Infantile Hämangiome (IH) stellen mit einer Prävalenz von ca. 4–5 % (bei Frühgeborenen bis 14 %) nicht nur die häufigsten Gefässtumore, sondern die häufigsten Tumore des Säuglingsalters überhaupt dar1), 2). Die Kenntnis des charakteristischen Wachstumsverhaltens infantiler Hämangiome und möglicher Abweichungen ist für die Beratung der Eltern, die Planung klinischer Kontrollen und eine zeitgerechte Therapieeinleitung von zentraler Bedeutung. IH sind bei Geburt nicht- oder nur als Vorläuferläsionen («Precursor lesions») sichtbar, zeigen ihr schnellstes Wachstum in der frühen Proliferationsphase, besonders zwischen der fünften und achten Lebenswoche, und erreichen bereits im Alter von 3 Monaten 80 % ihrer endgültigen Grösse.
11
Einleitung
Infantile Hämangiome (IH) stellen mit einer
Prävalenz von ca. 4–5
% (b
ei Frühgeborenen
bis 14
%) n
icht nur die häufigsten Gefässtumo –
re, sondern die häufigsten Tumore des Säug –
lingsalters überhaupt dar
1) , 2) .
Die Kenntnis des charakteristischen Wachs –
tumsverhaltens infantiler Hämangiome und
möglicher Abweichungen ist für die \beratung
der Eltern, die Planung klinischer Kontrollen
und eine zeitgerechte Therapieeinleitung von
zentr aler \b e deutung. IH sind b ei G ebur t nicht-
oder nur als Vorläuferläsionen («Precursor
lesions») sichtbar, zeigen ihr schnellstes
Wachstum in der frühen Proliferationsphase,
besonders zwischen der fünften und achten
Lebenswoche, und erreichen bereits im Alter
von 3 Monaten 80
% ih
rer endgültigen Grösse. Die bis zum Alter von 6–9 Monaten anhalten
–
de P rolifer ationsphase w ir d von einer Plateau –
phase und ca. ab dem 2. Lebensjahr von der
über mehrere Jahre dauernden spontanen
Regressionsphase abgelöst
3).
Trotz der hohen Inzidenz infantiler Häman
–
giom
e benötigt die Mehrzahl, angesichts des
selbstlimitierenden Verlaufs, keine Therapie
und bildet sich komplett oder nur mit geringen
Residualbefunden zurück. Tabelle 1 fasst die
wichtigsten Eckdaten des heutigen Verständ –
nisses infantiler Hämangiome zusammen.
\bei ca. 10
% de
r IH ist jedoch Vorsicht geboten:
1.
Häm
angiome mit \beeinträchtigung vitaler
Funktionen (drohende Obstruktion, Herzin –
suffizienz durch grosses Shunt Volumen);
2.
IH
mit vorhandener oder drohender Ulzera –
tion;
3.
IH
mit absehbarer bleibender Entstellung
3).
Die Therapieindikation dieser Hämangiome
steht ausser Frage. Die mittlerweile in zwei randomisiert-kont
–
rol
lierten Studien nachgewiesene, ausge
–
zeichnete Wirkung und Verträglichkeit der
systemischen Propranololtherapie, führt ins
–
be sonde
re bei der Frage nach möglichen
kos
met
ischen \beeinträchtigungen zu einer
Ausdehnung der Therapieindikation
4) , 5) . Die
Ent scheidung f ür bz w. gegen eine \b ehandlung
wird somit zunehmend komplexer und bedarf
grosser Erfahrung des jeweils betreuenden
Arztes.
Propranolol revolutioniert die
Therapie infantiler Hämangiome
Die am 8. Juni 2008 im New England Journal
of Medicine (NEJM) publizierte, bahnbrechen –
de Zufallsentdeckung der aussergewöhnli –
chen W ir ksamkeit von P ropr anolol auf prolife –
rierende infantile Hämangiome leitete eine
ganz neue Ära der Hämangiomtherapie ein
6).
Zuvor war der seit über 50 Jahren bekannte,
nicht selektive \betablocker Propranolol bei
Kindern v.
a.
in der pädiatrischen Kardiologie
zur \behandlung supraventrikulärer Tachykar –
dien, hypertropher Kardiomyopathie u.
a.
in
A nwendung. In üb er 50 0 Fallb er ichten/Fallse –
rien, zwei randomisiert-kontrollierten Studien,
sowie einer Metaanalyse mit über 1000 be-
richteten Fällen wurde ein exzellentes Thera –
pieansprechen infantiler Hämangiome auf
Propranolol in 96–98
% de
r Patienten bei nur
geringen und meist transienten Nebenwirkun –
gen belegt
4 ) , 7 ) –9 ) . Somit avancierte Propranolol
in kürzester Zeit zur «first-line» Therapie
komplexer infantiler Hämangiome. Ein weite-
Schweizer Richtlinien zur Propranolol-
Therapie infantiler Hämangiome
Alexandra Smith a), Martin Theiler a) , b) , Dagmar Klima Lange c), Valérie Hauser d), Regula Angst e),
Michael Seeger f), Peter Esslinger f), Dietmar Cholewa g), Enrico \brönnimann h), Stéphanie
Christen-Zaech i), Anthony S. de \buys Roessingh j), Kathrin Neuhaus k), Clemens Schiestl k),
Anne-Marie Calza l), Giorgio La Scala m) und Lisa Weibel a) , b)
Im Namen der \bwiss Grand Round for Vascular Anomalies in Childhood (\bGVAC)
a) Abteilung für Pädiatrische Dermatologie, Universi –
tä ts – Kinderspital Zürich, Steinwiesstrasse 75, CH –
8032 Zürich
b)
Derma
tologische Klinik, Universitätsspital Zürich,
Gloriastrasse 31, CH -8091 Zürich
c)
Kind
erchirurgische Klinik, Ostschweizer Kinderspi –
tal, Claudiusstrasse 6, CH -9006 St. Gallen
d)
Pädi
atrische Dermatologie, Ostschweizer Kinder –
spital, Claudiusstrasse 6, CH -9006 St. Gallen
e)
Kin
derklinik, Kantonsspital Aarau, Tellstrasse, CH-
5001 Aarau
f)
Kin
derchirurgische Klinik, Luzerner Kantonsspital,
Kinderspital, CH – 6000 Luzern 16
g)
Klin
ik für Kinderchirurgie, INSELSPITAL, Universi –
tätspital Bern, Freiburgstrasse, CH 3010 Bern
h)
Abt
eilung für Kinderchirurgie, Universitäts-Kinder –
spital beider Basel UKBB, Spitalstrasse 33, CH –
4056 Basel
i)
Servi
ce de Dermatologie Pédiatrique, Centre Hos –
pitalier, Universitaire Vaudois, CH-1011 Lausanne
j)
Ser
vice de chirurgie pédiatrique, Centre Hospitalier
Universitaire Vaudois (CHUV), CH-1011 Lausanne
k)
Zen
trum für brandverletzte Kinder, Plastische und
Rekonstruktive Chirurgie, Universitäts-Kinderspi –
tal, Steinwiesstrasse 75, CH -8032 Zürich
l)
Servi
ce de Dermatologie et vénéréologie, Hôpi –
teaux Universitaires Genève, Rue Gabrielle-Perret-
Gentil 4, CH -1205 Genève
m)
Cen
tre Universitaire Romand de Chirurgie Pédiat –
rique, Hôpital des Enfants, HUG, 6, rue Willy Donzé,
CH -1211 Genève 14
Steckbrief infantiles Hämangiom
1. Inzidenz: 4 –5 % al ler Neugeborenen 1), 2)
2. Bekannte Risikofaktoren: Mäd chen, Frühgeborene, Mehrlingsschwangerschaften,
Stör ung der uteroplazentaren Einheit, Kaukasier, Alter der Mutter u. a.2), 18)
3. Pathogenese: B isher nicht bekannt. Verschiede Theorien 19), u. a.: a) Somat
ische Mutation der Hämangiomstammzellen
b) Hyp
oxie in der Zellproliferation
c) Plaz
entatheorie
4.
Hist
ologie: GLUT 1 positiv
5.
Char
akteristisches Wachstumsverhalten: grösster Wachstumspeak zwischen der
5. un
d 8. Lebenswoche
15)
6. Einteilung 20) :
a) nach W
achstum: oberflächlich, tief (siehe Abb. 5) , gemischt, «minimal growth»
b) nac
h Ausdehnung: Fokal, segmental, multifokal
7.
Therap
ie:
a) Kom
plexe IH, «first-line» Therapie: Propranolol
b) Ober
flächliche, eher kleine IH: Ggf. topische Betablocker bei engmaschiger Reevaluation
c) Stör
ende Residuen im Verlauf: Chirurgische Intervention und/oder Farbstofflaser
Tabelle 1: Steckbrief infantiles Hämangiom
Lieb Ko lgb K Knud
Lieb Kolgn g
12
Abbildung 1: Algorithmus: Systemische Propranololtherapie bei komplexen infantilen Hämangiomen
Algorithmus: Systemische Propranololtherapie beim komplexen in\bantilen Hämangiom
fiβfl
fiβfl
13
ungen. In der bereits zitierten, doppel bli nd
randomisiert kontrollierten, internationalen
multizentrischen Phase II/III Studie (D\bCT)
von Léauté – L abr èze et al., er hielten 456 Säug –
linge im A lter von 5 Wo chen bis 5 Monaten mit
therapiebedürftigen Hämangiomen Placebo,
oder eines der vier \behandlungsregimes:
1 bzw. 3 mg/kg/KG/d Propranolol (Heman-
giol
®) über 3 bzw. 6 Monate mit je 2 Dosen
täglich im Abstand von 9 Stunden.
Dabei erwies sich eine Therapie mit 3 mg/
kg/KG/d und eine Therapiedauer von 6 Mo –
naten als überlegen
5). Die Nebenwirkungen
der Propranololtherapie sind in den meisten
Fällen mild und transient, so dass diese nur
in seltensten Fällen zum Abbruch der Thera –
pie f ühr ten. Zu den am häu figs ten und of t nur
während der Anfangsphase beobachteten
Symptome zählten u.
a.:
leichte Akrozyanose,
Diarrhoe sowie Schlafstörungen, Irritabilität,
rierende infantile Hämangiome ist weiterhin
nicht geklärt. Folgende drei ineinander greifen
–
de Mechanismen werden diskutiert
10 ) , 11) :
1.
Vas
okonstriktion (frühes «Abblassen» und
«Weicherwerden» der IH)
2.
Hem
mung der Angiogenese durch u.
a.
D
own
reg
ulation von VEGF- und bFGF- Ge-
nen (Wachstumsstopp)
3.
Apop
toseinduktion der Kapillarendothelzel –
len (Regression).
Therapieerfahrungen/
Sicherheit und Nebenwirkungen
Die innerhalb der letzten 7 Jahre rasant wach –
senden Daten zur Propranololtherapie infanti –
ler Hämangiome sowie die jahrzehntelange
Erfahrung von Kinderkardiologen mit Propra –
nolol in der \behandlung von Säuglingen, er –
möglichen uns heute eine evidenzbasierte
T her apie mit hohem Mas s an Sicher heit b ezüg –
lich Dosierung, Monitoring, und Nebenwirk
–
rer
Meilenstein stellt die 2015 im
European
Journal of Pediatrics veröffentlichte europäi –
sche Konsensusempfehlung zur Indikations –
stellung, Durchführung und Monitoring der
Propranololtherapie dar, die auch mehrheitlich
Grundlage dieser Schweizer Richtlinien bil –
det
8). Seit November 2014 ist Propranolol in
Sirupform (Hemangiol ®, Pierre Fabre) auch in
der Schweiz offiziell zur Therapie komplexer
infantiler Hämangiome von Seiten der Swiss –
medic zugelassen. Gestützt durch die Empfeh –
lung des \bundesamtes für Sozialversicherun –
gen (\bSV) von 2015, werden die Kosten der
\behandlung durch die Invalidenversicherung
(GGV-Ziffer 311) übernommen. Die Fachinfor –
mation des Arzneimittels basiert auf den Re –
sultaten der randomisiert-kontrollierten Mul –
tizenterstudie
5) und wird ebenfalls in unseren
Empfehlungen berücksichtigt. Dieser Artikel
illustriert anhand eines Flussdiagramms die
praktische Umsetzung der Therapieempfeh –
lungen unter besonderer \berücksichtigung der
Schweizer Gegebenheiten (Abbildung 1).
Wirkmechanismus
Propranolol eignet sich zur Therapie infantiler
Hämangiome (Immunhistochemie: GLUT 1 po
–
sit
iv) und zeigt keine überzeugende Wirkung
auf andere vaskuläre Anomalien (siehe Tab
–
elle
2), insbesondere nicht auf die GLUT 1 ne –
gativen kongenitalen Hämangiome, die sich
bereits bei Geburt in ihrer vollen Ausprägung
präsentieren und entweder eine rasche, parti –
elle oder ausbleibende Involution aufweisen
(«Rapidly-, Partiallly- or Non-Involuting Conge –
nital Hemangioma», RICH, PICH ; NICH). Der
Wirkmechanismus von Propranolol auf prolife –
IH mit möglichen assoziierten Fehlbildungen und Komplikationen
Charakteristika IH Mögliche AssoziationenDiagnostik
Segmentales Hämangiom > 5 cm PHACES- Syndrom?MRA (Kopf, Hals), Echo, vor Therapie!
Ophthalmologie, TSH
LUMBAR-Syndrom? Sono Abdomen + spinal, ggf. MRI/MRA Becken
und Abdomen, siehe Literatur
21)
Multiple IH (Anzahl > 5)Leb erhämangiome?Abdomensonographie, falls negativ ggf.
im Verlauf wiederholen, TSH
Grosse subkutane Hämangiome 1.
Diagn
osesicherung, DD?
2.
Kom
plikationen?
a) Ob
struktion?
b) Shu
nt Volumen?Duplexsonographie, ggf. MRI
Bei grossem Shunt Volumen, Echo TSH
Problematische Lokalisation:
A.
Au
genoberlid
B.
«Ba
rt» Region A.
Opt
ische Achse?
Glauk
om?
B.
«Ba
rt»: cave mögliches assoz. Hämangiom
der ob
eren Luftwege
22)
A. Ophthalmologie (dringend!!!)
B. bei S ymptomen Stridor etc. ORL
Tabelle 3: IH mit möglichen assoziierten Fehlbildungen und Komplikationen
Vaskuläre Anomalien: ISSVA Klassifikation
Vaskuläre Tumore Vas kuläre Malformationen
Benigne:
• Infantile
Hä
mangiome
(I
H)
• Kongenitale
Häm
angiome
(RICH
,
NICH, PICH
)
• Tufted
an
gioma
• Granuloma
py
ogenicum
Lokal-aggressive oder Borderline:
• Kaposiformes
Häman
gioendotheliom
Maligne Einfache:
• Kapilläre
Malf
ormation
• Lymphatische
Malf
ormation
• Venöse
Malf
ormation
• Arteriovenöse
Malf
ormation
Kombinierte
Assoziiert mit anderen Anomalien
Tabelle 2: Vaskuläre Anomalien: ISSVA-Klassifikation
Adaptiert, vereinfacht nach: Wassef, M. et al. Vascular Anomalies Classification: Recommendations from the
International Society for the Study of Vascular Anomalies, Pediatrics. 2015 Jul; 136(1): e203–14.
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTafT
14
Festlegung der jeweiligen Reevaluationsinter-
valle bewährt 10 ):
Alter in Monaten = Reevaluationsintervall in
Wochen
Therapieeinleitung:
Wo und durch welchen Arzt?
Die \behandlung sollte durch einen Arzt er fol –
gen, der sowohl in der \b eur teilung von vasku –
lären Anomalien als auch in der \behandlung
von Säuglingen er f ahr en ist . Aus ser dem sollte
die Therapie an einer Institution eingeleitet
werden, die akute Komplikationen bei Säug –
lingen adäquat behandeln kann
8). IH mit
möglichen assoziierten Fehlbildungen oder
Komplikationen, sowie Säuglinge mit \beglei-
ter kr ankungen, bz w. Fr ühgeb or ene, sollten an
einem Zentrumsspital interdisziplinär betreut
werden (siehe Tabelle 4) .
Diagnostik vor Therapie
Vor \beginn einer systemischen \betablocker –
therapie ist eine sorgfältige Evaluation des
Kindes obligat, um mögliche Kontraindika
–
tion
en frühzeitig erkennen zu können (Abbil-
dung 1) . Zeigen sich hierbei Auffälligkeiten
muss eine weitere pädiatrische bzw. kinder –
kar diologische A bklär ung er folgen. Die Dur ch –
führung eines EKGs vor Therapie ist nicht
rapie, sehen wir uns zunehmend mit einem
Patientenkollektiv im «Graubereich» konfron
–
tiert, d.
h. «
Hämangiome mit möglicher ästhe
–
tischer \beeinträchtigung», die einer kritischen
Abwägung bedürfen. Nicht nur die Indikati –
onsstellung, sondern auch die Abgrenzung
möglicher Differentialdiagnosen fordert vom
betreuenden Arzt eine detaillierte Kenntnis
vaskulärer Anomalien und frühkindlicher Tu –
more (u.
a.
Rhabdomyosakrom, Fibromyosar
–
kom, Myofibrom), siehe Tabelle 2 .
Kinder mit sogenannten segmentalen Häman –
giomen (Hämangiome vom Plaquetyp, Abbil-
dung 3) sollten frühzeitig bezüglich eines
PHACES Syndroms 1a ) bzw. eines LUM\bAR
Syndroms 1b ) untersucht werden, vor Einleitung
einer \betablockertherapie (Tabelle 3) 14 ).
\besteht die Indikation zu einer systemischen
\betablockertherapie, so sollte diese mög –
lichst früh, idealerweise zwischen der 4. und
10. Lebenswoche, begonnen werden. Wie
bereits erwähnt, findet das schnellste Hä –
mangiomwachstum in der frühen Proliferati –
onsphase z wischen 5. und 8. Woche statt
15 ).
Dadurch können bestmögliche Resultate
erzielt und irreversible Schäden wie Hauta –
trophie, Narbenbildung oder überschüssiges
\bindege
webe
vermieden werden (Abbildung
4) . Eine Zuweisung zur Therapieevaluation
sollte mit Dringlichkeitsvermerk möglichst
im Alter von 4 bis 5 Wochen erfolgen. Hier
stellt die Teledermatologie einen sehr wert –
vollen \beitrag dar, da sie eine zeitnahe \be
–
urt
eilung der \befunde ermöglicht und an
mehreren Schweizer Zentren verfügbar ist
15 ).
Eine Sensibilisierung der Geburtshelfer und
perinatal versorgender Kinderärzte ist von
grosser \bedeutung, da bis zu 65
% de
r IH
bereits in der ersten Lebenswoche als soge –
nannte Vorläuferläsionen imponieren (Abbil-
dung 5)
14 ).
Das Wachstum potentiell therapiebedürftiger
IH sollte sehr engmaschig kontrolliert werden.
Hierbei hat sich die «Högersche Regel» zur
und «\bronchitis»
5). Ein durchschnittliches
Absinken der Herzfrequenz um 7 bpm und
des systolischen \blutdrucks um 3 mm Hg
innerhalb der ersten Stunde nach Medika –
mentengabe wurde beobachtet
5). Symptoma –
tische Hypoglykämien, \bradykardien bzw.
Hypotonus und \bronchospasmus wurden
äusserst selten beobachtet
5). Dur ch eine sehr
sorgfältige Evaluation der Patienten im Vor –
feld, ein adäquates Therapie-Monitoring und
eine exakte Instruktion der Eltern wird das
Risiko dieser Ereignisse minimiert (Abbil-
d
ung 1
) .
Gegenstand fachlicher Diskussion und zukünf –
tiger prospektiver Studien ist die Frage, ob mit
Langzeitnebenwirkungen der behandelten Kin –
der zu rechnen ist, insbesondere Auswirkun –
gen auf Kognition und Verhalten. Dies basiert
auf den theoretischen Überlegungen zur Phar –
makokinetik dieser hoch-lipophilen Subs –
tanz
12 ). Labrèze et al. weisen diesbezüglich
explizit auf die Tatsache hin, dass in der Litera –
tur bisher kein einziger Fall mit diesen Auffäl –
ligkeiten bei Kindern beschrieben sei, obwohl
über die letzten 40 Jahre, Propranolol der am
häufigsten eingesetzte, und am besten doku –
mentierte \betablocker im Kindesalter ist
13 ).
Schweizer Richtlinien zur
Behandlung problematischer
Hämangiome mit Propranolol
Indikationsstellung und Wahl
des richtigen Zeitpunkts für den
Therapiebeginn
\bei ca. 10
% de
r Hämangiome besteht eine
eindeutige Indikation zu einer systemischen
\betablockertherapie (Abbildung 1)
8). Die the-
rapiebedürftigen Hämangiome können dabei
drei grossen \bereichen zugeordnet werden
3):
1.
IH m
it \beeinträchtigung vitaler Funktionen
(drohende Obstruktion z.
\b. d
er Sehachse,
Luftwege, Ohren, Herzinsuffizienz durch
grosses Shunt Volumen)
2.
IH mi
t Ulzerationsgefahr (Abbildung 2)
3.
IH mi
t bleibender Entstellung
Auf Grund der nun vorliegenden exzellenten
Datenlage zur systemischen Propranololthe –
1a) Posterior fossa malformation, Hemangioma of the
Fac
e/neck, Arterial anomalies, Coarctation of the
aorta and Cardiac defects, Eye abnormalities,
sternal defects.
1b)
Low
er body hemangioma, Urogenital anomalies,
Ulceration, Myelopathy, Bony deformities, Anorec –
tal malformations, artierial anomalies, Renal ano –
malies.
IH, Management im Zentrumsspital
• Multiple Hämangiome > 5 (ca ve Leberhämangiome)
• Ulzerierte
Häman
giome
• Potentiell
ob
struierende
Hä
mangiome
• Gr
osse
se
gmentale
Hä
mangiome
(> 5cm
)
Abk
lärung PHACES, LUMBAR Syndrom
• Kardiale
un
d/oder
pu
lmonale
Be
gleiter-
kr
ankungen
• Frühgeborene
bi
s
zu
m
er
rechneten
Te
rmin
• Grosse
Hä
mangiome
mi
t
po
tentiellem
Shu
nt Volumen (cave Herzinsuffizienz)
Tabelle 4: IH, Management im Zentrumsspital
Abbildung 2: Infantiles Hämangiom an der
Unterlippe mit beginnender Ulzeration
(Pfeil)
Abbildung 3: Grosses Hämangiom vom
Plaque
typ
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTafT
15
mehr zwingender \bestandteil der Diagnostik,
wird jedoch weiterhin an einigen Zentren
durchgeführt
8). Hämangiome die ein «Mehr»
an Diagnostik bedürfen sind in Tabelle 4 auf-
geführt und sollten nur in einem erfahrenen
Zentrum betreut werden.
Stationäre oder ambulante
Therapieeinleitung?
Die Entscheidung zur stationären oder ambu –
lanten Therapieeinleitung wird von Faktoren
abhängig gemacht, die eine Patientengruppe
mit potenziell erhöhten Komplikationen de
–
fini
eren (Hypoglykämien, Apnoen, kardiale
Ne
benw
irkungen) (Abbildung 1) . Der vom Her
–
stel
ler empfohlene Abstand von einer Woche
zwischen der Dosiserhöhung der Therapieein –
leitung ist im Klinikablauf nicht immer reali –
sier bar, so das s w ir einen Mindes t abs t and von
2–3 Tagen empfehlen.
Dosierung
Der Empfehlung der europäischen Experten –
g r upp e f ür eine Z ieldosis von 2–3 mg/k g KG/d
Propranolol schliessen wir uns an
8). Die klini –
sche Erfahrung und die meisten publizierten
Studien zeigen bei einer Dosis von 2 mg/kg
KG/d ein hervorragendes Ansprechen. Daher
empfehlen wir, höhere Dosen individuellen
Indikationen vorzubehalten (Notwendigkeit
eines dringlichen Ansprechens oder unge
–
nüg
ender Effekt unter 2 mg/kg KG/d) (Abbil-
dung 1) . Zwei anstatt der bisher meist verab –
reichten drei Einzeldosen pro Tag stellen für
die Familien eine bedeutende Erleichterung
im Alltag dar und sollten sofer n keine Kontra –
indikationen vorliegen, angestrebt werden
(Abbildung 1) . \b ei D osen üb er 2 mg/k g KG/d , kardialen \begleiterkrankungen und bei Früh
–
geborenen bis zum errechneten Geburts
–
termi
n, empfehlen wir jedoch weiterhin die
Tagesdosis in 3 Einzeldosen aufzuteilen. Ce –
rebrovaskuläre Anomalien sind die häufigsten
mit dem PHACES-Syndrom assoziierten ext-
rakutanen Fehlbildungen
14 ). Die mögliche Re –
duktion des cerebralen Perfusionsdrucks im
Rahmen einer \betablockertherapie birgt das
potentielle Risiko einer cerebralen Ischämie,
sodass bei diesen Patienten eine langsame,
individuell titrierte und engmaschig über –
wachte Therapieeinleitung an einem erfahr
–
ene
n Zentrum erfolgen muss.
Monitoring und Elterninformation
Die \bestimmung von \blutdruck und Herzfre –
quenz vor der ersten Propranololgabe, sowie
eine und zwei Stunden danach, stellt weiter –
hin den Goldstandard der Überwachung wäh –
rend der Therapieeinleitung dar. \bei ambulan –
tem Therapiestart kann der Patient danach
und nach erfolgter genauer Patienteninstruk –
tion nachhause entlassen werden. \bei statio –
närer Therapieeinleitung erfolgt diese Art der
Überwachung nach jeder Medikamentengabe.
Die im Flussdiagramm aufgeführten Referenz-
wer te b eziehen sich au f die unter en Nor mwer –
te für das jeweilige Alter (Abbildung 1)
16 ). Im
absoluten Tiefschlaf sind v.
a. b
ei jungen
Säuglingen deutlich tiefere Werte (v.
a.
der
Herzfrequenz) möglich und akzeptabel. Diese
Werte eignen sich jedoch aus unserer Sicht
nicht als unterster Grenzwert für das Monito –
ring
16 ). Glukosekontrollen sind nicht routine –
mässig notwendig und bleiben speziellen In –
dikationen vorbehalten. Die Familie sollte
während der Therapieeinleitung, insbesonde -re mit der Dosierpipette (z.
\b. D
osisangabe in
Milligramm, nicht Milliliter bei Hemangiol
®),
den einzuhaltenden Dosisintervallen sowie
mit der Erkennung möglicher Nebenwirkun –
gen vertraut gemacht werden. Zur Vermei –
dung von Hypoglykämien und pulmonalen
Komplikationen ist die aktive Kommunikation
der folgenden drei Kernbotschaften essenti –
ell:
1.
Med
ikamentengabe stets zu den Mahlzeiten
2.
Pausi
eren des Medikaments bei verminder –
ter Nahrungsaufnahme, Verlusten z.
\b. b
ei
Gastroenteritis und reduziertem Allgemein –
zustand bei hochfieberhaften Infekten
3.
Paus
ieren des Medikaments bei obstrukti –
ver \bronchitis (Evaluation durch den Kin –
derarzt bei Husten)
Nach erforderlichen Therapiepausen kann die
Therapie mit gleicher Dosis ohne erneutes
Einschleichen fortgeführt werden.
Die Abgabe einer schriftlichen Elterninforma –
tionsbroschüre zum Zeitpunkt der Indikations –
stellung hat sich international bewährt und ist
zu empfehlen
17 ).
Therapiedauer und Follow-Up
In der randomisiert kontrollierten Multizenter –
studie kam es nach 6 Monaten \behandlungs –
dauer im Anschluss an das Therapieende bei
bis zu 35
% de
r Hämangiome zu einer gewis-
sen Verschlechterung und in 10
% zu
einer
behandlungsbedürftigen erneuten Proliferati –
on
5). Dies deckt sich mit unserer klinischen
Er f ahr ung : Es konnte gezeig t wer den, das s b ei
einer Therapiedauer von 12 Monaten eine si –
gnifikant geringere Rezidivrate von 5
% be
ob –
achtet wird
8). A nalog zur europäischen E x p er –
Abbildung 4: Zu spät zugewiesenes Hämangiom (a), wo aufgrund der bereits sehr stark
proliferierten superfiziellen Komponente trotz systemischer Behandlung mit Propranolol
kein ideales Ergebnis mehr zu erzielen ist (b) Abbildung 5: Typische Hämangiom-Vorläu –
ferläsion
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTafT
16
tengruppe empfehlen wir daher, die Therapie
ausreichend lange, ggf. bis zum 12. Lebens-
monat oder je nach Art des Hämangioms auch
länger, durchzuführen (Abbildung 1).
Refere
nzen
1) Kilcline C, Frieden IJ. Infantile hemangiomas: how
co mmon are they? A systematic review of the me –
dical literature. Pediatric dermatology 2008; 25:
16 8 –17 3 .
2)
Mun
den A, Butschek R, Tom WL, Marshall JS, Poelt –
ler DM, Krohne SE, et al. Prospective study of infan –
tile haemangiomas: incidence, clinical characteris –
tics and association with placental anomalies. The
British journal of dermatology 2014; 170: 907–913.
3)
Luu M
, Frieden IJ. Haemangioma: clinical course,
complications and management. The British jour –
nal of dermatology 2013; 169: 20–30.
4)
Hog
eling M, Adams S, Wargon O. A randomized
controlled trial of propranolol for infantile heman –
giomas. Pediatrics 2011; 128: e259–266.
5)
Léa
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Guibaud L, Baselga E, Posiunas G, et al. A rando –
mized, controlled trial of oral propranolol in infan –
tile hemangioma. The New England journal of me –
dicine 2015; 372: 735–746.
6)
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T, Boralevi F, Thambo JB, Taieb A. Propranolol for
severe hemangiomas of infancy. The New England
journal of medicine 2008; 358: 2649–2651.
7)
Mar
queling AL, Oza V, Frieden IJ, Puttgen KB. Pro –
pranolol and infantile hemangiomas four years la –
ter: a systematic review. Pediatric dermatology
2013 ; 3 0 : 182–191.
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Korrespondenzadresse
Dr. med. Alexandra Smith und
Dr. med. Lisa Weibel
Abteilung für Pädiatrische Dermatologie
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 75
CH-8032 Zürich Schweiz
lisa.weibel @ kispi.uzh.ch
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTafT
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Alexandra Smith , Pädiatrische Dermatologie, Departement Kinder- und Jugendmedizin, Kantonsspital Winterthur Dr. med. Martin Theiler , Pädiatrische Dermatologie, Zentrum Kinderhaut, Universitäts-Kinderspital Zürich Dagmar Klima Lange Valérie Hauserd Michael Seeger Dr. med. Peter Esslinger , Leitender Arzt, Kinderchirurgische Klinik, Kinderspital, Luzerner Kantonsspital Dietmar Cholewa Enrico Brönnimann PD Dr med. Stéphanie Christen-Zaech , Unité de dermatologie pédiatrique, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois et Université de Lausanne Anthony S. de Buys Roessingh Kathrin Neuhaus Clemens Schiestl Anne-Marie Calza Giorgio La Scala PD Dr. med. Lisa Weibel , Pädiatrische Dermatologie, Zentrum Kinderhaut, Universitäts-Kinderspital Zürich Andreas Nydegger