Die Tuberkulose (TB) ist weltweit ein grosses Gesundheitsproblem: Jährlich erkranken neu rund 9 Millionen Menschen und etwa 2 Millionen sterben an einer TB1. Aus epidemiologischer Sicht sind Kinder unbedeutend, da sie keine grossen Bazillenmengen beherbergen und nicht effizient aushusten können, somit die Krankheit kaum übertragen und damit wenig zur Epidemie der Tuberkulose beitragen. Dennoch waren von den im Jahre 2000 neu diagnostizierten Fällen weltweit mehr als 10% Kinder betroffen. Dabei ist zu beachten, dass die TB bei Kindern in Endemiegebieten oft nicht diagnostiziert wird. So sterben in Afrika immer noch viele Kinder unerkannterweise an einer Tuberkulose bedingten Pneumonie. Der Zugang zu antituberkulösen Medikamenten ist gerade in diesen Ländern oft nicht gewährleistet und viele TB-Kontrollprogramme verfolgen primär die Behandlung Erwachsener mit positivem Sputum.
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Zusammenfassung
Die Erkennung einer Tuberkulose (TB) im
Kindesalter ist eine Herausforderung, da bis
heute kein zuverlässiger diagnostischer Test
existiert, die direkte Sputum-Untersuchung
wenig ergiebig ist, aber die frühzeitige Dia –
gnose der TB wegen der Gefahr einer Disse –
minierung (Miliar-TB, TB-Meningitis) gerade
bei Kindern im Vorschulalter entscheidend
ist. Eine TB wird bei Kindern in der Schweiz
vorwiegend im Rahmen der Umgebungsun –
tersuchungen nach Exposition mit einer an –
steckenden Tuberkulose diagnostiziert. Ne –
ben Anamnese, klinischer, bakteriologischer
und radiologischer Untersuchung spielt der
Tuberkulintest (intrakutane Testung nach
Mantoux) dabei eine zentrale Rolle. Neu ent –
wickelte in vitro Interferon- γ-Tests sind wie
der Tuberkulintest indirekte diagnostische
Tests. Sie haben gegenüber dem Tuberkulin –
test den Vorteil, dass keine Kreuzreaktivi –
tät mit einer vorherigen BCG-Impfung und
den meisten Umweltmykobakterien besteht.
Deshalb können sie zur Klärung eines posi –
tiven Tuberkulintests beim BCG geimpften
Kind angewendet werden. Alle Kinder <12
Jahre erhalten nach einer TB-Exposition
ohne Wartezeit einen ersten Tuberkulintest.
Kinder ≤ 5 Jahre erhalten zusätzlich – nach
Ausschluss einer aktiven Tuberkulose (inkl.
Röntgenbild) unabhängig vom Resultat des
ersten Tuberkulintests – sofort eine prä -
ventive Therapie mit Isoniazid zum Schutz
vor einer möglichen Disseminierung. Ist
der zweite Tuberkulintest 8 Wochen später
negativ, was gegen eine Tuberkuloseinfek -
tion spricht, kann die präventive Therapie
beendet werden. Eine Konversion des Tu -
berkulintests, d. h. ein positiver zweiter Tu -
berkulintest bei unauffälliger medizinischer
Abklärung und normalem Thoraxröntgenbild
spricht für eine TB-Infektion ohne Erkrankung
(= latente TB-Infektion). Diese Kinder werden
zur Verhinderung einer TB-Erkrankung 9 Mo -
nate mit Isoniazid behandelt.
Einleitung
Die Tuberkulose (TB) ist weltweit ein grosses
Gesundheitsproblem: Jährlich erkranken
neu rund 9 Millionen Menschen und etwa
2 Millionen sterben an einer TB 1), 2) . Aus epi -
demiologischer Sicht sind Kinder unbedeu -
tend, da sie keine grossen Bazillenmengen
beherbergen und nicht effizient aushusten
können, somit die Krankheit kaum über -
tragen und damit wenig zur Epidemie der
Tuberkulose beitragen 3). Dennoch waren
von den im Jahre 2000 neu diagnostizierten
Fällen weltweit mehr als 10% Kinder betrof -
fen. Dabei ist zu beachten, dass die TB bei
Kindern in Endemiegebieten oft nicht dia -
gnostiziert wird 4). So sterben in Afrika immer
noch viele Kinder unerkannterweise an einer
Tuberkulose bedingten Pneumonie 5). Der
Zugang zu antituberkulösen Medikamenten
ist gerade in diesen Ländern oft nicht ge -
währleistet und viele TB-Kontrollprogramme
verfolgen primär die Behandlung Erwach -
sener mit positivem Sputum 6). Im Vergleich
zur jährlichen TB-Inzidenz in Südafrika mit
> 400 TB-Erkrankungen/10 5 Einwohner 7) ist
die Inzidenz der Tuberkulose in der Schweiz
mit rund 7 Fällen/10 5 Einwohner/Jahr sehr
tief 8). In westlichen Ländern haben Lebens –
standard, die gute Verfügbarkeit von effek –
tiven Medikamenten 9), 10) und die verbesserte
Patientenbetreuung zu einer Abnahme der
Tuberkulose geführt. Sie ist aber wegen der
hohen Migrationsrate in der Bevölkerung
keineswegs verschwunden 11), 12) .
Verlauf der Tuberkulose
beim Kind
Der natürliche Verlauf der Tuberkulose wur –
de im Zeitalter vor Einführung der Chemo –
therapie vor 1950 sorgfältig dokumentiert 3).
Eine Infektion mit Tuberkulose erfolgt, wenn
Aerosoltröpfchen mit wenigen Tuberkel-
bazillen in die unteren Atemwege gelang-
en13), 14) . An der Eintrittstelle vermehren sich
die Bakterien ungehindert, breiten sich wei –
ter aus und gelangen in die lokalen Lymph –
knoten bis sie nach 4–6 Wochen von der nun
gebildeten Zell-vemittelten Immunreaktion
gebremst werden. In den ersten Wochen ist
es möglich, von asymptomatischen Kindern,
die später nicht an einer TB erkranken, z. B.
aus dem Magensaft Mykobakterien zu kulti –
vieren 3). Die hiläre Lymphknotenschwellung
ist die häufigste Manifestation der TB bei
Kindern und ist das Merkmal der primären
TB15). Erst das Auftreten bzw. die Persistenz
von Symptomen wie Husten, Nachtschweiss
oder Gewichtsverlust zeigen das Fortschrei –
ten der TB-Infektion zur TB-Erkrankung (=
aktive Tuberkulose) an. In der Prä-Chemo –
therapie-Zeit wurde eine transiente hiläre
Lymphknotenschwellung sehr häufig be –
schrieben, wobei nur wenige dieser Kinder
später an einer Tuberkulose erkrankten 3).
Das Ausbleiben von Symptomen bei Kindern
mit hilärer Lymphadenopathie wurde schon
in der Prä-Chemotherapie-Area als prognos –
tisch gutes Zeichen beurteilt 16), 17) . Grosse
amerikanische Studien aus den 50er Jahren
zeigen den grossen und ausreichenden Er –
folg der alleinigen Therapie mit Isoniazid 17).
Dennoch wird die hiläre Lymphadenopathie
heute als TB-Erkrankung angesehen und
mit einer Kombinationstherapie (Isoniazid,
Rifampicin und Pyrazinamid) behandelt 3).
Das Alter zum Zeitpunkt der Infektion spielt
eine entscheidende Rolle für das Risiko,
dass eine TB-Infektion zu einer TB-Erkran –
kung fortschreitet 17). Hoch gefährdet für eine
schnell fortschreitende, disseminierte und
extrapulmonale TB-Erkrankung (Miliar-TB,
TB-Meningitis) sind vor allem Säuglinge und
Kleinkinder (< 5 Jahre) sowie Kinder mit ge -
schwächter Immunabwehr ( Abbildung 1 )3), 18) .
Dies ist die Grundlage für die sofortige prä -
ventive Therapie mit Isoniazid bei Kindern
< 5 Jahren nach Exposition gegenüber einer
ansteckenden Tuberkulose (wenn der Tuber -
kulintest noch negativ ist). Das Risiko nach
Infektion an einer TB zu erkranken beginnt
ab dem zweiten Lebensjahr abzunehmen,
ist aus nicht geklärten Gründen zwischen
dem 5. und 10. Lebensjahr minimal, und
nimmt später im Sinne einer ausgeprägten
Immunantwort wieder etwas zu ( Abbildung
1)17). Wenn Kinder eine aktive TB entwickeln,
tritt sie meist innerhalb eines Jahres nach
Ansteckung auf 16). Das Risiko, nach TB-
Infektion eine aktive TB zu entwickeln wird
bei Säuglingen mit 20–40%, bei Kleinkindern
mit 10–25%, bei Jugendlichen mit rund 10%
und bei Erwachsenen 5–10% geschätzt 19).
Dieses Risiko korreliert mit der Grösse des
Diagnostik und Therapie der latenten
Tuberkuloseinfektion beim Kind
Jürg Barben 1, Jürg Hammer 2
1 Pneumologie, Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen
2 Pneumologie und Intensivmedizin, Universitätskinderklinik beider Basel
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Indurationsdurchmessers des Tuberkulin -
tests 19). Die 9-monatige Isoniazid Behandlung
einer auf der Basis dieses Tuberkulintests
diagnostizierten TB-Infektion oder sogenann -
ten latenten TB-Infektion reduziert das Risiko
für eine aktive TB um 60% 20), 21) , bei optimaler
Compliance sogar bis 90% 22).
Nachweis einer Infektion
mit M. tuberculosis
In der Schweiz erfolgen die meisten Tuber -
kulose Abklärungen bei Kindern im Rah -
men einer Umgebungsuntersuchung nach
Exposition gegenüber einem Indexfall mit
ansteckender Tuberkulose (Sputum mikro -
skopisch positiv). Dies betrifft heute meist
Familien, die aus TB-Endemiegebieten stam -
men und in die Schweiz gezogen sind.
Die Diagnose einer latenten TB-Infektion ist
im Kindesalter eine grosse Herausforderung,
da es bis heute keinen Goldstandard gibt 23).
Neben der Anamnese (Kontakt mit einem
Indexfall) stehen nur indirekte Tests wie der
Tuberkulintest und die neuen Bluttests (in
vitro Interferon- γ-Tests) zur Verfügung (siehe
unten). Eine Konversion des Tuberkulintests
(d. h. ein positiver zweiter Tuberkulintest nach
erstem negativem Test) bzw. ein positiver In -
terferon- γ-Test bei unauffälliger medizinischer
Abklärung und normalem Thoraxröntgenbild
spricht für eine latente TB-Infektion ohne
Erkrankung. Eine Erregersuche ist in dieser
Situation beim Kind nicht notwendig.
Für die Diagnose einer (beginnenden) ak -
tiven TB-Erkrankung ist neben den wenig
spezifischen klinischen und radiologischen
Befunden und den indirekten Tuberkulin-
und Interferon- γ-Tests (welche – wenn über -
haupt – erst nach 8 Wochen reagieren) die
bakteriologische Untersuchung die spezi -
fischste diagnostische Nachweismethode.
Sie ist aber bei Kindern durch deren gerin -
geren Bazillenload und mangelnder Koope -
rationsfähigkeit im Sputum oft nicht mög -
lich. Hingegen erlaubt die Aspiration von
Magensaft frühmorgens an drei aufeinander
folgenden Tagen bei 30–50% der Kinder
und bis zu 70% bei Säuglingen mit aktiver
TB einen bakteriologischen Nachweis 24).
Bei älteren Kindern oder andern, welche
die Magensaftaspiration nicht zulassen,
bietet die Untersuchung des induzierten
Sputums (Inhalation mit 5% NaCl) bzw.
bronchoskopische Sputumgewinnung eine
gute Alternative 25), 26) . Der bakteriologische
Nachweis bei symptomatischen Kindern
bzw. pathologischen Thoraxröntgenbildern
wird dann angestrebt, wenn der Erreger
des Indexpatienten nicht bekannt ist. Ohne
bakteriologische Bestätigung, basiert die
Diagnose der TB-Erkrankung im Kindesalter
in nicht endemischen Gebieten in der Regel
auf folgenden Punkten: 1) bekannter Kon -
takt mit einem Indexfall mit ansteckender
Lungentuberkulose, 2) einem positivem
Tuberkulintest, 3) suggestiven Zeichen im
Thorax-Röntgenbild und 4) allfälligen Sym -
ptome 3).
Der Tuberkulintest
In der Schweiz wird für den Tuberkulintest
als Standard das Tuberkulin PPD RT23
(Statens Serum Institut, Kopenhagen) – ein
Proteinextrakt aus der Kultur von M. tuber -
culosis – verwendet. Bei der intrakutanen
Testung nach Mantoux werden 0,1 ml der
Tuberkulin-Lösung (= 2 Einheiten RT23 Tu -
berkulin) intrakutan in die Innenhandseite
des Unterarms injiziert. Die Injektion erfolgt
mit einer Tuberkulin-Spritze mit feiner Na -
del und kurzer Schräge und mit nach oben
gerichteter Öffnung. Eine Hautdesinfektion
ist nicht notwendig. Durch die Injektion soll
das Auftreten einer weissen Quaddel herbei -
geführt werden, die nach einigen Minuten
spontan wieder verschwindet. Auf die In -
jektionsstelle darf kein Pflaster aufgebracht
werden. Die Ablesung erfolgt frühestens 48
Stunden, vorzugsweise 72 Stunden nach
der Injektion. Das Ergebnis wird anhand der
Größe des Querdurchmessers der eindeutig
tastbaren Induration (ca. 1 mm hoch) senk -
recht zur Achse des Arms in Millimetern
gemessen, ohne ein eventuelles Erythem
zu berücksichtigen. Das Ergebnis ist in
Millimetern des Indurationsdurchmessers
zu dokumentieren und im individuellen Kon -
text der Testperson zu interpretieren: Der
Befund «positiv» stellt keine ausreichende
Interpretation dar. Ein Tuberkulintest ≥ 5mm
wird heute in der Schweiz bei Kindern ohne
BCG-Impfung als positiv angesehen; bei
Erwachsenen ohne BCG-Impfung gilt eine
Induration von ≥10 mm als positiver Test.
Die Schwächen des Tuberkulintests sind sei -
ne begrenzte Sensitivität bei Personen mit
eingeschränkter Immunfunktion und aktiver
TB-Infektion (Anergie), und andererseits die
fehlende Spezifität, d. h. die Kreuzreaktion
nach BCG-Impfung oder nach Exposition mit
nicht-tuberkulösen Mykobakterien. Bei im -
mungeschwächten Kindern kann jede Reak -
tion des Tuberkulintests fehlen, bzw. bereits
eine solche mit einem Durchmesser von
< 5 mm kann eine TB-Infektion anzeigen.
Neue Bluttests
(in vitro Interferon- γ-Tests)
Neu angebotene Bluttests basieren auf
der in vitro nachweisbaren Sekretion von
Interferon- γ (IFN- γ) durch spezifische T-Lym -
phozyten im Testblut, nachdem diese mit
spezifischen Antigenen von Mycobacterium
tuberculosis (ESAT-6 und CFP-10) stimuliert
wurden ( Abbildung 2, Tabelle 1 ). Da diese
spezifischen Antigene bei M. bovis, BCG
und den meisten nicht-tuberkulösen Myko -
bakterien nicht vorhanden sind, haben die
IFN- γ-Tests gegenüber dem Tuberkulintest
Abbildung 1: Altersspezifisches Risiko bei einer Primärinfektion an einer Tuberkulose zu erkranken (nach Marais et al. AJRCCM 2006 3))
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den Vorteil, dass falsch positive Ergeb -
nisse nach vorheriger BCG-Impfung 27) bzw.
Kontakt mit Mykobakterien der Umgebung
vermieden werden 28). IFN- γ-Tests sind Unter -
sucher-unabhängiger als der Tuberkulintest
und zeigen bei wiederholter Anwendung
keinen Booster Effekt. Sie sind wesentlich
teurer, erfordern eine beim Kleinkind nicht
alltägliche Blutentnahme, eine unverzögerte
Analyse der Blutprobe (lebender Zellen) in
einem Speziallabor und eine Interpretation
der Labordaten, die bezogen auf die Exposi -
tion interpretiert werden sollten.
Die IFN- γ-Tests scheinen bei ähnlicher Sen -
sitivität eine höhere Spezifität und bessere
Korrelation mit dem Ausmass der Exposition
in BCG-positiven Populationen zu zeigen 28).
In Südafrika, einem Land mit endemischer
TB und hoher BCG-Impfrate, zeigte der
IFN- γ-Test bei Kindern mit fortgeschrittener
Tuberkuloseerkrankung eine bessere Sensi -
tivität als der Tuberkulintest 29). Im Gegensatz
dazu zeigt eine australische Untersuchung
mit dem IFN- γ-Test QuantiFERON-TB ® neben
störenden 17% nicht auswertbarer Tests
eine geringe Korrelation mit dem Tuber -
kulintest 30). Der andere heute erhältliche
IFN- γ-Test T-SPOT.TB ® war bei Kindern eher
spezifischer, aber auch nicht sensitiver als
der Tuberkulintest 31), 32) . Bei Kleinkindern,
immundefizienten Patienten und bei Kindern
mit extrapulmonaler Tuberkulose sind die
Anwendung von IFN- γ-Tests noch ungenü -
gend evaluiert und ergeben häufig unklare
Resultate 28), 30), 33) , weshalb ihre routinemäs -
sige Anwendung in diesen Situationen heute
nicht empfohlen werden kann 34).
Neue Empfehlungen
der Lungenliga
Das Kompetenzzentrum Tuberkulose der
Lungenliga Schweiz ( www.tbinfo.ch ) und das
Bundesamt für Gesundheit haben im neuen
Handbuch Tuberkulose (Ausgabe 2007)
in Zusammenarbeit mit der Pädiatrischen
Infektiologiegruppe Schweiz (PIGS), der
Schweizerischen Gesellschaft für Pädiat -
rische Pneumologie (SGPP), der Schweize -
rischen Gesellschaft für Infektiologie und
der Schweizerischen Gesellschaft für Pneu -
mologie Empfehlungen für den Nachweis
einer Infektion mit M. tuberculosis nach
Exposition gegenüber einer ansteckenden
Tuberkulose herausgegeben (Kapitel 3).
Der Tuberkulintest spielt dabei weiterhin
die zentrale Rolle. Die IFN- γ-Tests werden
hingegen zur Bestätigung eines positiven
Tuberkulintests empfohlen, wenn dessen
Interpretation beim BCG-geimpften Kind
unklar ist oder der Verdacht auf eine Kreuz -
reaktion mit atypischen Mykobakterien be -
steht ( Abbildung 3 ). Die Empfehlungen sind
im Folgenden zusammengefasst ( Tabelle
2):
Tabelle 1: In der Schweiz erhältliche in vitro Interferon- γ-Tests
QuantiFERON-TB ® T-SPOT.TB ® Test
Gold In-Tube
Hersteller Cellestis (Australien) Oxford Immunotec (England)
Testmedium Vollblut Vollblut (Mononukleäre Zellen)
Antigene In vitro-Stimulation mit In vitro-Stimulation von
ESAT-6, CFP-10 und Tb 7.7 isolierten Lymphozyten mit
ESAT-6, CFP-10
Messmethode ELISA ELISPOT
Gemessene Zielgrösse IFN-
γ Anzahl IFN- γ produzierende
T-Zellen
Benötigtes Blutvolumen 2 ml Mind. 8 ml (Erwachsene) und
5 ml (Kinder)
Zeitfenster nach innerhalb von 8 Std. (oder So schnell als möglich,
Blutentnahme bis zur vorheriges Zentrifugieren idealerweise innert 4 Std.
Weiterverarbeitung im Labor und Inkubieren)
Abbildung 2: Prinzip des Tuberkulintests und der in vitro Interferon- γ-Tests
(nach Pai et al. Lancet Infect Dis 2004 28))
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Bei Neugeborenen, Säuglingen und Klein -
kindern ( ≤ 5 Jahre) ist die frühe Erkennung
und rasche Behandlung einer Tuberkulose -
infektion entscheidend, da sie häufiger zu
einer Tuberkuloseerkrankung führen und
viel schwerer verlaufen kann (Miliartuberku -
lose, Meningitis und andere extrapulmonale
Formen) als bei Erwachsenen.
● Neugeborene sind bei relevanter Ex -
position sofort medizinisch abzuklären
und in Absprache mit einem Spezialisten
entsprechend zu behandeln.
● Kleinkinder (Alter > 1 Monat bis ≤ 5
jährig), bei welchen die TB-Infektion
rasch zu einer schweren Erkrankung
fortschreiten kann, erhalten nach Aus –
schluss einer aktiven Tuberkulose (me –
dizinische Untersuchung, Röntgenbild,
evtl. Versuch des bakteriologischen
Erregernachweises) und erstem Tu –
berkulintest sofort eine präventive Be –
handlung mit Isoniazid. Wenn der zwei –
te Tuberkulintest nach 8 Wochen posi –
tiv ist, d. h. eine Konversion anzeigt,
muss das Kind bezüglich einer Tuber –
kuloseerkrankung erneut abgeklärt und
diese entsprechend behandelt werden.
Bei unauffälliger Abklärung wird bei
Kindern mit Mantouxkonversion eine
Tabelle 2: Die Umgebungsuntersuchung beim Kind – Das Wichtigste in Kürze
● Kinder < 12 Jahre erhalten sofort einen 1. Tuberkulintest ohne Wartezeit.
● Ein Tuberkulintest von ≥ 5mm gilt bei Kindern als positiver Test.
● Kinder < 5 Jahre erhalten – nach Ausschluss einer aktiven Tuberkulose (inkl.
Röntgenbild) – unabhängig vom Resultat des 1. Tuberkulintest sofort eine prä -
ventive Therapie mit Isoniazid. Ist der 2. Tuberkulintest nach 8 Wochen negativ,
kann Isoniazid abgesetzt werden.
● Kinder zwischen 5 und 12 Jahren ohne klinische Zeichen einer Tuberkulose und
negativem ersten Tuberkulintest erhalten einen zweiten Tuberkulintest nach 8
Wochen. Wird dieser positiv, erhalten die Kinder ein Thoraxröntgenbild und eine
medizinische Abklärung.
● Eine Konversion des Tuberkulintests braucht keine Bestätigung mit einem in vi -
tro IFN- γ-Test.
● Bei BCG geimpften Kindern mit positivem Tuberkulintest kann ein in vitro IFN- γ-
Test zum Ausschluss eines falsch positiven Tuberkulintests sinnvoll sein.
● Neugeborene und Säuglinge mit Verdacht auf Tuberkulose gehören in die Hände
eines erfahrenen Spezialisten.
Abbildung 3: Umgebungsuntersuchung bei Kindern (vgl. auch Handbuch Tuberkulose 2007, S. 54)
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9-monatige Behandlung mit Isoniazid
durchgeführt. Wenn nach 8–12 Wo -
chen keine Konversion vorliegt, d. h.
der zweite Tuberkulintest negativ ist,
kann die Isoniazid-Behandlung been -
det werden.
● Kinder im Alter von 5 bis ≤ 12 Jahren
benötigen keine präventive Behandlung
bei negativem Tuberkulintest, da das
Risiko einer Progression zu einer Krank -
heit in diesem Alter viel geringer ist 35).
Nur Kinder mit einem positiven Tuber -
kulintest bzw. Kinder mit Symptomen
erhalten ein Thoraxröntgenbild bzw. eine
medizinische Abklärung.
Die Tuberkuloseinfektion bei Kindern ent -
spricht meist einer Erstinfektion. Die Erst -
infektion kann durch die Konversion des
Tuberkulintests, d. h. Feststellung einer
Zunahme des Indurationsdurchmessers
zwischen dem ersten Tuberkulintest unmit -
telbar nach Kontakt mit dem Indexfall und
8 Wochen später dokumentiert werden.
Wenn der erste Test negativ und jener nach
8 Wochen positiv ist, liegt eine Konversion
und somit eine Erstinfektion vor. Dies in -
diziert bei Kindern nach Ausschluss einer
aktiven Tuberkulose eine mehrmonatige
Behandlung mit Isoniazid. Ein IFN- γ-Test ist
in dieser Situation nicht hilfreich. Ebenfalls
ist zu bedenken, dass der Tuberkulintest
und die IFN- γ-Tests im frühen Kindesalter
und bei vorliegender Immunschwäche trotz
TB-Infektion und einsetzender Tuberkulo -
seerkrankung negativ ausfallen können und
die Rate nicht auswertbarer Tests höher
ist30), 33), 36) .
Aufgrund der niedrigen Prävalenz der Tuber -
kulose in der Schweiz wird die BCG-Impfung
für Kinder nicht generell empfohlen. Dies
erlaubt bei Tuberkuloseexposition eine In -
terpretation des Tuberkulintests. In der Tat
ist die Sensitivität des Tuberkulintests jener
von IFN- γ-Tests bei ungeimpften Kindern
vergleichbar 37). Wegen ihrer höheren Spe -
zifität sind die IFN- γ-Tests im Kindesalter
in Ländern wie der Schweiz primär zum
Ausschluss falsch-positiver Tuberkulintests
bei BCG geimpften Kindern oder um eine
allfällige Infektion mit nicht-tuberkulösen
Mykobakterien auszuschliessen hilfreich.
Therapie der latenten
Tuberkuloseinfektion
Die Behandlung einer latenten TB-Infektion
(positiver Tuberkulintest, normales Rönt -
genbild, keine Symptome) erfolgt gemäss
WHO-Empfehlungen mittels einer Mono -
therapie mit Isoniazid über 6–9 Monate 3).
Die Dauer der Therapie wurde auf Grund
der besseren Effizienz 24), 38) in verschiedenen
Ländern 20) – so auch in der Schweiz 39) – auf
9 Monate festgelegt. Die empfohlene Isonia -
zid-Dosierung von 10 mg/kg Körpergewicht
in einer täglichen Dosis (Maximaldosis 300
mg pro Tag) wird von Kindern in der Regel
problemlos toleriert. Da keine relevanten
unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei
Kindern erwartet werden, sind auch re -
gelmässige Kontrollen der Transaminasen
nicht erfoderlich. Eine bis zu 5-fache Erhö -
hung der Transaminasen ist bei asympto -
matischen Patienten kein Grund für einen
Therapieabbruch 3). Mit Ausnahme gestillter
Kinder sind keine zusätzlichen Gaben von
Vitamin B6 notwendig, hingegen müssen
gewisse Medikamente (z. B. Antiepileptika)
aufgrund der zu erwartenden Enzyminduk -
tion in der Leber eventuell angepasst wer -
den. Die grösste Herausforderung stellt die
regelmässige Medikamenten-Einnahme dar,
weshalb regelmässige klinische Kontrollen
– initial monatlich, dann je nach Verlauf –
notwendig sind. Es ist absolut wichtig, dass
INH auf nüchternen Magen eingenommen
wird (spätestens 1/2 Stunde vor und frühes-
tens 2 Stunden nach einer Mahlzeit). Kann
die regelmässige Einnahme nicht garantiert
werden, sind die direkt überwachte Medika -
menteneinnahme (directly observed treat -
ment = DOT) oder eine 3-monatige 2er-The -
rapie mit Isoniazid und Rifampizin mögliche
Lösungsvorschläge 3). Bei nachgewiesener
Isoniazid-Resistenz muss die Therapie in -
dividuell in Absprache mit einem Zentrum
geschehen. Auf die Therapie der aktiven
TB wird in dieser Übersicht nicht einge -
gangen. Diesbezüglich verweisen wir auf
das Handbuch Tuberkulose ( http: //tbinfo.
ch/de/onlineberatung/handbuch-tuberku
lose.html ).
Wir danken Jean-Pierre Zellweger für die kri -
tische Durchsicht des Manuskriptes.
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Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med. Jürg Barben , Leitender Arzt Pädiatrische Pneumologie/Allergologie Ostschweizer Kinderspital, St Gallen