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Management der Borreliose in der Pädiatrie

Die Borreliose ist eine Multisystemkrankheit, ausgelöst durch Infektion mit dem Bakterium Borrelia burgdorferi sensu lato. Von der Infektion betroffene Organe sind vor allem Haut, Nervensystem, Gelenke, Herz und Augen.

Einführung

Die Borreliose ist eine Multisystemkrankheit, ausgelöst durch Infektion mit dem Bakterium Borrelia burgdorferi sensu lato. Von der Infektion betroffene Organe sind vor allem Haut, Nervensystem, Gelenke, Herz und Augen. Die Übertragung erfolgt durch Zeckenstiche, in Europa dafür verantwortlich ist meist Ixodes ricinus („Gemeiner Holzbock“). Diese Infektionen sind häufig, so dass bereits ab dem Kleinkindesalter altersabhängig ansteigende spezifische IgG-Antikörperkonzentrationen im Serum von 1-5 % auftreten, unter Jugendlichen sind es 7 %. Mehr als 95 % der Infektionen verlaufen asymptomatisch. Kommt es zu Krankheitsmanifestationen, spricht man von einer Lyme-Borreliose. Sie werden in frühe und späte Krankheitsstadien eingeteilt, wobei lokale und disseminierte Manifestationen differenziert werden (Tabelle 1). Frühe Manifestationen sind meist spontan regredient, späte hingegen können chronisch verlaufen und zu bleibenden Beeinträchtigungen (v.a. des Nervensystems, Haut, Gelenke) führen. Am häufigsten mit mehr als 90 % der diagnostizierten Fälle ist die frühe, lokale Manifestation das Erythema migrans (EM, Wanderröte). Nur wenige Patienten mit einer späten Manifestation berichten in der Anamnese über dermatologische Frühsymptome. Auch ein ursächlicher vorausgegangener Zeckenstich ist selten erinnerlich. Häufig sind hierfür die Nymphen (Zeckenstadium) verantwortlich, die kaum sichtbar sind und unbemerkt abgestreift werden, nachdem die Borrelien bereits übertragen worden sind. Wenn rechtzeitig diagnostiziert und korrekt behandelt ist der klinische Verlauf im Allgemeinen sehr gut. Da bisher kein Impfstoff zur Verfügung steht, sind klassische Präventionsmassnahmen weiterhin entscheidend (z.B. lange Kleider, Zeckenspray und Absuchen dunkler und warmer Körperstellen nach möglicher Exposition). Borrelienerkrankungen sind in der Schweiz nicht meldepflichtig.

Im Folgenden werden anhand von Kasuistiken die häufigsten klinischen Manifestationen an der Haut, dem Nervensystem und den Gelenken vorgestellt und deren Klinik, Diagnose und Therapie diskutiert.

Tabelle 1. Überblick Krankheitsmanifestationen, Diagnostik und Therapie der Lyme Borreliose1)  (L/S = Liquor-Serum, EM = Erythema migrans)

Kutane Manifestationen

Kasuistik

Ein sechsjähriges Mädchen stellt sich bei Ihnen im Februar vor mit einer auffälligen Hautläsion an der Helix des rechten Ohres. Die Stelle ist schmerzlos. Diese besteht seit ca. 4 Wochen und hat im Verlauf die Farbe etwas verändert, erzählen die Eltern. Initial sei sie rötlich gewesen, dann habe sich ein rot-blauer Farbton entwickelt. Es besteht auch eine diskrete lokalisierte Schwellung. Die Familie wohnt suburban und ist an den Wochenenden gerne draussen und macht ausgedehnte Wanderungen.  Dies war vor allem im Spätherbst des Vorjahres der Fall. Zeckenstiche bzw. Zeckenentfernungen in den letzten Monaten sind nicht erinnerlich. Sonstige Hautläsionen werden auch verneint. Die weitere Untersuchung des Kindes bei Ihnen ist unauffällig. Lymphadenopathien um das Ohr oder zervikal sind nicht vorhanden.  Differentialdiagnostisch kommt Ihnen ein Lymphozytom in den Sinn und sie veranlassen eine B. burgdorferi Serologie. Sowohl der Screening Test als auch die Bestätigung im Immunoblot zeigt spezifische IgG gegen multiple B. burgdorferi Oberflächenantigene (Banden). Mit der hohen anamnestischen, klinischen sowie laborchemischen Vortestwahrscheinlichkeit entscheiden Sie sich für die Arbeitshypothese Borrelienlymphozytom und behandeln das Mädchen mit Amoxicillin 50mg/kg/Tag per os über 3 Wochen. Eine klinische Verlaufskontrolle nach 3 Wochen zeigt einen deutlichen Rückgang der Hautveränderung, sechs Wochen nach Therapiebeginn ist die Läsion nicht mehr zu sehen. 

Krankheitsbild

Ein Erythema migrans entwickelt sich nach einer Latenz von meist 1–2 Wochen (Bereich: 3d – 4 Wochen) an der Zeckenstichstelle, breitet sich zentrifugal aus und zeigt im typischen Fall eine zentrale Abblassung oder livide Verfärbung. Wichtig ist zu wissen, dass es auch atypische Morphologien (z.B. ohne Abblassung, nur Teilabblassung) geben kann. Ein Erythema migrans muss nicht zwingend um die Stichstelle entstehen. Alle Körperregionen inklusive Kopfhaut sind abzusuchen (Abbildung 1). Ein Kernelement aus der Anamnese ist das Vorhandensein einer „wandernden Röte“. Ein Durchmesser ≥ 5cm unterscheidet das Erythema migrans von unspezifischen Lokalreaktionen, ebenso ein Auftreten nach frühestens 2 Tagen (Tabelle 1). Im Rahmen der Konsultation lohnt es sich, die Eltern zu fragen, ob es Fotos der Hautläsion aus den vorherigen Tagen gibt.

Abbildung 1. Beispiel eines Erythema migrans: Erythem der okzipitalen Kopfhaut mit zentrifugaler Abblassung. Zusätzlich halbkreisförmiges lineares Erythem retroaurikulär rechts und im Bereich des Haaransatzes. Ein Zeckenstich war nicht erinnerlich. Eine Serologie wurde korrekterweise nicht durchgeführt. 

Die Läsionen sind nicht schmerzhaft.  Ein selbstlimitierender Verlauf ist möglich. Unbehandelt können Rezidive an gleicher Stelle oder anderen Körperregionen auftreten oder das Risiko erhöhen, dass es zu einer Disseminierung kommen kann. Multilokuläre Hautmanifestationen (multiple EM) sind möglich und Ausdruck des generalisierten Frühstadiums. Typische Lokalisationen bei Kleinkindern sind der Kopf- und Halsbereich. Beim älteren Kind dann häufiger der Arm-, Bein-, Rücken-, Abdomen-, Axilla-, und Inguinal-Genital-Bereich. Allgemeinsymptome wie Fieber und Kopfschmerzen können beim EM oder multiplen EM vorkommen. Leichter Juckreiz oder leichtes Brennen wird von wenigen Kindern berichtet. Nicht selten kann sich im Rahmen der Disseminierung, gleichzeitig oder kurz nach dem Auftreten von multiplen EM, auch eine Neuroborreliose manifestieren. Auf neurologische Symptome (subakute Kopfschmerzen, Nausea, Abgeschlagenheit, und insbesondere Hirnnervenparesen) ist zu achten, da diese eine weitergehende Diagnostik und andere Therapie zur Folge haben. Differentialdiagnosen siehe Tabelle 2.

Tabelle 2. Differentialdiagnosen beim Erythema migrans

Beim Borrelien-Lymphozytom („kutanes B-Zell Pseudolymphom“), das wesentlich seltener als das Erythema migrans beobachtet wird, handelt es sich um eine umschriebene Hautmanifestation mit Prädilektion der Ohren (Ohrmuschel oder Ohrläppchen) (Abbildung 2) und der Mamillen, seltener des Skrotums oder anderer akral gelegener Körperstellen (z.B. Nase, Lippe, Fusssohle).

Abbildung 2. Borrelien Lymphozytome der Ohren: Livid-rötliche Läsionen in Bereich der Ohrläppchen (linkes und rechtes Bild) und Helix (rechtes Bild). Palpatorisch leicht derbe Konsistenz. Die B. burgdorferi Serologie war positiv bei beiden Kindern2).

Die Effloreszenz zeigt eine livide Rötung und derbe Infiltration und kann gemeinsam mit einem EM aber auch isoliert ohne vorausgehendes EM auftreten. Im Unterschied zum EM persistiert das Lymphozytom häufig über Wochen bis Monate. Differentialdiagnosen sind zu beachten (Tabelle 3). In Einzelfällen können multiple Borrelien-Lymphozytome auftreten. Die Acrodermatitis chronica atrophicans zählt zu den späten Manifestationen der Lyme-Borreliose, die erst Monate bis Jahre nach der Infektion auftritt. Im Kindesalter ist dies eine Rarität. 

Tabelle 3. Differentialdiagnosen beim Lymphozytom („Kutanes B-Zell-Pseudolymphom“)

Diagnostik

Falls initial der Verdacht auf ein EM noch vage ist, kann die Hautläsion fotodokumentiert werden und der Patient 1-2 Tage später einbestellt werden, um die zentrifugale Ausbreitung des Erythems (Erythema migrans = „Wanderröte“) zu dokumentieren. Bei dem klinischen Befund eines EM ist keine labordiagnostische Absicherung (Serologie) notwendig. Diese Manifestationen ist vielmehr eine Blickdiagnose und sollte sofort antibakteriell behandelt werden. Auch bei Verdacht auf multiple EM (frühe disseminierte kutane Manifestation) mit typischer Morphologie (ovale Erythemata von unterschiedlicher Grösse) und hoher Vortestwahrscheinlichkeit, kann von einer serologischen Kontrolle abgesehen werden.

Bei Verdacht auf ein Lymphozytom sollte eine Serologie durchgeführt werden. In den meisten Fällen lassen sich zum Zeitpunkt der klinischen Manifestation spezifische Antikörper nachweisen. Bei den raren multiplen Lymphozytomen sollte eine histologische Diagnostik angestrebt werden, da hier die Differentialdiagnose kutaner Lymphome näher rückt.

Pitfalls in der serologischen Diagnostik

Die B. burgdorferi spezifische Antikörperdiagnostik wird im Serum mittels einer standardisierten Stufendiagnostik über einen Suchtest (Immunoassay: ELISA, hohe Sensitivität) und einen Bestätigungstest (Immunoblot; hohe Spezifität) durchgeführt. Zu beachten ist, dass nach erfolgreicher Therapie von Frühmanifestationen eine Serokonversion ausbleiben kann oder es bei positivem IgM‑Antikörpernachweis nicht zu einer Konversion von IgM nach IgG kommen muss. Häufig bildet sich die Antikörperantwort bei Lyme Borreliose sowohl nach latenter bzw. ausgeheilter Infektion als auch nach erfolgreicher Therapie nur sehr zögerlich zurück, so dass spezifische IgM oder IgG noch über Monate bis Jahre persistieren. Falsch positive Befunde bei Kreuzreaktionen mit anderen Spirochätosen (Leptospirose, Syphilis, Rückfallfieber) sind möglich, weshalb der Immunoblot erst zur Bestätigung eines positiven Serum-Antikörpertests erfolgen soll. Falsch-positive IgM-Befunde sind bei Herpesvirus-Infektionen (EBV, VZV, CMV) sowie bei Vorliegen von Rheumafaktoren beschrieben.

ELISA = Enzyme-Linked Immunosorbent Assay

Therapie

Das EM, multiple EM, Lymphozytom und multiple Lymphozytome können ambulant mit Amoxicillin oder bei Kindern >8 Jahre mit Doxycyclin (cave Phototoxizität) behandelt werden. Bei Allergien (IgE-vermittelt) oder Kontraindikationen kann alternativ Cefuroxim oder Clarithromycin verwendet werden (siehe Tabelle 5, Therapie der Lyme-Borreliose).

Neurologische Manifestationen

Kasuistik

Ein 12-jähriger Junge stellt sich mit einer plötzlich aufgetretenen linksseitigen Fazialisparese vor, nachdem er seit 1 Woche unter Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, und Schwindel litt. Abgesehen von einem Meningismus und der kompletten periphere Fazialisparese unauffällige körperliche Untersuchungsbefunde. Kein Fieber, kein Zeckenstich oder Erythema migrans erinnerlich. Normalbefund im Schädel-CT. Die anschliessende Lumbalpunktion zeigt 277 Leukozyten/µl (davon 96 % Lymphozyten), Glukose 1,8 mmol/l, Protein 6,8 g/l. Die B. burgdorferi Antikörper (Immunfluoreszenztest) sind 1:16 (IgM: 1:16) im Liquor und 1:32 (IgM: 1:32) im Serum. Ein Immunoblot bestätigt die Spezifität der Antikörper und weitere Analysen zeigen eine autochthone Liquor-Antikörperproduktion (und keine passive Diffusion aufgrund gestörter Blut-Liquorschranke im Rahmen der Meningitis) als Beweis einer Neuroborreliose. Daraufhin Beginn mit Ceftriaxon 100 mg/kgKG i.v. alle 24h. Deutliche Besserung des Allgemeinbefindens innerhalb weniger Tage, jedoch anhaltendes Schwindelgefühl. Deshalb HNO-Konsil mit kompletter Audioneurodiagnostik, welche neben der Fazialisparese auch eine Läsion des N. vestibularis ergibt. Die symptomatische Behandlung mit Dimenhydrinat führt zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden. Die Entzündungswerte im Liquor normalisieren sich nach 2 Wochen antibiotischer Therapie und die vestibulären Funktionstests sind deutlich verbessert. Entlassung und Fortführung der täglichen physiotherapeutischen Übungen zur Verbesserung der Funktion des N. facialis. In der Nachuntersuchung nach 4 Wochen komplette Beschwerdefreiheit mit diskreter Restparese des N. facialis.

Krankheitsbild

Die aseptische, lymphozytäre Meningitis mit (seltener ohne) Hirnnervenparese, am häufigsten N. facialis, ist mit >80% die häufigste Manifestation der Neuroborreliose in der Pädiatrie. Typischerweise, im Unterschied zur meist akuten viralen Meningitis, entwickeln sich die neurologischen Beschwerden allmählich über einige Tage. Die Lyme-Borreliose ist die häufigste Ursache der akuten isolierten peripheren Fazialisparese im Kindesalter, insbesondere in der warmen Jahreszeit. Auch alle andere Hirnnerven, wie in unserem Beispiel der N. vestibularis, können betroffen sein.

Die späte Neuroborreliose ist bei Kindern selten und durch meist über längere Zeit bestehende Kopfschmerzen geprägt. Weitere Manifestationen sind die lymphozytäre Meningoradikuloneuritis (Bannwarth-Syndrom, die typische Neuroborreliose des Erwachsenen), Pseudotumor cerebri, fokale Enzephalitis, zerebellärer Ataxie, akute Querschnittsmyelitis oder Guillain-Barré-Syndrom.

Diagnostik

Eine Liquorpunktion ist indiziert. Sie zeigt meistens eine mononukleäre Pleozytose. Differentialdiagnosen siehe Tabelle 4. Eine autochthone B. burgdorferi Antikörperproduktion ist beweisend. Auch die Serologie ist positiv (meist IgG, seltener IgM), wobei initial ein Enzymimmunoassay oder Immunfluereszenztest angwendet wird und ein positives Ergebnis durch den spezifischen Immunoblot vom Labor gesichert werden muss. Serologische Verlaufskontrollen sind im Allgemeinen nicht indiziert, insbesondere nicht zur Beurteilung der Behandlung; diese erfolgt rein klinisch!

Tabelle 4. Differentialdiagnose der Neuroborreliose

Therapie

Die Neuroborreliose wird antibiotisch behandelt. Zu empfohlenen Präparaten, Dosis und Dauer siehe Tabelle 5. Bei Erwachsenen mit Fazialisparese ist die frühzeitige zusätzliche Gabe von Prednison Standard. Im Kindesalter ist ein zusätzlicher Nutzen hinsichtlich einer schnellen und vollständigen Regredienz der Fazialisparese noch unklar. Auch in einigen Kinderkliniken wird Prednison in ausgewählten Fällen (z. B. ab der Pubertätsentwicklung) eingesetzt.

Tabelle 5. Therapie der Lyme-Borreliose-Formen1,3)

Gelenkmanifestationen                                 

Kasuistik

Eine 13 Jahre alte Patientin mit seit dem Morgen plötzlich aufgetretener Schwellung und Überwärmung des linken Knies stellt sich Mitte Juni auf der Notfallstation vor. Vor 2 Wochen hat sich die Patientin beim Training im Geräteturnen das Knie angeschlagen. Seither ist proximal der Patella ein inzwischen wieder rückläufiges Hämatom sichtbar und seit gut einer Woche bestehen Schmerzen im betroffenen Knie, die mit einer Salbe aus der Hausapotheke behandelt werden. Ein Zeckenstich ist nicht erinnerlich und Vorerkrankungen werden verneint. Die klinische Untersuchung der afebrilen Patientin in gutem Allgemeinzustand zeigt neben Schwellung und Überwärmung eine „tanzende Patella“ und Schmerzen am Ende der Flexion. Das konventionelle Röntgen ergibt keine Fraktur, der Befund ist aber vereinbar mit einem mittelgrossen Kniegelenkserguss. CRP (10 mg/l) und BSR (22 mm/h) sind leicht erhöht, das Blutbild zeigt sich bis auf eine leichte Thrombozytose (386 G/l) und Neutrophilie (5.9 G/l) unauffällig. Das Gelenkspunktat ergibt eine Zellzahl von 65‘000 Zellen/mcl, 84% davon sind polynukleär, das Grampräparat ist negativ. Es erfolgt eine stationäre Aufnahme mit intravenöser Gabe von Flucloxacillin und fixer analgetischer-antiphlogistischer Therapie mit Ibuprofen bei differentialdiagnostisch septischer Arthritis. Die Kulturen aus Gelenkspunktat und Blut bleiben jedoch negativ. Sowohl die eubakterielle PCR (positiver B. burgdorferi DNA-Nachweis) der Gelenksflüssigkeit wie auch das B. burgdorferi Antikörper Screening und die Bestätigung im Immunoblot (5 von 8 IgG-Banden positiv) bestätigen eine Infektion mit B. burgdorferi sp.. Nach 3 Tagen erfolgt die Therapieumstellung auf Doxycyclin p.o. für eine totale Behandlungsdauer von 28 Tagen. In der Abschlusskontrolle ist die Patientin anamnestisch auch bei normalisierter sportlicher Belastung beschwerdefrei und klinisch unauffällig. Es erfolgt daher auch keine Verlaufsdiagnostik von Labor oder Bildgebung.

Krankheitsbild

Die Borreliose manifestiert sich in weniger als 10% der Fälle im Kindesalter an den Gelenken und gehört zu den spät lokalisierten Formen der Borreliose. Klinisch imponiert meist eine schmerzhafte Arthritis, häufig mit einem Gelenkserguss. Aufgrund der langen Inkubationszeit kann diese Form der Borreliose das ganze Jahr über auftreten. Betroffen ist fast ausschliesslich und einseitig das Kniegelenk (Gonarthritis 90%), seltener sind mehrere einzelne (Oligoarthritis)- oder andere grosse Gelenke (z.B. Schulter) betroffen. Junge Kinder zeigen Schonverhalten, z.B. Gehverweigerung, Schulkinder und Jugendliche geben Schmerzen an. Klinisch zeigen sich Schwellung, Überwärmung und teilweise auch eine Rötung, Fieber fehlt häufig. Mildere Verläufe, die unbehandelt auch chronisch verlaufen können, sind insbesondere bei älteren Kindern und Jugendlichen beschrieben.

Die wichtigste Differentialdiagnose ist die septische Arthritis, wobei die klinische Untersuchung alleine oftmals keine eindeutige Unterscheidung erlaubt. Eine weitere wichtige Differentialdiagnose ist die postinfektiöse Arthritis. Hier ist die Anamnese (vorausgehende Infektion der Atemwege oder des Gastrointestinaltrakts) hilfreich. Auch eine juvenile idiopathische Arthritis kommt in Frage. Hier unterstützen zusätzliche klinische Zeichen (z.B. Exanthem), der klinische Verlauf z.B. Nicht-Ansprechen auf Antibiotikatherapie und weiterführende Labordiagnostik die Diagnosestellung.

Diagnostik

Aufgrund der wichtigen Differentialdiagnose der septischen Arthritis ist bei Erguss in der Sonographie eine Gelenkspunktion mit Abnahme von Zellzahl, Differenzierung, Kultur, Borrelien PCR, eubakterielle PCR (bei Antibiotika Vorbehandlung) sinnvoll. Bei einer Borrelienarthritis liegen die Zellzahlen üblicherweise zwischen 25‘000 und 100‘000/µl.  Initial überwiegen die neutrophilen Granulozyten. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es zu einem Überwiegen von mononukleären Zellen. Bei einer septischen Arthritis sind häufig die laborchemischen Entzündungsmarker erhöht (BSR >40 mm/1.h, erhöhtes CRP, Neutrophilie), ferner ist auch die Gesamtzellzahl in der Gelenksflüssigkeit höher (80‘000-300‘000/µl). Die spezifische PCR erlaubt die Diagnosestellung einer Borrelienarthritis, (Lyme Arthritis).

Therapie

Initial ist eine fixe analgetische und antipyretische Therapie mit einem nichtsteroidalen Antirheumatikum, z.B. Ibuprofen, zentral. Die antibiotische Therapie erfolgt nach der Punktion und der daraus resultierenden Wahrscheinlichkeit einer septischen Arthritis. Im Zweifelsfall wird eine septische Arthritis behandelt bis zum Erhalt des Resultats aus der Mikrobiologie. Empfehlungen zur Behandlung der septischen Arthritis wurden von der Pädiatrischen Infektiologie Gruppe Schweiz (PIGS) entwickelt4). Obwohl die Borrelien-spezifische PCR sensitiver ist, kann auch die eubakterielle PCR zur Diagnosestellung einer Borrelienarthritis führen und die Therapie dann entsprechend angepasst werden. Die Behandlung erfolgt in Abhängigkeit des Alters entweder mit Ceftriaxon oder Doxycyclin über 21 bis 28 Tage (Tabelle 5). Gerade bei Jugendlichen und längerem Verlauf bis zur Diagnosestellung kann bei Abschluss der Antibiotikatherapie die Klinik noch persistieren. Hier ist teilweise die Weiterführung der Behandlung mit NSAR notwendig. Gleichzeitig sollte die Differentialdiagnose zur juvenilen idiopathischen Arthritis nochmals geprüft werden.

Referenzen

  1. Huppertz HI, Brunner J, Christen HJ, Fingerle V, Heininger U. Borreliose. In: Berner R, Bialek R, Forster J, Härtel C, Heininger U, Huppertz HI, Liese JG, Nadal D, Simon A (Hrsg.). Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie: DGPI Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen (7. Auflage). Georg Thieme Verlag, Stuttgart; 2018; S 383-389
  2. Buettcher M. Borrelia lymphocytoma presentations of the ear. Arch Dis Child. 2022 May;107(5):490.
  3. Rauer S, Kastenbauer S, Hofmann H, Fingerle V, Huppertz HI, Hunfeld KP et al., Neuroborreliose, S3-Leitlinie, 2018; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 24.10.2022)
  4. Wagner N, Ceroni D, Niederer A, Ritz N, Relly C. Diagnose und Behandlung von akuten
    osteoartikulären Infektionen im Kindesalter. Empfehlungen der Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz (PIGS), der Schweizerischen Kinderorthopäden und Kinderchirurgie. Paediatrica Vol.28, Nr. 1., 2017.

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
KD Dr. med.  Michael Büttcher Kinderspital Luzern, LUKS, Pädiatrische Infektiologie, Luzern ; Universitäts-Kinderspital beider Basel, Pädiatrische Klinische Pharmakologie, Basel

Dr. med.   Christian R. Kahlert Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene, Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen, Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene, Kantonsspital St. Gallen

Prof. Dr. med.  Ulrich Heininger Leitender Arzt und Chefarzt Stv. Pädiatrie Abteilungsleiter Pädiatrische Infektiologie und Vakzinologie, Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB), Basel