In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Insulinpumpe zunehmend als Therapieoption bei Patienten mit Typ 1 Diabetes mellitus etabliert. Immer öfter werden auch Kinder und Jugendliche auf die kontinuierliche subcutane Insulininfusionstherapie ein-/umgestellt. Der Pädiater kann deshalb zunehmend mit Notfallsituationen bei Pumpenträgern konfrontiert sein. Der vorliegende Artikel soll Sie etwas mit der Materie vertraut machen und gewisse Hintergründe wie auch Handlungsmöglichkeiten aufzeichnen.
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F o r t b i l d u n g / F o r m a t i o n c o n t i n u e Vol. 21 No. 1 2010
Ursachen für unterbrochene Insulin-
zufuhr:
• Katheter/Kanüle verstopft/geknickt
\bhäufigste Ursache)
• Luft im System
• Insulinampulle leer
• Insulin defekt \bgefroren/überwärmt)
• Batterie leer
• Pumpe ausgeschaltet/verstellt
• Technischer Defekt
• Verminderte Insulinabsorption \bLipodys –
trophie/lokale Entzündung)
Alternativ kann wie bei allen Diabetikern
auch eine Pumpen-unabhängige Ursache
der Ketoazidose vorliegen: Erhöhter Insu –
linbedarf bei febrilem Infekt/Steroidthe –
rapie oder eine Malcompliance.
\bas tun bei drohender Ketoazidose
Droht der Blutzucker nach oben zu ent –
gleisen, muss von einem absoluten Insu –
linmangel ausgegangen werden. Die wich –
tigste Notfallmassnahme ist in diesem Fall
eine sofortige Insulinapplikation. Um diese
zu gewährleisten, muss schnellwirksames
Insulin mittels Spritze oder Pen injiziert
werden. Erst dann kann in Ruhe nach der
Ursache der unterbrochenen Insulinzufuhr
gesucht werden \bs. o.). Ist diese ersichtlich,
wird sie entsprechend behoben. Für tech –
nische Probleme oder Unklarheiten in der
Bedienung der Pumpe bieten Roche
® und
Medtronic ® eine 24-Std.-Hotline an, wo
sowohl Patienten wie auch Medizinalperso –
nen Ratschläge einholen können.
Ist die Ursache nicht sichtbar, muss man
– Malcompliance ausgeschlossen – von
einer reduzierten Durchgängigkeit des
Schlauchsystems ausgehen. Da Kinder oft
eine kleine Insulindosis benötigen, wird der
benötigte Druck, um einen «Verstopfungs –
alarm» auszulösen, oft erst nach mehreren
Stunden erreicht, so dass dessen Fehlen
eine Verstopfung nicht ausschliesst. Der
erste Schritt zur Problemlösung liegt also
in einem Wechsel von Katheter und Kanüle,
am besten auch gleich des Insulinreservoirs.
Ob die Insulinzufuhr nun gewährleistet ist,
kann erst nach mehreren Stunden beurteilt
werden, wenn das mittels Pen/Spritze inji-
zierte Insulin seine Wirkung beendet hat. Es
ist deshalb unerlässlich, den Patienten und
seine Eltern zu instruieren, ca. zweistündlich
Blutzuckerkontrollen durchzuführen. Stellt
sich keine Stabilisierung ein, ist eine Zuwei –
sung in ein pädiatrisch-diabetologisches
Zentrum angezeigt.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat
sich die Insulinpumpe zunehmend als The –
rapieoption bei Patienten mit Typ 1 Diabe –
tes mellitus etabliert. Immer öfter werden
auch Kinder und Jugendliche auf die konti –
nuierliche subcutane Insulininfusionsthe –
rapie ein-/umgestellt. Der Pädiater kann
deshalb zunehmend mit Notfallsituationen
bei Pumpenträgern konfrontiert sein. Der
vorliegende Artikel soll Sie etwas mit der
Materie vertraut machen und gewisse
Hintergründe wie auch Handlungsmöglich –
keiten aufzeichnen.
Indikation für die Insulinpumpe
Medizinische Indikationen für die Insulin –
pumpe sind ein ausgeprägtes Dawn-Phä –
nomen \bfrühmorgendliche Insulinresistenz
aufgrund vermehrter Wachstumshormon-
und Cortisolausschüttung), wie dies oft in
der Pubertät beobachtet wird, oder grosse
Hypoglykämieneigung, v. a. nachts. Allen –
falls kann auch ein sehr labiler Diabetes
mit der Pumpe feiner eingestellt werden.
Bei älteren Kindern/Jugendlichen sind es
hauptsächlich persönliches Interesse und
eigene Motivation, die zur Entscheidung
für eine Insulinpumpentherapie führen –
unabhängig von medizinischen Gründen.
Es besteht der Wunsch nach maximaler
Flexibilität hinsichtlich des Tagesrhythmus’
\bz. B. Zeitpunkt der Mahlzeiten, des Zu –
bettgehens, Ausschlafen am Wochenende
oder in den Ferien, Sport), kombiniert mit
der Hoffnung, weniger Insulininjektionen
durchführen zu müssen. Bei kleinen Kin –
dern kann die Pumpe das Diabetesmanage –
ment durch die Eltern v. a. dann erleichtern,
wenn es sich um sehr heikle Esser oder
speziell unregelmässig aktive Patienten
handelt.
Funktion der Insulinpumpe
In der Schweiz werden mehrheitlich die
Pumpenmodelle der Firmen Roche ® \b www.
roche.ch ) und Medtronic ® \bwww.medt –
ronic.ch ) verwendet. Es handelt sich bei
beiden Modellen um technisch hochwer –
tige Geräte mit ähnlichen Funktionen,
lediglich die Bedienung variiert. Dieses
Jahr wird ebenfalls ein neues System von
der Firma Ypsomed
® \bwww.ypsomed.ch )
lanciert, welches im Gegensatz zu den
bewährten Modellen aus einem kleinen
Insulinpatch besteht, welcher direkt in die
Subcutis gesteckt wird und kabellos über
eine handliche Maschine gesteuert wird.
Persönliche Erfahrungen damit stehen
noch aus.
Die Insulinpumpe erfüllt hauptsächlich
zwei Funktionen: Einerseits gibt sie eine
kontinuierliche, in stündlichen Intervallen
programmierbare Basalrate ab, anderer –
seits appliziert sie nach Betätigung der
entsprechenden Funktion durch den Pum –
penträger oder einer Hilfsperson variable
Insulinboli, z. B. für Mahlzeiten oder zur
Korrektur eines erhöhten Blutzuckers. Es
gilt zu beachten, dass die Pumpe nicht
Blutzucker messen kann. Sie ist nur eine
Methode der Insulinapplikation, die vom
Träger gesteuert werden muss. Sie ersetzt
die regelmässigen Blutzuckerkontrollen
und Insulindosisberechnungen nicht!
Das Infusionsset, bestehend aus Kanüle,
Katheter und Insulinreservoir, muss alle
3 Tage gewechselt werden. Bei geringem
Insulinbedarf können Katheter und Re –
servoir 6 Tage verwendet und die Kanüle
separat 3-täglich neu gesteckt werden.
Gefahr der Insulinpumpe
Bei der Insulinpumpentherapie wird der
basale Insulinbedarf mittels kontinuierli –
cher Abgabe eines kurzwirksamen \bAna –
log-)Insulins gedeckt. Dies macht die Gabe
eines Depotinsulins hinfällig, was wieder –
um bedeutet, dass bei einem Unterbruch
der Insulinzufuhr keine Insulinreserven im
Körper vorhanden sind. In einem solchen
Fall droht die ketoazidotische Entglei –
sung, und zwar deutlich schneller als
unter funktioneller oder konventioneller
Insulintherapie, wo stets Depotinsulin
vorhanden ist.
Notfälle bei \bindern/Jugendlichen unter
Insulinpumpentherapie
Ursina A. Scheidegger, Primus E. Mullis, Bern
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Liegt bereits eine Ketoazidose vor, emp –
fiehlt sich von vornherein eine Zuweisung
ins pädiatrisch-diabetologische Zentrum.
Hypoglykämie
Übersteigt die Insulinzufuhr den Bedar f,
kommt es natürlich auch bei Pumpen –
trägern zu einer Hypoglykämie. Ist diese
von schwerem Ausmass, muss sofort
die Insulinzufuhr unterbrochen werden.
Am einfachsten geschieht dies durch
Abkopplung oder Entfernung der Pumpe.
Die Behandlung der Hypoglykämie be –
steht ansonsten wie üblich in peroraler
oder intravenöser Glucosezufuhr oder
Glucagoninjektion, je nach Schweregrad
und Umständen.
Kosten
Die Insulinpumpe wird vom Patienten ge –
mietet. Die Krankenkasse erstattet dem
Pumpenträger einen täglichen Fixbetrag
zurück, der Mietkosten und Ausgaben für
das zusätzliche Verbrauchsmaterial \bKa –
theter, Kanülen, Insulinreservoirs etc.) im
Idealfall deckt. Falls das Infusionsset we –
gen häufiger Verstopfung öfter gewechselt
werden muss, übersteigen die Kosten z. T.
den Maximalbetrag der Krankenkassen –
rückerstattung. Für die Zusatzkosten muss
der Patient selber aufkommen.
Zusammenfassend handelt es sich bei der
Insulinpumpentherapie um die physiolo –
gischste Form der Diabetesbehandlung.
Sie steht jedem Patienten zur Verfügung,
der die entsprechende Compliance ge –
währleistet. Das Hauptrisiko der Pum –
pentherapie besteht in der Gefahr einer
Ketoazidose im Falle von unterbrochener
Insulinzufuhr.
Der besseren Leserlichkeit halber wurde nur die männ –
liche Form \bon Personenbezeichnungen \berwendet. Sie
gilt selbst\berständlich auch für Personen weiblichen
Geschlechts.
\borrespondenzadresse
Dr. med. Ursina Scheidegger
Pädiatrische Endokrinologie/
Diabetologie/Metabolik
Medizinische Universitätskinderklinik
Inselspital
Bern
031 632 21 11
ursina.scheidegger@insel.ch
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Ursina A. Scheidegger , Pädiatrische Endokrinologie/ Diabetologie/Metabolik, Medizinische Universitätskinderklinik, Inselspital Bern