Die atopische Dermatitis (Synonym: atopisches Ekzem, «Neurodermitis», endogenes Ekzem) ist eine entzündliche mit Juckreiz verbundene, chronische oder chronisch rezidivierende Hauterkrankung, welche gehäuft in Familien mit weiteren atopischen Erkrankungen (Asthma bronchiale und/oder allergische Rhinokonjunktivitis) vorkommt. Sie entsteht auf dem Boden einer genetisch determinierten Dysfunktion der epidermalen Barriere. Die atopische Dermatitis ist eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter. Bis zu 20% aller Kinder und ca. 1–3% der Erwachsenen sind betroffen1). Daten aus den letzten Jahren zeigen, dass vornehmlich eine genetisch bedingte Störung der epidermalen Barriere – nicht aber primär eine allergische Reaktion – für die Entstehung und Ausprägung der atopischen Dermatitis verantwortlich ist. Mutationen von wichtigen Struktur-Proteinen der Haut (wie z. B. Filaggrin) sind ausschlaggebend für den Schweregrad der atopischen Dermatitis und sind ebenfalls assoziiert mit einer erhöhten Atopieneigung (allergisches Asthma, Erdnussallergie) und einer erhöhten Infektanfälligkeit (Herpesinfektion). Ungefähr 10% aller Personen europäischer Herkunft sind heterozygote Genträger für eine loss-of-function Mutation im Filaggrin Gen. Die Prävalenz von Filaggrin Gen Mutationen bei Patienten mit atopischer Dermatitis liegt zwischen 20 und 50%. Häufiger sind veränderte Kopiezahlen Filaggrin kodierender Genabschnitte und eine erniedrigte Expression von Filaggrin ist bei fast allen mittelschweren bis schweren Fällen von atopischer Dermatitis nachweisbar2), 3). Verminderung von Filaggrin in der Haut führt zu einem Hautbarrieredefekt mit erhöhtem Wasserverlust über die Haut und erhöhter transkutaner Allergenpenetration. Folge sind eine trockene Haut und die Neigung zu typischen ekzematösen Entzündungsreaktion. Andere Triggerfaktoren (Tabelle 1) können das Ekzem verschlechtern sind aber nicht die Ursache des atopischen Ekzems. Eine Meidung dieser Trigger führt allenfalls zu einer Verbesserung fast nie aber zur Abheilung der Ekzeme. Eltern knüpfen ihre diagnostischen und therapeutischen Erwartungen dennoch häufig daran, dass ein Faktor gefunden und eliminiert werden kann und damit eine Heilung der Erkrankung erfolgt. Dies führt häufig zu sehr einschränkenden manchmal gesundheitsgefährdenden Diäten oder zur Ablehnung von Impfungen. Impfungen: Die Häufigkeit der atopischen Dermatitis ist bei geimpften und nicht geimpften Kindern gleich. Das unbegründete Nichtimpfen von Ekzemkindern führt zu einer zusätzlichen Gefährdung. Kinder mit schwerem atopischen Ekzem sollten sogar einen erweiterten Impfplan mit Varizellenimpfung ab dem 12. Lebensmonat (erhöhtes Risiko bakterieller Haut- und Weichteilinfektionen und Neigung zu Narben auf grund der gestörten Barriere) erhalten (Empfehlung Schweizerischer Impfplan 2012, BAG: Varizellen Impfung nicht immuner Kinder mit schwerer Neurodermitis ab dem 12. Monat). Merke: Eine grundsätzliche Heilung der Veranlagung zur atopischen Dermatitis ist nicht möglich. Die genetische Disposition besteht lebenslang. Entgegen gängigen Vorstellungen bestehen weiterhin nur bei einem relativ geringen Anteil der Kinder relevante Triggerfaktoren wie Nahrungsmittel- oder andere Allergien oder weitere Auslöser. Die Prognose der atopischen Dermatitis ist trotzdem gut und in 3/4 der Fälle sistieren die Symptome bis zum Alter von 10 Jahren.
16
Einleitung
Die atopische Dermatitis (Synonym: atopi-
sches Ekzem, «Neurodermitis», endogenes
Ekzem) ist eine entzündliche mit Juckreiz
verbundene, chronische oder chronisch re –
zidivierende Hauterkrankung, welche ge –
häuft in Familien mit weiteren atopischen
Erkrankungen (Asthma bronchiale und/oder
allergische Rhinokonjunktivitis) vorkommt.
Sie entsteht auf dem Boden einer genetisch
determinierten Dysfunktion der epiderma –
len Barriere. Die atopische Dermatitis ist
eine der häufigsten Erkrankungen im Kindes –
alter. Bis zu 20% aller Kinder und ca. 1–3%
der Erwachsenen sind betroffen
1). Daten aus
den letzten Jahren zeigen, dass vornehmlich
eine genetisch bedingte Störung der epi –
dermalen Barriere – nicht aber primär eine
allergische Reaktion – für die Entstehung
und Ausprägung der atopischen Dermatitis
verantwortlich ist. Mutationen von wichtigen
Struktur-Proteinen der Haut (wie z. B. Filag –
grin) sind ausschlaggebend für den Schwe –
regrad der atopischen Dermatitis und sind
ebenfalls assoziiert mit einer erhöhten Ato –
pieneigung (allergisches Asthma, Erdnussal –
lergie) und einer erhöhten Infektanfälligkeit
(Herpesinfektion). Ungefähr 10% aller Perso –
nen europäischer Herkunft sind heterozygo –
te Genträger für eine loss-of-function Muta-
tion im Filaggrin Gen. Die Prävalenz von
Filaggrin Gen Mutationen bei Patienten mit
atopischer Dermatitis liegt zwischen 20 und
50%. Häufiger sind veränderte Kopiezahlen
Filaggrin kodierender Genabschnitte und
eine erniedrigte Expression von Filaggrin ist
bei fast allen mittelschweren bis schweren
Fällen von atopischer Dermatitis nachweis –
bar
2), 3) . Verminderung von Filaggrin in der
Haut führt zu einem Hautbarrieredefekt mit
erhöhtem Wasserverlust über die Haut und
erhöhter transkutaner Allergenpenetration.
Folge sind eine trockene Haut und die Nei –
gung zu typischen ekzematösen Entzün –
dungsreaktion.
Andere Triggerfaktoren (Tabelle 1) können
das Ekzem verschlechtern sind aber nicht
die Ursache des atopischen Ekzems. Eine
Meidung dieser Trigger führt allenfalls zu
einer Verbesserung fast nie aber zur Abhei -lung der Ekzeme. Eltern knüpfen ihre diag
–
nostischen und therapeutischen Erwartun –
gen dennoch häufig daran, dass ein Faktor
gefunden und eliminiert werden kann und
damit eine Heilung der Erkrankung erfolgt.
Dies führt häufig zu sehr einschränkenden
manchmal gesundheitsgefährdenden Diä –
ten oder zur Ablehnung von Impfungen.
Impfungen: Die Häufigkeit der atopischen
Dermatitis ist bei geimpften und nicht ge –
impften Kindern gleich. Das unbegründete
Nichtimpfen von Ekzemkindern führt zu ei –
ner zusätzlichen Gefährdung. Kinder mit
schwerem atopischen Ekzem sollten sogar
einen erweiterten Impfplan mit Varizellen-
impfung ab dem 12. Lebensmonat (erhöhtes
Risiko bakterieller Haut- und Weichteilinfek –
tionen und Neigung zu Narben auf grund der
gestörten Barriere) erhalten (Empfehlung
Schweizerischer Impfplan 2012, BAG: Vari –
zellen Impfung nicht immuner Kinder mit
schwerer Neurodermitis ab dem 12. Monat).
Merke: Eine grundsätzliche Heilung der
Veranlagung zur atopischen Dermatitis ist
nicht möglich. Die genetische Disposition
besteht lebenslang. Entgegen gängigen Vor-
stellungen bestehen weiterhin nur bei einem
relativ geringen Anteil der Kinder relevante
Triggerfaktoren wie Nahrungsmittel- oder
andere Allergien oder weitere Auslöser.
Die Prognose der atopischen Dermatitis ist
trotzdem gut und in
3/4 der Fälle sistieren
die Symptome bis zum Alter von 10 Jahren.
Klinisches Bild
Gerade in den ersten Lebensmonaten kann
bei bestehenden Ekzemen die Differenzie -rung zwischen einem seborrhoischen Ek
–
zem und einem atopischen Ekzem häufig
nicht erfolgen. Oft zeigen sich die charak –
teristischen Symptome der atopischen Der –
matitis (vor allem der Juckreiz) erst ab dem
dritten Lebensmonat. Bei Säuglingen sind
vorwiegend der Kopf und die Gesichtshaut
betroffen (Abbildung 1) . Es bestehen oft
nässende teilweise bakteriell superinfizier –
te Wangenekzeme. Auch der Körperstamm
und die Extremitätenstreckseiten können
befallen sein (Abbildung 2) . Im Weiteren
Verlauf sind bevorzugt die großen Beugen
betroffen (Abbildung 3) , wobei grundsätz –
lich auch andere Stellen an Stamm, Extre –
mitäten und Kopf Ekzeme aufweisen
können. Im Jugendlichen- und jungen Er –
wachsenenalter sind bei Persistenz oder
bei erneutem Auftreten der atopischen
Dermatitis vermehrt Hals und Gesicht so –
wie der Hand-Fuss-Bereich betroffen. Eine
Variante der atopischen Dermatitis, die bei
ca. 10–15% der Kinder auftritt ist das num –
muläre atopische Ekzem (Abbildung 4).
Nummuläre Läsionen sind häufig therapie –
resistenter als typische flächige Ekzeme.
Früh kommt es auf der barrieregeschädigten
Haut zu einer Kolonisation mit Staphylo –
coccus aureus (90–100% aller Kinder mit
atopischer Dermatitis – verglichen mit 20-
25% bei gesunden Kindern). Die Staphylo –
kokken-Toxine führen direkt zu einer Ver-
schlechterung des Ekzems. Insbesondere im
Kopfbereich und vor allem bei sehr kleinen
Kindern können zudem nässende impetigi –
nisierte Ekzeme und Pyodermien entstehen.
Allergologische Diagnostik
Eine allergologische Diagnostik ist gerade
im Kindesalter primär nicht grundsätzlich
notwendig. Besonders bei ausschliesslich
gestillten Säuglingen hat sie meist keine
Konsequenz. Sollte sich das Ekzem unter
einer optimierten Basis- und vorübergehen –
Atopische Dermatitis im Kindesalter
Marc Pleimes, Peter Schmid-Grendelmeier, Lisa Weibel
Bakterien Staphylokokken, Streptokokken
Viren Herpesviren, Poxviren (Dellwarzen)
Hefepilze Malassezia fur fur (Head & Neck type Ekzem)
Allergien Nahrungsmittel, Hausstaubmilben, Pollen etc.
Irritantien Seifen, Wollkleidung etc.
Stress Verstärkung von Juckreiz
Klimafaktoren Austrocknung der Haut, Wärme
(verstärkter Juckreiz), Schwitzen
Ta b e l l e 1: Mögliche Triggerfaktoren bei atopischem Ekzem
Vol. 24 Nr. 2 2013
Fortbildung
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den spezifischen Therapie gut zurückbilden
kann ebenfalls auf eine weitere Labordia-
gnostik verzichtet werden.
Eine Labor- und allergologische Diagnostik
ist jedoch prinzipiell sinnvoll bei Hinweisen
für allergische Soforttyp-Reaktion (wie
Ödem, Urtikaria oder Erbrechen nach Nah –
rungsaufnahme/Allergenkontakt) und bei
mittelschweren und schweren Ekzemen mit
einem längerfristigen hohen Bedarf an
antientzündlicher Therapie (Gesamt-IgE,
Hausstaubmilben, je nach Alter Nahrungs –
mittel- und Umgebungsallergene und ggf.
weitere nach Anamnese).
Die Bestimmung von IgE gegen Umge –
bungsallergene (sx1) ist dann sinnvoll, wenn
anamnestisch eruierbare Faktoren wie
Pollensaison, Winterzeit (Hausstaubmilben)
oder Haustierkontakt zu Exazerbationen
der atopischen Dermatitis führen.
Zudem haben Kinder mit atopischer Derma –
titis und der damit verbundenen atopischen
Diathese ein erhöhtes Risiko gleichzeitig
oder vor allem später an Allergien auf Inha –
lationsstoffe (Heuschnupfen, allergisches
Asthma) und/oder teilweise damit assozi –
ierten Nahrungsmittelallergien (z. B. Birken –
pollen-assoziierten Nahrungsmittelallergien
auf rohes Stein- und Kernobst oder Sellerie).
Kinder mit erhöhtem spezifischem IgE ge -gen Umgebungsallergene bedürfen auch
einer besonderen Beratung bei der späteren
Berufswahl. Gewisse Berufe wie BäckerIn,
FloristIn oder TierpflegerIn sind wegen des
erhöhten Risikos von allergischer Rhinitis
oder Asthma für sie ungeeignet.
Differenzialdiagnosen
Zu den Differenzialdiagnosen der atopischen
Dermatitis gehören im Kindesalter seborrho
–
ische Ekzeme (vor allem bei Säuglingen),
Skabies, Kontaktekzeme, Psoriasis und Lan –
gerhanszellhistiozytose. Ebenfalls kann ein
allfälliger Zinkmangel zu ekzematösen Ver-
änderungen vor allem im periorifiziellen Be –
reich führen.
Therapie
Ziel der Therapie (siehe auch Tabelle 2) ist
das Erreichen einer möglichst vollständigen
Symptomfreiheit und anhaltenden Kontrol –
le neuer Ekzemschübe. Erst nach Abheilung
der Entzündungen/Ekzeme kann mit Hilfe
einer Basistherapie die epidermale Barriere
optimal intakt gehalten werden. In Hinblick
auf eine gute Prognose mit Verhinderung
einer Chronifizierung des Ekzems steht der
Leitsatz «no tolerance for eczema» im Zen -trum und ein pro -aktives Management ist
indiziert. Die Therapie basiert dabei auf
folgenden Prinzipien
4):
• Wiederherstellung der epidermalen Bar –
riere mittels angepasster Basistherapie
(Hautreinigung und rückfettende Pflege)
• Prophylaxe und Behandlung kutaner
Superinfektion mittels angepasster Ba –
sistherapie inklusive regelmässiger Haut –
reinigung und antientzündliche Lokalthe –
rapie (Antiseptika, gegebenenfalls Anti –
biotika, Kortikosteroide)
• Konsequente antientzündliche Therapie
mit dem Ziel, Ekzemschübe prompt zur
Abheilung zubringen und weitere Schübe
zu verhindern
Basistherapie
Die Basistherapie besteht aus an Stadium,
Lokalisation des Ekzems und Alter des Kindes
angepasster Anwendung von Reinigungsmass –
nahmen und rückfettenden Pflegeprodukte.
Je jünger die Kinder desto wichtiger sind eine
regelmässige Reinigung und Hydrierung der
Haut mittels täglicher lauwarmer Bäder mit
einem Ölzusatz. Bei älteren Kindern können
auch Öl-Duschen oder Duschen mit rückfet –
tenden hautschonenden Mitteln (z. B. Syn –
dets) erfolgen. Das Baden und Duschen
entfernt Salbenrückstände und wirkt einer
ungünstigen mikrobiellen Besiedlung der
Haut entgegen. Während der ersten 10–15
Minuten nach dem Bad besteht darüber hin –
aus eine verbesserte Aufnahme topisch an –
gewendeter Substanzen in die Epidermis
5).
A bb. 1: Wangenekzem bei einem Säugling Abb. 2: Säugling mit Ekzembefall des Stamms,
Hautfalten und deutlichem Juckreiz
Abb. 3: Beugenekzem bei einem 11-jährigen
Mädchen Abb. 4: Nummuläres teils superinfiziertes
Ekzem
«Synthetic Detergents» oder «Syndets»
sind flüssige, Schaum erzeugende Reini –
gungsmittel, die als Alternative zur Seife
eingesetzt werden können. Die Idee zu
ihrer Herstellung stammt aus dem zweiten
Weltkrieg, als General Mc Arthur amerika –
nische Chemiker beauftragte, eine Seife zu
entwickeln, die auch mit Meerwasser
Schaum erzeugt, um den GI’s zu ermögli –
chen, sich während den langen Einsätzen
im Pazifik waschen zu können.
Diese synthetischen oberflächenaktiven
Stoffe Tenside haben im Prinzip die gleiche
chemische Zusammensetzung wie natürli –
che Seifen, sind aber Petrolderivate und
haben den Vorteil, eine grosse Varietät an
che-mischen Strukturen zu erlauben, je
nach gewünschter Wirkungsweise. Diese
waschaktiven Stoffe sind zugleich hydro –
phil und lipophil, es wird also sowohl
wasserlöslicher (Zellresten, Schweiss, …)
als auch fettlöslicher (Talg, Mikroorganis –
men, …) Schmutz von der Haut gelöst und
mit dem Wasser weggeschwemmt.
Vol. 24 Nr. 2 2013
Fortbildung
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Bei Neigung zu bakteriellen Superinfektionen
kann das Bad oder die Dusche mit einer anti-
septischen hautfreundlichen Waschlotion
ergänzt werden. Alternativ können Antisepti –
ka (z. B. Triclosan 1–2%) in die Pflegeprodukte
mit eingemischt werden. Welches Produkt zur
Basistherapie eingesetzt wird, ist individuell
festzulegen; vor allem der Lipidgehalt kann
dabei der Trockenheit der Haut angepasst
werden. Externa sollten möglichst wenig
Duftstoffe, Konservierungsmittel oder Emul –
gatoren enthalten. Für einen zusätzlichen
Rehydrierungseffekt können Substanzen wie
Glycerin oder Harnstoff zu Basisprodukten
zugesetzt werden. Harnstoff kann gerade bei
Säuglingen und Kleinkindern zu einem vor –
übergehenden Brennen ( Stinging-Effekt) auf
der Haut führen und wird deshalb idealerwei –
se erst ab dem Vorschulalter verwendet.
Spezifische Therapie
Topische Kortikosteroide werden seit
mehr als 50 Jahren in der Lokaltherapie der
atopischen Dermatitis eingesetzt und es besteht ein sehr grosses Erfahrungs- und
Sicherheitsspektrum. Nebenwirkungen ei
–
ner korrekt angewendeten topischen The –
rapie sind dabei extrem selten und haben
nichts mit den manchen Patienten/Eltern
bekannten Nebenwirkungen interner Stero –
idpräparate gemein. Eine allfällige Hauta –
trophie, die Ausbildung von Striae oder eine
Steroidakne kann durch die richtige Anwen –
dung der Präparate so gut wie immer ver-
mieden werden. Bei der Verschreibung
dieser Präparate ist dennoch das «Korti –
son-Gespräch» mit den Eltern unumgäng –
lich. Hierbei sollten thematisiert werden:
• Allgemeine Unterschiede von Kortikoste –
roiden systemisch/topisch
• Unterschiedliche Stärke-Klassen (Klasse I
schwach bis Klasse IV stärkste) der topi –
schen Präparate (Merke: Die prozentuale
Angabe der Steroid-Konzentration ist nur
für Wirkstärkenunterschiede bei derselben
Substanz wichtig, sagt aber nichts über die
Stärken-Klasse verschiedener Kortikoste –
roide aus); Vorteile der sog. «Soft-Steroi –
de» (nicht-fluorierte Kortikosteroide) •
Langzeit Sicherheitsaspekte durch die
schon jahrzehntelange Erfahrung
• Wichtigkeit und Sicherheit einer Intervall –
anwendung
• Strategie einer pro -aktiven Therapie für
eine bessere Prognose und Verhinderung
einer Ekzem-Chronifizierung
Für die topische Behandlung der atopischen
Dermatitis empfehlen sich bei Kindern vor
allem topische Steroide der Klassen II und III
(bei jungen Säuglingen der Klassen I und II).
Eine Behandlung einmal täglich ist hierbei
ausreichend (Depotbildung der topischen
Steroide im Stratum corneum), idealerweise
sollte diese abends nach dem Bad erfolgen.
Für akute Schübe der atopischen Dermatitis
empfiehlt sich eine Intensivtherapie mittels
einer Behandlung an fünf aufeinander folgen –
den Tagen – gefolgt von zwei Tagen Pause. Je
nach Ausprägung des Ekzems müssen diese
Zyklen mehrfach wiederholt werden (zum
Beispiel 2–4-mal). Bei Besserung der Haut
kann dann eine Reduktion auf eine Inter vall –
therapie erfolgen. Hierbei werden topische
Steroide an 2–3 Behandlungstagen (aufein –
Basistherapie 1 x tägliche Ölbäder (10 Minuten, lauwarm), bei älteren Kindern alternativ Duschen mit Öl oder Syndet
1-2 x tägliche Basispflege
Zusätzliche antimikrobielle Massnahmen besonders bei generalisierten Ekzemen
Antiseptische Waschmittel (z. B. Procutol
®) zum Ende des Bades
Antiseptische Zusätze (Triclosan 1 % (Kleinkinder), Triclosan 2 % ab 6 Jahren)
Bei bakterieller Superinfektion
(nicht bei nur reiner Kolonisation) Einsatz einer systemischen Antibiotika-Therapie (z. B. Amoxicillin+Clavulansäureoder Clindamycin
(bei Penicillinallergie))
Spezifische antientzündliche
Therapie Topische Steroide Klasse II (z. B. Emovate ® Salbe, Locoid ® Lipocrème, Locoid ® Skalp-Lotio)
Topische Steroide Klasse III (z. B. Prednitop ® Salbe (breiteste Zulassung), Elocom ® Salbe
(ab 6 Monate, kurzzeitig), Cutivate ® Salbe (ab 3 Monaten für akute Ekzeme, zur pro -aktiven
Therapie Crème ab 1 Jahr)
Therapie bei akutem Ekzem
Topische Kortikosteroide 1 x tgl. abends nach dem Bad auf alle betroffenen Stellen für 5 aufein-
anderfolgende Tage dann 2 Tage Pause (ggf. 2–4 x wiederholen). Bei grossflächiger Behandlung
im Säuglings-/Kleinkindesalter ggf. verdünnt z. B. 1:1 in Crèmegrundlage
Intervalltherapie
Topische Kortikosteroide noch für 2 (-3) aufeinanderfolgende Tage
(gefolgt von 4–5 Tagen reiner Basispflege)
Bei Behandlung von Gesicht, Genitale oder Intertrigines über mehr als 1–2 Wochen
Topische Calcineurin-Inhibitoren (Elidel
® Crème, Protopic ® Salbe (0.03 % und 0.1 %)),
unter 2 Jahren off-label Einsatz
Erweiterte Therapie
(Fachzentren oder in der Behandlung
sehr erfahrene Kollegen) Phototherapie: ab 8–12 Jahre, (UVB 311nm (evtl. UVA-1))
Systemisch: Azathioprin, Cyclosporin A, systemische Steroide (kurzzeitig), Methotrexat,
weitere Immunsuppressiva
Bei Nachweis von spezifischem
IgE gegen Hausstaubmilben Dreiteiliges milbendichtes Encasing für den Schlafbereich, hausstaubreduzierende Massnahmen
Spezifische Immuntherapie
(Hyposensibilisierung) Vor allem bei assoziierten Atemwegsallergien mit nachgewiesener Sensibilisierung
(Hausstaubmilben, Pollen)
Adjuvante Therapie Spezialunterwäsche/-schlafanzüge (z. B. DermaSilk ®), ausreichend Flüssigkeit trinken,
Überhitzung vermeiden
Ta b e l l e 2: Behandlung der atopischen Dermatitis
Vol. 24 Nr. 2 2013
Fortbildung
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ander folgend) pro Woche auf die vornehm-
lich betroffenen Stellen aufgetragen.
Ausser bei sehr leichten Ekzemen, die in –
nerhalb weniger Tage komplett abheilen,
sollten topische Kortikosteroide nicht ab –
rupt abgesetzt werden sondern durch eine
Reduktion der Anwendungsdauer auf zum
Beispiel 2 Tage pro Woche (Intervallthera –
pie) langsam ausgeschlichen werden. Dies
verhindert einen unerwünschten Rebound
und ein erneutes Auftreten von Ekzemen.
Merke: Bei Beginn der Therapie sollte ein
ausreichend starkes Kortisonpräparat ge –
wählt werden, um eine Abheilung möglichst
rasch zu erreichen. Beim Ausschleichen der
Therapie sollte dasselbe Präparat als Intervall –
therapie verwendet werden (nicht aber auf ein
schwächeres Präparat umgesetzt werden).
Bei häufigen Ekzemschüben kann eine
solche Intervalltherapie auch im Sinne ei –
ner pro -aktiven Therapie bei bereits gut
kontrolliertem Ekzem für einige Monate
fortgesetzt werden. Ziel der pro-aktiven
Behandlung ist es, gar keine neuen Ekzem –
schübe entstehen zu lassen und damit eine
längerfristige Stabilisierung und Abheilung
der atopischen Dermatitis zu erreichen.
Calcineurin-Inhibitoren hemmen die T-
Zell-Aktivierung und greifen spezifisch in
den Entzündungsprozess des atopischen
Ekzems ein. Die Wirksamkeit von Pimecro –
limus (Elidel
®-Crème) und Tacrolimus
(Protopic ®-Salbe) ist bei Kindern erwie –
sen 6). Die Wirkstärke von Elidel ®-Crème
entspricht ungefähr einem topischen Ste –
roid Klasse I, die von Protopic
®-Salbe 0.1%
einem Steroid der Klasse II. Verglichen mit
topischen Kortikosteroiden bestehen bei
Calcineurin-Inhibitoren, gerade bei Lang –
zeitanwendungen, keine Risiken bezüglich
einer Hautatrophie. Sie eignen sich damit
insbesondere für problematische Areale
(Gesicht, intertriginöse Areale, anogenital).
Auch die pro -aktive Therapie kann mit Calci –
neurin-Inhibitoren erfolgen. Zugelassen sind
die Präparate ab dem dritten Lebensjahr und
prinzipiell als second-line- Therapeutika. Auf-
grund des erhöhten Risikos für Steroid-Ne –
benwirkungen sind diese Präparate jedoch
besonders bei Säuglingen und Kleinkindern
mit hartnäckigen Lid-, Wangen-, und periora –
len Ekzemen für eine erfolgreiche Langzeit –
kontrolle und Ausheilung gut geeignet.
Unerwünschte Wirkung ist vor allem ein
einige Minuten nach Auftragen der Präpa –
rate entstehendes Brennen, das jedoch vor
allem bei akuten Ekzemen auftritt und bei
Kindern sehr viel seltener als bei Erwach -senen beobachtet wird. Für akut entzündli
–
che Befunde empfiehlt sich die kurzzeitige
Vorbehandlung mit einem topischen Stero –
id. Durch Aufbewahren der Calcineurin-In –
hibitoren im Kühlschrank kann zudem das
Brennen teils vermindert werden.
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen lässt
sich die Befürchtung eines potentiell erhöh –
ten onkogenen Risikos durch Langzeitan –
wendung topischer Calcineurin-Inhibitoren
nicht durch konkrete Fälle belegen
7). Um
einer möglichen zusätzlichen immunsup –
pressiven Wirkung bei Kombination mit UV-
Licht-Exposition Rechnung zu tragen, sollten
diese Präparate jedoch möglichst abends
und begleitend von adäquaten Sonnen –
schutzmassnahmen angewendet werden.
Aufgrund der immunreduzierenden Wirkung
vor allem auf T-Zellen sind Hautinfektionen
wie eine Herpes Simplex-Infektion oder das
Bestehen von Dellwarzen (Mollusca conta –
giosa) oder HPV-Warzen während der aku –
ten Infektion eine Kontraindikation für die
Anwendung von Protopic
® oder Elidel ®.
Unterstützende Massnahmen
Unterstützend kann die Basistherapie um
spezielle Textilien (z. B. Derma Silk ®, ein an-
timikrobiell veredeltes Seidentextil) erwei –
tert werden. Diese werden vor allem als
Schlafanzug oder Unterwäsche getragen und
führen zu einem zusätzlichen Hautschutz
und Verminderung der Mikroorganismen auf
der Haut und dadurch zu einem verbesserten
Hautzustand und verringertem Juckreiz.
Gegen den Juckreiz können Antihistaminika
eingesetzt werden. Sedierende Antihistami –
nika wie Dimetinden (Feniallerg
®) sollten
dabei nur bei Säuglingen und/oder zur Nacht
eingesetzt werden. Bei älteren Kindern emp –
fehlen sich tagsüber nicht sedierende Anti –
histaminika wie zum Beispiel Desloratadin
(Aerius
®, Zulassung ab 6 Monaten) oder Le –
vocetirizin (Xyzal ®, Zulassung ab 24 Monate).
Juckreiz kann durch weitere Massnahmen
wie die Anwendung von juckreizlinderenden
Zusätzen (z. B. Polidocanol 5%) in den topi –
schen Basistherapeutika unterstützt werden.
Konsequenzen für die Praxis
Ursache für die atopische Dermatitis ist ein
genetisch bedingter Hautbarrieredefekt.
Verschiedene Triggerfaktoren können zwar
zusätzlich die Stärke und Schubhäufigkeit
der Ekzeme beeinflussen, sind aber nicht
ursächlich für die Erkrankung. Basisthera –
peutische Massnahmen dienen vor allem der
dauerhaften Stabilisierung der Hautbarriere
und der Prophylaxe neuer Ekzemschübe.
Hierbei sollte die gesamte Haut behandelt
werden und diese Therapie besonders auch
in symptomfreien Zeiten fortgesetzt werden.
Entzündliche Veränderungen der Haut ver-
langen grundsätzlich nach einer angepass –
ten antientzündlichen Therapie (topische
Kortikosteroide und ggf. Calcineurin-Inhibi –
toren). Es gibt heute Hinweise dafür, dass
eine frühzeitige pro-aktive Ekzemtherapie
mit Wiederherstellung der Hautbarriere der
Entwicklung von Allergien entgegenwirkt.
Die Patienten und deren Eltern sollten sich
im Verlauf gut mit ihrer Krankheit ausken –
nen. Um den vielfältigen Fragen auch in
Bezug auf Ernährung und Hautbehandlung
gerecht zu werden sind nebst ausreichen –
der Konsultationszeit beim kinderdermato –
logisch versierten Arzt auch interdisziplinä –
re Schulungen für Betroffene (Kinder und
deren Eltern) ideal. Verschiedene Zentren
bieten solche Schulungszyklen an (z. B.
www.aha.ch, Allergiezentrum Schweiz). Ne –
ben einer professionellen Schulung können
Teilnehmer hier auch vom Austausch mit
anderen Betroffenen profitieren.
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Korrespondenzadressen
Dr. med. Marc Pleimes
Oberarzt Kinderdermatologie
Universitäts-Kinderkliniken Zürich
marc.pleimes@kispi.uzh.ch
Die Autoren haben keine finanzielle Unter –
stützung und keine anderen Interessenkon –
flikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag
deklariert.
Vol. 24 Nr. 2 2013
Fortbildung
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Dr. Marc Pleimes , Oberarzt Kinderdermatologie Universitäts-Kinderkliniken Zürich Peter Schmied-Grendelmeier PD Dr. med. Lisa Weibel , Pädiatrische Dermatologie, Zentrum Kinderhaut, Universitäts-Kinderspital Zürich Andreas Nydegger