Verzögerungen in der Diagnosestellung von Stoffwechselkrankheiten führen oft zu einer bleibenden Beeinträchtigung der psychomotorischen Entwicklung des betroffenen Kindes. Nur wenn der erstbetreuende Haus- oder Kinderarzt frühzeitig die Verdachtsdiagnose einer metabolischen Störung erhebt, kann eine zeitnahe Therapieeinleitung erfolgen. Als Behandlungsmodalitäten stehen die Elimination und Vermeidung potentiell toxischer Substanzen im Vordergrund. Bei einigen Stoffwechselkrankheiten können fehlende Substanzen substituiert werden. Diätetische Massnahmen und im zunehmenden Masse auch störungsspezifische Medikamente stehen bei einigen Krankheiten als weitere Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Durch eine genetische Bestätigungsdiagnose können die Eltern gezielt vor weiteren Schwangerschaften beraten werden. Wir möchten in den nachfolgenden Ausführungen den Lesern anhand einer angeborenen seltenen Krankheit (Smith Lemli Opitz Syndrom/SLOS) grundsätzliche Prinzipien der Diagnostik und Therapie von metabolischen Störungen darlegen. Das SLOS manifestiert sich durch unzureichende maternale Kompensationsmöglichkeiten bereits pränatal. Die Begleitung und Beratung etwa der Diätanpassung und weiterer therapeutischer Massnahmen erfolgt interdisziplinär und bedarf eines guten und belastbaren Vertrauensverhältnisses zwischen dem Behandlungsteam und der betroffenen Familie.
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Fortbildung Neuropädiatrie
Einleitung
Verzögerungen in der Diagnosestellung von
Stoffwechselkrankheiten führen oft zu einer
bleibenden Beeinträchtigung der psychomo-
torischen Entwicklung des betroffenen Kin –
des. Nur wenn der erstbetreuende Haus- oder
Kinderarzt frühzeitig die Verdachtsdiagnose
einer metabolischen Störung erhebt, kann
eine zeitnahe Therapieeinleitung erfolgen. Als
Behandlungsmodalitäten stehen die Elimina –
tion und Vermeidung potentiell toxischer
Substanzen im Vordergrund. Bei einigen Stoff –
wechselkrankheiten können fehlende Subs –
tanzen substituiert werden. Diätetische Mass –
nahmen und im zunehmenden Masse auch
störungsspezifische Medikamente stehen bei
einigen Krankheiten als weitere Therapiemög-
lichkeiten zur Verfügung. Durch eine geneti –
sche Bestätigungsdiagnose können die Eltern
gezielt vor weiteren Schwangerschaften bera –
ten werden.
Wir möchten in den nachfolgenden Ausfüh –
rungen den Lesern anhand einer angeborenen
seltenen Krankheit (Smith Lemli Opitz Syn-
drom/SLOS) grundsätzliche Prinzipien der
Diagnostik und Therapie von metabolischen
Störungen darlegen. Das SLOS manifestiert
sich durch unzureichende maternale Kompen-
sationsmöglichkeiten bereits pränatal. Die
Begleitung und Beratung etwa der Diätanpas –
sung und weiterer therapeutischer Massnah –
men erfolgt interdisziplinär und bedarf eines
guten und belastbaren Vertrauensverhältnis –
ses zwischen dem Behandlungsteam und der
betroffenen Familie.
Fallgeschichte
Das erste Kind gesunder, aus Spanien stam –
mender Eltern fällt nach unauffälliger Schwan –
gerschaft und Entbindung per Sektio in der
38. Schwangerschaftswoche (SSW) bereits
am er sten Leb enst ag dur ch eine ausgepr äg te
muskuläre Hypotonie und dysmorphe Stigma –
ta (u. a. Syndaktylie der 2. und 3. Zehe, Hy-
pospadie, Retrognathie) auf.
Die klinische Verdachtsdiagnose eines Smith-
Lemli-Opitz-Syndroms (SLOS, OMIM
#270400), hervorgerufen durch einen 7-De –
Neurometabolik für den Pädiater
Oswald Hasselmann, St. Gallen 1; Johannes Häberle, Zürich 2
1 Leitender Arzt Neuropädiatrie, KER-Zentrum, Ostschweizer Kinderspital, Claudiusstrasse 6, 9006 St. Gallen2 Leitender Arzt Metabolism and Molecular Pediatrics, Universitätskinderklinik Zürich, Steinwiesstrasse 75, 8032 Zürich
hydrocholesterol-Reduktase (DHCR7) – Man-
gel, wird durch ein erniedrigtes Gesamtcho –
lesterol im Blut und deutlich erhöhte
Cholesterolvorstufen (7- und 8-Dehydrocho –
lesterol) bestätigt
1. Auf einen Mutationsnach –
weis im DHCR7-Gen wurde bei eindeutiger
Symptomkonstellation und fehlendem weite –
ren Kinderwunsch verzichtet. Ultraschallun –
tersuchungen konnten Pathologien im Bereich
des Herzens und der Nieren ausschliessen.
Eine zerebrale Bildgebung zum Nachweis ei –
ner zerebralen Anlagestörung (z. B. unvoll –
ständige Teilung des Vorderhirns – Holopro –
sencephalie – oder Corpus Callosum Agenesie)
wurde aufgrund mangelnder therapeutischer
Konsequenz von den Eltern nicht gewünscht.
Häufig bei SLOS beschriebene Verhaltensauf –
fälligkeiten (u. a. Schlafstörungen, Berüh –
rungs- und Geräuschempfindlichkeit, autisti –
sche Verhaltensmuster) liessen sich durch
eine regelmässige Cholesterol-Substitution
vermindern. Ziel dieser Intervention ist es,
neben einer verbesserten Cholesterolversor –
gung die Synthese der potentiell toxischen
Cholesterolvorstufen zu reduzieren
2. Die zu
dieser Krankheit gehörende kognitive Retar –
dierung mit Beeinträchtigung der Seh- und
Sprechfunktionen, liess sich durch den nicht suffizienten Transport des substituierten Cho
–
lesterols über die Blut-Hirnschranke nicht
verbessern. Trotz ausgeprägter Trink- und
Schluckschwäche und dem bei SLOS be –
schriebenem erhöhten Grundumsatz konnte
durch eine angereicherte Sondenernährung
eine Grössen- und Gewichtsentwicklung ent –
lang der für dieses Krankheitsbild angepass –
ten Wachstumsperzentilen gesichert werden
3.
Aufgrund nicht überzeugender Datenlage für
einen langfristig positiven Effekt wurden wei –
tere Therapiemassnahmen wie z. B. Antioxi –
dantien
4 oder ein ZNS-gängiger HMG-CoA-
Reduktase-Hemmer (Simvastatin) mit dem
Ziel, die Expression des mutierten DHCR7-
Proteins zu erhöhen
5, nicht eingeset z t . Mit 15
Monaten konnte das K ind er s tmalig in B auch –
lage den Kopf heben, eine gehaltene Sitzposi –
tion wurde im Alter von vier Jahren erreicht,
im Alter von acht Jahren zeigten sich beidsei –
tige Knie- und Hüftbeugekontrakturen. Eine
expressive Sprachentwicklung hat bislang
nicht stattgefunden. Aktuell mit zehn Jahren
ist das Kind vollständig auf Fremdbetreuung
angewiesen. Die Kindsmutter beschreibt trotz
der vorliegenden Behinderung ihre und die
Lebensqualität ihres Kindes als gut bis sehr
gut.
Abklärung bei Verdacht auf ein
Smith-Lemli-Opitz-Syndrom
Der Fötus ist ab der 8. SSW zu 80 % auf die
endogene Cholesterolproduktion angewiesen.
Ist diese von einem Defekt betroffen, lässt
sich b er eit s im z weiten Tr imester der Schwan –
Diagramm 1: Diagnostischer Algorithmus bei V.a. SLOS
Klinische Symptomatik
Verdachtsdiagnose: SLOS
Bestimmung von 7DHC (Sterolprofil)
Leicht erhöht Deutlich erhöht Nicht erhöht
Verdacht besteht
Kontrolle
Mutationsanalyse
2 pathogene Mutationen
SLOS bestätigt
7DHC erhöht
neg./1 pathogene Mutation
Messung in Fibroblasten
7DHC nicht erhöht
Verdacht reevaluieren
EditoraoolCtohoornsc
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Fortbildung Neuropädiatrie
ger schaf t im müt ter lichen Ur in ein at y pisches
Sterolprofil als Hinweis auf die Krankheit des
Föten nachweisen
6. Da die Mutter den fetalen
DHCR7-Defekt aufgrund nicht permeabler
Plazenta-Schranke nicht ausreichend kom –
p ensier en kann, kommt es b ei einem SLOS zu
Störungen in mehreren wesentlichen Zellpro –
zessen. Dazu gehören Aufbau der Myelinzell –
membran, Bildung von Steroidhormonen,
tRNA-Synthese, interzelluläre Signalübertra –
gung (sonic hedgehog-signalling), Glykosilie –
rung essentieller Proteine, Vitamin-D-Synthe –
se, Gallensäurenzusammensetzung und
Energiegewinnung über die mitochondriale
Atmungskette.
A m B eispiel des SLOS w ir d in Diag r amm 1 ein
diagnostischer Algorithmus vorgestellt, in
welchem ein erhöhter Wert der Cholesterol –
vorstufe 7-Dehydrocholesterol als diagnos –
tisch hinweisend anzusehen ist. Die Untersu –
chung des Sterolprofils kann durch eine
genetische bzw. eine funktionell biochemi –
sche Untersuchung in Fibroblasten ergänzt
werden
7. Der vorgeschlagene Algorithmus sollte an die spezifische Ausgangssituation
und an die Möglichkeit der Kostenübernahme
der Untersuchungen durch die Krankenkasse
(siehe Fallbeispiel) angepasst werden.
Metabolische Krankheiten können
sich auf vielfältige Weise präsentie-
ren
Metabolische Krankheiten sind symptoma
–
tisch «bunt», das heisst es gibt eine Vielzahl
an möglichen Erstsymptomen und Verläufen.
Rezidivierende zerebrale Anfälle sind auf –
grund eines zerebralen Energiemangels und
einer gestörten ZNS-Entwicklung ein häufiges
Symptom von kindlichen metabolischen
Krankheiten. Durch einen Defekt in einem
Enzym oder einem Transporter kann es in
verschiedenen Organen und Zellkomparti –
menten zu einer Anhäufung von toxischen
Substanzen (z. B. Ammoniak, Glycin, Leuzin,
Homocystein sowie zahlreiche organische
Säuren), zu einer verminderten Energiezufuhr
(z. B. Glukosemangel im zentralen Nervensys –
tem bei Glukose-1-Transporter-Defekt) oder
Tabelle 1: Basisdiagnostik bei V. a. eine metabolische Krankheit
VLCAD: Very long- chain acyl- CoA Dehydrogenase; SCOT: Succinyl- CoA:3- oxoacid- CoA Transferase
zu einer Verminderung von anfallshemmen –
den Subs t anzen ( z. B . G amma Hydr ox y but ter –
säure) wie bei Vitamin-B6 abhängigen Epilep –
sien kommen (siehe Tabelle 1). Metabolisch
b e ding te zer ebr ale A nf älle im Neugeb or enen –
alter treten typischerweise dann auf, wenn
postpartal der mütterliche Stoffwechsel nicht
mehr den zugrundeliegenden metabolischen
Defekt des Kindes kompensieren kann. Neben
zerebralen Anfällen sind eine Gedeihstörung
und eine Beeinträchtigung der Seh- und Hör –
funktionen häufig zu beobachten.
Eine Stoffwechselkrise kann bei einem bis –
lang unauffälligen Kind unter erhöhtem me –
tabolischem Stress wie im Rahmen einer In –
fektion mit kataboler Stoffwechsellage, oder
bei älteren Säuglingen bei der Einführung
neuer Nahrungsbestandteile auftreten. Bei
Kindern mit einer schwer zu behandelnden
Epilepsie sollte an eine metabolische Krank –
heit als Ursache gedacht werden, wenn neben
den bereits erwähnten klinischen Zeichen
auch die erwarteten Meilensteine der kindli –
chen Entwicklung nicht zeitgerecht erreicht
Laborparameter Hinweise auf Störung im Stoffwechsel von bzw. Hinweis auf Beispiele
Entblindung des Neu\hgebor enen-Screenings Aminosäuren, Beta-Oxidation von Fettsäuren,
Carnitin-Zyklusdefekte Tyrosinämie Typ 1,
VLCAD-Mangel
Organische Säuren (Urin) Organoazidopathien Methylmalonazidurie,
Propionazidurie
Aminosäuren (Plasma, Serum, Urin) Aminoazidopathien Citrullinämie
Homocystein (Plasma) Vitaminmangel (Vitamin B6, B12, Folsäure)
Homocystinurie alimentärer Mangel,
Cystationin beta Synthase Mangel
(=klassische Homocystinurie)
Acylcarnitine (Trockenblut-Karte) Beta-Oxidation von Fettsäuren, Carnitin-Zyklusdefekte VLCAD-Mangel,
Carnitin Palmitoyltransferase 2
(CPT 2) Mangel
Ammoniak (Plasma) Harnstoffzyklusdefekte, Organoazidopathien und andere Ornithin Transcarbamylase (OTC) Mangel
Ketonkörper (Urin) Ketonkörper- Bildung und Abbau, Beta-Oxidation von Fettsäuren SCOT Mangel
Laktat (Blut) Energie-Stoffwechselstörungen Pyruvat-Dehydrogenase-Mangel
Blutgasanalyse (kapillär, venös, arteriell) Energie-Stoffwechselstörungen und anderes Pyruvat-Dehydrogenase-Mangel
Anionenlücke (Blut) wesentlicher Hinweis für eine metabolische
Ursache einer Azidose Methylmalonazidurie,
Propionazidurie
Glukose (Blut) Basis-Parameter für Vielzahl an metabolischen Krankheiten Glykogenosen, hereditäre
Fruktoseintoleranz
(beide mit Hypoglykämie)
ASAT, ALAT (Plasma, Serum) Basis-Parameter zur Beurteilung einer Leber\hbeteiligung Harnstoffzyklusstörungen
Harnsäure (Plasma, Serum) Purin-Stoffwechselstörung Lesch-Nyhan Krankheit
EditoraoolCtohoornsc
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Fortbildung Neuropädiatrie
LaborparameterHinweise auf Störung im Stoffwechsel von
Über
langkettige Fettsäuren (Plasma) Synthese von Peroxisomen und
deren Funktion
Transferrin Elektrophorese (Serum) Proteinglykosilierung, CDG-Syndrome
Guanidinoazetat und Kreatin (Urin, Plasma) Synthese von Kreatin
α-Aminoadipin-Semial\hdehyd (Plasma) Vitamin-B6 abhängige Epilepsien
Aminosäuren (Liquor) Synthese der Aminosäuren Serin,
Glycin, Glutamin, Asparagin
Ratio Glukose Liquor/Blut (nüchtern!) Zerebraler Glukose-1-Transporter
Lysosomale Enzymmess\hungen
(Leukozyten, Serum, Fibroblasten) Lysosomale Speicherkrankheiten
Sulfit-Test (Stix-Test in frischem Urin),
Sulfocystein (Urin) Purin-Stoffwechselstörungen,
Molybdän-Kofaktor, Sulfitoxidase
Neurotransmitter-Metabolite, Pterine (Liquor) Störungen der Neurotransmitter-Synthese,
Katecholamine, Serotonin, auch sekundär
5-Methyltetrahydrofolat (Liquor) Folsäure-Stoffwechselstörungen,
Remethylierungs-Störungen
Purine, Pyrimidine (Urin) Purin- und Pyrimidin-Stoffwechselstörungen
Atmungsketten-Funktion (Muskelbiopsie,
Fibroblasten) zahlreiche mitochondriale Krankheiten
(nukleäre oder mitochondriale Defekte)
werden. Die Verdachtsdiagnose einer meta
–
bolischen Krankheit wird verstärkt durch as –
soziierte Symptome wie: Hydrops fetalis,
dysmorphe Stigmata, Mikro – oder Makroze-
phalie, Hepatomegalie mit oder ohne Spleno –
megalie, positive Familienanamnese mit un –
geklärten Todesfällen in der frühen Kindheit,
Konsanguinität sowie Hinweise durch Labor –
parameter, in der Bildgebung (v.a. MRI) oder
im EEG.
Eine Störung im zentralen Nervensystem kann
hierbei sowohl primär als auch sekundär bei
einem Stoffwechseldefekt auftreten. So
kommt es beispielsweise bei der sich zu –
nächst hepatisch manifestierenden Niemann-
Pick Typ – C-Krankheit durch eine Störung des
Cholesterintransportes erst sekundär zu einer
Funktionsbeeinträchtigung der zerebralen
Myelinbildung. Speicherkrankheiten wie der
Morbus Gaucher oder eine Gangliosidose
können ebenso wie Abbaustörungen be –
stimmter Aminosäuren (z. B. bei der Tyrosin –
ämie Typ I) durch Anhäufung toxischer Subs-
tanzen im ZNS zu einer ausgeprägten
Hirnfunktionsstörung führen.
Leider gelingt es nur selten, vom klinischen
Phänotyp direkt auf den verursachenden
Defekt zu schliessen (z. B. inverse Brustwar-
zen und atypische Fettgewebsverteilung bei
CDG : Congenital disorders of glycosylation
Tabelle 2: Erweiterte Diagnostik bei V. a. eine metabolische Krankheit
Säuglingen als Hinweis auf eine kongenitale
Störung der Glykosilierung). Durch ein rasch
und kostengünstig verfügbares Screening
lassen sich etwa 50 % der metabolischen
Krankheiten durch ein auffälliges Muster der
organischen Säuren im Urin oder durch auf-
fällige Profile der Aminosäuren oder Acylcar –
nitine im Blut detektieren. Ein geringerer An-
teil weiterer Patienten wird durch
Spezialuntersuchungen, etwa die isoelektri –
sche Transferrinfokussierung, die Untersu –
chung von Oxysterolen oder Glykosaminogly –
kanen und Einzelmetabolite wie
Guanidinoacetat und Kreatin und weitere
entdeckt (siehe Tabelle 2).
Vom metabolischen Screening zur
spezifischen Abklärung
Die diagnostische Abklärung sollte primär auf
behandelbare Krankheiten zielen und dabei
problemlos zugängliche und nicht kosten –
trächtige Verfahren bevorzugen. Hierbei steht
für Patienten, welche in der Schweiz geboren
sind, eine weltweit einmalige Dienstleistung
zur Verfügung, die sogenannte «Entblindung»
des Neugeborenen-Screenings. Dabei wird
auf zentral archivierte Daten aus der Analyse
des Trockenbluts des Neugeborenen zurück –
gegriffen, um damit Störungen im Abbau von
Aminosäuren und Fettsäuren nachzuweisen.
Wichtig ist zu betonen, dass auch im Falle
eines unauffälligen Neugeborenen-Scree –
nings die Untersuchungen von Aminosäuren
und Acylcarnitinen bei einem symptomatisch
gewordenen Kind wiederholt und durch eine
Bestimmung der organischen Säuren im Urin
ergänzt werden müssen. Die Bestimmungen
der Anionenlücke, der Transaminasen, der
Harnsäure und Glukose im Blut sowie der
Ketonkörper im Urin ergänzen die Diagnostik.
Tabelle 1 und 2 beschreiben eine mögliche
Abklärung in zwei Stufen, welche sich jeweils
an der klinischen Symptomatik orientieren
sollten. Zu beachten ist, dass zahlreiche Me –
tabolite sowohl primär durch ein defektes
Enzym als auch sekundär, zum Beispiel im
Rahmen von neurodegenerativen oder syn –
dromalen Prozessen, verändert sein können.
Ein typisches Beispiel hierfür ist die gestörte
Synthese der Neurotransmitter.
Therapierbare Krankheiten nicht
verpassen
Für eine zunehmende Anzahl der neurometa –
bolischen Krankheiten stehen inzwischen
krankheitsmodulierende Therapieansätze zur
Verfügung, welche zum Teil als orphan drugs
zugelassen sind
8. Zum Einsatz kommen bei –
spielsweise spezielle Diätprodukte, Vitamine,
Medikamente zur Entgiftung und Reduktion
der nicht komplett metabolisierbaren Subs –
trate, Enzymersatztherapien sowie Stamm –
zell- oder Organtransplantationen. Die we –
nigsten dieser Therapien sind kurativ. Einige
allerdings erlauben bei gewissen Stoffwech –
selkrankheiten eine deutliche Verbesserung
von Psychomotorik, Kognition, Verhalten und
eine Reduzierung von zerebralen Anfällen.
T her apien können zu einer Ver langs amung der
Krankheitsprogression führen, dies wird im
Einzelfall bereits als ein grosser Gewinn er-
lebt. Das Fehlen einer aktuell wirksamen
Therapie sollte daher keineswegs Anlass für
einen diagnostischen Nihilismus sein, da neue
Therapieverfahren nur den Patienten zu Gute
kommen können, b ei denen b er eit s eine gesi –
cherte Diagnose vorliegt. Eine im klinischen
Alltag sehr nützliche und mit einer App auch
mobil erreichbare Webseite ( http://www.
treatable-id.org/ ) gibt einen Überblick über
das aktuelle Spektrum von behandelbaren
Stoffwechselkrankheiten und deren Therapi –
en.
Take home Message
Bei Störungen der kindlichen Entwicklung, die
mit systemischen Manifestationen einherge –
1Prof. ffRTofaff.bin
11
Fortbildung Neuropädiatrie
hen, einen periodischen Charakter haben und
gehäuft in katabolen Situationen auftreten,
sollte frühzeitig ein metabolisches Screening
erfolgen. Lassen sich die neurologischen
Symptome nicht anderweitig erklären, sollte
in Rücksprache mit einem metabolischen
Zentrum zeitnah eine gezielte metabolische
Abklärung erfolgen. Ziel ist eine für das be-
troffene Kind und seine Familie bestmögliche
Unterstützung und Information unter Ein-
schluss der zunehmend zur Verfügung stehen –
den Therapieformen.
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Korrespondenzadresse
Dr. med. Oswald Hasselmann
Stiftung Ostschweizer Kinderspital
Leitender Arzt, KER-Zentrum
Zentrum für Kinderneurologie
Entwicklung und Rehabilitation
Claudiusstrasse 6
9006 St. Gallen
oswald.hasselmann @ kispisg.ch
www.kerzentrum.ch
www.kispisg.ch
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung und
keine anderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit
diesem Beitrag deklariert.
1Prof. ffRTofaff.bin
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Oswald Hasselmann , Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen Prof. Dr. med. Johannes Häberle , Universitäts-Kinderspital Zürich und Forschungszentrum für das Kind, Zürich Andreas Nydegger