Die Konservierung von Nahrungsmitteln ist, seit jeher, für alle menschlichen Gesellschaften (und sogar für Tiere!) ein Anliegen von grösster Bedeutung. Hochkonzentriertes Salz oder Zucker, Rauch, Erwärmung, Tiefgefrierung veranschaulichen einige der im Verlaufe der Menschheitsgeschichte verwendeten Techniken. Im 19. Jahrhundert führten die Industrialisierung der Nahrungsmittelproduktion, sowie Fortschritte in der Chemie und neue Kenntnisse der Mikrobiologie zum zunehmenden Einsatz von chemisch identifizierten Lebensmittelzusätzen, um in erster Linie den mikrobiologischen Verfall der Nahrungsmittel zu verhindern, aber auch um zahlreiche andere Aspekte, besonders die Farbe, zu verfeinern. Mit dem Einsatz dieser Zusatzstoffe, insbesondere Farbstoffe und Konservierungsmittel, haben sich gleich auch warnende Stimmen erhoben, was deren weite Verbreitung im Verlaufe des letzten Jahrhunderts jedoch nicht verhinderte. Neuere Studien stellen nun die Unbedenklichkeit gewisser Zusatzstoffe in Frage, vor allem im Zusammenhang mit dem Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsyndrom (ADHS). Diese neuen Daten sollen in dieser Übersicht zusammengefasst werden.
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(z. B. Ketchup) Zusat zstof fe, ins\besonde –
re B enzoate, zu ver wenden, auf den
hef tigen W ider stand von Har vey W iley,
Chief of
Chemistr y des amerikanischen
Landwir tschaf tsdepar tements und Urhe –
\ber des er sten Geset zes (1906) zuguns –
ten der Le\bensmit telqualität in den USA
( Vorläufer des Geset zes, das einige Jahr –
zehnte später zur Schaf fung der FDA
führ te). H. W iley wider set z te sich der
Ver wendung von Nahr ungsmit telzusät –
zen mit der Begründung, dass sie toxisch
seien und lediglich dazu dienten, die
schlechte Qualität der Ausgangsproduk –
te oder der Fa\brikationsmethoden zu
verschleier n. Nach lang jährigem har tnä –
ckigem Einsat z, und trot z der Unter stüt –
zung durch die Är z teschaf t, verlor H.
W iley jedoch den Kampf und Benzoate
wurden 1909 in den USA zugelassen. In
d e n fo lge n d e n Jahr ze hnte n ver allge –
meiner ten sich diese Bewilligungen auf
der Basis von Toxizitätsstudien \beim Tier
und es wurde ein Accepta\ble Daily Intake
(ADI*) fest geleg t (für die Summe der
B en zoate 5 mg /k g / Tag). Dies er ADI
wurde vor wenigen Jahren durch die
EFSA \bestätig t, der Meinungsstreit ü\ber
die Toxizität der Benzoate ist damit si –
c h e r n i c ht a \bge s c h l o s s e n. Ä h n l i c h e
Ü \b e r l eg u ng e n g e l t e n f ü r P a r a \b e n e
(E214–219), enge chemische Ver wandte
der Benzoate, die selten als Konser vie –
r ungsstof fe in Nahr ungsmit teln, vor al –
lem a\ber in Kosmetika und gewissen
Medikamenten ver wendet werden (auf
Gr und schwacher Östrogenwirkung zu
den endokrinen Stör faktoren gerechnet).
Für Benzoate konnten mit tels toxikologi –
scher Studien am Tier keine spezif ischen
toxischen W irkungsweisen nachgewie –
sen werden. Nach Einnahme werden sie
r a s c h r e s o r \b i e r t , m et a \b o l i s i e r t u n d
durch die Nieren ausgeschieden. Kli –
nisch wurden in der medizinischen Lite –
r atur mehr fach Reaktionen allergischer
Ar t \beschrie\ben, meist als unmit tel\bare,
durch Histaminausschüt tung \beding te
Hy per sensi\bilitätsreaktionen (Ur tikaria,
Kontaktder matitis).
Die
Konser vier ung von Nahr ungsmit teln
ist, seit jeher, für alle menschlichen Ge –
sellschaf ten (und sogar für T iere!) ein
Anliegen von grösster Bedeutung. Hoch –
konzentrier tes Salz oder Zucker, Rauch,
Er wär mung , T iefgefrier ung ver anschau –
lichen einige der im Verlaufe der Mensch –
heitsgeschichte ver wendeten Techniken.
Im 19. Jahrhunder t führ ten die Industri –
alisier ung der Nahr ungsmit telprodukti –
on, sowie For tschrit te in der Chemie und
neue Kenntnisse der Mikro\biologie zum
z u n e hm e n d e n Ein s at z vo n c h emis c h
identifizier ten Le\bensmittelzusät zen, um
in er ster Linie den mikro\biologischen
Ver fall der Nahr ungsmit tel zu verhin –
der n, a\ber auch um zahlreiche andere
Aspekte, \besonder s die Far\be, zu ver fei –
ner n. Mit dem Einsat z dieser Zusat zstof –
fe, ins\besondere Far\bstof fe und Konser –
vier ungsmit tel, ha\ben sich gleich auch
war nende Stimmen erho\ben, was deren
weite Ver\breitung im Verlaufe des let z –
ten Jahrhunder ts jedoch nicht verhinder –
te. Neuere Studien stellen nun die Un\be –
denklichkeit gewisser Zusat zstof fe in
Fr age, vor allem im Zusammenhang mit
dem Aufmerksamkeitsdef izit/Hyperakti –
vitätsyndrom (ADHS). Diese neuen Daten
sollen in dieser Ü\ber sicht zusammenge –
fasst werden.
Verordnungen und ihre
Entstehungsges\bhi\bhte
G ewisse Zusat z stof fe w ur den \bereit s
En d e d es 19. Jahr hun d er t s ver \b oten
(mehr er e Far \bs tof fe, Konser v ier ung s -
und Süssmit tel). Seit den 1950er Jahren
führ te die Ent wicklung der Konsumen –
tenrechte zunehmend zu einer Bewilli -gungsordnung,
die systematische toxiko –
l og i s c h e U n t e r s u c h u ng e n a u f e r l eg t ,
eingeführ t vor allem unter der Ä gide von
Organisationen wie WHO und FAO (ü\ber
das Joint E xper t Commit tee on Food Ad –
ditives [JECFA] und den Codex Alimenta –
rius), die Europe\bn Food S\bfet y Authorit y
(EFSA) oder die amerikanische Food \bnd
Drug Administr\btion (FDA). Die europäi –
sche Nummerier ung mit dem Buchsta –
\ben «E», gefolg t von einer Zif fer (z. B.
E100 f f für Far\bstof fe, E200 f f für Kon –
ser vierungsmittel usw.), wurde in diesem
Kontex t eingeführ t.
Für die Schweiz wird der geset zliche
Rahmen durch die Verordnung des EDI
ü\ber die in Le\bensmit teln zulässigen
Zusat zstof fe
1) festgeleg t. Die Liste der in
der Schweiz zugelassenen Zusat zstof fe
folg t der europäischen Klassif izier ung
und ist im Anhang 1 dieser Verordnung
aufgeführ t.
Konservierungsmittel:
Benzoesäure, Benzoate
Benzoesäure (E210) und deren Natrium -
(E211), Kalium – (E212) und Kalziumsalze
(E213), 1832 isolier te Analoga der Hippur –
säure
2), gehören zu den am häufigsten für
Nahrungsmittel ver wendeten Konser vie –
rungsmitteln. Ihre, \bei saurem pH das
Wachstum von Pilzen hemmende Wir –
kung, ist seit dem 19. Jahrhunder t \be –
kannt
3). Der seit 30 Jahren geklär te Wir –
kungsmechanismus \b esteht in einer
Hemmung von Glykolyse und intrazellulä –
rer ATP – Produktion
4). In gewissen P flan –
zen (Preisel\beere, Kakao) natürlich vor –
kommend, werden die als Zusat zstof fe
ver wendeten Benzoate synthetisch her –
gestellt.
Anfangs des 20. Jahrhunder ts stiess die
A\bsicht der amerikanischen Nahr ungs –
mit telindustrie, in gewissen Produkten
Lebensmittelzusatzstoffe und
Aufmerksamkeitsdefizit/Hy\beraktivität
beim Kind
Manuel Diezi 1, 2, Thierry Buclin 1, Jacques Diezi 3
Ü\bersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux- de – Fonds
1 Division de Pharmacologie Clinique, Centre Hospi-
talier Universitaire Vaudois, Lausanne
2 Département Médico- Chirurgical de Pédiatrie, Cen –
tre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne
3 Institut de Pharmacologie et Toxicologie, Universi-
té de Lausanne *
Der ADI -Wert gi\bt die Menge in mg/kg Körperge –
wicht/Tag eines Le\bensmittelzusatzstof fes oder
-Verunreinigung an, die ü\ber die gesamte Le\bens-
zeit täglich eingenommen werden kann, ohne dass
dadurch gesundheitliche Gefahren zu er warten
wären. Er wird durch Extrapolation ausgehend von
Tier versuchen erhalten, und \berücksichtigt einen
zusätzlichen, oft 100 -fachen Sicherheitsfaktor.
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Abbildung 1: Wichtigste, im Text erwähnte, Moleküle.
Benzoesäure (E210) Methylpara\ben (E218)
Gel\borange S (E110)
Azoru\bin oder Carmoisin (E122)
Tartrazin (E102)
Cochenillerot A oder
Ponceau 4R (E124) Chinolingel\b (E104)
Allurarot AC (E129)Ursprungs,
aus Kosten – und Fa\brikations –
gründen werden a\ber in grösseren Men –
gen synthetische Produkte eingeset z t
(ins\besondere A zofar\bstof fe, die ca. 70%
der gesamthaf t ver wendeten Nahrungs –
mittelfar\bsof fe ausmachen).
O\bwohl seit nun 50 Jahren die Zulassungs –
verfahren für Nahrungsmittelzusatzstoffe
vereinheitlicht wurden und auf Toxizitäts –
studien \beruhen müssen, wird die Un –
schädlichkeit dieser Su\bstanzen regelmäs –
sig angezweifelt. Einer der \bekanntesten
Kritiker auf diesem Sachge\biet war Dr.
Benjamin Feingold, Kinderarzt und Allergo –
loge aus Kalifornien, der seit den 1990er
Jahren auf der Schädlichkeit von Nahrungs –
mittelzusatzsätzen wie Far\bstoffen, Aro-
men und gewissen Konservierungsmitteln
\bestand, die seiner Meinung nach für eine
Vielzahl von Ne\benwirkungen verantwort-
lich sind, u. a. die Symptome des ADHS
5). In
Nahrungsmittelfarbstoffe
Natürlich vorkommende Far\bstof fe wer –
den seit Jahrhunder ten ver wendet, um
das Aussehen von Nahrungsmitteln zu
ver\bessern, of t leider auch in irreführen –
der und \betrügerischer A\bsicht. Schon im
Mittelalter wurden deshal\b Vorschrif ten
erlassen, unter anderem in Frankreich
und England. Die Zunahme von \betrügeri –
schen Machenschaf ten im Verlaufe des
19. Jahrhunder ts und der Nachweis der
Toxizität einer Anzahl dieser Nahrungs –
mittelzusät ze führ ten zu einer Verschär –
fung der Verordnungen und ins\besondere
zum Ver\bot der häufig als Nahrungsmit –
telfar\bstof fe eingeset z ten Metallsalze
(Kupfer, Blei, Merkur).
Der erste, 1856 aus Steinkohleteer ge –
wonnene anilinar tige Far\bstof f öf fnete
den Weg zur Synthese einer ganzen Reihe von
neuen organischen Far\bstof fen, die
ins\besondere in der Tex tilindustrie, sehr
früh a\ber auch in Nahrungsmitteln ver –
wendet wurden. Mehrere davon er wiesen
sich als toxisch und neue Verordnungen
wurden not wendig. So \beschränkte das
neue amerikanische Geset z von 1906
(Pure Food \bnd Drugs Act) die Anzahl der
in Nahrungsmitteln zugelassenen synthe –
tischen organischen Far\bstof fe auf 7
Su\bstanzen.
Im Verlaufe des 20. Jahrhunder ts wurden
die Listen der als Nahrungsmittelzusät ze
zulässigen Far\bstof fe mehr fach ange –
passt, auf Wunsch der Nahrungsmittelin –
dustrie und auf Grund experimenteller
toxikologischer Daten, die es den zustän –
digen Behörden erlau\bten, ADIs fest zule –
gen. Zur zeit sind an die 45 Nahrungsmit –
telfar\bstof fe in der Schweiz und in der EU
zugelassen. Die meisten sind natürlichen
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zu \beraten. Diese Sit zung kam e\benfalls
einer «Citizen petition» des Center for
Science in the Public Interest entgegen.
Die FDA als solche hatte \bereits, als Ant –
wor t auf diese Petition, zur Southampton –
studie Stellung \bezogen und erklär t, die
Studie erlau\be es nicht, in der Allgemein –
\bevölkerung einen Kausalzusammenhang
z wischen Einnahme von Nahrungsmittel –
far\bstof fen und ADHS – Syndrom \bei Kin –
dern her zustellen. Für gewisse Kinder
jedoch, die \bereits an einem ADHS oder
an Verhaltensstörungen leiden, lassen die
Erge\bnisse der Studie vermuten, dass
Nahrungsmittelzusät ze, Far\bstof fe in\be –
grif fen a\ber nicht ausschliesslich, zu ei –
ner Verschlimmerung der Symptome füh –
ren können.
Die Schlussfolgerungen der FDA wurden
kürzlich dem aus 14 Mitgliedern verschie-
dener Spezialge\biete aus Medizin und Wis-
senschaf t \bestehenden Food Advisory
Committee unter\breitet. Nach Anhörung
von immerhin 15 Experten kam das Com –
mittee zu folgenden Schlussfolgerun –
gen***.
1. Die Studie von 2007 erlau\bt es nicht,
einen Kausalzusammenhang z wischen
Nahrungsmittelfar\bstof fen und ADHS
herzustellen (11 gegen 3 Stimmen).
2. Spezif ische War nungen vor den \be –
tref fenden Far\bstof fen auf Packungen
werden nicht empfohlen (8 gegen 6
Stimmen).
3. Zusätzliche Studien sind notwendig (13
gegen 1 Stimme).
S\bhlussfolgerungen
Zahlreiche Studien ha\ben versucht, die vor
etwa 50 Jahren aufgestellte Behauptung
von B. Feingold, wonach zwischen der Ein-
nahme synthetischer Nahrungsmittelzu –
satzstoffe und ADHS ein Kausalzusammen –
hang \bestehe, zu \bestätigen oder zu
widerlegen. Wenn auch gewisse neuere
Studien mit dieser Hypothese verein\bar
sind, ist ihre wissenschaftliche Aussage-
kraft ungenügend, um glau\bhaft zu ma-
chen, dass ein solches Risiko für die, ins\be –
der
Folge wurden zahlreiche klinische und
experimentelle Studien durchgeführ t,
Metaanalysen wurden pu\bliziert ohne dass
die Rolle der \betroffenen Zusatzstoffe a\b-
schliessend hätte festgelegt werden kön-
nen. Auf Ersuchen der \britischen Food
St\bnd\brds Agency wurde 2007 durch eine
Gruppe des Universitätsspitals Southamp-
ton eine randomisierte, place\bokontrollier –
te, doppel\blind ca. 300 3- und 8/9-jährige
Kinder umfassende Studie durchgeführt
6).
Die Autoren kommen zum Schluss, dass die
orale Vera\breichung eines Gemisches von
Nahrungsmittelfar\bstoffen (total 6) und
Benzoaten Hyperaktivitätssymptome her-
vorruft, wo\bei die Wirkung statistisch sig-
nifikant a\ber relativ schwach ist und eine
starke interindividuelle Varia\bilität auf –
weist. In einer Folgestudie
7) weisen diesel-
\ben Forscher auf die Bedeutung geneti-
scher Faktoren \bei der Ausprägung der
ADHS-Symptome und auf einen möglichen
genetischen Polymorphismus im Zusam –
menhang mit der Wirkung von Histamin
(dessen Ausschüttung durch die Far\bstoffe
\bedingt wäre) auf das Gehirn hin. Sie sind
der Meinung, dass die interindividuellen
Unterschiede und die widersprüchlichen
Wirkungen von Nahrungsmittelzusätzen auf
genetisch \bedingter, individueller Empfind –
lichkeit \beruhen könnte.
Als Folge der Southamptonstudie von
2007 nahmen mehrere nationale und in –
ternationale Behörden zur Frage einer
möglichen Anpassung der Verordnungen
ü\ber die Nahrungsmittelfar\bstof fe Stel –
lung, um die \beschrie\benen Wirkungen auf
das ADHS -Syndrom zu \berücksichtigen.
Diese Stellungnahmen werden nachfol –
gend zusammengefasst.
S\bhweiz
Das Bundesamt für Gesundheit erachtet
die Pu\blikation von 2007 als wissenschaft –
lich nicht ü\berzeugend. Es ist der Meinung,
dass die derzeit gültige, gesetzlich vorge –
schrie\bene Pflicht, auf der Verpackung die
im Nahrungsmittel enthaltenen Far\bstof fe
(unter Anga\be des chemischen Namens
und/oder der E- Nummer) zu vermerken,
dem Ver\braucher die notwendigen Infor –
mationen vermittelt und es ihm erlau\bt,
entsprechend seine Wahl zu tref fen. Eine
Warnung auf der Packung sei keine gute
Lösung: Stellt ein Zusatzstof f ein wissen –
schaftlich \bewiesenes Gesundheitsrisiko dar,
dann sollte er gar nicht zugelassen
werden
8).
Europäis\bhe Union
Die EU hatte schon anfangs dieses Jahr –
hunderts \beschlossen, zur Gesamtheit der
Nahrungsmittelzusätze, Far\bstof fe in\be –
grif fen, neu Stellung zu nehmen. Als Folge
der Pu\blikation von 2007 \beauftragten die
europäischen Behörden die EFSA, vor –
dringlich die in dieser Studie untersuchten
Far\bstof fe zu evaluieren und eine Verord –
nung (CE 1333/2008) anzuwenden, die
seit dem 20. Juli 2010 verlangt (Ar t. 24),
dass Nahrungsmittelpackungen folgende
Aufschrift tragen: «Bezeichnung oder E-
Nummer des Far\bstof fs/der Far\bstof fe:
Kann Aktivität und Aufmerksamkeit \bei
Kindern \beeinträchtigen»**.
Andererseits hat die EFSA 2009 die 6 \be –
troffenen Far\bstoffe nach klassischen toxi –
kologischen Methoden, unter Berücksichti –
gung älterer und neuer Daten, neu
untersucht und, wo dies ange\bracht schien,
den ADI angepasst. Schlussendlich hat die
EFSA den ADI für drei Far\bstoffe herange-
setzt (E104, E110, E124) und für die drei
ü\brigen \bestätigt. Die Hera\bsetzung des
ADI \beruhte nicht auf den Schlussfolgerun –
gen der Southamptonstudie, sondern viel-
mehr auf einer Neuinterpretation \bestehen –
der toxikologischer Daten.
Die EFSA hat 2008 eine detaillier te Eva –
luation dieser Studie pu\blizier t
9). Sie
kommt zum Schluss, dass deren Erge\b –
nisse eine Änderung des ADI der \betref –
fenden Far\bstof fe nicht recht fer tigen, da
die Studie wesentliche Ungewissheiten
\beinhaltet, ins\besondere weil die \beo –
\bachteten Ne\benwirkungen nur wenig
ausgepräg t waren, wichtige Anga\ben zur
Klinik und allgemein eine zusammenhän –
gende Darstellung fehlen.
USA
Die FAD \berief am 30.–31. März 2011 ihr
Food Advisory Committee ein, um ü\ber die
Schlussfolgerungen der Studie von 2007
*** Alle Dokumente im Zusammenhang mit dieser Be-
urteilung (wie auch das wortwörtliche Protokoll
dieser 2 Tage, ü\ber 600 Seiten!) können auf der
folgenden We\bsite eingesehen werden:
http://w w w.fda.gov/Advisor yCommittees/Com –
mitteesMeetingMaterials/FoodAdvisor yCommit –
tee/ucm149740.htm .
**
Folgende Far\bstof fe wurden in der Southampton –
studie ver wendet: E110 (Gel\borange S, Sunset
Yellow), E104 (Chinolingel\b), E122 (Azoru\bin), E129
(Allurarot AC), E102 (Tartrazin), E124 (Cochenillerot
A/Ponceau 4R).
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sondere kindliche, Allgemein\bevölkerung
\besteht. Gewisse ADI wurden kürzlich her-
a\bgesetzt, a\ber aus anderweitigen toxiko-
logischen Ü\berlegungen. Die Möglichkeit,
dass individuell, auf Grund persönlicher
genetischer Merkmale (genetische Poly-
morphismen) eine \besondere Empfindlich –
keit gegenü\ber Nahrungsmittelzusätzen
\besteht, wird schon seit Jahren vermutet
und stellt einen interessanten Forschungs-
ansatz dar. In Erwartung ausführlicher In-
formationen könnten diese Elemente den
Versuch wert sein, Nahrungsmittelfar\bstof –
fe \bei Kindern mit \bekanntem ADHS zu
vermeiden.
Die EU hat im Gegensatz zur Schweiz und
den USA eine Verordnung eingeführ t, die
vorschrei\bt, auf Packungen von Nahrungs –
mitteln, die einen oder mehrere der kürz –
lich untersuchten synthetischen Nah –
r ungsmit telfar\bstof fe enthalten, eine
entsprechende War nung anzu\bringen.
Diese Massnahme hat immerhin erreicht,
dass mehrere Nahrungsmittelhersteller
die \betrof fenen synthetischen Far\bstof fe
durch andere Produkte ersetzt ha\ben, um
das An\bringen der er forderlichen War –
nung zu vermeiden!
In der Diskussion um den Zusammenhang
z wischen Nahrungsmit telzusat zstof fen
und Auf treten oder Verschlimmerung von
Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivi –
tät muss festgehalten werden, dass diese
nicht nur in einer Anzahl Sirupen und für
Kinder \bestimmten Medikamenten vor –
handen sind, sondern dass man sie vor
allem auch in vielen Schleckereien und
gesüssten Getränken findet, deren Ein –
nahme durch Kinder ohnehin aus gesund –
heitlichen und zahnhygienischen Gründen
möglichst eingeschränkt werden sollte!
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Korres\bondenzadresse
Dr Manuel Diezi
Chef de clinique
Unité d’onco -hématologie pédiatrique
DMCP
CHUV
1011 Lausanne
manuel.diezi@chuv.ch
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Manuel Diezi , Département médico-chirurgical de pédiatrie Hôpital Universitaire Thierry Buclin Jacques Diezi Andreas Nydegger