Die Betreuung von Kindern mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Standen Aspirin, Kortison und Rehabilitation vor einem Vierteljahrhundert im Zentrum der Behandlung, ermöglichen nun Immunosuppressiva wie Methotrexat und neuerlich biologische Medikamente eine weit bessere Beherrschung des Entzündungsprozesses. Die Betreuung der Kinder mit rheumatischen Krankheiten gestaltet sich durch diese Neuerungen jedoch viel kom plexer. Mit dem Einsatz dieser Medikamente muss den möglichen Nebenwirkungen, ins besondere dem Infektionsrisiko, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die zunehmende Zahl an Molekülen macht die Betreuung dieser Patienten für den Grundversorger viel komplexer.
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Die \betreuung von Kindern mit entzündlichen
rheumatischen Erkrankungen hat sich in den
letzten Jahrzehnten gewandelt. Standen Aspi-
rin, Kortison und Rehabilitation vor einem
Vierteljahrhundert im Zentrum der \behand –
lung, ermöglichen nun Immunosuppressiva
wie Methotrexat und neuerlich biologische
Medikamente eine weit bessere \beherr –
schung des Entzündungsprozesses. Die \be –
treuung der Kinder mit rheumatischen Krank –
heiten gestaltet sich durch diese Neuerungen
jedoch viel kom plexer. Mit dem Einsatz dieser
Medikamente muss den möglichen Nebenwir –
kungen, ins
besondere dem Infektionsrisiko,
besondere Aufmerksamkeit geschenkt wer –
den. Die zunehmende Zahl an Molekülen
macht die \betreuung dieser Patienten für den
Grundversorger viel komplexer.
Art und Häufigkeit
rheumatischer \brkrankungen
Die rheumatischen Krankheiten des Kindesal –
ters können entzündlicher und nicht-entzünd –
licher Natur sein. 2004 wurde in der Schweiz
ein Register der rheumatischen Erkrankungen
im Kindesalter erstellt, an welchem sich alle
multidisziplinären kinderrheumatologischen
Spezialsprechstunden beteiligen. Wir haben
über eine Dauer von 9 Jahren 4631 Patienten
erfasst, mit dem Ziel die Epidemiologie dieser
Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen zu
studieren.
Ta b e l l e 1 führt die hauptsächlichsten ent –
zündlichen und nicht-entzündlichen, in der
kinderrheumatologischen Sprechstunde ge –
stellten Diagnosen auf. Die häufigste Krank –
heit ist die juvenile idiopathische Arthritis
(JIA), deren Diagnose auf den ILAR-Kriterien
beruht (mindestens 6 Wochen Arthritis, \be –
ginn vor dem Alter von 16 Jahren und Aus –
schluss andersartiger Ursachen) und 7 ver –
schie dene For men um f as s t . Die übr igen in der
Rheumatologie beobachteten Krankheiten sind postinfektiöse Arthritiden, verschiedene
Formen von Konnektivitis, Vaskulitis, Uveitis
sowie autoinflammatorische Krankheiten. Ge
–
meinsam sind diesen Krankheiten der chroni –
sche Verlauf, das Risiko von Dauerschäden
und die signifikante Einwirkung auf die Le –
bensqualität der Kinder und ihrer Familie. Ihre
\betreuung beruht auf der \beherrschung der
Organ- und systemischen Entzündung. Da die
\behandlung monate- bzw. jahrelang dauert,
ist es wesentlich, durch die verschriebenen
Medikamente möglichst wenige Nebenwir –
kungen zu verursachen. Andererseits soll ihre
Wirkung dem kranken Kind oder Jugendlichen
erlauben, ein möglichst normales Leben zu
führen.
Rheumatische Krankheiten sind eine häufige
Ursache chronischer Krankheit im Kindesal –
ter ; der en P r ävalenz w ir d au f mehr als 3/10 0 0
an die Spezialsprechstunde zugewiesenen
Fälle geschätzt. Jeder Kinderarzt kann des –
halb in die Lage kommen, einen jungen Pati -enten mit einer mittels biologischer Medika
–
mente behandelten entzündlichen rheuma –
tischen Erkrankung zu betreuen.
3-Stufen-Therapie
Die \behandlung entzündlicher rheumatischer
Krankheiten erfolgt gemäss einem 3-Stufen-
Schema mit zunehmend wirksamen Medi –
kamenten: Nicht-steroidale Entzündungs –
hemmer (NSAID), Immunosuppressiva, bio –
logische Medikamente.
Die erste Stufe besteht in der Verabreichung
von NSAID in entzündungshemmender Dosie –
rung während mehreren Wochen. Magen –
schleimhautschutz durch Omeprazol ist bei
Anzeichen von Intoleranz indiziert. Der zurzeit
einzige für Kinder verfügbare cox2-Inhibitor
ist Celecoxib (Celebrex
®). \bei oligoartikulären
Formen und Versagen der NSAID, kann die
Gelenkentzündung im Allgemeinen durch die
intraartikuläre Injektion von langzeitwirksa –
men Steroiden beherrscht werden. Diese In –
filtrationen erfolgen unter Ultraschallkontrol –
le und je nach Alter des Patienten unter
Sedierung oder MEOPA. Im Anschluss daran
wird, insbesondere für das Knie, zur Optimie –
rung der Medikamentenwirkung eine Ruhig –
stellung während 48 Stunden empfohlen.
Die zweite Stufe besteht in einer \basisthera –
pie durch Immunmodulatoren. Methotrexat ist
das bei polyartikulären und ausgedehnten
oligoartikulären Formen der JIA sowie der
Uveitis am häufigsten verwendete Medika –
Neue Beh\bndlungsoptionen
in der Kinderrheum\btologie:
Biologische Medik\bmente
Indikationen, Anwendung, Vorkehrungen
Michaël Hofer, Genf und Lausanne Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
Idiopathische juvenile Arthritis • Persistierend oligoartikulär oder ausgedehnt
polyartikulär, Rheumafaktor-negativ
• Polyartikulär, Rheumafaktor-positiv• Systemisch (M. Still)• Enthesitis-assoziiert (Spondylarthropathie)• Psoriatisch• Undifferenziert
Konnektivitiden
• Systemischer lupus erythematodes• Juvenile Dermatomyositis• Andere Konnektivitiden
Vaskulitiden
• Rheumatische Purpura (Schoenlein-Henoch)• Kawasaki Syndrom• M. Behçet• Parainfektiöse Vaskulitiden• Andere Vaskulitiden
Idiopathische Uveitis
Autoinflammatorische Krankheiten
• Monogen (FMF, TRAPS, CAPS, HIDS)• PFAPA• Chronisch rekurrente Osteomyelitis, SAPHO• Andere
T\bbelle 1: Entzündliche rheumatische Krankheiten im Kindesalter.
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTab
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ment. Das Risiko hämatologischer und hepa-
tischer Nebenwirkungen erfordert regelmäs –
sige \blutkontrollen. Patient und Eltern müssen
ebenfalls auf das durch die Immunosuppres –
sion bedingte erhöhte Infektionsrisiko auf –
merksam gemacht werden. Wir verschreiben
zur Vorbeugung von Nebenwirkungen 24
Stunden nach der Methotrexatverabreichung
5 mg Folsäure. Für JIA -Formen mit Enthesitis
(Spondylarthropathie) verwenden wir eben –
falls Salazopyrin; auch hier sind vor allem
während den ersten drei Monaten regelmässi –
ge Kontrollen der Leberparameter und des
\blutbildes notwendig. \bei 3–5 % der Patienten
besteht ein Allergierisiko, was den sofortigen
Abbruch der \behandlung erfordert. Für die
systemischen Formen der JIA, die Uveitis und
die übrigen entzündlichen rheumatischen
Krankheiten können zu \beginn der \behand –
lung systemische Steroide (peroral oder int –
ravenös) erforderlich sein. Wegen der schwe –
ren Nebenwirkungen (Wachstumsstörung,
Osteopenie, Cushing, Unruhe, Infektionsrisi –
ko, Femurkopfnekrose etc.) wird auf ein im –
munosuppressives oder biologisches Medika –
ment übergegangen, sobald klar wird, dass
die Steroidtherapie nicht rasch abgesetzt werden kann. Die übrigen Immunosuppressi
–
va, wie Cyclosporine, Azathioprin, Mycophe –
nolat und Cyclophosphamid werden seit der
Einführung der biologischen Medikamente viel
seltener angewandt und bleiben speziellen
Indikationen, wie gewisse Konnektivitiden
oder Vaskulitiden, vorbehalten.
Die dritte \behandlungsstufe besteht aus bio –
logischen Medikamenten, die weiter unten
beschrieben werden. Rehabilitationsmass –
nahmen gehören ebenfalls zur \betreuung
junger Rheumapatienten. Physiotherapie und
Ergotherapie sollen die Gelenkbeweglichkeit
erhalten und verbessern, sowie in der Akut –
phase die Muskelkraft stärken. In dieser
Krankheitsphase muss das Stillegen der Ge –
lenke vermieden werden, um eine vorzeitige
Versteifung zu verhindern. Die verbesserte
medikamentöse \behandlung hat den Anteil
Patienten, die Rehabilitationsmassnahmen
erfordern, drastisch vermindert. Wir ermun –
tern unsere Patienten zu regelmässiger kör –
perlicher Aktivität. Diese soll den Schmerzen
und der \behinderung des Patienten ange –
passt, Wettkampf und Turnnoten in der Schu –
le sollen vermieden werden. \bei Knochenbe -teiligung insbesondere im Hüftbereich ist bei
körperlicher Aktivität Vorsicht geboten.
Beurteilung von Aktivität und
Auswirkungen der rheumatischen
Krankheit
Es wurden verschiedene Parameter entwi
–
ckelt, die es dem Praktiker erleichtern sollen,
den Verlauf einer behandelten JIA zu verfolgen.
Der ACR-Score erlaubt eine Verbesserung
oder Verschlimmerung der Krankheit gegen –
über dem \behandlungsbeginn festzustellen.
Dieser Score gibt nicht einen punktuellen Wert
für den jeweiligen Arztbesuch an und ist der
meistbenutzte Score bei klinischen Studien.
Der JADAS wurde kürzlich entwickelt, damit
der Kliniker einen Aktivitätsscore für jede
einzelne Untersuchung zur Verfügung hat. Der
Score umfasst die Anzahl Arthritiden, die
\blutsenkungsgeschwindigkeit sowie die durch
Arzt und Patient evaluierte Krankheitsaktivi –
tät. Der JAMAR ist ein vom Patienten selbst
oder seinen Eltern ausgefüllter Fragebogen,
der eine \beurteilung der Auswirkungen der
Krankheit auf die Lebensqualität des Patienten
erlaubt: Funktionelle Fähigkeiten, Schmerzen,
Medikament Übliche DosisVerabreichungsartKommentar
NSAID
Ibuprofen 30–40 mg/kg/d in 3 Dosen;
max.: 2400 mg/dPeroral
Naproxen 20–30 mg/kg/d in 2 Dosen;
max.: 1250 mg/dPeroral
Diclofenac 3 mg/kg/d in 2 Dosen;
max.: 225 mg/dPeroral
Celecoxib PeroralCOX-2-Hemmer
Prednison 1–2 mg/kg/d;
Abnehmend je nach VerordnungPeroral
Immunmodulatoren
Methotrexat 1 0 –15 m g / m
2/WochePeroral/subkutan Regelmässige Kontrolle von BB
und Transaminasen
Salazopyrin 30–50 mg/kg/dPeroralRegelmässige Kontrolle von BB
und Transaminasen
Biotherapien
Etanercept 0.8 mg/kg/ Wochesubkutan
Adalimumab 24 mg /m
2/2 Wochensubkutan
Abatacept 10 mg/kg/4 WochenInfusion
Anakinra 2 mg/kg/dsubkutan
Canakinumab 4 mg/kg/4 Wochensubkutan
Tocilizumab 8 mg/kg/2 WochenInfusion
T\bbelle 2: Hauptsächlichste Medikamente entzündlicher rheumatischer Erkrankungen.
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTab
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morgendliche Steife, systemische Symptome,
Krankheitsaktivität, \behandlung und Neben-
wirkungen, Auswirkungen auf Schule, Lebens –
qualität. Die Kriterien, welche die Krankheit als
aktiv einstufen, wurden durch einen internati –
onalen Konsens festgelegt; dieselbe Experten –
g r upp e hat die Remis sion unter \b ehandlung ( 6
Monate Inaktivität der Krankheit) und ohne
\behandlung (12 Monate Inaktivität nach Ab –
setzen der letzten Medikation) definiert. Der
JADI-Fragebogen schliesslich evaluiert die
durch die entzündliche Krankheit verursach –
ten Nachteile und Dauerschäden.
Für die übrigen entzündlichen Krankheiten,
insbesondere systemischer Lupus erythe –
matodes, juvenile Dermatomyositis und
autoinflammatorische Krankheiten gibt es
spe zifische Kriterien zur Evaluation der ver –
schiedenen Krankheitsaspekte.
Biologische Medikamente:
Worum handelt es sich?
\biologische Medikamente oder \biotherapie
wurden Dank der Fortschritte in der Kenntnis
der Pathophysiologie entzündlicher Krankhei –
ten entwickelt. Diese Medikamente sind ge –
zielt au f b es timmte Moleküle ausger ichtet , w ie
Zytokine, oder für die Entzündung verantwort –
liche Zellen, w ie \b – und T- Ly mphoz y ten. Indem
die Immunantwort des Moleküls oder der
Zelle blockiert wird, schränken diese Medika –
mente die chronisch entzündliche Aktivität der
K r ankheit ein, g r eifen ab er auch in die physio –
logischen Immunprozesse ein. Die wichtigsten
kurz- und langfristigen Nebenwirkungen dieser
\behandlungen bestehen in einer Störung der
physiologischen Immunantwort.
Moleküle:
Indikationen, Wirksamkeit
Zahlreiche Moleküle wurden für eine biothe –
rapeutische Anwendung bei entzündlichen
Krankheiten entwickelt (Tabelle 3). Leider hat
nur ein kleiner Teil der beim Erwachsenen
angewandten Medikamente auch eine aner –
kannte Indikation im Kindesalter. Es handelt
sich um Etanercept, Abatacept, Adalimumab
und Tocilizumab für die JIA mit polyartikulä –
rem \befall und Canakinumab für die systemi –
sche Form der JIA und CAPS-Syndrome. Fehlt
ein Medikament mit der gewünschten Wirk –
samkeit, verwenden Kinderrheumatologen
weitere Moleküle, jedoch «Hors-liste» und
nach Absprache mit dem Versicherer bezüg –
lich Rückvergütung.
Die ersten in der Kinderrheumatologie zur
Verfügung stehenden \biologicals waren die
TNF-\blocker: Etanercept, ein löslicher TNF-
Rezeptor und die monoklonalen anti-TNF-
Antikörper Infliximab und Adalimumab. Die
TNF-\blocker werden bei JIA mit polyartikulä –
rem \befall nach Versagen oder Unverträglich –
keit von Methotrexat eingesetzt. Etanercept
(Enbrel
®) war 2000 das erste für die \behand –
lung der JIA zugelassene Medikament, in der
Folge einer Studie, in welcher die W ir ks amkeit
im Placebovergleich bei 51 Patienten mit
Methotrexat-resistenter JIA nachgewiesen
wurde. In Extensionsstudien konnte eine
langfristige Wirkung des Medikamentes für
eine Dauer von 8 Jahren bestätigt werden.
Infliximab (Remicade
®), ein chimerisches
Molekül mit einem murinen Anteil, das im
Kindesalter zur \behandlung des M. Crohn
verwendet wird, hat derzeit keine anerkannte Indikation für die JIA, obwohl das Medikament
bei der Polyarthritis des Erwachsenen reich
–
lich verschrieben wird und sich als sehr wirk –
sam erweist. Adalimumab (Humira
®) wurde
kürzlich zugelassen zur \behandlung der juve –
nilen Arthritis, in Kombination oder nicht mit
Methotrexat. Die Wirksamkeit des Moleküls
wurde ebenfalls für die \behandlung der Uvei –
tis bei juveniler Arthritis nachgewiesen. Die
übrigen dem Erwachsenen zur Verfügung
stehenden TNF-\blocker sind beim Kind im
Versuchsstadium oder zurzeit nicht zugelas –
sen. Für Abatacept (Orencia
®) , ein T- Ly mpho –
zyten Hemmer, wurde in einem randomisier –
ten Placeboversuch eine gute Wirksamkeit bei
der polyartikulären JIA nachgewiesen. Seit
2010 gehört es zu den offiziell vergüteten
Medikamenten für die polyartikuläre JIA. Eine
Studie über 3 Jahre wies eine anhaltende
Wirksamkeit der \behandlung nach.
Die systemische Form der JIA (sJIA), auch
Morbus Still genannt, hat eine eigene Patho –
physiologie, indem es sich nicht wie bei den
anderen Formen um eine Autoimmun-, son –
dern um eine autoinflammatorische Krankheit
handelt. Die pathophysiologisch involvierten
Zytokine der sJIA sind vor allem das IL-1 und
das IL-6, wie in mehreren in-vitro -Arbeiten
nachgewiesen wurde.
Anakinra (Kineret
®) oder IL-1RA ist ein Anta –
gonist des IL-1-Rezeptors und ist ein physio –
logisches Molekül, das die Aktivität dieses
Zytokins hemmt. Das Medikament hat eine
sehr kurze Halbwertszeit und muss täglich
subkutan verabreicht werden. Die Wirksam –
keit bei der \beherrschung der Entzündung der
sJIA ist sehr gut, hauptsächlichste Nebenwir –
MolekülMechanismusAnerkannte pädiatrische
Indikation in der Schweiz Andere Indikationen
Etanercept
Löslicher TNF-RezeptorpJIAandere JIA
Abatacept CTLA4-IgpJIAandere JIA
Adalimumab Mab anti-TNFpJIAandere JIA, Uveitis
Tocilizumab Mab anti-IL-6RsJIA, pJIAandere JIA
Canakinumab Mab anti-IL-1ßsJIA, CAPS–
Infliximab Mab anti-TNFM. CrohnpJIA, Uveitis
Anakinra I L-1R A–sJIA, CAPS
Golimumab Mab anti-TNF–pJIA
Rituximab Mab anti-CD20–SLE, Vaskulitis
T\bbelle 3: \biologische Medikamente in der Kinderrheumatologie:
Mab: Monoklonaler Antikörper; pJIA: Juvenile idiopathische Arthritis mit polyartikulärer \beteiligung; sJIA: Systemische juvenile idiopathische
Arthritis ; CAPS: Cryopyrine associated periodic syndrome; SLE: Systemischer Lupus erythematodes.
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTab
9
\bei nicht-maserngeimpften Patienten werden
bei Exposition intravenös Immunglobine ver-
abreicht. Jedes Jahr wird dem Patienten und
seiner Familie die Grippeimpfung angeboten.
\bei Auftreten einer Infektionskrankheit soll
der Patient unverzüglich den Arzt aufsuchen
und bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion
eine antibiotische \behandlung eingeleitet
werden. Vor \beginn der immunsuppressiven
\behandlung müssen Patient und Familie über
Risiken und Vorsichtsmassnahmen aufgeklärt
werden, und es ist wichtig, die verschiedenen
Punkte nach \behandlungsbeginn nochmals
dur chzugehen, um sich zu ver gew is ser n, das s
sie verstanden wurden.
Die langfristigen Risiken der \biotherapie sind
wenig bekannt. Wichtigste Problematik ist die
mögliche Zunahme, auf Grund der vermin –
derten Immunreaktivität, des Risikos Auto –
immun- und maligner Krankheiten. Die Studi –
enresultate zur langfristigen Toleranz dieser
Therapien sind widersprüchlich und erlauben
es nicht, ein erhöhtes Krebsrisiko auszu –
schliessen. \bei jungen, während der Adoles –
zenz wegen eines Mo. Crohn mit Azathioprin
und Infliximab behandelten Erwachsenen,
wurden mehrere Fälle schwerer Lymphome
beschrieben. Eine Populationsstudie in
Schweden ergab ein im Vergleich zur Allge –
meinbevölkerung erhöhtes Krebsrisiko, insbe –
sondere maligner \blutkrankheiten, während
der Zeit spanne, in welcher die JIA mit M ethot –
rexat und biologischen Medikamenten behan – delt wurden (1987–2007) als im Zeitabschnitt
z u vo r (1969–1986 ) .
Die Ungewissheit betreffend langfristige Risi-
ken bei einer Population mit langer Lebenser –
wartung macht eine Überwachung dieser
Patienten über viele Jahre notwendig. Es
w ur den zu diesem Zweck in Europa und Nor d –
amerika verschiedene Register geschaffen. In
Zusammenarbeit mit unseren französischen
und belgischen Kollegen haben wir eine Ko –
horte von Patienten mit juvenilen entzündli –
chen Krankheiten, die JIRcohorte, erstellt
( www.jircohorte.ch ). Damit sollen Wirksam –
keit und Toleranz der \biotherapien bei juveni –
len entzündlichen Krankheiten verfolgt wer –
den. D er zeit b eteiligen sich 15 Zentr en an der
Datensammlung und es wurden bereits über
1200 Patienten erfasst.
Allgemeine Betreuung
von Rheumapatienten
Im Kindesalter haben rheumatische Erkran –
kungen einen chronischen Verlauf mit einer
individuell schwer voraussehbaren Prognose.
Die Wirkung auf den Patienten und seine Fa –
milie ist erheblich: \beeinträchtigte Lebens –
qualität durch Krankheit, \behandlung und
Zukunfts bedingte Angstgefühle, praktische,
tägliche Probleme im Zusammenhang mit der
Krankheit und den Therapien (Schule, Sport,
\berufswahl). Diese Krankheiten haben eben –
falls psychosoziale Auswirkungen, insbeson –
kung sind lokale Entzündungserscheinungen
an der Injektionsstelle. Aus diesem Grund
stellen sich bei langfristiger Anwendung gro
–
sse Toleranzprobleme. Ein weiteres Anti-IL-1,
Canakinumab (Ilaris
®) wurde als monoklona –
ler Antikörper gegen IL-1β entwickelt; dessen
Wirksamkeit wurde in einer randomisierten
placebokontrollierten Studie nachgewiesen.
Seit letztem Herbst ist die Substanz zugelas –
sen zur \b ehandlung der sJIA , unter der \b e din –
gung, dass es von einem Kinderrheumatolo –
gen verschrieben wird und dass der Patient in
die Kohorte der juvenilen rheumatologischen
Krankheiten (JIR cohorte) einbezogen wurde.
Es steht uns auch ein IL-6-\blocker, Tocili –
zumab (Actemra
®), zu Verfügung, dessen
W ir ks amkeit b ei der \b ehandlung der JIA eb en –
falls placebokontrolliert nachgewiesen wurde.
Da IL- 6 f ür die ges teiger te CRP – P ro duk tion b ei
Infekten verantwortlich ist, hat die Hemmung
dieses Zytokins ein teilweises oder vollstän –
diges Ausbleiben des CRP-Anstieges bei in –
fektiösen Krankheiten zur Folge. Dieser Tat –
sache muss bei Patienten, die mit Tocilizumab
behandelt werden, \beachtung geschenkt
werden. \bei Autoimmunkrankheiten, insbe –
sondere Lupus und Vaskulitiden, verwenden
wir auch monoklonale Antikörper gegen Anti –
gene der Lymphozyten-\b-Oberfläche. Es han –
delt sich um Rituximab (Mabthera
®), das als
2-malige Infusion in zwei Wochen Abstand
verabreicht wird; die Infusion kann nach 6
Monaten wiederholt werden. Die \besonder –
heit dieses Medikamentes besteht darin, dass
es die \b -Lymphozyten aus dem \blutkreislauf
zieht. Der Immunglobulinspiegel wird im All –
gemeinen, zumindest bei Therapiebeginn,
nicht beeinflusst.
Risiken und Vorsichtsmassnahmen
Infekte als Folge der Immunsuppression stel –
len das wichtigste Risiko der \biotherapien dar.
Die Tuberkulose verursachte zu \beginn der
Verwendung der TNF-Hemmer grosse Proble –
me; eine latente Tuberkulose kann durch
diese \behandlung aufflammen und sich zu
einer aktiven, durch Tuberkulostatika nur
schwer beherrschbaren Tuberkulose entwi –
ckeln. Untersuchungen zum Nachweis einer
Tuberkulose (Mantoux, \bluttests, Thoraxrönt –
gen) müssen vor jeder \biotherapie durchge –
führt werden. Im Weiteren sind alle bei jeder
Immunosuppression üblichen Vorsichtsmass –
nahmen zu treffen. Insbesondere wird bei
Patienten, die keine Varizellen hatten, jeder
Kontakt mit einem varizellenkranken Kind zu
einer prophylaktischen \behandlung führen.
Vor der Behandlung • Kontraindikationen ermitteln: Infektion,
maligne Krankheit
• Medikamentenallergie• Impfstatus evaluieren• Impfungen vervollständigen• Tuberkulose ausschliessen• Abklärung: Blubild, Transaminasen,
Kreatinin, Leberserologie, HIV,
Autoantikörper, Harnuntersuchung
• Schwangerschaftsverhütung besprechen• Information über Risiken und Vorsichts –
massnahmen
Regelmässige Kontrollen
• Blutbild, Transaminasen, Kreatinin• Tocilizumab-Behandlung: Cholesterin und
Triglyceride
• Bei abnormem Resultat Dosisreduktion
oder Unterbrechung der Behandlung in
Betracht ziehen
Bei Infektion
• Keine Medikamenteninjektion• Unverzügliche ärztliche Untersuchung• Bei Varizellen- oder Masernexposition pro –
phylaktische Behandlung in Betracht ziehen
• Tocilizumab-Behandlung: Cave falsch tiefes
CRP
T\bbelle 4: Vorsichtsmassnahmen bei \behandlung mit biologischen Medikamenten.
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTab
10
Schlussfolgerung
Die \betreuung entzündlicher rheumatischer
Erkrankungen hat in den letzten Jahrzehnten
grosse Fortschritte gemacht, die entzündli-
chen Krankheiten werden besser beherrscht
und die Prognose hat sich deutlich verbes –
sert. Die Anwendung der neuen Therapiefor –
men verlangt Kenntnisse und Kompetenzen,
um den jungen Patienten qualitativ hochste –
hende Leistungen zu garantieren. Durch die
enge Zusammenarbeit zwischen Kinderarzt
und Kinderrheumatologe kann eine globale
\betreuung des Patienten und seiner Familie
erreicht werden.
Korrespondenzadresse
PD Dr. Michaël Hofer
Unité d’immuno -allergologie et rhumatologie
Unité romande de rhumatologie pédiatrique
Service de Pédiatrie
Centre Hospitalier Universitaire Vaudois
( C H U V – \b H11 )
CH-1011 Lausanne
Michael.hofer@chuv.ch
Der Autor deklariert «Consultant fees of
Novartis and Abbvie».
dere während der Adoleszenz und beim
Übergang ins \berufsleben. Sie bedürfen des
–
halb einer multidisziplinären \betreuung durch
Pädiater, Kinderrheumatologe und weitere
Spezialärzte je nach auftretenden Problemen.
\beim Jugendlichen sollte man nicht zögern,
Spezialisten in Adoleszentenmedizin beizuzie –
hen und der Übergang in die Erwachsenenme –
dizin sollte im Rahmen einer strukturierten
Transition stattfinden.
Ebenso ist eine enge Zusammenarbeit mit
anderen Gesundheitsberufen (Pflegefachfrau –
en, Physio- und Ergotherapeuten, Psycholo –
gen) sinnvoll, in Abhängigkeit der funktionel –
len \behinderungen und psychosozialer
Probleme. In der Romandie arbeiten wir mit
Pflegefachfrauen der Ligue Genevoise contre
le Rhumatisme zus ammen, die au f die P roble –
me der Patienten eingehen, sie beraten und
Patienten und Familie therapiebezogene An –
leitungen vermitteln. Durch eine Pflegefach –
frau vermittelte therapiebezogene \beratung
is t b esonder s b ei der \b ehandlung mit biologi –
schen Medikamenten von grossem Nutzen,
nicht nur in Hinsicht auf praktische Aspekte
wie Injektionen, sondern auch um auf alle
Punkte einzugehen, die Patienten im Rahmen
ihrer \behandlung zu ihrer eigenen Sicherheit
kennen müssen.
Abkürzungen
ACR American College against Rheumatism
CAPS Cryopyrine Associated Periodic Syndrome
FMF Familial Mediterranean Fever
HIDS HyperIgD Syndrome
I L- Interleukine-
ILAR International League against Rheumatism
JADAS Juvenile Arthritis Disease Activity Score
JADI Juvenile Arthritis Damage Index
JAMAR Juvenile Arthritis Multidimensional Assessment Report
JIA Juvenile Idiopathische Arthritis
Mab Monoclonale Antikörper
PFAPA Periodic Fever, Aphthous stomatitis, Pharyngitis and cervical Adenitis
sJIA Juvenile Idiopathische Arthritis, systemische form
SAPHO Synovitis, Acne, Pustulosis, Hyperostosis, Osteitis
TNF Tumor Necrosis Factor
TRAPS TNF Receptor Associated Periodic Syndrome
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTab
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Michaël Hofer Andreas Nydegger