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Duplik zu Artikel der Konsensus Gruppe

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Es freut mich sehr, dass mein Beitrag eine Resonanz auslöst und ich danke für Eure kritische Würdigung. Es ist schön, wenn dadurch der Boden für eine zukunftsgerichtete Diskussion geschaffen werden kann. Gern ergreife ich die Gelegenheit, einige der von Euch angestossenen Punkte ergänzend zu kommentieren.

Es steht mir nicht zu, die fundierten, 2021 publizierten Richtlinien grundsätzlich infrage zu stellen, würde deren strikte Anwendung in der pädiatrischen Grundversorgung jedoch bei kleinen Kindern als herausfordernd einstufen. Dass die Diagnose einer Infektion von Nieren und Harnwegen (HWI) primär auf Klinik, Labor- und Urinbefunden basiert, ist nicht anzuzweifeln. Die Feststellung, dass die vesicorenale Sonographie in der Akutphase grundsätzlich keinen Stellenwert habe, ist hingegen aus meiner Sicht heute nicht mehr korrekt. Entsprechend halte ich es für notwendig, dass die Wertigkeit der Sonographie einer Neubewertung unter folgenden Gesichtspunkten unterzogen wird:

1. Die von Euch genannten Referenzen basieren auf Daten, die weitgehend vor über 20 Jahren erhoben worden sind. Die Gerätetechnik hat sich inzwischen aber rasant entwickelt und ist heute mit dem Stand von damals nicht mehr zu vergleichen. Die medizinische Literatur über die Anwendung von Ultraschall in der Akutphase einer HWI ist leider noch wenig ergiebig. Es ist anzunehmen, dass wir diesbezüglich erst am Anfang einer Entwicklung stehen.

2. Es bestehen im Bezug auf die Anwendung der pädiatrischen Sonographie erhebliche, v.a. strukturelle Unterschiede in verschiedenen Ländern und Regionen der Welt. Dass diese in der pädiatrischen Grundversorgung angewandt werden kann und damit für unsere Patienten schnell und niederschwellig verfügbar wird, ist weitgehend dem deutschsprachigen Raum vorbehalten und dort auch streng reguliert. In Deutschland und Österreich ist die Ausbildung in der Anwendung von Ultraschall integraler Bestandteil des pädiatrischen Facharzt-Curriculums, in der Schweiz sind die Qualitätsbestimmungen im Fähigkeitsprogramm mit hohen Anforderungen seit 24 Jahren klar definiert. Publikationen zum Beispiel aus dem englischsprachigen Raum sind somit für die Verhältnisse in der Schweiz nur bedingt aussagekräftig.

3. Der Ultraschall kann wichtige Hinweise über das Vorhandensein und den Schweregrad einer akuten vesikorenalen Infektion liefern und über dies hinaus auslösende Ursachen und komplizierende Faktoren erkennen oder ausschliessen. Diese Informationen sind sehr wohl wichtig im Entscheidungsprozess, ob und wie ein (v.a. kleines) Kind in einem ambulanten oder stationären Setting abgeklärt und behandelt werden muss. Auch wenn die normale sonographische Darstellung von Nieren, Blase und Harnwegen allein eine obere HWI nicht sicher ausschliessen kann, so liefert sie doch konkrete Hinweise und hat dank Ausschluss komplizierender Faktoren je nach Klinik und Laborbefunden auch in der Frühdiagnostik einen wichtigen Aussagewert.

4. Eine Kostensteigerung dürfte im Gesamtkontext zu vernachlässigen sein, weil eine Weichenstellung durch die Ultraschalluntersuchung das diagnostische Procedere unter Umständen durchaus vereinfacht und beschleunigt und weil sie durch den Ausschluss komplizierender Faktoren eine spätere Nachkontrolle überflüssig macht.

Basierend auf diesen Argumenten rege ich dazu an, die Diktion aus den Leitlinien zu streichen, dass die Sonographie eine akute HWI (grundsätzlich) weder beweisen noch ausschliessen könne und damit in deren Diagnostik keinen Stellenwert habe. Sie ist, wie ich in meinem Artikel dargelegt habe, nicht korrekt und zudem formal-juristisch problematisch. Der fokussierte pädiatrische Ultraschall ist eine besonders in der Pädiatrie kindergerechte, patientennahe diagnostische Methode. Wir sollten ihn gezielt einsetzen, damit er, schnell und kompetent durchgeführt, unseren kleinen Patienten zu Gute kommt und ihnen belastende und invasive Massnahmen ersparen hilft.

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Autoren/Autorinnen
Prof. h.c., Dr. med.  Raoul Schmid, Baarer Kinderarztpraxis, Baar