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Replik zu Artikel «Ultraschall zur Diagnostik der akuten Harnwegsinfektion bei Kindern»

Autoren: Michael Büttcher, Philipp Agyeman, Ulrich Heininger, Christoph Rudin, Guido Laube, Franziska Zucol, Lisa Kottanattu, Petra Zimmermann, Klara Posfay Barbe, Johannes Trück, Christoph Berger, Christa Relly, Paolo Paioni, Patrick M. Meyer-Sauteur.
Vertretend für die Autoren der schweizerischen Konsensus Empfehlung.


Lieber Raoul

Mit Interesse haben wir Deinen Artikel zum Thema – Ultraschall zur Diagnostik der akuten Harnwegsinfektion gelesen. 

Wir bedanken uns für Deine Pionier- und Ausbildungsarbeit das wertvolle diagnostische Mittel Ultraschall bei Kindern für verschiedenen Pathologien mehr im Klinikalltag zu nutzen. Gerne würden wir jedoch Stellung zu Deinen folgenden Aussagen bzgl. Ultraschall in der HWI-Diagnostik nehmen:

«Die aktuellen Leitlinien einer infektiologisch-nephro-urologischen Expertengruppe setzen im Wesentlichen auf die im Praxisalltag schwierige, von Störeinflüssen befreite Uringewinnung und -analyse. Der Ultraschall in der Akutsituation einer renovesikalen Infektion wird apodiktisch als unergiebig und somit nicht indiziert eingestuft. Dieser Konsens ist erstaunlich und widerspricht den Erfahrungen von pädiatrischen Ultraschallexperten, weil die sonographischen Zeichen besonders bei der schwereren Form der oberen HWI charakteristisch sind und ihr Vorhandensein oder ihr Fehlen direkten Einfluss auf die therapeutische Weichenstellung haben. Entgegen den schweizerischen Konsensusempfehlungen kann die Sonographie schnell, präzis und unbelastend wichtige Hinweise zur Eingrenzung dieser häufigen Infektionen liefern, besonders dort, wo die saubere Uringewinnung problematisch ist.»

Zusammenfassend stellt sich für den Kliniker hiermit die Frage:

  1. ob bei einem Kind mit Fieber und unklarem Fokus der Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege (US) eine HWI ausschliessen kann und damit dem Kind weitere Diagnostik wie Katheterisierung zur Urindiagnostik (Analyse und Mikrobiologie) «erspart» werden kann.
  2. ob der US bei der Initialdiagnostik einer Harnwegsinfektion elementar ist.

Auf beide Fragen sind wir im Rahmen der schweizerischen Konsensus Empfehlung für das Vorgehen bei Harnwegsinfektion im Kindesalter eingegangen (Empfehlung 8)(1).

Die erste Frage kann mit einem Nein beantwortet werden: Die Diagnose einer HWI basiert auf Klinik, pathologischen Urinanalyse und insbesondere einem signifikanten Wachstum eines Keimes in der Urinkultur. Die konventionelle Ultraschall Untersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege allein hat eine zu geringe Sensitivität und Spezifität für die Diagnose der Harnwegsinfektion. Dies wurde in mehreren Studien gezeigt(2-4). Die Kontrastmittel unterstützte Ultraschalluntersuchung könnte allenfalls hier in Zukunft die Diagnostik in Bezug auf Sensitivität und Spezifität etwas verbessern(5). Die Diagnose der Harnwegsinfektion fusst auf einer sorgfältig gewonnen Urinprobe, dies ist nicht zuletzt in einer Zeit von zunehmenden Resistenzen bei bakteriellen Infektionen und mangelnder kinderfreundlicher antibakterieller Therapiemöglichkeiten eine Notwendigkeit.

Auf die zweite Frage möchten wir Folgendes anmerken: Nur in Ausnahmesituationen, wie in unserer Konsensus Empfehlung beschrieben, ist ein US während der akuten Infektion für das unmittelbare Management wichtig(1). Sicherlich sollte, im Dienste des Patienten, der US unmittelbar vor einer Katheterisierung der Blase (Kontrolle Füllungszustand) mehr zum Einsatz kommen, wenn der Kliniker diese Fähigkeit auch beherrscht.  

Nicht zu vergessen sind auch die Kosten einer US-Untersuchung. Eine Urindiagnostik (Analyse und Mikrobiologie) ist günstiger. Im Rahmen des zunehmenden Kostendruckes im Gesundheitswesen sollten grundsätzliche Untersuchungen nur dann empfohlen werden, wenn sie auf genügend Evidenz basieren. Zukünftige Studien hierzu sind daher notwendig.

In der Gesamtschau ist es wichtig, dass eine akkurate Diagnostik durchgeführt wird, wenn die Differentialdiagnose Pyelonephritis beim Kind im Raum steht. Der Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege ist, wie in unserer Konsensus Leitlinie empfohlen, ein fester Bestandteil der Diagnostik, um die Anatomie der Nieren und ableitenden Harnwege zu beurteilen und damit, abhängig vom Befund, wichtige weitere Managementschritte (Follow-up, weitere Bildgebung, etc.) einzuleiten.

Aber, wie auch von internationalen Guidelines festgehalten (Tabelle 1), nicht geeignet, um die Diagnose einer Harnwegsinfektion zu stellen.

«Die Mitarbeit von Co-Autoren aus der Praxispädiatrie und der SVUPP (Schweizerische Vereinigung für Ultraschall in der Pädiatrie, Sektion Pädiatrie der SGUM) bei den genannten Konsensus Empfehlungen wird schmerzlich vermisst.»

Gerne nehmen wir diesen Input auf für eine zukünftige Aktualisierung unserer Leitlinie.

Tabelle 1. Einsatzmöglichkeiten von Ultraschall im Management von Harnwegsinfektionen.  Aus internationalen Guidelines.

Referenzen

  1. Buettcher M, Trueck J, Niederer-Loher A, Heininger U, Agyeman P, Asner S, et al. Swiss consensus recommendations on urinary tract infections in children. Eur J Pediatr. 2021;180(3):663-74. https://doi.org/10.1007/s00431-020-03714-4.
  2. Hoberman A, Charron M, Hickey RW, Baskin M, Kearney DH,Wald ER. Imaging studies after a first febrile urinary tract infection in young children. N Engl J Med. 2003;348(3):195-202. https://doi.org/10.1056/NEJMoa021698.
  3. Morin D, Veyrac C, Kotzki PO, Lopez C, Dalla Vale F, Durand MF, et al. Comparison of ultrasound and dimercaptosuccinic acid scintigraphy changes in acute pyelonephritis. Pediatr Nephrol. 1999;13(3):219-22. https://doi.org/10.1007/s004670050596.
  4. Subcommittee on Urinary Tract Infection SCoQI, Management,Roberts KB. Urinary tract infection: clinical practice guideline for the diagnosis and management of the initial UTI in febrile infants and children 2 to 24 months. Pediatrics. 2011;128(3):595-610. https://doi.org/10.1542/peds.2011-1330.
  5. Lee HB, Lee S, Choi YH, Cheon JE, Lee SB, Cho YJ, et al. Contrast-enhanced ultrasound for the diagnosis of acute pyelonephritis in pediatric patients with urinary tract infection: A feasibility study. PLoS One. 2023;18(4):e0284016. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0284016.

Weitere Informationen

Autoren/Autorinnen
KD Dr. med.  Michael Büttcher Kinderspital Luzern, LUKS, Pädiatrische Infektiologie, Luzern ; Universitäts-Kinderspital beider Basel, Pädiatrische Klinische Pharmakologie, Basel