Die Ernährung im Kleinkindalter ist durch den Übergang von der Säuglingsernährung zur Teilnahme am Familienessen charakterisiert.
Kleinkindernährung im Alter von 1 bis 3 Jahren
Hauptverfasserin: Mathilde Kersting Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund
In Zusammenarbeit mit der Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie: Dominique Belli, Christian Braegger (Kommissionspräsident), Roger Lauener, Celine FischerFumeaux und dem Mitverfasser des EEK-Berichts (Josef Laimbacher).
In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE.
Empfehlungen für die Kleinkindernährung i m Alter von 1 bis 3 Jahren (2017)
Hauptverfasserin: Mathilde Kersting Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund
In Zusammenarbeit mit der Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie
(Dominique Belli, Christian Braegger (Kommissionspräsident), Roger Lauener, Celine Fischer –
Fumeaux) und dem Mitverfasser des EEK -Berichts (Josef Laimbacher)
In Zusammenarbeit mi t dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und der
Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE
1. Vorbemerkungen
Die Ernährung im Kleinkindalter ist durch den Übergang von der Säuglingsernährung zur Teilnahme
am Familien essen charakterisiert. Wesentliche ernährungs physiologische und senso -motorische E nt-
wicklung en haben bereits im 1. Lebensjahr stattgefunden . D ie Weiterentwicklung der Essfertigkeiten
und die zunehmende soziale Integration sind typische ernährungsbezogene Entwicklungsschritte im
Kleinkindalter. In der Literatur werden unterschiedliche Altersdefinitionen für Kleinkinder (‚toddlers‘,
‚young children‘) verwendet.
Die vorliegende n Empfehlungen umfassen aus pragmatischen Erwägungen den Altersbereich von 1 –
3 Ja hren . Er entspricht der Definition von Kleinkindern in der Lebensmittelgesetzgebung der Schweiz
und der EU . Kleinkinder gelten ebenso wie Säuglinge als Bevölkerungsgruppe mit besonderen Ernä h-
rungserfordernissen Die D -A-CH 1-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr definieren die Altersgruppe ‚1
bis unter 4 Jahre‘, die lebensmittelbezogenen Referenzwerte des Konzepts der Optimierten Misc h-
kost , d as in Deutschland vom Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) entwickelt wurde, bezi e-
hen sich wiederum auf die D -A-CH -Referenzwerte.
2. Ernährung und Entwicklung
2.1. Entwicklung des Nahrungs – und Nährstoffbedarfs
Die Entwicklung des Nahrungs – und Nährstoffbedarfs im Kindesalter zeigt sich exemplarisch am
Energiebedarf. Während sich der Gesamte nergiebedarf (kcal/Tag) im 1. Lebensjahr etwa verdoppelt,
steigt er im Verlauf des Kleinkindalters nur noch um ca. 50 % an . Umgekehrt verhält es sich mit dem
Energiebedarf pro kg Körpergewicht, der von einem Maximum in den ersten Lebensmonaten a n-
schließend kontinuierlich sinkt. Etwa 2/3 des Energiebedarfs macht auch im Kleinkindalter der Grun d-
1 D-A-CH steht für die deutschen, österreichischen und schw eizerischen Gesellschaften für Ernährung
umsatz (Ruhe -Nüchtern -Umsatz) aus. Bei geringe r körperlicher Aktivität (Physical Activity Level,
PAL) wird der Gesamtenergiebedarf mit dem 1,4fache n des Gr undumsatzes (PAL 1,4) an gesetzt, bei
moderater körperlicher Aktivität mit dem 1,6 fachen (PAL 1,6) . Zur frühen Prävention von Übergewicht
und Adipositas ist es sinnvoll, in bevölkerungsbezogenen Ernährungsempfehlungen von einer niedr i-
gen körperlichen Aktivität (PAL 1,4) der Kinder auszugehen. Der Energiebedarf für das Wachstum ist
nur im Säuglingsalter relevant .
Der Bedarf der meisten Nährstoffe entwickelt sich im Kindesalter ähnlich wie der Energiebedarf. Or i-
entierung bieten die D -A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Für Vitamine und Mineralstoffe
sind d iese mit Sicherheitszuschlägen versehen, sodass die empfohlene Nährstoffzufuhr den Bedarf
praktisch aller Personen ( 2 SD bzw. 97,5%) der jeweiligen Gruppe deckt. Für die Anwend ung, zum
Beispiel zur Interpretation eines zur Diagnostik erstellten Ernährungsprotokolls , bedeutet dieses stati s-
tische Konzept, dass bei einem Kind, dessen errechnete Nährstoffzufuhr den Empfehlungswert unte r-
schreitet, nicht ohne weiteres bereits ein Nähr stoffmangel zu erwarten ist. Das Risiko für ein Defizit
wird aber umso größer, je mehr die tatsächliche Zufuhr die Empfehlung unterschreitet .
Die Nährstoffdichte (Nährstoffzufuhr bezogen auf die Energiezufuhr, z.B. mg pro 100 kcal) ist deshalb
ein geeigne tes Kriterium zur Bewertung der ernährungsphysiologischen Qualität der Nahrung .
2.2. Senso -motorische Entwicklung
In den ersten Lebensjahren entwickelt sich das Essverhalten in drei charakteristischen Phasen, die in
engem Zusammenhang mit der neuromotorischen und psychosozialen Entwicklung stehen und die
nahtlos ineinander übergehen . Auf die Still – und Trinkphase in den ersten Lebensmonaten und die
Trink – und Breiphase im 2. Lebenshalbjahr , zu der auch das Selbstfüttern (‚finger food‘) gehört, folgt
gegen Ende des 1.Lebensjahres der schrittweise Übergang auf d as Familiene ssen . In dieser Phase
entw ickeln die Kinder eine zunehmende Eigenständigkeit in ihren motorischen und sprachlichen F ä-
higkeiten, indem sie selbständiger essen und mehr und mehr auch Wünsche und Ablehnung äußern.
Gegen Ende des 1. Lebensjahres sind pra ktisch alle Kinder imstande, aus de m Becher zu trinken,
einige Monate später können die meisten Kinder den Becher selbständig halten.
Die Fähigkeit feste Nahrung zu kauen, entwickelt sich im Laufe des 2. Lebensjahr es . S ie steht in d i-
rektem Zusammenhang mit dem Durchbruch der ersten prämolaren Backenzähne . M anche Kinder
beginnen damit schon am 1. Geburtstag, während andere erst am 2. Geburtstag kauen können. Zur
gleichen Zeit beginnen die Kinder den Löffel zu ge brauchen und selbständig damit zu essen. Den
Umgang mit der Gabel erlernen die meisten Kinder erst im 3. Lebensj ahr.
Wenn Kinder in ihren Essfertigkeiten gefördert und rechtzeitig an komplexe Konsistenzen und Text u-
ren der Speisen gewöhnt werden , sind sie im Alter von etwa 2 Jahren meist imstande, mit wenigen
Abstrichen am Familienessen teilzunehmen. Manche Speisen müssen noch zerkleinert oder püriert
werden . W egen der Aspirationsgefahr ist Vorsicht geboten bei kleinen harten Lebensmitteln, die im
Mund schwer zu kontrollieren sind , wie Nüsse, rohe Karotten stücke oder Bonbons .
2.3. Psycho -soziale Entwicklung
Die soziale Umgebung und die Eltern -Kind -Interaktion spiel en bei der Entwicklung des Essverhaltens
in den ersten Lebensjahren ei ne zentrale Rolle. Schon im 2. Lebenshalbjahr erweitert sich das dyad i-
sche Mutter -Kind -Verhältnis bei den Mahlzeiten und das Kind nimmt zunehmend teil an seinem E r-
nährungsumfeld. Spätestens Anfang des 2. Lebensjahres will es beispielsweise mit anderen essen
und einen eigenen Teller haben.
Das Kind muss nicht zum Essen erzogen werden . Es eignet sich die Fertigkeiten durch Imitationsle r-
nen am Familientisch selbständig an, wenn es den Eltern und Geschwistern zuschauen kann, wie sie
aus Tassen und Gläsern trinken und mit Messer, Löffel und Gabel essen. Das Imitationsverhalten und
das soziale Lernen sind der stärkste Lerntrieb des heranwachsenden Kleinkindes. Entsprechend
gross ist die Verantwortung von Bezugspersonen , die mit ihrer Lebensmittelauswahl und ihrem Es s-
verhalten als Vorbild wirken.
Wichtig ist die Anerkennung der Autonomiebedürfnisse des Kindes. Eine übermässige Kontrolle der
kindlichen Ernährung , Verbote von Lebensmitteln und der Einsatz von Essen als Belohnung unterdr ü-
cken die Fähigkeit zur Eigenregulation und können so zu unkontrolliertem Essen und einseitigen Na h-
rungsvorlieben des Kind es führen.
3. Hintergründe lebensmittelbezogener Ernährungsempfehlungen
3.1. Grundlage: Optimierte Mischkost
Nährstoffbezogene Empfehlungen sind für die praktische Beratung von Familien nicht brauchbar. Sie
müssen in lebensmittel bezogene Empfehlungen übersetzt werden, damit sie für die Bevölkerung ve r-
ständlich werden . Dabei sollen auch traditionell und kulturell bedingte Ernährungsgewohnheiten b e-
rücksichtigt werden. Es g eh t um eine ausgewogene Gesamternährung, nicht um einzelne Lebensmi t-
tel wie Milch , Gemüse oder Früchte .
Für die Ernährung von Kleinkindern gelten dabei dieselben Prinzipien wie für die Ernährung von ält e-
ren Kindern , Jugendlichen und Erwachsenen .
Die lebensmittelbezogenen Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE ) für
die Ernährung von Kindern lehnen sich an das Konzept der Optimierten Mischkost an . Für K leinkinder
wird im Grundsatz eine abwechslungsreiche Mischkost empfohlen, ebenso wie für größere Kinder und
Erwachsene. Die Empfehlungen zum genussvollen Esse n und Trinken gibt die S chweizer Ernä h-
rungsscheibe für Kinder wieder, mit den zentralen 5 Botschaften: Wasser trinken, Gemüse & Früchte
essen, Regelmä ss ig essen, Mit allen Sinnen geniess en, Abwechslungsreich e ssen ,
www.sge -ssn.ch/bildung -und -schule/ernaehrung -im-unterricht/unterrichtsmaterial/ernaehrungsscheibe/
3.2. Mahlzeiten -Konzept
Das Konzept der Optimierten Mischkost zeigt wie die empfehlungsgerechte Nährstoffzufuhr (gemäß
D-A-CH) unter Berücksichtigung aller relevanten Lebensmittelgruppen gewährleiste t werden kann.
Grundsatz ist eine omnivore Kost mit Betonung von pflanzlichen Lebensmitteln.
Dazu wurden 7-Tage -Speisepl äne entwickelt, mit 5 Mahlzeiten am Tag: 3 Hauptmahlzeiten und 2
Zwischenmahlzeiten . Mahlzeitenbezogene Empfehlungen sind praxisnah, da sie de n Ernährungsalltag
widerspiegeln .
Das Mahlzeitenmuster erlaubt einen nahtlos en Übergang von der Säuglingsernährung in die Kinder –
und Familienernährung : die Still – oder Flaschenmahlzeit und der Milch -Getreidebrei werden zu
Hauptmahlzeiten , bestehend aus Brot oder M ue sli, Milch oder einem Milchprodukt und Früchten oder
Rohkost. Der Gemüse -Kartoffel -Fleisch -Brei wird zum warmen Mittagessen , mit Gemüse oder Ro h-
kost, Kartoffeln, Teigwaren oder Reis, 3 -4 mal pro Woche Fleisch, 1mal Fisch. Der Getreide –
Früchtebrei geht in Zwischenmahlzeiten über, bestehend aus Früchten oder Rohkost , Brot oder Fl o-
cken , evtl . dazu Milch oder ein Milchprodukt. Jede Mahlzeit enthält zusätzlich ein energiefreies, u n-
ge süss tes Getränk.
4. Lebensmittelbezogene Empfehlungen für die Praxis
4.1. Kernbotschaften und Vergleich mit der Ernährungsrealität
Fasst man die Lebensmittel aus den Speiseplänen der Optimierten Mischkost zu ernährungsphysiol o-
gisch sinnvollen und praktisch relevanten Lebensmittelgruppen zusammen, e rgeben sich einfache
Kern botschaften für die Lebensmittelauswahl :
Reichlich : Getränke ( energiefrei, ungesüßt ) und pflanzliche Lebensmittel (Gemüse, Früchte, Salat,
Getreideprodukte, Kartoffeln
Mä ss ig: Tierische Lebensmittel (Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier)
Sparsam: fett – und zuckerreiche Lebensmittel (Speisefette, Süßigkeiten)
Dabei machen Getränke und pflanzlich e Lebensmittel je etwa 35 -40 % des Gesamt konsums aus,
tierische Lebensmittel knapp 20 % und fett – und zuckerreiche Lebensmittel maximal 5 %.
Im Vergleich mit de n Ernährungs empfehlungen trinken Kleinkinder in der Ernährungsr ealität weniger
Wasser und essen weniger Gemüse und Getreide produkte /Kartoffeln , aber mehr Fleisch /Wurst und
Süßigkeiten . Die Abweichungen von den Empfehlungen werden mit zunehmendem Alter der Kinder
größer .
Es gilt also in der Ernährungsberatung aus präventiver Sicht , in erster Linie Familien mit Kleinkindern
in der Umsetzung einer ausgewogenen Ernährung zu stärken, und sich dabei auf relevante Schwe r-
punkte zu konzentrieren , zum Beispiel Wasser als Regelgetränk, häufig Gemüse und Früchte, rege l-
mäßig gemeinsam essen.
4.2. Empfehlungen für Lebensmittel gruppen
4.2.1. Anwendung
Im Folgenden werden einfach umsetzbare Kriterien für die Lebensmittelauswahl genannt.
Als Orientierungshilfe werden Anhaltswerte für altersgemäße Mengen für 2jährige Kinder angegeben,
die aus den Speiseplänen der Optimierten Mischkost für 4 -6jährige Kinder extrapoliert wurden . Für die
Weitergabe an Eltern sind genaue Mengenangaben von Lebensmitteln nicht gedacht . Besorgte Eltern
könnten sie fehlinterpretieren und sie rigide direkt auf ihr Kind anwenden.
Ebenso wie in der Entwicklung ihrer Essfertigkeiten unterscheiden sich Kleinkinder auch in ihren ind i-
viduellen Konsum mengen . Wie statistische Auswertungen von 3 -Tage W iege -Ernährungsprotokollen
bei gesunden, normal entwickelten Kindern (DONALD Studie) zeigen, essen „Hochverzehrer “ (90.
Per zentil e) täglich etwa doppelt so viel wie „Geringverzehrer “ (10. Per zentil e) desselben Alte rs. Die
Variationsbreite (P10 – P90) bei Kleinkindern im Alter von 2 Jahren liegt zwischen ca. 500 bis 1000 g
Gesamtverzehr pro Tag (Median ca. 750 g). Entscheidend ist das perzentilengerechte W achstum.
4.2.2. Getränke
Anhaltswer t: 600 ml/Tag
Getränke sollen reichlich konsumiert werden, und deshalb energiefrei und ungesü ss t sein. Der Wa s-
serbedarf pro kg Körpergewicht ist bei Kleinkindern noch höher als bei älteren Kindern. Die Wasserz u-
fuhr wird bei der empfohlenen Mischkost zu etwa 50 % aus energiefreien Getränken (600 ml) und zu
50 % aus dem Wasseranteil andere r Nahrungsmittel wie Gemüse, Früchte, Milch ge liefert .
Das ideale Getränk ist Wasser ( Hahnen wasser, Mineralwasser) . Auch ungesü ss ter Kräuter – oder
Früchtetee ist geeignet. Ein hoher Konsum zuckerhaltiger Getränke ( Süßgetränke, Limonade, Sirup,
Fruchtsaft ) erhöht das Risiko für eine übermäßige Energiezufuhr und eine Verschlechterung der E r-
nährungsqualität (Verminderung der Nährstoffdichte).
Empfehlung für die Praxis: Zu den Mahlzeiten und auch zwischendurch sol lten Kinder energiefreie
ungesüss te Getränke erhalten. Hahnenwasser ist in der Schweiz uneingeschränkt empfehlenswert.
4.2.3. Gemüse & Früchte
Anhaltswert : 400 g/Tag , etwa je zur Hälfte Früchte und Gemüse
Gemüse und Früchte sind wertvolle Bestandteile der Kinderernährung da sie bei geringem Energi e-
gehalt wesentlich zur Zufuhr von Vitaminen wie Vitamin A (aus β -Carotin), Vitamin C, Folat und Min e-
ralstoffen wie Kalium und Magnesium beitragen (geringe Energiedichte, hohe Nährstoffdichte). Hinzu
kommen zahlreiche bioaktive Substanzen , wie Antioxidantien und Flavonoide, denen verschiedene
gesundheitsförder nde Eigenschaften zugesprochen werden . Hülsenfrüchte wie Erbsen, Kefen, Bo h-
nen , Linsen in frischer und trockener, reifer Form tragen zur Zufuhr von Nahrungsfasern , Mineralsto f-
fen (z.B. Eisen, Zink) sowie Vitaminen (z.B. Vitamin B1, B6) bei.
Das verfügbare vielfältige Angebot an Gemüse und Früchten sollte ausgiebig genutzt werden , häufig
auch als Rohkost . Au f diese Weise trägt es entscheidend z ur geschmacklichen Vielfalt der Kost bei.
Dabei bleibt ein Spielraum für die Berücksichtigung der vom Kind bevorzugten Gemüse – und Früc h-
tesorten. Der klassische Apfel ist nach wie vor beliebt. Oft bevorzugen Kinder rohes Gemüse gege n-
über gekochte m Gemüse. Verweigerung (starke Ablehnung) bestimmter Sorten , zum Beispiel eher
bitter schmeckendes Gemüse , sollte toleriert werden. Durch wiederholtes Anbieten in angenehmer ,
entspannter Atmosphäre kann anfängliche Ablehnung in Akzeptanz übergehen. Ernährungserhebu n-
gen zeigen, dass Kleinkinder im Durchschnitt in etwa die empfohlenen Früchte mengen verzehren.
Grund ist der süss e Geschmack aufgrund des fruchteigene n Zuckers, der schon bei Neugeborenen
erkennbaren Präfer enz für die Geschmacksqualität süß entgegenkommt. Die empfohlenen Gemüs e-
mengen werden dagegen nur etwa zur Hälfte erreicht . Manche Gemüse , zum Beispiel dunkelgrüne
Salate, schmecken leicht bitter. Bitter geschmack wird im Kindesalter häufig noch abgelehnt, eine Ak-
zeptanz entwickelt sich erst später.
Empfehlung für die Praxis: Zu jeder Mahlzeit gehören Gemüse bzw. Früchte , häufig als Rohkost; Be-
reitstellen in mundgerechten Stücken kann d ie Akzeptanz steigern ; bei anfänglicher Ablehnung em p-
fiehlt sich mehrfach wiederholtes Anbieten; Gerichte mit Hülsenfrüchten bereichern den Speisenplan .
4.2.4. Getreideprodukte und Kartoffeln
Anhaltswert : 200 g/Tag, etwa je zur Hälfte Brot /Getreideflocken sowie Kartoffeln/Nudeln/Reis
Vor allem als Vollkorn leisten Getreideprodukte einen wichtigen Beitrag zur Zufuhr von Mineralstoffen
(z.B. Eisen, Zink) und Vitaminen (z.B. Vitamin B1, B6) und vor allem von Nahrungsfasern. Vollkor n-
produkte führen zu einer längeren Sättigung (geringere Insulinfreisetzung). Die Kombinat ion von vo r-
wiegend unlöslichen Nahrungsfasern aus Getreide (Zellulose) und der löslichen aus Gemüse und
Früchten (Pektine) ist sinnvoll , um die potentiell gesundheitsförder nden Wirkungen eines hohen Na h-
rungsfaseranteils zu nutzen.
Empfehlenswert ist e in Anteil von mindestens 50 % Vollkorn an den konsumierten Getreideprodukten.
In der Ernährungspraxis bei Kindern wird er noch nicht erreicht.
Haferflocken sind in jeder Form (grob, fein) 100 % Vollkorn . In den meisten der bei Kindern beliebten
Frühstück szerealien ist der Vollkornanteil jedoch gering und der Zuckeranteil hoch.
Empfehlung für die Praxis: Schritte zu r Erhöhung des Vollkornanteils sind Kombination en , z.B. von
Haferflocken mit anderen Frühstücks zerealien zu einem Mü esli (mit Milch und Früchten ), von Vol l-
kornbrot und hellem Brot zu eine m Sandwich, von Vollkorn teigwaren oder –reis mit den hellen Varia n-
ten , d abei den Vollkornanteil schrittweise steigern .
4.2.5. Milch und Milch produkte
Anhaltswert: 300 g Milchäquivalen t/Tag , das entspricht 300 g Milch oder 300 g Joghurt oder 90 g K ä-
se
Milch enthält qualitativ hochwertiges Eiwei ss . In Europa ist Milch ist die hauptsächliche Quelle für Ca l-
cium und Vitamin B2 in der Kinderernährung, und nach jodiertem (fluoridiertem) Koch salz die wichtig s-
te Quelle für Jod .
In der Kleinkindernährung sollte handelsübliche Kuhmilch (Vollmilch mit mind. 3,5 % Fett oder teilen t-
rahmte Milch (Milch -Drink) mit 2,7 % Fett) der Standard sein. Eine W eiterführung der Säuglingsmilch
(Anfangs – oder Folgenahrung) oder von ähnlich zusammengesetzter Kleinkindermilch (Wachstum s-
milch) bietet keine Vorteile.
Empfehlung für die Praxis: Milch und Milchprodukte s ind Bestandteil der Hauptmahlzeiten , zusa m-
men mit Getreideprodukten und Früchten/Rohkost, und können ergänzend in den Zwischenmahlze i-
ten angeboten werden; für Kinder die Milch pur nicht gern trinken kann die Milch mit wenig K akao ge-
tränkepulver vermischt werden .
4.2.6. Fleisch, Fisch, Ei
Anhaltswerte: Fleisch/Wurst 30 g/Tag; Fisch 1 -2mal/Woche, Ei: 1 -2 Stück/Woche
Fleisch, Fisch und Ei enthalten qualitativ hochwertiges Eiweiß. Fleisch und Fisch sind außerdem
gün stige Quellen für Eisen und Zink, da die Bioverfügbarkeit dieser Nährstoffe in diesen Lebensmitteln
höher ist als in pflanzlichen Quellen wie Getreide und H ülsenfrüchte n. Rotes Fleisch (z.B. Rind,
Lamm) enthält mehr Eisen als weiss es Fleisch (Geflügel, Schwein). Meer fisch ist empfehlenswert als
Quelle für Jod , fettreicher Meer fisch außerdem als Quelle für langkettige mehrfach ungesättigte om e-
ga -3 Fettsäuren. Eier können vor allem zur Zufuhr von Vitamin A, D, Niacin und Folat beitragen .
Empfehlung für die Praxis: Fleisch, Fisch und Ei sind bedeutsam für die Nährstoffzufuhr , braucht es
aufgrund ihres hohen Energie – und Eiweiß gehaltes aber nur in moderaten Mengen.
4.2.7. Speisefette
Anhaltswerte: 20 g/Tag , bevorzugt als Pflanzenöle
Das empfohlene Fettsäure muster in der Gesamternährung mit einem niedrige n Anteil gesättigter
Fettsäuren zugunsten ungesättigter Fettsäuren kann durch bevorzugte Verwendung von Pflanzenölen
erreicht werden. Vor allem Rapsöl und Olivenöl sind reich an einfach ungesättigten Fettsäuren, Rap s-
öl enthält außerdem die essentiellen mehr fach ungesättigten Fettsäuren Linolsäure (omega -6) und
alpha -Linolensäure (omega -3) in einem ausgewogenen Verhältnis.
Empfehlungen für die Praxis: Speisefette sollten aufgrund des hohen Energiegehaltes immer sparsam
eingesetzt werden. Den größten Anteil der Speisefette sollten Raps – und Olivenöl für die Speisenz u-
bereitung ausmachen , einen geringen Anteil Aufstrichfette , z.B. Butter.
4.2.7. Süss igkeiten, Gebäck, Knabberartikel
Anhaltswert: maximal 10 % der Energiezufuhr, entsprechend 115 kcal/Tag
Für diese Lebensmittelgruppe wird kein Durchschnittswert für den täglichen Verzehr angegeben, da
sich die enthaltenen Lebensmittel in ihrer Energiedichte (abhängig vom Fett – und Wassergehalt) und
damit der Portionsgröss e teilweise erheblich unterscheiden (115 kcal entsprechen etwa 30 g Konfit ü-
re, 20 g Nuss nougatcreme /Schokolade, 10 Chips ).
Alternative Süßungsmittel wie brauner Zucker, Honig, Fruchtdicksäfte, z.B. Birnel, Ahornsirup, bieten
keinen ernährungsphysiologischen Vorteil gegenüber dem raffinierten Zucker (Saccharose).
Empfehlung für die Praxis: Um die bei den meisten Kindern vorhandene Präferenz für die G e-
schmacksqualität süss nicht zu fördern, sollten Süßwaren nur gelegentlich und nicht als Belohnung s-
mittel gegeben werden.
4.3. Nährstoffzufuhr und Nährstoffzusätze
Mit dem Konzept der Optimierten Mischkost und der dabei empfohlenen Verwendung herkömmlicher,
nicht angereicherter Lebensmittel, werden die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr im Klei n-
kindalter erreicht, mit Ausnahme von Vitamin D. Hier greift die in der Schweiz empfohlene Vitamin D
Supplementierung , wonach Risikokinder und Kinder mit ungenügender Sonnenexposition (Sonne n-
creme mit hohem Lichtschutzfaktor) eine Vitamin D -Supplementierung (600 I.E./Tag) erhalten . Eine
ausreichende Jodzufuhr wird durch die empfohlene Verwendung von jodiertem (und fluoridiertem)
Speisesalz gesichert.
In der Optimierten Mischkost liefern die empfohlenen Lebensmittel mit hohen Nährstoffdichten 100 %
der Nährstoffzufuhr (Vitamine, Mineralstoffe) aber nur 90 % der Energiezufuhr. Somit ergibt sich ein
Spielraum von bis zu 10 % der Energiezufuhr für Lebensmittel mit niedrigen Nährstoffdichte n, wie
Süss igkeiten und Knabberartikel , ohne dass die Nährstoffversorgung beeinträchtigt wird .
Da die Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr mit Sicherheitszuschlägen versehen sind , um den Bedarf
praktisch aller Personen der jeweiligen Gruppe zu decken, ist bei ausgewogener Mischkost eine z u-
sätzliche Zufuhr von Nährstoffen, zum Beispiel mit speziellen Kleinkinderprodukten oder angereiche r-
ten Lebensmitteln überflüssig.
4.4. Vegetarische Ernährung
Vegetarische Ernährung ist der Oberbegriff für die Kostformen lacto -ovo -vegetarisch (Verzicht auf
Fleisch und Fisch , getöte Tiere ), lacto -vegetarisch (zusätzlich Verzicht auf Eier) und vegan (zusätzl i-
cher Verzicht auf Milch und andere tierische Produkte ).
In Studien bei Erwachsenen war eine vegetarische Ernährung mit einem insgesamt gesünderen L e-
bensstil assoziiert, sodass der allgemein berichtete bessere Gesundheitsstatus von Vegetarier n nicht
eindeutig mit der Ernährung erklärt werden kann. In der für Kinder empfohlenen omnivoren Mischkost
mit ihrem reichlichen Anteil pflanzlicher Lebensmittel kommen im Prinzip alle potentiellen gesundhei t-
lichen V orteile einer vegetarischen Kost zum Tragen. Vor allem bei Kleinkindern stellt sich bei einer
vegetarischen Ernährung die Frage einer ausreichenden Nährstoffversorgung .
Bei einem Verzicht auf Fleisch und Fisch bleibt die Proteinversorgung weiterhin reichlich. Aber es
muss Ersatz für d as mit Fleisch und Fisch aufgenommen e Eisen mit hoher Bioverfügbarkeit (ca. 20%)
gefunden werden. Hierzu sind bestimmte Lebensmittelkenntnis se notwendig, denn es gilt, pflanzliche
eisenreiche Lebensmittel, wie Vollkorn (Haferflocken) mit Vitamin C reichen Lebensmitteln wie Früc h-
ten und Rohkost in Mahlzeiten zu kombinieren, um die geringe Bioverfügbarkeit des vegetabilen E i-
sen s (ca. 5%) zu erh öhen. Geeignete Mahlzeiten sind z.B. M üsli aus Haferflocken, Früchte und Milch,
Vollkornbrot mit Rohkost, Auflauf aus Vollkorn tei gwaren mit P eperoni .
Bei einer veganen Ernährung fehlt Vitamin B12 , das in pflanzlichen Lebensmitteln nicht enthalten ist.
Vitamin B12 Mangel aufgrund einer veganen Ernährung bei jungen Kindern kann zu bleibenden ne u-
rologischen Schädigungen führen. Deshalb muss Vitamin B12 bei veganer Ernährung durch Suppl e-
mentierung zugef ührt werden. Bei veganer Ernährung sind weitere k ritische Nährstoffe Vitamin D ,
Jod , Ca , Eisen und ggf. Eiweiß (Kombination von Getreide und Hülsenfrüchten zur Verbesserung der
Eiweiss qualität ).
Empfehlung für die Praxis: Eine ausgewogene lacto -ovo -vegetarische Ernährung ist bei Kleinkindern
bei entsprechenden Lebensmittelkenntnissen a nnehmbar . Eine vegane Ernährung erfordert zwingend
eine regelmäss ige ärztliche Kontrolle (in kl. Labor), eine Ernährungsberatung durch eine qualifizierte
Fachkraft und eine Supplementierung von Vitamin B12 und bei Bedarf andere r Nährstoffe.
4.5. Auss er-Haus -Verzehr
Über Betreuungseinrichtungen wie Krippen oder Kindertagesstätten werden Kinder aller sozialen
Schichten und verschiedener Kulturen niederschwellig und effektiv erreicht. Eine optimierte Verpfl e-
gung in den Einrichtungen kann im Sinne der Verhältnisprävention einen wesentlichen Beitrag zur
Gesundheitsförderung in sonst schwer zugänglichen Bevölkerungsgruppen leisten. Für die Verpfl e-
gung in den Einrichtung en gelten grundsätzlich dieselben Empfehlungen wie für die Ernährung in der
Familie. Orientierung an de m empfohlenen Mahlzeitenkonzept mit täglich 3 Hauptmahlzeiten und 2
Zwischenmahlzeiten erleichtert die Abstimmung von Familienernährung und Au ss er-Haus –
Verpflegung. Kulturell bedingte Besonderheiten, z.B. bei Kindern mit Migrationshintergrund, können
im Rahmen der allgemein gültigen Ernährungsempfehlungen in der Regel berücksichtigt werden.
4.6. Kulturelle Besonderheiten
Ernährungsgewohnheiten s ind traditionell und kulturell geprägt. Bei der Anwendung der allgemeinen
Ernährungsempfehlungen auf Familien aus anderen Kulturkreisen müssen deren Traditionen und
teilweise religiös bedingten Vorschriften berücksichtigt werden, zum Beispiel wie die Mahlz eiten ei n-
genommen werden, welche Lebensmittel gegessen und wie sie zubereitet werden.
Mit längerer Aufenthaltsdauer bzw. in der zweiten und dritten Zuwanderungsgeneration werden E s-
senstraditionen, zum Beispiel die gesundheitsförderliche sogenannte Mediterrane Kost mit reichlich
Gemüse und Früchten verlassen und die oftmals ungesünderen Verhaltensmuster des westlichen
Lebensstils übernommen. Vorbehalte gegenüber der Qualität des Trinkwassers, die unter schlechten
hygienischen Bedingungen angebracht s ind, sollten durch Aufklärung der Familien abgebaut werden.
In verschiedenen Religionen gibt es spezielle Speisevorschriften, indem zum Beispiel auf bestimmte
Lebensmittel verzichtet wird oder bestimmte Herstellungsformen vorgeschrieben werden. Im Islam i st
der Verzehr von Schweinefleisch verboten , es gilt als gesundheitsgefährdend da es Parasiten entha l-
te. Auss erdem ist das Schlachten der Tiere nach einem genauen Ritual vorgeschrieben, damit das
Fleisch als ‚halal‘ bzw. erlaubt gelten kann. Je nach religi ösen Strömungen oder Rechtsschulen kö n-
nen Vorschriften unterschiedlich ausgelegt werden .
Eine Besonderheit für die Ernährung stellt der Fastenmonat ‚Ramadan‘ dar, eine der fünf Säulen des
Islam. I m 9. Monat des islamischen Kalenders (berechnet anhand der Mondstellung ) soll in der Zeit
von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang Enthaltsamkeit geübt werden, unter anderem durch Ve r-
zicht auf jegliche Nahrung. Nicht zum Fasten verpflichtet sind unter anderem Kinder, die sich noch
nicht in eige nständiger Verantwortun g für das religiös begründete Fasten entscheiden können. Gen e-
rell ist ein Verzicht auf Trinken gerade bei Kindern besonders kritisch, denn ihr Wasserbedarf (pro kg
Körpergewicht) ist höher als bei Erwachsenen , und umso höher je jünger die Kinder sind.
Empfehlung für die Praxis: Grundsätzlich lassen sich kulturell bedingte Besonderheiten der Ernährung
mit einer ausgewogenen Mischkost für Kinder vereinbaren. Ernährungsgewohnheiten der traditione l-
len mediterranen Küche sollten in Zuwandererfamilien aus die sen Kulturkreisen bestärkt werden,
kombiniert mit Empfehlungen der hiesigen Ernährung wie zum Beispiel für Vollkorn. Der religiös b e-
gründete Verzicht auf einzelne Lebensmittel wie spezielle Fleischsorten, kann bei ausreichenden E r-
nährungskenntnissen der Fa milien und Betreuer ausgeglichen werden. Fasten insbesondere der Ve r-
zicht auf Getränke ist für Kinder nicht geeignet.
Referenzen
Für Referenzen verweisen wir auf den EEK -Bericht 2015
https://www.eek.admin.ch/eek/de/home/pub/ernaehrung -in-den -ersten -1000 -lebenstagen -.html
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med. Christian P. Braegger , Abteilung Gastroenterologie und Ernährung, Universitäts-Kinderspital Zürich - Eleonorenstiftung