Die Empfehlungen sind das Resultat der Überarbeitung und Aktualisierung der "Empfehlungen für die Säuglingsernährung 2009".
Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie: Dominique Belli, Christian Braegger (Kommissionspräsident), Roger Lauener, Celine Fischer-Fumeaux und Mitverfasser des EEK-Berichts (Josef Laimbacher, Johannes Spalinger)
In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE.
Empfehlungen für die Säuglings ernährung (2017)
Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (Dominique Belli, Christian
Braegger (Kommissionspräsident) , Roger Lauener , Celine Fischer -Fumeaux ) und Mitverfasser des
EEK -Bericht s (Josef Laimbacher, Johannes Spalinger )
In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und der
Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE
Einleitung
Die vorliegenden Empfehlungen sind das Resultat der Überarbeitung und Aktualisierung der
«Empfehlungen für die Säuglingsernährung 2009» der Ernährungskommission der Schweizerischen
Gesellschaft für Pädiatrie (EK SGP) . Neben den «Empfehlungen für die Säuglingsernährung 2009»
diente der Bericht «Ernährung in den ersten 1000 Lebenstagen – von pränatal bis zum 3. Geburtstag»
der Eidgenössischen Ernährungskommission aus dem Jahr 2015 als Grundlage für den neuen Text,
ergänzt durch neuere Publikatio nen.
1. Stillen
Stillen ist die natürliche Ernährung für Neugeborene und Säuglinge und unterstützt in optimaler Weise
deren Wachstum und Entwicklung.
Zusammensetzung
Die menschliche Milch enthält nicht nur sämtliche Makro – und Mikronährstoffe wie Proteine, Lipide,
Kohlenhydrate, Vitamine, Mineralien und Spurenelemente in optimaler Konzentration und Qualität, die
der wachsende Organismus benötigt, sondern auch immunolog isch aktive Komponenten wie zum
Beispiel sekretorisches Immunglobulin A, Interferon, Laktoferrin, Lysozym, Nukleotide, Zytokine sowie
Leukozyten. Einige dieser Komponenten sind assoziiert mit passivem Schutz im Gastrointestinal – und
teilweise auch im Respi rationstrakt. Die menschliche Milch enthält zudem u.a. essentielle Fettsäuren,
Enzyme, Hormone, Polyamine und Wachstumsfaktoren, die für weitere Gesundheitsvorteile des Stillens
eine wichtige Rolle spielen können.
Gesundheitsvorteile
Die menschliche Milch hat nicht nur unmittelbare schützende Effekte im Säuglingsalter
(Infektionsprophylaxe , v.a. gegen gastrointestinale und respiratorische Infektionen und Otitis media ),
sondern ist auch assoziiert mit langfristigen Gesundheitsvorteilen , die noch nach vielen Jahren
gemessen werden können. Es gibt Hinweise u.a. auf einen Schutz vor immunologisch vermittelten
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Krankheiten wie Typ 1 Diabetes, chronisch -entzündliche Darmerkrankungen , Allergien, und Zöliakie;
ein vermindertes Risiko für die Ent wicklung von Übergewicht und Adipositas sowie Typ 2 Diabetes;
tieferer Blutdruck und tieferes Serumcholesterin; vermindertes Risiko für die Entwicklung eine akuten
lymphatischen Leukämie; und eine verbesserte k ognitive Entwicklung mit höherem
Intelligenzqu otienten. Menschliche Milch hat damit einen programmierenden Effekt, der sich Jahre und
wahrscheinlich sogar Jahrzehnte später auf die individuelle Gesundheit der als Säuglinge gestillten
Menschen günstig auswirkt.
Vitamin D
Die Vitamin D-Serumkonzentrationen von europäischen Frauen und damit der Vitamin D -Gehalt der
Muttermilch sind oft tief. Gründe dafür sind eine zu geringe Sonnenexposition (u.a. auch durch
Sonnenschutzmittel) . Säuglinge sind deshalb auf eine Vitamin D -Supplementation von täglich 400 IE
angewiesen.
Vitamin K
Der Vitamin K -Gehalt der Muttermilch ist ebenfalls oft tief. Der gestillte Säugling erhält damit nur wenig
Vitamin K. Eine Vitamin K -Supplementation in den ersten Lebenswochen wird deshalb dringend
empfohlen. Die Schweizerische Gesellschaft für Neonatologie empfiehlt 3 Dosen Vitamin K (z.B.
Konakion MM 2 mg ) im Alter von 4 Stunden, 4 Tagen und 4 W ochen.
Jod und Fluor
Säuglinge erhalten durch die Muttermilch genügend Jod , sofern die stillenden Mütter ausreichend mit
Jod versorgt sind. In der Schweiz wird Kochsalz mit Jod (25 mg/kg Salz) und mit Fluorid (250 mg/kg
Salz) angereichert (rote Verpackung mit Jod angereichert; grüne Verpackung mit Jod und Fluorid
angereichert). Stillenden Müttern wird empfohlen, dieses angereicherte Kochsalz zu verwenden. Eine
zusätzliche Jod – und Fluorid -Supplementation bei Säuglingen ist nicht empfohlen.
Eisen
Der Eisenbedarf von gesunden termingeborenen Säuglingen ist in den ersten sechs Lebensmonaten
tief und kann durch den Eisengehalt der Muttermilch genügend gedeckt werden. Ab dem 7.
Lebensmonat muss jedoch praktisch der gesamte inzwischen gewachsene Eisenbedarf des Säuglings
durch die Beikost zugeführt werden.
Kontraindikationen für das Stillen
Es gibt nur sehr wenige Situationen, in denen Stillen nicht empfohlen werden kann. Absolute
Kontraindikationen aus kindlicher Sicht sind die seltene Galaktosämie (Prävalenz ca. 1:40′ 000) sowie
der noch seltenere kongenitale Laktasemangel. Bei anderen angeborenen Stoffwechselerkrankungen
wie z.B. Abetalipoproteinämie und Phenylketonurie wird Muttermilch in individuell unterschiedlicher
Menge toleriert; die Milchmenge muss entsprechend den individuellen Bedürfnissen angepasst werden.
Zu den mütterlichen Kontraindikationen gehören gewisse Medikamente, die die Mutter einnehmen muss
und die via Muttermilch das Kind schädigen können (u.a. Zytostatika, Neuroleptika, Immunsuppressiva,
gewisse Antibiotika und Antiepileptika) sowie die Einnahme von radioaktiven Substanzen aus
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diagnostischer oder therapeutischer Indikation. Eine mütterliche HIV -Infektion gilt in der westlichen Welt
ebenfalls als Kontraindikation. Das Risiko für eine Übertragung de s Virus auf den Säugling ist abhängig
von der mütterlichen Viruslast und dem mütterlichen Immunstatus. Hepatitis C – und Hepatitis -B-
Infektionen sind keine Kontraindikation für das Stillen, falls die Säuglinge von HBs -Antigen -positiven
Müttern wie empfohlen aktiv und passiv gegen Hepatitis B geimpft werden .
Internationale Empfehlungen zu m Stillen
In ihrer Resolution aus dem Jahr 2001 empfiehlt die W HO , weltweit alle Säuglinge 6 Monate
ausschliesslich zu stillen und anschliessend unter Einführung der Beikost weiter zu stillen bis zum Alter
von zwei Jahren und länger. Allerdings wird in diesem Bericht auch erwähnt, dass es Mütter gibt, die
diesen Empfehlungen nicht folgen können oder wollen, und dass auch diese Mütter unterstützt werden
sollen, um die E rnährung ihrer Säuglinge optimal gestalten zu können. In industrialisierten Ländern fehlt
der wissenschaftliche Nachweis, dass die Einführung der Beikost im 5. oder 6. Lebensmonat Nachteile
hätte gegenüber der Beikosteinführung erst im 7. Monat (nach dem abgeschlossenen 6. Lebensmonat ).
Die Ernährungskommission der European Society of Paediatric Gastroenterology, Hepatology and
Nutrition ( ESPGHAN ) kommt deshalb zum Schluss, dass 6 Monate ausschliessliches Stillen ein
erstrebenswertes Ziel ist, und dass die Beikost einerseits nicht vor der 17. (abgeschlossener 4.
Lebensmonat) und anderseits auch nicht nach der 26. Lebenswoche (abgeschlossener 6.
Lebensmonat) eingeführt werden sollte. Eine spätere Einführung der Beikost ist nicht zu empfehlen, da
der Nähr stoffgehalt der Muttermilch die Bedürfnisse des Säuglings nach dem Alter von 6 Monaten nicht
mehr vollumfänglich decken kann; insbesondere ist der Eisengehalt der menschlichen Milch
ungenügend. Die W HO empfiehlt, nach der Einführung der Beikost mindestens bis zum Alter von 2
Jahren weiterzustillen. Die American Academy of Pediatrics ( AAP ) empfiehlt, mindestens bis zum Alter
von 1 Jahr weiterzustillen. Für Regionen mit geringem Infektionsrisiko im Säuglingsalter (z.B. in Europa)
fehlen die Daten über eine mö gliche Infektprävention des Stillens nach dem 6. Lebensmonat resp. nach
Einführung der Beikost. Die ESPGHAN Ernährungskommission empfiehlt, Stillen nach Einführen der
Beikost solange weiterzuführen, wie Mutter und Kind dies möchten, ohne jedoch eine bestim mte Dauer
zu definieren.
Empfehlungen für die Schweiz
Die Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie schliesst sich den
Empfehlungen der ESPGHAN Er nährungskommission an und empfiehlt eine individuell angepasste
Einführung der Beikost frühestens im 5. und spätestens im 7. Lebensmonat und Stillen nach Einführen
der Beikost solange weiterzuführen, wie Mutter und Kind dies möchten.
2. Säuglings nahrungen
Rechtliche Grundlagen
In der Schweiz sind Begriff, Anforderungen, Kennzeichnung , Aufmachung, Werbung und Meldepflicht
von Säuglingsanfangs – und Folgenahrung durch die „Verordnung des Eidgenössischen Departements
des Innern (EDI) über Lebensmittel für Personen mit besonderem Ernährungsbedarf (VLBE) “ vom 16.
Dezember 2016 , und die „Lebensmittel – und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) “ vom 16.
Dezember 2016 geregelt. In der Europäischen Union gilt die Richtlinie 2006/141/EG der Kommission
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vom 22. Dezember 2006 über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung. Der Codex Alime ntarius
der WHO/FAO regelt Säuglingsnahrungen im „Standard for infant formula and formulas for special
medical purposes“ und Folgenahrungen im „Standard for follow -up formula“.
Sowohl die Verordnung der EDI als auch die EU Richtlinie und der Codex alimentarius unterscheiden
Säuglingsanfangsnahrungen und Folgenahrungen.
Säuglingsanfangsnahrungen
Säuglingsanfangsnahrungen sind Säuglingsmilchen, die als Muttermilchersatzprodukt für die
Ernährung von gesunden Säuglingen während der ersten Lebensmonat e bestimmt sind und alle
Ernährungsbedürfnisse d er Säuglinge bis zur Einführung der Beikost decken müssen . In den ersten 6
Lebensmonaten soll nur Säuglingsanfangsnahrung und keine Folgenahrung als Muttermilchersatz
verwendet werden. Menge und Frequenz rich ten sich nach den individuellen Bedürfnissen des
Säuglings.
Folgenahrungen
Folgenahrungen sind Säuglingsmilchen, die für die Ernährung von gesunden Säuglingen, die älter als
sechs Monate sind, ab Einführung einer angemessenen Beikost, und für Kleinkinder bis zum Alter von
drei Jahren bestimmt sind . Mit der Einführung von Beikost ab spätestens dem 7. Lebensmonat kann
Säuglingsanfangsnahrung durch Folgenahrung ersetzt werden. Säuglingsanfangsnahrungen können
aber auch nach Beginn der Beikosteinführung weiter gefüttert werden. Folgenahrungen sollen erst
gefüttert werden, wenn der Säugling bereits Beikost bekommt. Biologisch lässt sich die Unterscheidung
von Säuglingsanfa ngs – und Folgenahrung nicht begründen.
Säuglingsanfangs – und Folgenahrungen sind für Säuglinge geeignet , falls Stillen nicht möglich ist oder
Muttermilch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Als Proteinquelle sind in der Schweiz
Kuhmilchprot ein, Ziegenmilchprotein und Sojaprotein zugelassen. Der Markt klassifiziert
Säuglingsnahrungen in die Klassen Pre, 0, 1, 2, oder 3 . Diese Klassifizierung ist weder in der Schweiz
noch in der EU gesetzlich geregelt und irreführend für den Verbraucher. Im Allgemeinen beziehen sich
die Bezeichnungen Pre -Nahrung, 0 -Nahrung und 1 -Nahrung auf Säuglingsanfangsnahrungen und die
Bezeichnungen 2-Nahrung und 3 -Nahrung auf Folgenahrungen.
Protein
In einzelnen Studien wird darauf hin gewiesen , dass eine hohe Proteinzufuhr im Säuglingsalter und in
der fr ühen Kindheit mit einem erhöhten Body -Mass -Index im Kindesalter einhergeht und ein Risiko für
die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas sein könnte . Deshalb wurden die Anforderungen an
die Zusammensetzung von Säuglingsanfangs – und Folgenahrung angepasst und der Höchstwert für
den Proteingehalt reduziert .
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Spezialnahrungen
Hydrolysi erte Säuglings nahrungen
Extensiv oder partiell hydrolysierte Säuglingsanfangs – und Folgenahrungen (partiell hydrolysierte
Nahrungen werden auch als „hypoallergene“ oder „HA“ -Nahrungen bezeichnet) wurden in bisherigen
Ernährungsempfehlungen gelegentlich als Op tion zur Primärprävention von Allergien für Säuglinge aus
atopiebelasteten Familien aufgeführt . Eine Studie fand einen schwachen protektiven Effekt für einzelne,
aber nicht für andere extensiv resp. partiell hydrolysierte Milchpräparate (von Berg A, et al. J Allergy
Clin Immunol 2003;111:533 -40; «GINI -Studie “). Ein Cochrane Review zeigte nur eine sehr limitierte
Evidenz für den präventiven Effekt hydrolysierter Produkte für die Prävention von Allergien während der
ersten 6 Lebensm onate (Osborn DA, Sinn J. Cochrane Database Syst Rev 2006: CD003664) . Eine
kürzlich erschienene Metaanalyse fand einzelne geringe und statistisch nicht signifikante Effekte, z .B.
au f die atopische Dermatitis, insgesamt jedoch keinen signifikanten allergieprotektiven Ef fekt und rät
klar vom Einsatz solcher Produkte ab (Boyle RJ, et al. BMJ 2016;352:i974 ). Auch die Beurteilung eines
partiell hydrolysierten Produkts durch die U.S. Food and Drug Administration ( FDA ) aus dem Jahre 2011
kam zum Schluss, dass nur wenig glaubwürdige Evidence ( «little credible evidence «) für einen Health
Claim vorliegt und der Zusammenhang zwischen der partiell hydrolysierten Anfangsnahrung und dem
Risiko einer atopischen Dermatitis unsicher ist («Qualified Health Claim Petition for the Relationship
Between 100% W hey -Protein Partially Hydrolyzed Infant Formula and Reduced Ri sk of Atopic
Dermatitis») . Die Ernährungskommission der SGP folgt diesen Beurteilungen und bewertet die Evidenz
als zu ungenügend, um den Einsatz von extensiv oder partiell hydrolysierten Säuglingsanfangs – und
Folgenahrungen zur primären Allergieprävention empfehlen zu können .
Säuglingsnahrungen auf Sojaeiweissbasis
Säuglin gsnahrungen auf Sojaeiweiss basis weisen einen hohen Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen
(Flavonoiden) mit schwach östrogener W irkung sowie an Phytaten mit möglichen Nachteilen für die
Nährstoffresorption auf. S ie sollten deshalb zurückhaltend eingesetzt werden. Säuglings nahrungen auf
Sojabasis können z.B. bei Familien eingesetzt werden, die au s weltanschaulichen Gründen eine
Kuhmilchgabe ablehnen, z. B. bei Veganern. Zur Behandlung von Kuhmilchallergie sollte nicht auf
Säuglingsnahrungen auf Sojaeiweissbasis zurückgegriffen werden, sondern therapeutische Nahrungen
auf der Basis extensiver Eiwei ss hydrolysate oder gegebenenfalls auf der Basis von
Aminosäuremischungen eingesetzt werden.
Pre – und Probiotika
Seit einiger Zeit werden Säuglingsnahrungen mit verschiedenen Prä – und Probiotika angereichert . Ein
klinisch relevanter Vorteil von prä – oder probiotisch angereicherten Säuglings nahrungen gegenüber
nicht angereicherten Säuglings nahrungen ist nicht überzeugend belegt, so dass weder die
Ernährungskommission der AAP noch die Ernährungskommission der ESPGHAN deren generelle
Verwendung empfehlen. Im Jahre 2012 hat die World Allergy Organization diese Einschätzung
bestätigt und weder Pro – noch Präbiotika eine Rolle in der Atopieprävention zugeschrieben.
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Sel bst zubereitete Säuglings nahrungen
Sel bst zubereitete Säuglings nahrungen aus Kuhmilch, anderen Tiermilchen (Ziegen, – Stuten – oder
Schafsmilch) oder anderen Rohstoffen (z . B. Mandeln , Reis ) bergen erhebliche Risiken bezüglich
ausreichender Energie – und N ährstoffversorgung sowie Kontaminations risiken und sollten nicht
verwendet werden.
Zubereitung von Säuglingsnahrungen
Flaschennahrung , d.h. trinkfertig zubereitete und in für Säuglinge geeignete Trinkflaschen abgefüllte
Säuglingsanfangs – oder Folgenahrung, sollte immer frisch zubereitet und sogleich verwendet werden.
Reste müssen verworfen werden, um der Vermehrung pathogener Keime und dem Auftreten von
Infektionen beim Kind vorzubeugen. Flasche und Sauger sind sorgfältig zu reinigen und trocke n
aufzubewahren; ein Auskochen ist nicht erforderlich. Pulvernahrun gen sollen mit frischem Trinkwasser
zubereitet werden (über Nacht in der Leitung gestandenes W asser sollte zunächst ablaufen, bis kaltes
Wasser kommt). Die Verwendung von Mineralwasser aus hygienische n Gründen ist in der Schweiz nicht
nötig. Je nach Minera lgehalt kann die Verwendung von Mineralwasser für den Säugling sogar
problematisch sein. Pulverförmige Säuglingsnahrung kann mit auf Trinktemperatur erwärmtem Wasser
oder mit auf Trinktemperatur abgekühltem abgekochtem Wasser zubereitet werden. Von der
Zub ereitung von Säuglingsnahrungen mit kochendem oder auf 70° C erhitztem Wasser wird wegen der
Risiken kindlicher Verbrühungen un d nachteiliger Veränderungen des Nährstoffgehalts der Milch
abgeraten.
3. Beikost
Als Beikost werden alle fl üssigen, halbfl üssigen und festen Lebensmittel bezeichnet, mit Ausnahme der
Muttermilch und Säugl ingsanfangs – und Folgenahrungen . Dazu gehören selbsthergestellte Milch – und
Getreidebreie sowie Gem üse – und Fleisch -Breie und auch industriell hergestellte Gläschen .
Zeitpunkt der Einführung
Die Beikost sollte nicht vor dem 5. Lebe nsmonat (nach abgeschlossenem 4. Lebensmonat) und nicht
später als zu Beginn des 7. Lebensmonats (nach abgeschlossenem 6. Lebensmonat) eingeführt
werden. Es gibt zurzeit keine Evidenz für e inen Nutzen einer gezielten Einführung der Beikost vor dem
5. Lebensmonat (vor dem abgeschlossenen 4. Lebensmonat) , etwa zur Allergieprävention. Die
Einführung der Beikost spätestens nach dem abgeschlossenen 6. Lebensmonat ist notwendig, da ab
dem 7. Monat die Ernährungsbedürfnisse des Säuglings durch die Muttermilch nicht mehr genügend
gedeckt werden können. Dies betrifft v.a. den Bedarf an Eisen, Protein und Energie . W ährend der
Einführung der Beikost soll weiter gestillt wer den, da die Mutter milch die Beikost gut ergänzt und so
eine bedarfsgerechte Ernährung im ersten Lebensjahr gewährleistet ist. Beikost sollte mit dem Löffel
angeboten werden und nicht als Flüssignahrung aus der Flasche oder dem Becher getrunken werden.
Auch erste Erfahrungen mit dem Selbstfüttern (finger food) gehören zur Einführung der Beikost. Im Alter
von 6 -8 Monaten soll der Säugling zur Ergänzung der Muttermilc h 2 -3x täglich Beikost erhalten und im
Alter von 9 -11 Monaten 3 -4x täglich. B is am Ende des ersten Lebensjahres hat sich die
Mahlzeitenfrequenz in der Regel dem Familienrhythmus angepasst.
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Auswahl der Lebensmittel
Die Auswahl der Lebensmittel für die Beikost wird durch individuelle, traditionelle, regionale und
saisonal e Faktoren beeinflusst. Die Empfehlungen für die optimale Einführung der Beikost basieren auf
dem Ernährungsplan , welche r von der Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft f ür
Pädiatrie und der Schweizerischen Gesellschaft f ür Ernährung erarbe itet wurde (Abb. 1).
Geschmacksentwicklung
Eine grosse Geschmacksvariation in der Beikost kann die Gewöhnung an eine gemischte Kost im
Kindesalter erleichtern. Mit der Einf ührung der Beikost soll der Säugling mit allen
Geschmacksrichtungen und einer Vie lzahl verschiedener Textureigenschaften von Lebensmitteln
vertraut gemacht werden. Damit ein Säugling ein neues Nahrungsmittel akzeptiert, ist gelegentlich ein
wiederholtes Anbieten (bis zu 10 – 15 Mal ) notwendig.
Selbst oder industriell hergestellte Be ikost?
Bei der Selbstzubereitung der Beikost ist wichtig, dass die Bedürfnisse des Säuglings gedeckt, die
Zutaten auf das Notwendige beschränkt werden und auf Zusätze wie z.B. Salz, Zucker oder andere
Süssstoffe verzichtet wird. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Verwendungsdauer und Lagerung
sowohl bei selbsthergestellter wie auch industriell hergestellter Beikost. Nach der Herstellun g bzw. nach
dem Öffnen der Gläs chen sollten diese im Kühlschrank gelagert und innerhalb von maximal 48 h
konsumiert werden. Industriell hergestellte Produkte mit zugesetzten Aromen sollten vermieden werden,
um die Geschmacksprägung der Säuglinge nicht einseitig zu beeinflussen. Selbsthergestellte Beikost
kann den positiven Zugang zu einer ausgewogenen Ernährung fördern.
Trink menge
Muttermilch ist die ideale Fl üssigkeitszufuhr und bleibt ein wichtiger Bestandteil zum Zeitpunkt der
Beikosteinf ührung und während der Steigerung der Beikostmengen. W enn das Stillen nicht mehr
möglich ist, soll eine Säuglingsanfangsnahrung angeboten werden. Ab dem 7 . Lebensmonat ist auch
die Verwendung einer Folgenahrung möglich . Die Flüssigkeitsmenge ist individuell unterschiedlich, von
der Jahreszeit und dem Zustand des Kindes abhängig. Zur Deck ung des Bedarfs wird eine
Gesamt flüssigkeit von ca. 800 – 1000 ml pro Tag empfohlen. Muttermilch oder Säuglingsmilch kann
bei Bedarf mit W asser ergänzt werden . Hahnen wasser ist in der Schweiz von sehr hoher Qualität und
eignet sich best ens als zusätzliche Flüssigkeit . Ges üsste Getränke, sowie Fruchtsaft und Fruchtnektar ,
sind wegen hohe m Zuckergehalt und drohenden Zahnschäden zu vermeiden.
Kuhmilch
Von der Verabreichung reiner Kuhmilch (Trinkmilch oder Vollmilch) als Milchgetränk wird in den ersten
12 Lebensmonaten abgeraten. Kleinere Mengen an Kuhmilch können jedoch problem los ab dem 7.
Lebensmonat (nach dem abgeschlossenen 6. Lebensmonat) bei der Zubereitung der Beikost verwendet
werden. Auch kleinere Mengen von ungesüsstem Joghurt können der Beikost beigefügt werden. Ab
dem 2. Lebensjahr k ann die Säuglingsanfangs – oder Folgenahrung durch Kuhmilch (Vollmilch) ersetzt
werden.
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Energie
Säuglinge verdoppeln ihr Geburtsgewicht in den ersten 4 -6 Monaten und sind deshalb auf eine hohe
Energie – und Nährstoff zufuhr angewiesen. Im Vergleich zu Erwachsenen haben Säuglinge einen
deutlich höheren Energie bedarf . Der durchschnittliche Energiebedarf pro kg Körpergewicht liegt bei 80 –
95 kcal pro Tag für das Alter von 4 -12 Monaten . Dieser Bedarf wird durch Muttermilch (und a b dem 5. –
7. Monat mit zusätzliche r Beikost ) problemlos gedeckt.
Gluten
Die Ernährungskommission der SGP empfiehlt, g lutenhaltige Getreide mit der Beikosteinführung
zwischen dem 5. bis 7. Lebensmonat der Nahrung einzuführen . Sowohl frühere wie auch spätere
Einführung von Gluten in die Säuglingsnahrung könnte mit einem erhöhten Risiko für Zöliakie
einhergehen. Auch eine Assoziation zwischen Stillen und reduziertem Risiko für Zöliakie wurde
beobachtet. Dies e Beobachtungen werden allerdings in neueren S tudien kontrovers diskutiert. Für
spezielle Empfehlungen für Zöliakie -belastete Familien fehlen die Grundlagen.
Vegetarische Ernährung
Bei Säuglingen, welche eine vegetarische Beikost erhalten, sollte auf eine gen ügende tägliche
Milchzufuhr (ca. 500 ml/ d) in Form von Muttermilch oder Säuglingsanfangs – resp. Folgenahrung
geachtet werden. Auch die genügende Eisenzufuhr muss gesichert sein.
Vegane Ernährung
Vitamin B12 kommt praktisch nur in Nahrungsmitteln tierischer Herkunft vor und wird daher bei rein
veganer Ernährung nicht in genügender Menge zugeführt. Vitamin B12 ist spielt eine wichtige Rolle bei
der Blutbildung und der Gehirnentwicklung ; ein Mangel f ührt zu makrozytärer Anämie und zu
Hirnatrophie mit erheblicher Einschränkung der kindlichen Entwicklung. Eine vegane Ernährung kann
deshalb für Säuglinge nicht empfohlen werden. Falls eine vegane Ernährung aus ethischen Gründen
praktiziert wird, muss die se bei Säuglingen und Kindern durch einen erfahrenen Arzt und eine r
qualifizi erte n Ernährungsfachkraft begleitet und betreut werden. Vitamin B12 muss immer
supplementiert werden. Eine vollständige Versorgung mit anderen Mikronährstoffe n (z.B. Eisen) ist
ohne zusätzliche Supplementation oft auch nicht möglich .
4. Allergieprävention
Neuere Untersuchungen zeigen, dass bezüglich Allergie prävention für alle Säuglinge die gleichen
Empfehlungen abgegeben werden können, unabhängig von der familiären Atopiebelastung.
Stillen
Viele Studien zeigen einen präventiven Effekt des Stillens hinsichtlic h Allergieprävention , andere
Untersuchungen konnten dies nicht bestätigen . In Würdigung aller aktuell vorhandenen Daten wird
Neugeborenen und Säuglingen mit erhöhtem Allerg ierisiko – wie allen übrigen Neugeborenen – in den
ersten Lebensmonaten ausschliessliches Stillen empfohlen. Eine präventive diätetische Einschränkung
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der Mu tter währ end Schwangerschaft oder Stillzeit bringt keinen Vorteil für den Säugling und wird
deshalb nicht empfohlen.
Spezialnahrungen
Die Diskussion um den Nutzen von extensiv oder partiell hydrolysierten Säuglingsanfangs – oder
Folgenahrungen zur Primärp rävention von Allergien für Säuglinge wurde kontrovers geführt. Bisherige
Beurteilungen kamen zum Schluss, dass ein präventiver Effekt für atopische Dermatitis zwar sehr
gering, aber doch nachweisbar war. Die früheren Empfehlungen der Ernährungskommission SGP
(Empfehlungen für die Säuglingsernährung 2009. Paediatrica 2009; 20(5):13 -15) erwähnten solche
Präparate dementsprechend als Option („können ver wendet werden“). Wie im Kapitel 2
(Säuglingsnahrungen) bereits dargelegt, sind nun neue Analysen dazugekommen, die keine Signifikanz
des präventiven Effekts mehr finden. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen anderer Fachg remien
beurteilt die Ernährungsko mmission der SGP die Datenlage deshalb als ungenügend und empfiehlt die
Verwendung von extensiv oder partiell hydrolysierten Säuglingsanfangs – oder Folgenahrungen zur
Primärprävention von Allergie n nicht.
Einführung von Beikost
Es gibt keine Evidenz dafü r, dass das Meiden respektive die verzögerte Einführung von potentiell
allergenen Nahrungsmitteln in der Beikost das Allergierisiko vermindern kann, unabhängig von der
familiären Atopiebelastung. Neue Studien legen im Gegensatz sogar nahe, dass eine vielfä ltige Beikost
im ersten Lebensjahr primärpräventiv wirken kö nnte , und dass eine frühe Einführung von Beikost
zumindest nicht schadet, eventuell so gar einen Nutzen bringt . Basierend auf diesen Daten empfiehlt die
Ernährungskommission der SGP , dass bei allen Kinder, unabhängig vom familiären Atopiestatus, ab
dem 5. bis 7. Lebensmonat (also nach vollendetem 4. bis 6. Lebensmonat) in altersgerechter Form
schrittweise Beikost eingeführt wird, um am Ende des ersten Lebensjahres eine vielfältige Er nährung
zu erreichen.
Referenzen
Für Referenzen verweisen wir auf den EEK -Bericht 2015
(https://www.eek.admin.ch/eek/de/home/pub/ernaehrung -in-den -ersten -1000 -lebenstagen -.html )
und die Literaturhinweise im Text .
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Abb. :
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med. Christian P. Braegger , Abteilung Gastroenterologie und Ernährung, Universitäts-Kinderspital Zürich - Eleonorenstiftung