Die Verwendung biochemischer Marker zur Abklärung von Herzkrankheiten beim Erwachsenen hat in den letzten Jahren bedeutend zugenommen. Handle es sich nun um Troponin- (TnI oder TnT) oder Kreatinkinasebestimmung bei ischämischen Herzkrankheiten oder um natriuretische Peptide (Brain Natriuretic Peptide oder BNP) bei kardial bedingter Dyspnoe, die Bestimmung biochemischer Myokardmarker spielt bei der Abklärung von herzkranken Erwachsenen eine wichtige Rolle. Beim Kind ist der Nutzen der kardiologischen Biomarker noch nicht so geläufig. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die Physiologie und eine Stellungnahme zu einigen klinischen Indikationen, bei denen diese Marker diagnostisch wie prognostisch nützlich erweisen können.
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Vol. 19 No. 2 2008 Fortbildung / Formation continue
Die Verwendung biochemischer Marker
zur Abklärung von Herzkrankheiten beim
Erwachsenen hat in den letzten Jahren
bedeutend zugenommen. Handle es sich
nun um Troponin- (TnI oder TnT) oder Kre-
atinkinasebestimmung bei ischämischen
Herzkrankheiten oder um natriuretische
Peptide (Brain Natriuretic Peptide oder BNP)
bei kardial bedingter Dyspnoe, die Bestim –
mung biochemischer Myokardmarker spielt
bei der Abklärung von herzkranken Erwach –
senen eine wichtige Rolle
1). Beim Kind ist
der Nutzen der kardiologischen Biomarker
noch nicht so geläufig. Dieser Artikel gibt
eine Übersicht über die Physiologie und eine
Stellungnahme zu einigen klinischen Indika –
tionen, bei denen diese Marker diagnostisch
wie prognostisch nützlich erweisen können.
Physiologie von Troponin
und BNP
Troponin ist ein Bestandteil der kontraktilen
Einheit des Myokardes, genau so wie Aktin,
Myosin und Tropomyosin. Troponin besteht
aus drei verschiedenen Isoformen: Troponin
C, T und I. Am häufigsten wird Troponin I be-
stimmt. Es wird ins Plasma freigesetzt, wenn
die kontraktile Einheit oder das Myokard zu
Schaden kommen. Dieser Gewebeschaden
kann Folge einer Ischämie (Koronarkrank –
heit, systemische Unterversorgung) oder
entzündlicher oder nekrotischer/apoptoti –
scher Läsionen sein, wie sie bei Myokarditis,
Sepsis, durch toxische Substanzen (Anthra –
zykline) oder auch nach herzchirurgischen
Eingriffen (Kardiotomie, extrakorporeller
Kreislauf) vorkommen.
BNP, «brain natriuretic peptide», ist ein durch
die, insbesondere ventrikulären, Myocyten
sezerniertes Hormon. BNP ist das Produkt
einer doppelten Spaltung: Zuerst intrazel –
lulär (PräproBNP in ProBNP), dann plasma –
tisch (ProBNP in BNP und N-ProBNP). Als
aktive Form erfüllt BNP multiple Funktio –
nen: Es ist in erster Linie natriuretisch, im
Weiteren auch ein Inhibitor der Renin- und
Aldosteronsekretion und ein systemischer
Vasodilatator. BNP wird als Antwort auf
einen erhöhten «mechanischen Myokard -stress» oder «mechanical strain» sezerniert,
hervorgerufen durch eine Störung der My-
okardcompliance (Kardiomyopathie durch
Dilatation oder restriktiv, akute Herzer-
weiterung, Myokarditis) sowie akute oder
chronische Veränderungen des Füllungs –
druckes
2). So ist beispielsweise die Zunahme
des Füllungsdruckes, als Folge eines intra –
kardialen Shunts wie dies bei Vorhof- oder
Kammerseptumdefekt der Fall ist, mit dem
BNP-Plasmaspiegel streng korreliert
3). Kon –
kret wird man also einen Anstieg des BNP-
Plasmaspiegels bei Kindern mit einer ange –
borenen oder erworbenen Herzkrankheit
(Shunt, Obstruktion), einer pulmonalarteri –
ellen Hypertonie oder in Anschluss an einen
herzchirurgischen Eingriff feststellen.
N-ProBNP ist die inaktive plasmatische
Form. Es handelt sich jedoch um ein bei
Raumtemperatur stabiles Protein mit einer
längeren Halbwertszeit als BNP, ist somit
bei Lagerung weniger anfällig und in der
klinischen Praxis ein idealer biochemischer
Marker. Der BNP-Plasmaspiegel ist abhän –
gig von Alter, Geschlecht und BMI, was die
Interpretation isolierter Werte schwierig
macht
4).
Klinische Indikationen
I. Herzinsuffizienz
Beim Kind widerspiegelt das BNP den Grad
der Herzinsuffizienz
5). Im Weiteren erlaubt
das BNP, im Gegensatz zum Troponin, zwi –
schen Dyspnoe respiratorischen oder kar-
dialen Ursprungs zu unterscheiden, sowohl
beim Erwachsenen als auch beim Kind und
beim Neugeborenen
6), 7). Pathophysiologisch
gesehen zeigt es sich, dass das BNP gut
die funktionelle Kapazität (VO2max) bei
Patienten mit einer Fallot Tetralogie
8) wi –
derspiegelt, daneben aber auch systolische
und diastolische Störungen bei jungen Pa –
tienten mit verschiedenen angeborenen
Herzfehlern
9). Der Nutzen wiederholter BNP-
Bestimmungen zur Evaluation der Behand –
lung, als Ergänzung zur Echokardiographie,
scheint sich zu bestätigen, wie dies kürzlich
bei Kindern mit sowohl angeborenen als
auch erworbenen komplexen Herzfehlern nachgewiesen wurde
5), 6) . Bei Kindern mit
chronischer Herzinsuffizienz scheint die
BNP-Bestimmung zudem einen wichtigen
prognostischen Aussagewert bezüglich kar-
diovaskulärer Komplikationen zu haben
10).
Bei akuter Herzinsuffienz muss die Tropo –
ninbestimmung zum Nachweis einer isch –
ämischen Ursache (aberrierender Abgang
der Koronararterien) oder bei Myokarditis
erwogen werden. Bei neonataler Asphyxie
ist die Troponinbestimmung nur zum Nach –
weis eines sekundären systemischen Scha –
dens der Hypoxie und/oder der systemi –
schen Kreislaufinsuffizienz von Interesse.
Eine Troponinzunahme infolge Neugebore –
nenasphyxie, ohne hämodynamische Fol –
geerscheinungen, die einen kardiogenen
Schock vermuten lassen, verlangt keine
weiteren Abklärungen (Echokardiographie),
da diese Zunahme zeitlich begrenzt ist und
keinen dauernden Gewebeschaden des Myo
–
kardes bedeutet.
II. Toxische Myokardwirkung
der Anthrazykline
Die toxische Wirkung der Anthrazykline
auf das Myokard wurde eindeutig nachge –
wiesen. Daten betreffend den Nutzen der
Troponinbestimmung zur Überwachung von
anthrazyklinbehandelten Patienten sind be –
schränkt. Eine Studie weist eine Erhöhung
der Troponinplasmaspiegel nach, jedoch
ohne Korrelation zu echokardiographischen
Messungen oder Prognose
11). BNP scheint
den anthrazyklinbedingten Myokardschaden
besser widerzuspiegeln. Eine längerdauern –
de Erhöhung des Plasma-BNP konnte bis
4 Jahre nach Chemotherapie beobachtet und
mit Veränderungen der Myokardwand («wall
stress») und Störungen der diastolischen
Herzmuskelfunktion korreliert werden
12)–14) .
III. Pulmonalarterielle Hypertonie
Das BNP ist ein sehr empfindlicher Anzeiger
jeglicher Erhöhung, akut oder chronisch,
des pulmonalarteriellen Blutdruckes
13). Eine
Zunahme des morgendlichen BNP-Plasma –
spiegels kann z. B. bei Kindern mit obstruk –
tiven Schlafapnoen festgestellt werden
16 ).
Andererseits korreliert das Profil der BNP-
Plasmawerte bei Patienten mit pulmonaler
Hypertonie genau mit den hämodynami –
schen (Druck- und pulmonalen Widerstands –
messung, Herzzeitvolumen, SvO2) als auch
funktionellen (6-Minuten-Marschtest) Mes –
sungen
17). Kürzlich wurde auch vermutet,
dass die Bestimmung des BNP-Plasmaspie –
gels bei Patienten mit zysischer Fibrose den
Biomarker in der
pädiatrischen Kardiologie
Pierre Tissières, Maurice Beghetti, Genf
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
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Nachweis einer subklinischen pulmonalen
Hypertonie erlauben könnte 13).
IV. Perioperativ
Die perioperative Überwachung könnte sich
jedoch als der interessanteste Anwendungs –
bereich der BNP-Plasmaspiegelbestimmung
erweisen. Während das Troponin in den 90er
Jahren seine Glanzzeit kannte, insbesondere
auf Grund von mehreren Studien, die den
perioperativ prognostischen Wert des Tro –
ponins hervorhoben, hat die Verbesserung
der chirurgischen und anästhesiologischen
Techniken und der damit verbundene ver-
besserte Schutz des Herzens dazu geführt,
dass diese historischen Studien nicht mehr
bestätigt werden können
19), 20) . Das post –
operative Profil der Troponine hat sich
wesentlich verändert; deren Werte errei –
chen heute nie mehr die Spitzen der 90er
Jahre. Mit Ausnahme der Überwachung des
Ischämierisikos, z. B. nach einer Koronarar-
terienreimplantation, hat die systematische
Bestimmung des Troponins nur noch wenig
Bedeutung bei der postoperativen Betreu –
ung des herzoperierten Kindes.
Das BNP hat sich hingegen als nützliches
Mittel zur Identifikation von postoperati –
ven Risikopatienten erwiesen. So haben
zahlreiche Studien beim Kind und beim
Erwachsenen den prognostischen Wert des
BPN in Bezug auf postoperative Rhythmus –
störungen, postoperative hämodynamische
Instabilität (Einsatz von kreislaufstützenden
Massnahmen) und Mortalität nachgewie –
sen
21)–23) . Mehr und mehr Daten weisen auf
den prognostischen Wert des präoperativen
BNP beim Kind hin
24)–26) . Zahlreiche Forscher-
gruppen konnten zeigen, dass ein erhöhter
präoperativer BNP-Wert mit dem Auftreten
von postoperativen Komplikationen kor-
reliert, wie vermindertes Herminutenvolu –
men, Bedarf an inotroper Kreislaufstützung
und Aufenthaltsdauer auf der Intensivsta –
tion
27)–30) .
Im Weiteren scheint es, dass das periopera –
tive BNP-Profil es erlauben könnte, Patien –
ten mit einem BNP-Sekretionsmangel, ei –
ner «BNP-Insuffizienz» zu identifizieren
29), 31) .
Tatsächlich verändern 30% der wegen ei –
ner Herzkrankheit operierten Kinder ihren
BNP-Plasmawert kaum oder gar nicht
28).
Wir konnten kürzlich zeigen, dass Patienten,
die ihren postoperativen BNP-Plasmawert
nicht verändern, nicht nur am meisten post –
operative Komplikationen erlitten (Dauer
und Intensität der inotropen Unterstützung,
Reanimationsdauer), sondern auch einen hohen präoperativen Herzinsuffizienzscore
aufwiesen
29). Diese beim Kind festgestell
–
ten Befunde entsprechen den Daten bei
über 300 Erwachsenen mit Herzerweiterung
und chronischer schwerer Herzinsuffizienz
(NYHA 4)
32)–34) . Es wurde auch nachgewiesen,
dass die Unfähigkeit gewisser Patienten,
beim Anstrengungstest BNP zu sezernieren,
nicht nur mit einer Verminderung der funkti –
onellen Kapazität einhergeht, sondern auch
mit einer signifikanten Erhöhung der Mor-
talität 2 Jahre nach einem chirurgischen
Eingriff. Diese Daten würden bedeuten,
dass für gewisse Patienten eine exogene
Substitution von BNP (Nesiritid) von Nut –
zen sein könnte. Eine erste randomisierte
Studie an Erwachsenen hat einen positiven
Einfluss dieser Behandlung beim operierten
Patienten nachgewiesen
35). Die Auswahl
der Patienten auf Grund ihres Plasmaprofils
könnte es künftig erlauben, jene Patienten
genauer zu identifizieren, die auf diese Subs –
titutionstherapie ansprechen.
Schlussfolgerungen
Die Bestimmung des Troponins kennt im Kin –
desalter nur wenige, seltene Indikationen,
wie Verdacht auf ein Koronarsyndrom (Ka –
wasaki-Syndrom, familiäre Hypercholeste –
rinämie) oder auf eine akute Herzinsuffizienz
(Myokarditis, abnormer Koronararterienab –
gang). Der Stellenwert des BNP ist derzeit
in der Pädiatrie noch unklar, es sei denn als
Ergänzung der klinischen und echokardio –
graphischen Untersuchung.
Drei Ausnahmen werden wohl zu berück –
sichtigen sein:
1. Bei schwerer Herzinsuffizienz wird
die Kenntnis einer «BNP-Insuffizienz»
wahrscheinlich die diagnostische und
therapeutische Anwendung des BNP
entscheidend beeinflussen;
2. Verwendung des BNP als Frühzeichen
bei der Überwachung der medikament –
ösen Behandlung von Patienten mit ei –
ner chronischen Herzkrankheit, z. B. bei
Herzmuskeldilatation (z. B. toxisch) oder
bei pulmonalarterieller Hypertonie
3. Schliesslich könnte das BNP vor einem
herzchirurgischen Eingriff zur Planung
der für die Betreuung der Patienten not –
wendigen Spitalressourcen beitragen.
Referenzen:
siehe französischer Text
Korrespondenzadresse:
Dr Pierre Tissières
Service des Soins Intensifs Pédiatriques
Hôpital des Enfants
1, Rue Willy Donzé
1211 Genève 14
pierre.tissieres@medecine.unige.ch
Weitere Informationen
Übersetzer:
Rudolf Schläpfer
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Pierre Tissières , Service des Soins Intensifs Pédiatriques, Hôpital des Enfants, Genève