Die Schweiz hat sich gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Ziel gesetzt, Europa bis 2015 von Masern zu befreien. Ansteckungen sollen in erster Linie durch genügend hohe Impfraten aber auch durch Früherkennung einzelner Masernfälle verhindert werden. Damit die Schweiz masernfrei wird, müssen 95 % der Bevölkerung gegen die Krankheit immun sein. Dieses Ziel wurde trotz steigender Durchimpfung bisher nicht erreicht. Zwischen 2011 und 2014 betrug die durchschnittliche Maserndurchimpfungsrate mit 2 Dosen bei Kindern im Alter von 2 Jahren in der Schweiz 86 %1). Mit 3 Fällen pro Million Einwohner erreichte die Inzidenzrate von Masern 2014 den tiefsten Stand seit Einführung des Meldeobligatoriums für die Krankheit im Jahr 19992). Trotz der stark gesunkenen Inzidenz sind in der Schweiz weiterhin sporadische Fälle zu verzeichnen und sind auch weiterhin zu erwarten, solange nach Schätzung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) > 1 Million Masern-Impfdosen notwendig wären, um die Impflücken in der Schweiz zu schliessen3). Die Früherkennung dieser Fälle ist von zentraler Bedeutung zur Verhinderung von weiteren Übertragungen. Infolge des Rückganges der Maserninzidenz und der somit abnehmenden klinischen Erfahrung der Ärzte mit der Krankheit ist der positive prädiktive Wert einer klinischen Maserndiagnose (siehe Box: Definition Masern- verdachtsfall) deutlich gesunken4). Es besteht somit die Notwendigkeit, alle klinischen Verdachtsfälle ohne epidemiologischen Link zu einem Labor bestätigten Fall so rasch wie möglich durch eine Laboranalyse zu bestätigen. Das Zeitintervall zur Bestätigung eines Verdachtsfalles sollte unbedingt nicht mehr als 72 Stunden betragen. Denn innerhalb dieser Frist kann die post-expositionelle Masernimpfung exponierter ungeimpfter Personen älter als 6 Monate die Übertragung von Masern verhindern5). Zusätzlich ist auf Grund der Dauer der Kontagiösität bis 4 Tage nach Beginn des Exanthems eine Bestätigung der Diagnose nach mehr als 72 Stunden weder für die individuelle Betreuung und noch für die Kontrolle eines Ausbruchs sehr nützlich.
10
Einführung
Die Schweiz hat sich gemeinsam mit anderen
Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorgani-
sation (WHO) zum Ziel gesetzt, Europa bis
2015 von Masern zu befreien. Ansteckungen
sollen in erster Linie durch genügend hohe
Impfraten aber auch durch Früherkennung
einzelner Masernfälle verhindert werden.
Damit die Schweiz masernfrei wird, müssen
95 % der Bevölkerung gegen die Krankheit
immun sein. Dieses Ziel wurde trotz steigen –
der Durchimpfung bisher nicht erreicht. Zwi –
schen 2011 und 2014 b etr ug die dur chschnit t –
liche Maserndurchimpfungsrate mit 2 Dosen
bei Kindern im Alter von 2 Jahren in der
Schweiz 86 %
1). Mit 3 Fällen pro Million Ein –
wohner er r eichte die Inzidenz r ate von Maser n
2014 den tiefsten Stand seit Einführung des
Meldeobligatoriums für die Krankheit im Jahr
1999
2). Trotz der stark gesunkenen Inzidenz
sind in der Schweiz weiterhin sporadische
Fälle zu verzeichnen und sind auch weiterhin
zu erwarten, solange nach Schätzung des
Bundesamtes für Gesundheit (BAG) > 1 Milli –
on Masern-Impfdosen notwendig wären, um
die Impflücken in der Schweiz zu schliessen
3).
Die Früherkennung dieser Fälle ist von zent –
raler Bedeutung zur Verhinderung von weite –
ren Übertragungen. Infolge des Rückganges
der Maserninzidenz und der somit abnehmen –
den klinischen Erfahrung der Ärzte mit der
Krankheit ist der positive prädiktive Wert ei –
ner klinischen Maserndiagnose (siehe Box:
Definition Masernverdachtsfall) deutlich ge-
sunken
4). Es b es teht somit die Not wendigkeit ,
alle klinischen Verdachtsfälle ohne epidemio –
logischen Link zu einem Labor bestätigten Fall
so rasch wie möglich durch eine Laboranalyse
zu bestätigen. Das Zeitintervall zur Bestäti –
gung eines Verdachtsfalles sollte unbedingt
nicht mehr als 72 Stunden betragen. Denn
innerhalb dieser Frist kann die post-expositi –
onelle Masernimpfung exponierter ungeimpf –
ter Personen älter als 6 Monate die Übertra –
gung von Masern verhindern
5). Zusätzlich ist
auf Grund der Dauer der Kontagiösität bis 4
Tage nach Beginn des Exanthems eine Bestä –
tigung der Diagnose nach mehr als 72 Stun -den weder für die individuelle Betreuung und
noch für die Kontrolle eines Ausbruchs sehr
nützlich.
Maserndiagnostik
Der Nachweis Masern-spezifischer IgM in
Serum mittels eines immunenzymatischen
Tests oder die quantitative Bestimmung von
IgG zum Nachweis eines signifikanten Titer
–
anstiegs zwischen Akut- und Rekonvaleszenz –
phase gelten als Methode der Wahl für die
Be stätigung der klinischen Maserndiagno
–
se
6) , 7) , 8) . Die Serologie erfordert jedoch eine
beim Kleinkind unter Umständen aufwändige
venöse Blutentnahme und zeigt in den ersten
1–3 Tagen nach Beginn des Exanthems eine
sehr begrenzte Sensitivität mit bis gut 30 %
falsch-negativen Resultaten
9) , 10 ) . Bei einem
negativen Befund ist deshalb nach 10 bis 14
Tagen eine erneute Blutentnahme notwendig,
um den Ver lau f des Ig G -T iter s zu dokumentie –
r en und somit die Diag nose s tellen zu können.
Seit 2003 ist in der Schweiz der Nachweis der
Masern-RNA in der Mundflüssigkeit oder im
Rachenabstrich mittels Polymerase Ketten –
reaktion (PCR) möglich. Diese Methode ist
nicht invasiv und zeigt eine Sensitivität von
> 80 % –100 % , insbesondere in den ersten 72
Stunden nach Exanthembeginn
11 ). Sie erlaubt
somit die Bestätigung von Masernverdachts –
fällen innerhalb einer für die Bekämpfung von
Masernausbrüchen nützlichen Frist. Ein wei –
terer wichtiger Vorteil der molekulargeneti –
schen Maserndiagnostik mittels PCR ist die
Möglichkeit der Genotypisierung des so
nachgewiesenen Virus. Die Genotypisierung
ermöglicht weitere epidemiologische Ab –
klär
ungen wie z. B. die Unterscheidung von
importierten Fällen, die Identifikation der
Transmissionskette und die Identifikation von
Impfmasern zu veranlassen
12 ). Die Verbesse –
rung der Masernüberwachung durch die Inte –
gration von epidemiologischen und laborba –
sierten Informationen ist eine der tragenden
Strategien der WHO für die Beschleunigung
der Masernelimination
8). Die Genotypisierung
zirkulierender Masernviren ist somit eine
wertvolle Massnahme, um die Wirksamkeit
von Maserneliminationskampagnen zu über –
prüfen
13 ). Aus diesen Gründen empfiehlt das
BAG trotz höheren Kosten bei Verdachtsfällen
den Nachweis von Masern RNA mittels PCR
im Rachenabstrich oder aus der Mundflüssig –
keit als Methode der ersten Wahl
14 ).
Der Nachweis von Masern RNA mittels
PCR kann in einem beliebigen Labor in der
Schweiz, das diese Untersuchung anbietet,
veranlasst werden. Die Kosten der Untersu –
chung betragen CHF 180.– und werden von
der obligatorischen Krankenversicherung (ab –
züglich des Selbstbehaltes) übernommen. Für
die nachträgliche Genotypisierung hat das
BAG einen Ver tr ag mit dem L ab or f ür V irologie
des Genfer Universitätsspitals (HUG) und mit
dem Labor Viollier abgeschlossen. Diese
Verträge erlauben dem Kantonsarzt oder dem
BAG b ei B e dar f nachtr äglich und ohne zus ät z –
liche Kosten für die Patienten oder die Kran –
kenversicherung, die Durchführung der Geno –
typisierung zu veranlassen.
Schlussfolgerung
Der Nachweis von Masern RNA mittels PCR
im Rachenabstrich oder aus der Mundflüssig –
keit bei klinischem Masernverdacht ist eine
nicht invasive Methode mit einer sehr hohen
Sensitivität, insbesondere in den ersten 72
Stunden nach Exanthembeginn, und erlaubt
zudem epidemiologische Untersuchungen bei
Bedarf. Sie soll deshalb in der Schweiz, im
Einklang mit den Zielen der nationalen Strate –
gie zur Masernelimination, als Methode der
Wahl zur Bestätigung von klinischen Masern –
verdachtsfällen möglichst in den ersten 72
Stunden nach Exanthembeginn angewendet
werden.
Referenzen
1) Bundesamt für Gesundheit. Durchimpfung von 2-,
8- und 16 -jährigen Kindern in der Schweiz, 1999–
2014. Bull BAG 2015; 28: 538–43.
2) www.stopmasern.ch .
3) Bundesamt für Gesundheit. Nachholimpfung gegen
Masern 2014: ermutigende Resultate. Bull BAG
2015; 5: 75–79.
4) Lambert SB, Kelly HA, Andrews RM, Catton MC,
Lynch PA, Leydon JA, Gercovich DK, Hogg GG,
Morgan ML, Lester RA. Enhanced measles surveil –
lance during an interepidemic period in Victoria.
Med J August 2000; 172: 114–8.
Maserndiagnostik – die Rolle
der Polymerase Kettenreaktion (PCR)
Paolo Paioni und Christoph Berger, Abteilung für Infektiologie und Spitalhygiene,
Universitäts-Kinderspital Zürich
Definition eines Masernverdachts
falles gemäss BAG 5)
Trias: Fieber UND makulopapulöses
Exanthem UND Husten oder Rhinitis
oder Konjunktivitis
10Die Seechiewee zat
10Die Schwz
11
5) Bundesamt für Gesundheit, Arbeitsgruppe Be –
kämpfung von Masernausbrüchen. Richtlinien zur
Bekämpfung von Masern und Masernausbrüchen.
Richtlinien und Empfehlungen. Bern: Bundesamt
für Gesundheit, 2013.
6) Ratnam S, Tipples G, Head C, Fauvel M, Fearon M,
Ward BJ. Performance of indirect immunoglobulin
M (IgM) serology tests and IgM capture assays for
laborator y diagnosis of measles. J Clin Microbiol
2000; 38: 99–104.
7) Bellini WJ and Helfand RF. The Challenges and
Strategies for Laborator y Diagnosis of Measles in
an International Setting. J Infect Dis. 2003; 187:
S283–S290.
8) Featherstone DA, Rota PA, Icenogle J, Mulders MN,
Jee Y, Ahmed H, de Filippis AM, Ramamurty N,
Gavrilin E, Byabamazima C, Dosseh A, Xu W, Koma –
se K, Tashiro M, Brown D, Bellini WJ, Strebel P. Ex –
pansion of the global measles and rubella labora –
tor y network 2005–09. J Infect Dis. 2011; 204:
S491–8. 9.) Helfand RF, Heath JL, Anderson LJ, Maes EF, Guris
D, Bellini WJ. Diagnosis of measles with an IgM
capture EIA: the optimal timing of specimen collec –
tion after rash onset. J Infect Dis 1997; 175: 195–9.
10) Robert Koch Institut. Ratgeber für Ärzte: Masern.
Stand vom 03.09.2010. www.rki.de/DE/Content/
Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Masern.
html?nn=2374512 .
11) Measles and rubella laboratory network: 2007 mee –
ting on use of alternative sampling techniques for
sur veillance. Wkly Epidemiol Rec 2008; 83: 229–32.
12) Santibanez S, Prosenc K, Lohr D, Pfaf f G, Jordan
Markocic O, Mankertz A. Measles virus spread ini –
tiated at international mass gatherings in Europe,
2011. Euro Sur veill. 2014; 19.
13) Rota P, Featherstone D, Bellini W. Molecular epide –
miology of measles virus. Curr Top Microbiol Immu –
nol. 2009; 330: 129–50.
14) Bundesamt für Gesundheit. Verbesserte Masern –
überwachung: Neue zuverlässige nicht invasive
Tests. BAG Bull. 2004; 22: 362–6. Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Christoph Berger
Abteilung für Infektiologie und Spitalhygiene
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinweisstrasse 75
8032 Zürich
christoph.berger@ kispi.uzh.ch
10Die Seechiewee zat
10Die Schwz
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Paolo Paioni Prof. Dr. med. Christoph Berger , Infektiologie und Spitalhygiene, Universitäts-Kinderspital Zürich, Steinwiesstrasse 75, 8032 Zürich Andreas Nydegger