine
Alternative darstellen.
Schlussfolgerungen
1. Für nicht oder nicht vollgestillte Säug -
linge sollten Säuglingsnahrungen und
Folgenahrungen auf der Basis von Kuh -
milcheiweiss (bei erhöhtem Allergie -
risiko gegebenenfalls hydrolysiertem
Kuhmilcheiweiss) die erste Wahl sein.
2. Säuglingsnahrungen auf der Basis von
Sojaproteinisolaten sollten nur mit be -
gründeter Indikation eingesetzt werden,
da Nachteile wegen ihrer Gehalte an
Phytat, Aluminium und Phytoöstrogenen
nicht auszuschliessen sind.
3. Frühgeborene sollten keine Sojanah
-
rungen erhalten, da hier ungünstige
Effekte auf die Gewichtszunahme und
den Eiweissstoffwechsel beobachtet
wurden.
4. Mögliche Indikationen für Sojanah
-
rungen sind die seltene angeborene
Laktoseintoleranz, Galaktosämie sowie
religiöse und ethische Überzeugungen,
die zur Ablehnung von kuhmilchbasier -
ten Säuglingsnahrungen führen.
5. Zur Behandlung von Kuhmilchallergie
sollten bevorzugt therapeutische Nah -
rungen auf der Basis extensiver Eiweiss -
hydrolysate oder gegebenenfalls auf
der Basis von Aminosäuremischungen
eingesetzt werden. Zur Therapie von
Nahrungsmittelallergien sollten Soja -
nahrungen in den ersten 6 Lebensmo -
naten nicht eingesetzt werden. Falls
der Einsatz von Sojanahrungen nach
dem ersten Lebenshalbjahr wegen ihrer
geringeren Kosten und besseren Akzep -
tanz erwogen wird, sollte die Toleranz
von Sojaprotein durch eine kontrollierte
Belastung dokumentiert werden.
6. Sojanahrungen tragen nach den vorlie
-
genden Daten nicht zur Prävention von
allergischen Erkrankungen bei.
7. Es gibt keine Grundlage für den Einsatz
von Sojanahrungen für die Prävention
oder Behandlung von Spucken, Säug -
lingskoliken oder verlängertem Schrei -
en.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. B. Koletzko
Dr. von Haunersches Kinderspital
Klinikum der Universität München
Lindwurmstr. 4
D-80337 München
berthold.koletzko@med.uni-muenchen.de
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Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med. Berthold Koletzko , Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Universität München