Die Arbeitsgruppe Adipositas der SGP hat in ihrer beharrlichen Arbeit zur dringend nötigen Verbesserung der Behandlungssituation für adipöse Kinder und Jugendliche in der Schweiz einen weiteren Meilenstein erreicht. Nachdem der Konsensus zur ambulanten multiprofessionellen Gruppentherapie entscheidende Grundlage war, um endlich eine Finanzierung wenigstens für eine Form der Adipositastherapie auch bei Kindern und Jugendlichen zu erreichen, soll nun das Gleiche auch für die stationäre Therapie bei besonders schweren, nicht anders zu beeinflussenden Fällen angegangen werden. Die Arbeitsgruppe hat ein sehr sorgfältig erarbeitetes, wissenschaftlich einwandfrei abgestütztes Dokument, das die Grundlage für eine zukünftige Finanzierung solcher Therapien bilden soll, vorgelegt und in dieser Nummer von Paediatrica publiziert. Für eine erfolgreiche Eingabe beim BAG ist aber der Konsens innerhalb der SGP wichtige Voraussetzung. Alle interessierten Pädiater sind deshalb eingeladen, den Text zu studieren und allfällige Kommentare, Einwände und Verbesserungsvorschläge innert Monatsfrist an die Autoren einzusenden.
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Vol. 22 Nr. 4 2011 E m p f e h l u n g e n
Einleitung
Die Empfehlungen für die stationäre Adipo\b
sitas\bTherapieprogramme sind eine Ergän \b
zung zu den bereits publizierten Empfeh \b
lungen für die Adipositas \bTherapie im
Kindes\b und Jugendalter
1), 2) , welche folgen \b
de Kernelemente enthalten:
• Besonderheiten der Adipositas im Kin \b
desalter
• Konsensus zur Definition von Übergewicht
und Adipositas im Kindes\b und Jugendalter
Stationäre multiprofessionelle Therapie
der schweren Adipositas im Kindes\b und
Jugendalter: Konsensus Schweizerische
Gesellschaft für Pädiatrie
Dagmar l’Allemand\bJander, St. Gallen; Bruno Knöpfli, Zürich und DavosUnter Mitarbeit von: Nathalie Farpour\b Lambert, Genf; Bettina Isenschmid, Zofingen; Josef Laimbacher,
St. Gallen; Christoph Rutishauser, Zürich; Robert Sempach, Zürich; Michael Steigert, Chur
Zusammenfassung
Im Auftrag der Schweizerischen Gesellschaft für \bädiatrie hat eine nationale Arbeitsgrup –
pe im Konsens folgende Empfehlungen ausgearbeitet:
• Adipositas wird vom Bundesamt für Gesundheit und der Santésuisse als Krankheit
anerkannt. Adipositas mit Komorbidität und extreme Adipositas (> 99.5 BMI-\berzenti-
le) im Kindes- und Jugendalter sind schwerwiegende Krankheiten.
• Nachhaltige Adipositas-Therapien basieren auf einem multiprofessionellen Therapie –
ansatz mit Fokus auf Ernährung, körperlicher Aktivität und Verhaltensmodifikation
sowie der Behandlung allfälliger psychiatrischer oder psychosozialer Komorbiditäten.
• Der Stellenwert der verschiedenen situationsangepassten ambulanten und stationären
Interventionsmöglichkeiten bei Adipositas im Kindes- und Jugendalter wird durch die
Behandlungspyramide der Schweizerischen Gesellschaft für \bädiatrie wiedergegeben.
Wenn eine ambulante Therapie ungenügend wirksam war, oder medizinisch nicht mög –
lich ist, sind stationäre multiprofessionelle Therapieprogramme indiziert.
• Ziele der stationären Adipositas-Therapieprogramme sind die nachhaltige Reduktion des
Körperfettes sowie die Reduktion von somatischer und psychosozialer Komorbidität.
• Die Indikationen für die stationäre Adipositas-Therapie sind festgelegt. Sie betreffen
grundsätzlich Kinder und Jugendliche mit extremer Adipositas und Komorbidität.
• Die stationäre Adipositas-Therapie für Kinder und Jugendliche basiert auf den Behand –
lungsempfehlungen der Arbeitsgruppe Adipositas im Kindes- und Jugendalter mit
Vertretern der Schweizerischen Gesellschaft für \bädiatrie (SG\b/SS\b) sowie des Fach –
verbands Adipositas im Kindes- und Jugendalter (akj) und muss in einem zertifizierten
Zentrum erfolgen. Die Dauer eines stationären, ärztlich geleiteten multiprofessionellen
Therapieprogramms beträgt in der Regel 6–8 Wochen und kann sowohl wohnortnah
als auch -fern erfolgen.
• Eine unmittelbar anschliessende Nachsorge muss vorab und wohnortnah organisiert
werden.
• Komplexe Essstörungen (ICD -10 F50.2/ 3/4/9) mit Adipositas sind eigene Krankeits –
entitäten und stellen zusätzliche Anforderungen an den stationären Therapieprozess
in einer psychosomatischen/psychotherapeutischen Institution. Sie werden in diesem
Konsensus papier nicht weiter behandelt.
Vernehmlassung
des Konsensus
zur stationären
Adipositastherapie
Christian Kind, SGP\bPräsident, St. Gallen
Liebe SGP\bMitglieder
Die Arbeitsgruppe Adipositas der SGP
hat in ihrer beharrlichen Arbeit zur drin \b
gend nötigen Verbesserung der Behand \b
lungssituation für adipöse Kinder und
Jugendliche in der Schweiz einen weite \b
ren Meilenstein erreicht. Nachdem der
Konsensus zur ambulanten multiprofes \b
sionellen Gruppentherapie entscheiden \b
de Grundlage war, um endlich eine Fi \b
nanzierung wenigstens für eine Form der
Adipositastherapie auch bei Kindern und
Jugendlichen zu erreichen, soll nun das
Gleiche auch für die stationäre Therapie
bei besonders schweren, nicht anders
zu beeinflussenden Fällen angegangen
werden. Die Arbeitsgruppe hat ein sehr
sorgfältig erarbeitetes, wissenschaftlich
einwandfrei abgestütztes Dokument,
das die Grundlage für eine zukünftige
Finanzierung solcher Therapien bilden
soll, vorgelegt und in dieser Nummer von
Paediatrica publiziert. Für eine erfolgrei \b
che Eingabe beim BAG ist aber der
Konsens innerhalb der SGP wichtige
Voraussetzung. Alle interessierten Päd \b
iater sind deshalb eingeladen, den Text
zu studieren und allfällige Kommentare,
Einwände und Verbesserungsvorschläge
innert Monatsfrist an die Autoren einzu \b
senden.
orthopädischen
7), 8) , hepatischen 9) und kar\b
diovaskulären 5) sowie metabolischen 10)
Krankheiten einhergeht. Die körperlichen
Schäden können bereits im Kindesalter zu
invalidisierender Beeinträchtigung führen
11).
Mit zunehmender Ausprägung der Adiposi \b
tas und steigendem Alter wird die Behand \b
lung schwieriger
11)–13) .
Die multiprofessionellen Adipositas\bThera \b
pieprogramme sind auf bestimmte Alters \b
gruppen und Schweregrade der Adipositas
ausgerichtet. Das bisherige ambulante Be \b
handlungsangebot im Kindes\b und Jugend \b
alter wird den schweren Formen der Adipo \b
sitas nicht gerecht; daher bedar f das
Therapieangebot der Erweiterung auf sämt \b
liche Schweregrade der Adipositas. Die
multiprofessionelle stationäre Adipositas\b
•
Diagnostik von Grund\b und Folgeerkran \b
kungen der Adipositas
• Psychologische, psychosoziale und Ver\b
haltensdiagnostik
• Notwendigkeit eines multiprofessionel \b
len Therapieansatzes sowie einer lang \b
fristigen Nachsorge
Die Adipositas ist eine chronische Krank \b
heit
3), die auch in der Schweiz nach \b
gewiesener massen bereits im Kindesalter
mit morphologischen Schäden
4)–6) bz w.
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Vol. 22 Nr. 4 2011 E m p f e h l u n g e n
Therapie für Kinder und Jugendliche deckt
die bestehende Therapielücke. Sie basiert
auf den Behandlungsempfehlungen der
Arbeitsgruppe Adipositas im Kindes\b und
Jugendalter mit Vertretern der Schweizeri\b
schen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP/SSP)
sowie des Fachverbands Adipositas im
Kindes\b und Jugendalter (akj).
Die Adipositas soll, wie jede chronische
Krankheit, überwiegend ambulant behan \b
delt werden. Die multiprofessionelle stati \b
onäre Adipositas\bTherapie ist im Kontext
der Therapiemöglichkeiten lediglich bei ei \b
ner schweren Adipositas oder Adipositas
mit Begleiterkrankungen und folgenden
Konstellationen in Betracht zu ziehen:
• Unmöglichkeit der Teilnahme an ambu \b
lanten Programmen infolge invalidisie \b
renden Krankheitsgrades und/oder Ko \b
morbiditäten,
• Dringlichkeit (z. B. Indikation zur präope \b
rativen Gewichtreduktion vor einer dring \b
lichen Operation) oder
• nach ungenügender Wirkung eines zerti \b
fizierten ambulanten Adipositas\bThera \b
pie\bProgrammes.
Der Vorteil einer stationären Behandlung in
speziell eingerichteten Institutionen liegt in
der kontinuierlichen exogenen Kontrolle der
Nahrungs\b und Bewegungsangebote und
damit des Ernährungs\b, Ess\b und Bewegungs \b
verhaltens. In dieser optimierten Umwelt
kann ein neues Verhalten erlernt und einge \b
übt
14) sowie eine relevante Verbesserung der
somatischen Parameter erzielt werden. In
den seltenen Situationen, in denen auch im
Jugendalter eine bariatrisch\bchirurgische In \b
tervention erwogen werden muss, kann eine
unmittelbar vorangehende stationäre Inter \b
vention sinnvoll sein, um die Voraussetzun \b
gen für den Eingriff zu optimieren.
Extreme Adipositas und die Adipositas mit
Komorbidität können ohne rechtzeitige
Therapie zu bariatrischen Interventionen
und Folgebehandlungen im Erwachsenen \b
alter führen. Bariatrische Interventionen
und ihre Folgebehandlungen sind jedoch
mit langfristigen Beeinträchtigungen der
Gesundheit und hohen finanziellen Kosten
verbunden. Die frühzeitig im Kindes\b und
Jugendalter einsetzende Adipositas\bThera \b
pie inklusive einer multiprofessionellen
stationären Betreuung als intensiver Form
der Therapie ist deshalb sowohl aus ge \b
sundheitsökonomischer Sicht als auch den
Gesundheitsgrad des Individuums betref \b
Tabelle 1:
Stationäre Adipositas\bBehandlungsprogramme – Befunde bei Therapiestart, Austritt und Nachuntersuchung. SDS = Standard\bDeviation\bScore, die Differenz \b 0.2 SD
entspricht ca. 5% Reduktion des initialen Gewichtes.
Stationäre Phase Nachbeobachtungs\bPhase
TherapiestartBMI GewichtFoll.\bupBMIBMI Gewicht
Studie JahrLit.Klinik O r t L a n d Prob.AlterDauer Eintritt Austritt Differenzen EintrittAustrittDifferenz
nach
Hosp.Foll.\bup Differenzen Foll.\bupDifferenzen
Erstautor Nr. AnzahlJahre Monate kg/m
2
kg/m
2
kg/m
2/MoSDS kg kgkgkg/MoMonate kg/m
2
kg/m
2SDSkg kgkg/Mo
Adam 2008[17]DAK HamburgD60412.5 1.5 30.2 28.1 \b2.1\b1.4\b 0.30 10.528.4\b1.8\b 0.36
Adam Kontrollen 2009
[18]DAK HamburgD162
75 12.5
11.9 1.5
4.5
6.0\b2.2
0.3\b 0.36
0.04 \b 4.1
3.7\b 0.90
0.82
Braet 2004[20]Uni.G. GhentB11012.7 10.0 32.2 23.6 \b8.6\b 0.9 84.163.5\b20.6\b2.0614.0 27.3\b 4.9 76.7\b7.4\b 0.53
Braet 2006[22]Uni.G. GhentB12212.7 10.0 32.8 24.1 \b8.7\b 0.9 84.562.2\b22.3\b2.2326.0 29.7\b3.1 84.50.00.00
Dao 2004[23]GHPS ParisF5513.9 7.2 38.4 27.2 \b11.2\b1.6 98.974.9\b24.0\b3.33
Deforche 2003[24]Uni.G. GhentB2015.4 7.6 34.8 26.3 \b8.5\b1.1 98.075.0\b23.0\b3.03
Drouve 1994[25]AKD DavosCH3211.5 1.3 28.0 24.9 \b3.1\b2.4 62.556.4\b 6.1\b 4.7419.5 26.5\b1.5 65.32.80.14
Egmond\bFröhlich 2006[36]Multizenter D52113.3 1.5 \b 0.32 12.0\b 0.20
Gately 2000[31]C.P. Massa.USA10213.6 2.0 32.7 28.3 \b 4.4\b2.2 83.572.3\b11.2\b5.6010.7 30.1\b2.6 82.2\b1.3\b 0.12
Gately 2005[27]L.M.Uni. LeedsUK18513.9 1.0 33.5 31.2 \b2.3\b2.4 89.683.6\b 6.0\b 6.21
Knöpfli 2008[26]AKD DavosCH13013.8 2.0 33.4 28.6 \b 4.8\b2.4 89.476.4\b13.0\b 6.50
Knöpfli 2011[19]AKD DavosCH10014.0 2.0 34.3 28.8 \b5.5\b2.8 92.378.5\b13.8\b 6.9112.0 29.0\b5.3 82.7\b9.6\b 0.80
Reinehr Kontrollen 2006
[28]Obeldicks DattelnD119
65 13.0
13.0 1.5
28,9 25.8 \b3.1\b2.1\b 0.43
12.029.91.80.10
Reploh 2007[32]MOPS GaissachD9612.0 1.5 29.7 26.5 \b3.2\b2.1\b 0.46 25.029.7 \b 0.30
Stachow 2004[35]K.Reha SyltD64213.5 1.5 27.8 26.5 \b1.3\b 0.9 73.570.1\b3.4\b2.2743.0 28.1 \b 0.3083.2
Wabitsch 1994[29]K.Reha MurnauD11615.2 1.5 31.3 28.1 \b3.2\b2.1 86.778.2\b8.5\b5.67
Walker Kontrollen 2003
[30]L.M.Uni. LeedsUK57
38 13.1
14.3 1.0
1.0 32.6
20.3 30.5
20.7 \b2.1
0.4\b2.1
0.4\b 0.28
0.11 88.4
55.8 82.9
56.9\b5.5
1.1\b5.50
1.10
Probanden Summe
Mittelwert 3173
187
13.3 3.2 32.3 27.2 \b 4.8\b1.8\b0.36 85.9 72.8\b13.1\b 4.517.7 28.6\b3.1\b0.3079.1 \b3.3\b0.4
Kontrollen Summe
Mittelwert 178
59 13.1 1.0 20.3 20.7 0.40.40.11 55.8 56.91.11.19.0 29.91.00.07 3.70.8
8
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hinsichtlich Lebensmitteleinkauf und \ban\b
gebot ein besonderes Augenmerk zu legen
ist. An eine stationäre Behandlung muss
daher eine ambulante angeschlossen wer\b
den bzw. die stationäre Behandlung in eine
ambulante Behandlung integrier t wer \b
den
37), 38) , damit die Alltagsschwierigkeiten
und Rückfälle unter Einbindung der Familie
besser berücksichtigt bzw. aufgefangen
werden können
14).
Die stationären multiprofessionellen The \b
rapieprogramme für adipöse Kinder und
Jugendliche wurden bisher in der Schweiz
nur in der Alpinen Kinderklinik in Davos
evaluier t
19), 26) . Die Resultate stimmen mit
dem internationalen Vergleich gut überein
(Tabelle 1) . Stationäre Behandlungspro \b
gramme sind für ältere Kinder und Jugend \b
liche geeignet; im mittleren Alter von 13.5
Jahren betrug der durchschnittliche BMI
bei stationärer Aufnahme 32.3 kg/m
2, was
einer morbiden Adipositas bz w. Grad IV
bei Er wachsenen entspricht (Tabelle 1). Im
stationären Programm der Schweiz lag die
Abnahme des BMI und der relativen Fett \b
masse nach Austritt weit über den Er fol \b
gen der ambulanten Therapieprogram \b
men
26) und auch nach 1 Jahr zeigte sich
eine andauernde, klinisch relevante Ver \b
besserung des BMI und der Körperzusam \b
mensetzung (Tabelle 1)
19). Dies wurde auch
in internationalen Studien wie der APV\b
Erhebung http://w w w.a \b p \bv.de/ (Abbil –
dung 1)
12) und der deutschen BzGA\bStudie
bestätigt13).
Als wichtigster Befund der somatisch aus \b
gerichteten stationären Programme ist die
deutliche und klinisch relevante Zunahme
der Leistungsfähigkeit zu wer ten: Der ma \b
ximale Sauerstof f verbrauch unter Belas \b
tung lag vor Therapie im Bereich der Inva \b
lidität (25.5ml/min*kg: 52%
26) resp.
54.3% 19) der Norm) und wurde unter Thera \b
pie monatlich um 3ml/min*kg so weit ge \b
steiger t, dass eine annähernd normale
kör perliche Belastbarkeit resultier te
(70.0%
26) resp. 71.8% 19) der Norm). Diese
kurative Wirkung auf die Belastbarkeit
bildet die Voraussetzung für regelmässige
körperliche Aktivität im Alltagsleben und
ermöglicht den zuvor dekonditionier ten
extrem adipösen Jugendlichen eine soziale
Reintegration sowie eine Teilnahme an
Sportprogrammen zur Bewahrung der sta \b
tionär erreichten körperlichen Fitness
(69.1%
19) der Norm). Sie wirkt sich positiv
fend von entscheidender Bedeutung. Dabei
ist die Indikation zur standardisierten stati \b
onären Therapie im Kontext eines langfris \b
tigen Behandlungsplans inklusive eines
konsequenten ambulanten Nachbehand \b
lungsplans zu sehen.
1. Na\bhweis von Wirksamkeit
und Si\bherheit der stationären
multiprofessionellen Adipositas-
Therapie bei Kindern und
Jugendli\bhen
Dass Therapieprogramme für adipöse und
übergewichtige Kinder und Jugendliche
notwendig und indiziert sind, wird durch
aktuelle Metaanalysen belegt
15), 16) . Die sta \b
tionären Therapieprogramme werden vor\b
wiegend in Europa angeboten und in Meta \b
analysen kaum berücksichtig t, daher
behandelt die folgende Übersicht die Be \b
sonderheiten, die Wirksamkeit sowie den
Stellenwert stationärer Therapieprogram \b
me für adipöse Kinder und Jugendliche ba \b
sierend auf der verfügbaren Literatur.
Alle stationären Therapieprogramme (Ta-
belle 1) wurden mit einem pädiatrisch aus \b
gebildeten, multiprofessionellen Team
durchgeführt, zur intensiven Schulung von
körperlicher Aktivität, Ernährung und Ver\b
halten. Sie zielen auf eine nachhaltige Än \b
derung der Lebensgewohnheiten ab.
Die Programme können in lang dauernde
(über 2–10 Monate) und relativ kurz dauern \b
de (bis 2 Monate) unterteilt werden. Diese
stationären Kurzprogramme haben den
Sinn, die körperlichen und psychischen
Voraussetzungen zu schaffen, um für die
folgende ambulante Phase der Adipositas \b
behandlung eine bessere Ausgangssituati \b
on zu ermöglichen.
Die meisten Erfahrungen mit verhaltensthe \b
rapeutisch ausgerichteten Therapiepro \b
grammen liegen für eine stationäre Be \b
handlungsdauer von 6–8 Wochen vor
14):
Dieser Zeitraum erscheint adäquat für eine
nachhaltige Therapiewirkung und so auch
kosteneffektiv. In umliegenden Ländern,
z. B. Deutschland, werden daher derartige
stationäre Therapien einschliesslich Quali \b
tätskontrollen von den Versicherungsträ \b
gern übernommen ( http://www.a\bg\ba.de/
kosten.pdf ,
17), 18) ).
Der Gewichtsverlust in der Zeitspanne ei \b
ner stationären Therapie erfolgt im Ver\b
gleich zu ambulanten Konzepten schneller; dies kann zu einer Motivationssteigerung
führen
14),
19), 20) . Mit einem stationären kogni \b
tiv\bverhaltensorientierten Ansatz bei Kin \b
dern konnten über Verhaltensänderungen
die somatischen und psychischen Konse \b
quenzen der Adipositas sowie das Gewicht
langzeitlich reduziert und die Lebensquali \b
tät gesteigert werden
21). So zeigten (Tabelle
1) stationäre Therapien signifikante Ge \b
wichtsabnahmen sowie Verbesserungen
des Lipidprofils, der Fitness und des psy \b
chologischen Status (z. B. Selbstwertge\b
fühl)
17)–30) .
Einige Studien
27), 31) (Tabelle 1) zeigen, dass
während der Schulferien durch intensives
Training und einen umfassenden multipro \b
fessionellen Ansatz, auch ohne Präsenz der
Eltern oder spezifische psy
chologische The\b
rapie ein nachhaltiger Therapieerfolg erzielt
werden kann. Stationär wurden in Simulati \b
on des häuslichen Alltags «gesunde» Verhal \b
tensmuster eingeübt, damit sie dauerhaft
verinnerlicht und auch nach Beendigung der
stationären Inter vention im heimischen
Umfeld angewandt werden. Unabdingbare
Voraussetzung für die Nachhaltigkeit des
Thera pieerfolges, der überwiegend länger \b
fristig (6 Monate bis 4,6 Jahre) aufrechter \b
halten werden konnte
19), 21), 31) , ist die
Kombination der stationären Therapie mit
einer mehrjährigen multiprofessionellen
strukturierten Weiterbehandlung
19), 21), 26), 32)–
34)
. Entscheidend für die Langzeit\bWirksam \b
keit ist die Art der ambulanten Nachsorge
nach stationärer Therapie
35). Eine ambulan \b
te Nachsorge allein durch monatliche Bera \b
tungsgespräche bei Hausärzten, die durch
einen Beratungsleitfaden instruiert wur\b
den, konnte die längerfristige Effektivität
einer stationären Therapie nicht verbes \b
sern
36), d. h. ohne professionelle ambulante
Weiterbetreuung geht ein Teil des stationä \b
ren Therapieeffektes im weiteren Verlauf
verloren
36). Regelmässige Kontakte durch
das dem Patienten bekannte Behandlungs \b
team nach stationärer Therapie halfen, den
Behandlungserfolg aufrecht zu erhalten
25).
Eine kombinierte 6\bwöchige stationäre und
10.5\bmonatige ambulante Behandlung
17), 18)
führte nach 6 Monaten bei 85.8% aller Teil \b
nehmer zur Abnahme des BMI\bSDS
17), 18) ; es
wurde sogar ein guter Therapieerfolg (Ab \b
nahme des BMI\bSDS > \b 0.2) bei 65.5% nach
6 Monaten verzeichnet und bei 44.1% nach
einem Jahr (Tabelle 1)
17), 18) . Diese Studie
zeigt auch, dass insbesondere auf die prak \b
tische Schulung der Eltern bzw. Betreuer
9
Vol. 22 Nr. 4 2011 E m p f e h l u n g e n
Auch im Langzeitverlauf konnten die Leis\b
tungsfähigkeit und die Lebensqualität resp.
Selbsteinschätzung 6–26 Monate nach
Austritt aus der stationären Therapie auf
dem verbesserten Stand gehalten werden
(auf Lebensqualität 73% und Selbstein \b
schätzung 51% bzw. 2.7 Punkte)
19).
2. Indikationen zur stationären
multiprofessionellen Therapie
der Adipositas bei Kindern und
Jugendli\bhen
Die stationäre multiprofessionelle Adipo \b
sitastherapie ist im Kontext der übrigen
Therapiemassnahmen für adipöse Kinder
und Jugendliche zu sehen (Abb. 2
1), 2) ) . Als
intensivierte Form einer multiprofessionel \b
len Behandlung ist die stationäre multipro \b
fessionelle Therapie für eine restriktiv
ausgewählte Anzahl Kinder und Jugendli \b
chen vorzusehen, wenn mindestens eine
der folgenden Voraussetzungen er füllt ist:
a) Extreme Adipositas (BMI > 99.5 BMI \b
Perzentile
1)) und Vorliegen mindestens
einer der folgenden Krankheiten, de \b
ren Prognose sich durch das Überge \b
wicht verschlechtert oder die Folge der
Adipositas ist: Hyper tonie, Diabetes
mellitus Typ 2, gestör te Glukosetole \b
ranz, endokrine Störungen, Syndrom
der polyzystischen Ovarien, orthopädi \b
sche Erkrankungen, nicht alkoholbe \b
dingte Fettleberhepatitis, respiratori \b
sche Erkrankungen, Glomerulopathie
oder
b) Adipositas (BMI > 97. BMI\bPerzentile
1))
und Unmöglichkeit der Durchführung
einer ambulanten multiprofessionellen
Gruppentherapie, d. h. entweder fehlen \b
de regionale ambulante multiprofessio \b
nelle Gruppentherapieprogramme oder
Alterseinschlusskriterium für bestehen \b
de multiprofessionelle Gruppentherapie \b
programme nicht erfüllt; oder invalidisie \b
rende Reduktion der körperlichen
Leistungsfähigkeit, die eine Teilnahme
an ambulanten Programmen unmöglich
macht; oder Dringlichkeit für rasche
Gewichtabnahme präoperativ, sofern die
Adipositas einen negativen Einfluss auf
die postoperativen Ergebnisse hat; und
wenn mindestens eine der folgenden
Krankheiten, deren Prognose sich durch
das Übergewicht verschlechtert oder die
eine Folge der Adipositas ist, vorliegt:
Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2,
gestörte Glukosetoleranz, endokrine
auf Ihre schulische und berufliche Ent
\b
wicklung aus
39)–43) . Analog dazu wurde in
den schweizerischen Untersuchungen wie
in den internationalen
18)–20), 22), 26), 27) eine
deutliche und signifikante Verbesserung
der Lebensqualität bz w. Selbsteinschät \bzung erzielt von 56 auf 67% der Norm bz w.
2.4 auf 2.7 Punkte oder 23.6 auf 41.3% der
Norm, was die günstige Wirkung der stati
\b
onären Programme auch auf die psychi \b
schen Voraussetzungen für einen nachhal \b
tigen Therapieer folg unterstreicht
19), 26) .
Abbildung 1: BMI\bReduktion nach 1 Jahr in Deutsch\bSchweizer\bÖsterreichischen Adipositas–
zentren mit ambulanten und stationären Therapieprogrammen, APV\bErhebung
http://www.a\bp \bv.de
Erfolge der Adipositastherapie 2010 – APV\bStudie
Vergleich: Reduktion BMI\bSDS im Verlauf (Patienten mit mind. 1 Jahr Beobachtungsdauer) rot: ambulante Therapie, blau: stationäre Therapie/Reha, grau: AGA\bzertifiziert
Behandlungszentren (Median = \b0.2)
Korrigier t für Einflussfaktoren: Alter bei Erst vorstellung, Geschlecht,
Ausgangs \b BMI
Abbildung 2: Behandlungspyramide. Therapieoptionen für übergewichtige und adipöse
Kinder und Jugendliche in der Schweiz (mit Erstattung durch Kostenträger in Grün, andere
in Grau)
Bariatrische Chirurgie
Stationäre
Programme
Multiprofessionelle
ambulante Programme:
Gruppenprogramme
Individualprogramme & Module
Nicht evaluierte Interventionen im Rahmen der
Verhaltens\b & Verhältnisprävention
Interventionspyramide
für adipöse bzw. übergewichtige Kinder
Behandlungs\b und Kostenintensität
Therapie
Strukturierte
Adipositas\b
prävention
Gesundheits\b
förderung Adipositas
Übergewicht
Plus Krankheit/
Risikofaktor
Übergewicht
10
Vol. 22 Nr. 4 2011 E m p f e h l u n g e n
damit klinische Verbesserung des Ge\b
sundheitszustandes
2. Erreichen einer Abnahme von BMI,
Taillen umfang oder Fettmasse
3. Initialisierung einer langfristigen Verbes \b
serung des Gesundheitsverhaltens
4. Einsicht in die Ursachen des eigenen
Übergewichts (Lebensbedingungen,
persönliches Verhalten und familiäre
Situation)
5. Förderung der körperlichen Aktivität und
Körperwahrnehmung, Verbesserung der
körperlichen Belastbarkeit auf einem
Niveau, das normale Alltagsaktivität zu \b
lässt, sowie Reduktion passiver Beschäf \b
tigung (Fernsehen, Computerspiele usw.)
6. Nachhaltige Verbesserung von Ernäh \b
rungsgewohnheiten und Essverhalten in
der Familie (Nahrungsmittelauswahl, Zu \b
bereitung, Mahlzeitenrhythmus, Essstil)
7. Förderung des Selbstwertgefühls und der
Konfliktfähigkeit
8. Förderung der Erziehungskompetenz der
Eltern
5. Anforderungskriterien für
multiprofessionelle stationäre
Therapieprogramme für adipöse
Kinder und Jugendli\bhe (Quali –
tätsmanagement)
Stationäre Programme müssen konzeptio \b
nell und personell gleichermassen multi \b
professionell aufgebaut sein wie ambulante
multiprofessionelle Programme, wobei der
Schwerpunkt auf dem Erwerb praktischer
Fähigkeiten innerhalb eines strukturierten
Rahmens liegt.
Die Qualität wird in Anlehnung an die be \b
reits existierende Qualitätssicherung für
die ambulante multiprofessionelle Grup \b
pentherapie
2), 44), 45) sichergestellt, indem
die Zentren durch die gemeinsame Kom \b
mission der Schweizerischen Gesellschaft
für Pädiatrie (SGP, Arbeitsgruppe Adiposi \b
tas) und des Schweizerischen Fachver \b
bands Adipositas im Kindes\b und Jugendal \b
ter zertifiziert und akkreditiert werden.
A\b und B \bKinderkliniken werden unter Ein \b
haltung der unten genannten Qualitätsstan \b
dards anerkannt. Andere Kinderkliniken
reichen einen Antrag bei der SGP ein. Die 6
bis 8 Wochen dauernde stationäre Therapie
ist im Rahmen des DRG zu vergüten. Dass
dieser Einbezug der Qualitätskontrolle in
die Pauschalfinanzierung von kombiniert
stationären und ambulanten Therapiepro \b
Störungen, Syndrom der polyzystischen
Ovarien, orthopädische Erkrankungen,
nicht alkoholbedingte Fett
leberhepatitis,
respiratorische Erkrankungen, Glomeru \b
lopathie oder
c) abgeschlossene ambulante multipro \b
fessionelle Gruppentherapie der Adipo \b
sitas in einem zertifizierten multidiszip \b
linären Gruppentherapieprogramm mit
ungenügendem Erfolg, definiert als per \b
sistierende extreme Adipositas (BMI
> 99.5 BMI\bPerzentile) oder Adipositas
mit persistierender Komorbidität ge \b
mäss Auflistung unter Absatz b.
Komplexe Essstörungen (ICD \b10 F50.2/
3/4/9) mit Adipositas sind andere Krank \b
heitsensitäten und stellen spezifische An \b
forderungen an einen stationären Therapie \b
prozess in einer psychosomatischen/
psychotherapeutischen Institution. Sie wer \b
den hier nicht weiter behandelt. In Einzel \b
fällen schliesst das Vorliegen einer komple \b
xen Essstörung die stationäre Therapie
nicht aus. Jedoch ersetzt das Adipositas\b
therapieprogramm die Behandlung der
komplexen Essstörungen nicht, so dass
unter diesen Umständen zusätzlich adäqua \b
te Massnahmen zur Behandlung der Essstö \b
rung Voraussetzung sind.
3. Voraussetzungen seitens
des Patienten zur Teilnahme
an Therapieprogrammen
Die stationäre multiprofessionelle Therapie
der Adipositas wird nur bei einer kleinen
Gruppe von Kindern und jugendlichen Pati \b
enten zur Anwendung kommen, welche die
unter 2. genannten Indikationen aufweisen
müssen. Angesichts der geringen Fallzah \b
len und der hochspezifischen Vorausset \b
zungen für die stationären Behandlungspro \b
gramme ist eine Zentrierung des Angebotes
notwendig was u. U. eine wohnortferne
Behandlung bedingt. Diese ist unter der
Voraussetzung zulässig, dass die Eltern
auch während der stationären Behandlung
ihres Kindes aktiv in die Behandlung einge \b
bunden werden können, z. B. durch wö \b
chentliche Schulungen.
Ferner müssen die gemäss Leitlinien
1) und
im Abschnitt 5, Ergebnisqualität, genann \b
ten medizinischen und psychologischen
Voruntersuchungen vorliegen. Insbesonde \b
re muss ein Vorgespräch erfolgt sein, um
psychosoziale Therapiehemmnisse bzw. psychiatrische Erkrankungen oder psycho
\b
soziale Belastungen zu erkennen und vor\b
gängig zusätzliche Massnahmen treffen zu
können.
Da die stationäre multiprofessionelle The \b
rapie eine nachhaltige Umstellung der Le \b
bensgewohnheiten anstrebt, ist eine gute
Kooperation des Patienten und dessen El \b
tern bzw. der Erziehungsbevollmächtigten
eine zwingende Voraussetzung für eine
stationäre Therapie.
Für eine stationäre multiprofessionelle The \b
rapie müssen Patienten sowie Eltern oder
Erziehungsbevollmächtigte folgende Vor\b
aussetzungen erfüllen:
a) Schriftliche Willenserklärung zur akti \b
ven Teilnahme an allen Behandlungs \b
bestandteilen sowie zur Lebensstilum \b
stellung
b) Einhaltung der vor Therapiebeginn fest \b
gelegten Programmdauer
c) Teilnahme an den Therapien unter Ein \b
haltung des Stundenplans
d) Einhalten der Hausordnung sowie der
Stationsregeln
e) Einhalten von Rauch\b und Alkoholver\b
bot; für bisherige Raucher Bereitschaft
zur Teilnahme am Rauchentwöhnungs \b
programm
f) Einhalten der Vereinbarungen und Ver\b
pflichtung zur obligaten ambulanten
Nachbehandlung im Sinne der multipro \b
fessionellen Programme im ambulanten
Gruppen\b und Einzelsetting
2)
g) Die ambulante multiprofessionelle
Nachsorge ist bereits vor der stationä \b
ren Aufnahme organisiert und von den
Eltern/Erziehungsbevollmächtigten als
integraler Bestandteil der Intervention
akzeptiert
h) Die Kostengutsprache für die stationäre
Behandlung und die ambulante multi \b
professionelle Nachsorge liegen vor
4. Ziele der stationären Therapie
Grundsätzlich gelten dieselben Therapiezie \b
le für die stationäre wie für die ambulante
multiprofessionelle Adipositasbehandlung
2),
jedoch unter intensivierten Therapiebedin \b
gungen. Der Fokus liegt stationär auf dem
intensiven praktischen Einüben von neuen
Verhaltensmustern mit dem Ziel der nach \b
haltigen Veränderung des Lebensstils:
1. Verbesserung von Adipositas\bassoziier\b
ter Komorbidität und Risikofaktoren, und
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Folgende Voraussetzungen müssen von
den Anbietern erfüllt sein:
Strukturqualität
Folgende Angebote bz w. Einrichtungen
müssen vorhanden sein:
• Ärztlich geleitetes multiprofessionelles
Team bestehend aus Fachpersonen fol \b
gender Professionen: Pädiatrie, Kinder\b
und Jugendpsychiatrie bzw. \bpsychologie,
E r n ä h r u n g s b e r a t u n g /–W i s s e n s c h a f t
bzw. Diätetik, Physiotherapie bzw. Sport \b
therapie; Pädagogik, Pflegefachbereich
sowie ergänzende Professionen wie z. B.
Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Psycho \b
motorik, Ergotherapie, Kreativtherapie
• Möglichkeit der umfassenden Diagnostik
bzw. Behandlung von Komorbiditäten
(z. B. Laboratorien, Pneumologie, Ortho \b
pädie)
• Infrastruktur zur Durchführung des mul \b
tiprofessionellen Behandlungsangebots
(z. B. Räumlichkeiten, Ausstattung und
Möglichkeit für Outdoor\bAktivitäten)
• Einbezug von Einrichtungen der ambulan \b
ten Nachsorge (multiprofessionelle Grup \b
pen\b bzw. Einzelprogramme
2)
• Weitere Anforderungen gemäss Check \b
liste, Paragraph 7 des Zertifizierungsreg \b
lements
45) müssen erfüllt sein
Prozessqualität
Die Voraussetzungen und der Schulungs \b
prozess zum Erreichen der Zwischenziele
werden wie folgt in einem Therapiemanual
beschrieben:
• Einschlusskriterien gemäss der unter Ka \b
pitel 2 aufgeführten Indikationsstellungen
• Vor Programmbeginn überprüfte Motiva \b
tion der Kinder/Jugendlichen und Eltern
bzw. Erziehungsbevollmächtigten
• Therapiedauer stationär 6–8 Wochen
• Aufstellen eines wöchentlichen Stunden \b
plans nach Mass, zum Gewährleisten ei \b
nes strukturierten Tagesablaufs sowie
der intensiven Zusammenarbeit z wi \b
schen Kind, Behandlungsteam und ein \b
mal pro Woche mit den Eltern oder Erzie \b
hungsbevollmächtigten
• Standardisierte Schulung basierend auf
folgenden 4 Bausteinen:
1. Ernährungsumstellung (quantitativ
und qualitativ);
2. Förderung der körperlichen Aktivitä \b
ten (quantitativ und qualitativ); Reduk \b
tion von passivem Unterhaltungskon \b
sum (z. B. T V, Computer\b Games,
Internet\b Chatten);
3. Modifikation Krankheits\bspezifischer
Verhaltensmuster: Vermitteln und
Üben von Coping\bStrategien zur Ver\b
hinderung von problematischem Ess \b
verhalten; Vermitteln und Üben von
Entspannungstechniken; Vermittlung
und Üben von sozialen Kompetenzen;
4. Planung des Alltags nach der stationä \b
ren Behandlung und Sicherstellung
der ambulanten multiprofessionellen
Nachsorge im Sinne von multiprofes \b
sionellen Einzelprogrammen oder
Gruppenprogrammen
2).
• Wissensvermittlung für Patienten und
Eltern
• Bereitschaft zur Teilnahme an einer von
den involvierten Fachgesellschaften er\b
arbeiteten Evaluation der Therapieresul \b
tate und Qualitätskontrolle
Ergebnisqualität
Bis 36 Monate nach dem Austritt nimmt das
stationäre Behandlungszentrum oder die
ambulante Therapiestelle Nachuntersu \b
chungen zur Qualitätskontrolle vor, misst
den erreichten Therapieerfolg und emp \b
fiehlt die für den Patienten zu optimieren \b
den Prozesse. Die Verantwortung für die
Durchführung der Nachuntersuchungen
liegt beim stationären Therapiezentrum,
eine Delegation ist möglich.
1. Untersuchungsparameter
Die in den Schweizer Leitlinien, Tabelle
6.1–3 genannten Parameter müssen zu den
unten genannten Zeitpunkten sinngemäss
untersucht bzw. geprüft und dokumentiert
werden
1).
2. Untersuchungszeitpunkte
a. Vor und am Ende der stationären Therapie.
b. 6, 12, 24 und 36 Monate nach Ende der
stationären Therapie.
3. Art der Dokumentation
Zentral mittels gekürzter Erhebungsinstru \b
mente wie in der nationalen pädiatrischen
Adipositasevaluationsstudie KIDSSTEP
Obesity
8).
4. Die Finanzierung
der Nachuntersuchungen zur Qualitätskon \b
trolle einschliesslich der Krankheitsnach \b
betreuung wird ausserhalb der Pauschale
gemäss TARMED von den Krankenversiche \b
rern übernommen.
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Korrespondenzadressen
Prof. Dr. med. Dagmar l’Allemand\bJander
Pädiatrische Endokrinologie/Diabetologie
Ostschweizer Kinderspital
Claudiusstr. 6
CH\b9006 St. Gallen
dagmar.lallemand@kispisg.ch
Dr. med. Bruno Knöpfli\bBalmer
FMH Pädiatrie, Pneumologie & Sportmedizin
Scalettastrasse 3
CH\b7270 Davos
bruno.knoepfli@bluewin.ch
Albisriederplatz 10
CH\b8004 Zürich
bruno.knoepfli@k\bj\bm.ch
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
PD Dr. med. Dagmar l’Allemand , Pädiatrische Endokrinologie & Diabetologie Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen dagmar.lallemand@kispisg.ch Bruno H. Knöpfli , FMH Pädiatrie Pneumologie und Sportmedizin Andreas Nydegger