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Parenterale Ernährung von Früh-, Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen

Ernährung

Konsensuspapier, basierend auf den Leitlinien der ESPGHAN, ESPEN, ESPR und CSPEN

Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) · Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) · Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) · Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) · N. Haiden

Zusammenfassung

Die European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN), die European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) und die European Society for Paediatric Research (ESPR) haben Ende 2018 zusammen mit der Chinese Society of Parenteral and Enteral Nutrition (CSPEN) die Empfehlungen für die parenterale Ernährung von Früh-, Neugeborenen, Kindern und Adoleszenten des Jahres 2005 überarbeitet und aktualisiert. Die neue Leitlinie umfasst insgesamt 14 Kapitel zu Flüssigkeitsmanagement, Makro- und Mikronährstoffzufuhr sowie Empfehlungen zur praktischen Durchführung, wie z. B. Venenzugang, Standardisierung von Ernährungslösungen und heimparenteraler Ernährung. Ziel der vorliegenden Zusammenfassung ist es, wesentliche Aspekte der umfangreichen Leitlinie in einer für die praktische Anwendung angepassten Form darzustellen. Der erste Teil umfasst die Empfehlungen für die parenterale Ernährung der Früh- und Neugeborenen, der zweite die Empfehlungen für Kinder und Jugendliche, und der dritte Teil beschreibt ausgewählte Aspekte

Einleitung

Ziel der vorliegenden Darstellung ist es, wesentliche Aspekte der umfangreichen Leitlinien in einer für die praktische Anwendung angepassten Form überwiegend tabellarisch darzustellen. Der originäre Text der systematisch erstellten Leitlinien1) ist auf der Webseite der Zeitschrift Clinical Nutrition frei zugänglich (www.clinicalnutritionjournal.com)2). Im Originaltext sind für jede Empfehlung die entsprechende Literatur, der Evidenzlevel der Literatur, Graduierung und Wichtung der Empfehlung sowie der Konsenslevel innerhalb der Expertenkommission angegeben. Die vorliegende verkürzte Darstellung verzichtet auf diese Angaben, sodass im Zweifelsfall und für Detailfragen auf den Originaltext und die aktuelle Literatur verwiesen werden muss.

Grundsätzlich sollte stets die orale oder enterale Nahrungszufuhr gegenüber einer parenteralen Applikation bevorzugt und optimiert werden. Es besteht Unsicherheit, wann jenseits der Frühgeborenenzeit eine parenterale Ernährung begonnen werden sollte, sodass hierzu keine generelle Empfehlung gegeben werden kann. Innerhalb der ersten 7 Tage kann bei kritisch kranken Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen je nach individuellen Bedingungen erwogen werden, auf eine parenterale Ernährung zu verzichten sowie parenteral ausschließlich Glucose und Elektrolyte zu verabreichen. Die Leitlinie konzentriert sich auf Ernährungsaspekte und geht nicht auf alle Aspekte des intensiv- medizinischen Monitorings wie z. B. die Bedeutung des zentralen Venendrucks (ZVD) und der Echokardiographie für die Beurteilung des Flüssigkeitsstatus ein.

Der erste Teil der Zusammenfassung umfasst Empfehlungen für die parenterale Ernährung von Früh- und Neugeborenen, der zweite Empfehlungen für Kinder und Jugendliche, und der dritte beschreibt ausgewählte Aspekte. Alle Empfehlungen müssen dem individuellen Bedarf angepasst werden. Auf Kinder mit besonderen Bedürfnissen, wie z. B. Kinder mit Stoffwechselkrankheiten, geht die Leitlinie nicht ein.

Teil 1: Früh- und Neugeborene

1.1. Physiologische postnatale Adaptation des Flüssigkeitshaushaltes und Flüssigkeitsmanagement3)

Nach der Geburt kommt es zu physiologischen Umstellungsreaktionen, die in folgende 3 Phasen unterteilt werden können (Abb. 1🙂

Abb. 1 Phasen der physiologischen postnatalen Adaptation

Phase 1: Transitionsphase – Arrangement der Körperzusammensetzung

  • Dauer: Stunden bis Tage.
  • Kennzeichen:
    • initiale Oligurie, danach Polyurie,
    • erheblicher Wasserverlust über die unreife Haut,
    • Flüssigkeitskompartimente ordnen sich in hypertonisch und isotonisch.
  • Flüssigkeitsverlust maximal 10 % bei Reifgeborenen, 7–10 % bei Frühgeborenen.
  • Ziele:
    • Das Extrazellulärvolumen soll sich verringern, ohne das Intrazellulärvolumen zu verkleinern und ohne die kardiovaskuläre Funktion zu beeinträchtigen,
    • Oligurie (<0,1 ml/kgKG und h) über 12 h vermeiden,
    • transepidermale Evaporation mit kalkulieren

Phase 2: Zwischenphase – Etablierung der oralen Zufuhr

  • Nach initialem Gewichtsverlust sollte nach 7 bis 10 Tagen das Geburtsge wicht wieder erreicht werden.
  • In dieser Phase ist auf eine ausgeglichene Natrium- bzw. Elektrolytho- möostase zu achten, v. a. bei einem Flüssigkeitsbedarf über 200 ml/kgKG und Tag (Cave: Natrium).

Phase 3: stabiles Wachstum

  • In dieser Phase ist auf eine bedarfsgerechte Zufuhr zu achten.
  • Als stabiles Wachstum gilt eine Gewichtszunahme von 17–20 g/ kgKG und Tag.

Ein Schema zur parenteralen Flüssigkeitszufuhr bei Früh- und Neugeborenen findet sich in Tab. 1.

Hinweise zu Therapiemaßnahmen mit Einfluss auf Flüssigkeitsverluste:

  • Bis zu 30 % weniger Flüssigkeits- verlust bei Behandlung im Doppelwandinkubator (bei 90 %iger Luftfeuchtigkeit),
  • Beatmung mit befeuchteter Atemluft: Reduktion der Flüssigkeitsverluste um bis zu ca. 20 ml/kgKG und Tag,
  • eine zu hohe Flüssigkeitszufuhr ist mit erhöhten Inzidenzen des Ductus arteriosus persistens, der nekrotisierenden Enterokolitis und der bronchopulmonalen Dysplasie sowie mit erhöhter Mortalität assoziiert.

1.2  Energie4)

Angaben zur empfohlenen mittleren Energiezufuhr bei Früh- und Neugeborenen, differenziert nach akuter, stabiler und Erholungsphase, finden sich in Tab. 2.

1.3 Makronährstoffe5–7)

Für Frühgeborene empfiehlt die neue Leitlinie, unmittelbar nach der Geburt mit der Zufuhr von Aminosäuren und Fetten zu beginnen (Tab.3).

1.3.1  Glucose5)

Hyperglykämie (unter parenteraler Ernährung): Serum-Glucose-Konzentration >145 mg/dl (>180 mg/dl bei Frühge- borenen):

  • Zufuhr reduzieren.
  • Bei wiederholten Blutzuckerwerten >180 mg/dl trotz reduzierter Zufuhr ist eine Insulintherapie zu erwägen.
  • Exzessive Glucosezufuhr und Hyperglykämie:
    • steigern das Infektionsrisiko,
    • erhöhen die CO2-Produktion,
    • erhöhen das Risiko einer Fettleber,
    • erhöhen die „Very-low-density- lipoprotein“(VLDL)-Fraktion,
    • können eine Insulinresistenz induzieren,
    • sind mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert.

Die ESPGHAN empfliehlt bei allen intensivmedizinischen Patienten Serum- Glucose-Konzentration <45 mg/dl zu vermeiden.

1.3.2  Aminosäuren6)

  • Die Proteinakkretion ist von der Energieaufnahme abhängig.
  • Um 1 g Aminosäuren zu verwerten, sind 30–40 kcal nötig.
  • Eine minimale Zufuhr von 1,5 g/ kgKG und Tag ist erforderlich, um bei Neu- und Frühgeborenen eine negative Stickstoffbalance zu vermeiden.

1.3.3  Fett7)

  • Für eine länger dauernde parenterale Ernährung wird empfohlen, eine Mehrkomponentenlipidemulsion mit oder ohne Fischöl zu wählen. Kurzfristig konnten für diese Lösungen keine relevanten Vorteile gegenüber ausschließlich sojabasierten Lösungen belegt werden.
  • Lipidemulsionen sind Kalorienträger und gewährleisten die Zufuhr essenzieller Fettsäuren:
    • Frühgeborene: Linolsäure: mindestens 0,25 g/kgKG und Tag,
    • Reifgeborene: Linolsäure: mindestens 0,1 g/kgKG und Tag.
  • Diese Basisversorgung kann mit allen zugelassenen Fettemulsionen erreicht werden.
  • Bei Säuglingen und Kindern sollen 20 %ige Lipidemulsionen verwendet werden.
  • Lipidemulsionen sollen kontinuierlich über 24 h applizieren werden.
  • Lipidemulsionen nicht gemeinsam mit Heparin applizieren (die Emulsion wird besonders in Gegenwart von Kalzium instabil).
  • Überprüfung von Serumtriglyzeriden kann unter laufender Fettzufuhr erfolgen.
  • Obergrenze für die Serumtriglyzeridkonzentration: 265 mg/dl.
  • Triglyzeride bei Sepsis engmaschig überwachen und evtl. Fettzufuhr reduzieren – basale Zufuhr von essenziellen Fettsäuren gewährleisten.
  • Bei unklarer Thrombozytopenie Serumtriglyzeride überprüfen und evtl. Fettzufuhr reduzieren.
  • Bei „intestinal failure associated liver disease“ (IFALD) Mehrkompo- nentenlipidemulsionen mit Fischöl verwenden (kein reines Sojaprodukt) und Reduktion der Fettzufuhr erwägen. Die Verwendung von purem Fischöl ist nicht empfohlen, kann aber bei progressiver IFALD als „rescue therapy“ überlegt werden.
  • Eine Carnitinzufuhr (20–30 mg/ kgKG und Tag) ist bei Frühgeborenen aufgrund der geringen Speicher und allgemein bei parenteraler Ernährung über 4 Wochen zu erwägen.
  • Lipidlösungen sollen vor Licht (Bildung von Radikalen) geschützt gegeben werden.

Angaben zur Zusammensetzung von i.v.- Lipid-Lösungen, die für pädiatrische Patienten zugelassen sind, finden sich in Tab. 4.

1.4  Mikronährstoffe

1.4.1  Elektrolyt- und Mineralstoffbedarf3,9)

Angaben zur empfohlenen mittleren Zufuhr der einzelnen Elektrolyte und Mineralstoffe bei Früh- und Neugeborenen finden sich in  Tab.5.

  • In der parenteralen Ernährungslösung sollen, wenn möglich, organische Salze verwendet werden, um das Ausfallen von Salzen zu vermeiden.
  • Die Prävention von Hypo- und Hyperkalziämie sowie von Hypo- und Hyperphosphatämie ist essenziell.
  • In den ersten Tagen der parenteralen Ernährung beim Frühgeborenen immer Kalzium (Ca), Phosphat (P) und Magnesium (Mg) zuführen.
  • Eine wesentliche Neuerung betrifft die Ca- und P-Zufuhr. Da initial für die Etablierung der parenteralen Ernährung häufig eine geringere Zufuhr von Kalzium und Phosphat angestrebt wird als in der Wachstumsphase, die Zufuhr von Aminosäuren (AS) und Energie aber optimiert wird (AS ab Tag 1), empfiehlt die neue Leitlinie ein geringeres Ca-P-Verhältnis (0,8–1:0) in der parenteralen Infusion als die frühere Leitlinie. Ziel ist es, dem Phosphatbedarf des zuwachsenden Gewebes Rechnung zu tragen (Cave: Hypophosphatämie).
  • Ratio Ca:P:
    • Ca-P-Ratio = 0,8–1,0 Erklärung: fetale Akkretion von Kalzium und Phosphat:
      • Kalzium: 3,4 mmol/kgKG: 98 % Knochen,
      • Phosphat: 2,6 mmol/kgKG: 80 % Knochen= 2 mmol; 20 % Gewebe = 0,6 mmol.
    • Proteinakkretion:
      • Die Einlagerung von 1 g Protein benötigt die Aufnahme von 0,3 mmol Phosphat.
      • Mit 0,6 mmol P kann 2 g Protein eingelagert werden.
      • Das heißt, besonders bei hoher Proteinzufuhr (Frühgeborene 3–3,5 g/kgKG und Tag) ausreichend Phosphat zuführen, um einer Hypophosphatämie vorzubeugen.
  • Phosphat:
    • bei Frühgeborenen mit „intrauterine growth restriction“ (IUGR) Serum-Phosphat-Konzentration kontrollieren und unbedingt ausreichend Phosphat zuführen – hohes Risiko für Hypophosphatämie (Muskelschwäche, Atemnotsyndrom, Herzschwäche, Tod),
    • Hypophosphatämie verursacht Adenosintriphosphat (ATP)-Mangel, verschiebt die Sauerstoffdissoziationskurve nach links und reduziert die periphere Sauerstoffaufnahme und den Sauerstofftransport (Muskelschwäche, verzögert Entwöhnung von Beatmung, Glucoseintoleranz, begünstigt nosokomiale Infektionen, Tod).
  • Magnesium:
    • Hat die Mutter eines Frühgeborenen antenatal eine Magnesiumtherapie erhalten, soll die Magnesiumzufuhr in den ersten Tagen angepasst werden.

1.4.2  Vitamine10,11)

  • Vitamine sollen täglich und ab dem 1. Lebenstag gemeinsam mit der Fettemulsion verabreicht werden.
  • Routinemäßige Bestimmungen von Serum-Vitamin-Konzentrationen werden nicht empfohlen.

Angaben zur empfohlenen mittleren  Zufuhr der einzelnen Vitamine bei Früh- und Neugeborenen sind in Tab. 6 zusammengefasst.

1.4.3  Spurenelemente11)

  • Spurenelemente täglich und ab dem 1. Lebenstag gemeinsam mit der Fettemulsion verabreichen.
  • Routinemäßige Bestimmungen von Spurenelementen werden nicht empfohlen.
  • Bei Cholestase evtl. auch den Manganspiegel bestimmen und Zufuhr unterbrechen (Zusatz von Spurenelementen überprüfen) – hohe Manganspiegel können eine IFALD begünstigen.

Angaben zur empfohlenen mittleren Zu- fuhr der einzelnen Spurenelemente bei Früh- und Neugeborenen sind in Tab. 7 zusammengefasst.

Eisen.

  • Wann immer möglich, ist die enterale Eisenzufuhr der parenteralen vorzuziehen.
  • Patienten unter langzeitiger parenteraler Ernährung, die nicht enteral versorgt werden können, sollten Eisen unter Kontrolle des Eisenstatus in parenteraler Form erhalten. Eisensu- crose ist am besten untersucht, in den USA sind Präparate für Patienten im Alter ab 2 Jahren und in Deutschland je nach Präparat ab 28 Tagen bzw. ab 1 Jahr zugelassen.
    • Dosierung:
      • bei Frühgeborenen: 200–250 μg/kgKG und Tag,
      • bei Reifgeborenen: 50–100 μg/ kgKG und Tag bis 5 mg/Tag.
  • Intravenöse Eisenlösungen können in die parenterale Ernährungslösung gemischt und so verabreicht werden

Teil 2: Säuglinge, Kinder und Adoleszenten

2.1  Flüssigkeitsmanagement3)

Die Leitlinie beschreibt die beiden in den  Tab. 8,9 zusammengefassten Möglichkeiten, um den Flüssigkeitsbedarf abzuschätzen.

Der Flüssigkeitsbedarf ist eng mit dem Energiebedarfverknüpft: 1 kcal/1 ml Flüssigkeit. Bei teilparenteraler Ernährung muss die enterale Ernährung in die Gesamtflüssigkeitszufuhr einberechnet werden.

Flüssigkeitsbedarf erhöht:

  • Fieber,
  • Hyperventilation,
  • Hypermetabolismus,
  • gastrointestinale Verluste,
  • Nierenversagen.

Flüssigkeitsbedarf erniedrigt:

  • kritisch krankes Kind,
  • Beatmung.

Monitoring des Flüssigkeitsbedarfs u. a. mithilfe von:

  • klinischem Status,
  • Gewicht,
  • Flüssigkeitsbilanz
  • Serumelektrolyten,
  • Säure-Base-Status, Blutgasanalyse, Basendefizit,
  • Hämatokrit und Harnstoff im Serum,
  • spezifischem Gewicht des Harns, Harnelektrolyten.

2.2  Energie4)

Angaben zur empfohlenen mittleren Energiezufuhr in Abhängigkeit vom Lebensalter sind Tab.10 zu entnehmen.

2.3 Makronährstoffe

2.3.1 Glucose5)

  • Bei wiederholten Blutzuckerwerten >180 mg/dl ist der Beginn einer Insulintherapie empfohlen, wenn die Reduktion der Glucosezufuhr nicht ausreicht.
  • Eine Hyperglykämie (>145 mg/dl) ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert.
  • Die ESPGHAN empfliehlt bei allen intensivmedizinischen Patienten Serum-Glucose-Konzentration<45 mg/dl zu vermeiden

Angaben zur empfohlenen mittleren Glucosezufuhr in Abhängigkeit vom Körpergewicht finden sich in  Tab.11.

2.3.2 Aminosäuren6)

Erst ab einer Aminosäurezufuhr von 1 g/ kgKG und Tag ist eine positive Stickstoffbilanz möglich (Tab. 12).

2.3.3 Fett7)

  • Bei Kindern soll die maximale parenterale Fettzufuhr 3,0 g/kgKG und Tag nicht übersteigen.
  • Bei Säuglingen und Kindern wird eine Linolsäurezufuhr von mindestens 0,1 g/kgKG und Tag empfohlen, was mit allen zugelassenen Fettemulsionen erreicht werden kann.
  • Bei Säuglingen und Kindern sollen 20 %ige Fettemulsionen verwendet werden.
  • Für länger dauernde parenterale Ernährung wird die Verwendung einer Mehrkomponentenlipidemulsion mit oder ohne Fischöl empfohlen. Kurzfristig konnten für diese Lösungen keine relevanten Vorteile gegenüber ausschließlich sojabasierten Lösungen belegt werden.
  • Bei zyklischer Fettzufuhr soll die Fettemulsion gemeinsam mit anderen Nährstoffen appliziert werden.
  • Lipidemulsionen möglichst nicht gemeinsam mit Heparin applizieren (Emulsion wird besonders in Gegenwart von Kalzium instabil).
  • Carnitinsupplementierung bei parenteraler Ernährung, die länger als 4 Wochen dauert (20–30 mg/kgKG und Tag).
  • Empfohlene Obergrenzen für die Serumtriglyzeridkonzentration bei
    • Säuglingen: 265 mg/dl,
    • Kindern: 400 mg/dl.
  • Blutabnahme zur Triglyzeridbestimmung unter laufender Zufuhr möglich.
  • Bei unklarer Thrombozytopenie Serum-Triglyzerid-Konzentrationen überwachen und evtl. Fettzufuhr reduzieren.
  • Triglyzeride bei Sepsis engmaschig überwachen und evtl. Fettzufuhr reduzieren.
  • Bei IFALD gemischte Lipidemul- sionen verwenden (kein reines Sojaprodukt) und Reduktion der Fettzufuhr überlegen. Die Verwendung von purem Fischöl ist nicht empfohlen, kann aber bei progressiver IFALD als „rescue therapy“ überlegt werden.

2.4 Mikronährstoffe

2.4.1 Natrium, Kalium, Chlorid3)

Angaben zur empfohlenen mittleren Zufuhr der Mikronährstoffe Natrium, Kalium, Chlorid je nach Lebensalter sind Tab. 13 zu entnehmen.

Definitionen der Elektrolytstörungen (Serumwerte):

  • Hyperkaliämie:
    • K >6 mmol/l – häufig durch Nierenversagen bedingt,
    • K >7 mmol/l – benötigt prompte Intervention.
  • Hypokaliämie: K <3,5 mmol/l,
  • Hypernatriämie: Na >145 mmol/l – langsame Reduktion von 10–15 mmol pro 24 h,
  • Hyponatriämie: Na <135 mmol/l,
  • schwere metabolische Acidose: pH- Wert <7,2, Basendefizit >10 mmol/l oder Bikarbonat <12 mmol/l.

2.4.2 Kalzium, Phosphat, Magnesium9)

  • Die parenterale Ernährungslösung muss Ca, P und Mg enthalten, um die Knochenmineralisierung und das Wachstum zu ermöglichen.
  • Organische Salze reduzieren das Risiko der Präzipitation von Salzen.

Angaben zur empfohlenen mittleren Zu- fuhr der Mikronährstoffe Kalzium, Phosphat, Magnesium je nach Lebensalter finden sich in Tab. 14.

2.4.3 Vitamine10)

  • Vitamine sollen täglich und gemeinsam mit der Fettemulsion verabreicht werden.
  • Routinemäßige Bestimmungen von Serumvitaminen sind nicht empfohlen.

Angaben zur empfohlenen mittleren Tageszufuhr der einzelnen Vitamine in Abhängigkeit vom Lebensalter finden sich in Tab. 15.

2.4.5 Spurenelemente11)

Angaben zur empfohlenen mittleren Zufuhr von Spurenelementen in Abhängigkeit vom Lebensalter finden sich in Tab. 16.

Eisen.

  • Wann immer möglich ist die enterale Eisenzufuhr der parenteralen vorzuziehen.
  • Patienten unter langzeitiger parenteraler Ernährung sollten Eisen unter Kontrolle des Eisenstatus nur dann in parenteraler Form erhalten, wenn die enterale Zufuhr nicht realisiert werden kann. Eisensucrose ist am besten untersucht; in den USA sind Präparate für Patienten im Alter ab 2 Jahren und in Deutschland je nach Präparat ab 28 Tagen bzw. ab 1 Jahr zugelassen.
  • Dosierung: 50–100 μg/kgKG und Tag bis 5 mg/Tag.
  • Parenterales Eisen kann in der parenteralen Ernährungslösung verabreicht werden.

Mangan.

  • Bei Cholestase evtl. auch den Manganspiegel bestimmen und Zufuhr unterbrechen (Zusatz von Spurenelementen überprüfen) – hohe Manganspiegel können eine IFALD begünstigen.

Teil 3: Allgemeines

3.1  Venöse Zugänge14)

  • Parenterale Ernährung soll bei Früh- und Neugeborenen, wenn möglich, über peripher angelegte zentrale Venenkatheter („peripheral inserted central catheters“, PICC) oder getun- nelte zentrale Venenkatheter (ZVK) verabreicht werden.
  • Für die langzeitige parenterale Ernährung und die heimparenterale Ernährung (HPE) werden getunnelte ZVK empfohlen.
  • Am ZVK sollen so wenige Konnexionsstellen/-schenkel wie möglich verwendet werden. Ein Schenkel soll exklusiv für die parenterale Ernährung reserviert werden, um häufige Diskonnexionen zu vermeiden.
  • Blutabnahmen können bei kurzzeitiger parenteraler Ernährung unter sterilen Bedingungen über den ZVK erfolgen. Bei langzeitiger parenteraler Ernährung sind Blutabnahmen aus dem ZVK aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos kontraindiziert.
  • Ultraschalluntersuchungen zur Lagekontrolle können bei der Anlage eines ZVK hilfreich sein.
  • Eine prophylaktische Antibiotikagabe wegen eines ZVK ist nicht indiziert.
  • Antibiotikabeschichtete Katheter werden nicht empfohlen.
  • Routinemäßige prophylaktische Katheterwechsel sind nicht indiziert.
  • Katheterkonnexionsstellen sollten vor Benutzung mit einer Lösung aus %igem Chlorhexidin in 70 %igem Isopropylalkohol desinfiziert werden. Zur Abdeckung der Katheterinsertionsstelle sollen sterile Gazepflaster oder transparente semipermeable Polyurethanpflaster verwendet werden. Gazepflaster sollen alle 2 Tage, transparente Pflaster alle 7 Tage gewechselt werden.
  • Heparinhaltige Infusionen zum Offenhalten von Kathetern werden nicht empfohlen.
  • Ethanol- und Taurolidin-Locks sind zur Prävention von Katheterinfektionen wirksam und werden zur Anwendung bei langzeitiger parenteraler Ernährung empfohlen.
  • Bei blockierten Kathetern ist der Einsatz von „recombinant tissue plasminogen activator“ (rtPA) oder von Urokinase sinnvoll, um eine Rekanalisierung des verlegten Katheters zu ermöglichen.

3.2  Standardisierte vs. individuelle parenterale Ernährungslösungen15)

  • Neu ist, dass die Leitlinie die generelle Verwendung von Standardlösungen empfiehlt.
  • Modifikationen der Standardlösungen sollten möglich sein.
  • Individuelle Zubereitungen sollen nur verwendet werden, wenn die Nährstoffzufuhr mit Standardlösungen nicht abgedeckt werden kann (z. B. sehr kranke instabile Patienten, Patienten mit Flüssigkeits- oder Elektrolytverlust, Patienten, die eine langzeitige parenterale Ernährung benötigen, z. B. bei Kurzdarmsyndrom).
  • Weiter empfiehlt die Leitlinie die Verschreibung und Bestellung von parenteralen Ernährungslösungen mithilfe einer Verschreibungssoftware/eines Computers zur Fehlerreduktion.

3.3  Heimparenterale Ernährung16)

  • Kinder, die länger als 3 Monate eine parenterale Ernährung benötigen, können unter folgenden Bedingungen zur HPE nach Hause entlassen werden:
    • stabile und geeignete häusliche Umgebung,
    • stabiles, praktikables Regime vorhanden,
    • Eltern sind ausreichend geschult,
    • Eltern und Kind werden zu Hause betreut,
    • die Betreuung von Eltern und Kind ist an ein kompetentes Zentrum mit einem multidisziplinären Team angebunden (min. 4 Kontakte/Jahr, 24 h Erreichbarkeit).
  • Folgende Voraussetzungen minimieren Komplikationen:
    • HPE nach evidenzbasierten Richtlinien rezeptieren,
    • wenn möglich, Reduktion der Tage/Wochen, an denen HPE verabreicht wird,
    • wenn möglich, Reduktion der Stunden/Tage, an denen HPE verabreicht wird (10–12 h),
    • Ersatz von exzessivem Wasserverlust durch HPE, wenn nötig.
    • Verwendung von tragbaren Pumpen,
    • wohnortnahe Betreuung in Kooperation mit einem kompetenten betreuenden Zentrum.
  • Mischlösungen, die 7 bis 14 Tage stabil sind, reduzieren den organisatorischen Aufwand.
  • Wenn möglich, soll eine Einbeutellösung angestrebt werden.
  • Heimparenterale Ernährung sollte dem individuellen Makro- und Mikronährstoffbedarf des Patienten angepasst sein.

3.4   Schema für Laborkontrollen und Kontrolluntersuchungen

Das übergeordnete Ziel ist, die normale körperliche und geistige Entwicklung zu ermöglichen und dementsprechend die Kontrolluntersuchungen (Anthropometrie, Laboruntersuchungen und technische Untersuchungen) auszurichten. Die empfehlenswerte Häufigkeit einzelner Untersuchungen (wie z. B. der Anthropometrie) kann hier nicht vorgegeben werden und ist an die Bedingungen des individuellen Patienten anzupassen. Das in Tab. 17 aufgeführte Schema bietet einen Anhalt für mögliche Untersuchungen und bedarf der Anpassung an die Bedingungen im Einzelfall.17)

Gerne verweisen wir auf die Originalpublikation in Monatsschrift Kinderheilkunde:

Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ)., Greber-Platzer, S., Haiden, N. et al. Parenterale Ernährung von Früh‑, Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen. Monatsschr Kinderheilkd 168, 634–643 (2020). https://doi.org/10.1007/s00112-020-00881-4
© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020.
Abdruck mit freundl. Genehmigung.

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Siehe Originalbeitrag
Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med.  Nadja Haiden Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie, Medizinische Universität, Wien nadja.haiden@meduniwien.ac.at