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Kinderkardiologie einfach – 1×1 für die Praxis

Eine der schwierigeren Aufgaben, die ein Kinderarzt zu bewältigen hat, ist zu entscheiden, ob eine weitergehende Abklärung angezeigt ist oder nicht.

Die Kunst abzuwägen, wann und wie den Eltern die eigenen differentialdiagnostischen Überlegungen mitzuteilen sind, erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl – das gilt beim Herzen in ganz besonderem Masse:

Wie kaum ein anderes Organ ist das Herz über alle Völker hinweg mit emotionaler Bedeutung verbunden. Eine kardiale Symptomatik erweckt deshalb bei den Eltern und (älteren) Kindern oft grosse Betroffenheit und Ängste – sei sie nun aus ärztlicher Sicht gerechtfertigt oder nicht.

Im Folgenden möchten wir eine praktische Anleitung bei der Triagierung von Kindern mit kardialen Symptomen sowie bei der Betreuung von herzkranken Kindern geben. Die folgenden Tipps und Überlegungen sollen eine Hilfestellung im Praxisalltag geben.

1. Abklären oder Abwarten?

1.1 Abklären

In der folgenden Auflistung finden sich – nach Dringlichkeit geordnet – die häufigsten Situationen mit kardialen Verdachtsmomenten, welche aus unserer Sicht eine Abklärung notwendig machen.

Notfall

  • Eine Zyanose bei einem Neugeborenen, welche nicht oder nur teilweise durch die Atmung erklärbar ist, erfordert eine sofortige kinderkardiologische Diagnostik mit Echokardiographie.
  • Fehlende Inguinalpulse eventuell in Kombination mit einer Hypertonie der oberen Extremitäten beziehungsweise einem Blutdruckgradienten zwischen Armen und Beinen in der Wochenbettuntersuchung: Auch bei bestem Allgemeinzustand muss unbedingt eine telefonische Anmeldung bei der Kinderkardiologin erfolgen. Die Anmeldung sollte nicht per Fax oder E-Mail gemacht werden, um unnötige Verzögerungen bei der Abklärung zu vermeiden.
  • Im Wochenbett ist ein sekundäres, nach einigen Stunden oder Tagen auftretendes Atemnotsyndrom, vor allem wenn keine Besserung durch eine Atemunterstützung (z.B. CPAP, Perivent®) erreicht werden kann oder wenn die Sauerstoffsättigung nur ungenügend auf einen Hyperoxietest anspricht, Anlass für eine dringliche Abklärung. Dies gilt auch wenn bei Infektionsverdacht, trotz adäquater antiinfektiöser Therapie, keine Besserung der Atemsituation zu erreichen ist.
  • Fieber, Thoraxschmerzen oder Dyspnoe in den ersten 4-6 Wochen nach Operation: Hier sollte der betreuende Kinderkardiologe unverzüglich telefonisch informiert werden. Ist dieser nicht erreichbar, muss der Patient zum Ausschluss von postoperativen Komplikationen (Postperikardiotomiesyndrom, Wundinfektion, Chylothorax etc.) in das Zentrum, in welchem die Operation stattgefunden hat, zugewiesen werden.
  • Bei Verdacht auf Endokarditis beim herzkranken Kind – kleben Sie schon in der Praxis EMLA®! KEINE ANTIBIOTIKA VOR ANAHME DER BLUTKULTUR!
  • Zu Thoraxschmerzen im Zusammenhang mit Covid-19 verweisen wir auf den entsprechenden Beitrag. Grundsätzlich ist in diesem Fall grosszügig ein EKG zu schreiben und eine Enzymdiagnostik zum Ausschluss einer Myokarditis zu veranlassen.
  • Bei einem heftigen thorakalen Trauma (Autounfall, Huftritt gegen Thorax etc.) muss ein Kinderkardiologe involviert werden.

Jede kardiale Symptomatik gekoppelt mit einem beeinträchtigten Allgemeinzustand ist über alle Altersstufen hinweg immer ein Warnsignal, das umgehendes ärztliches Handeln erfordert.

Regulärer Sprechstundentermin

Herzgeräusch

  • Herznebengeräusche sind einer der häufigsten Gründe, warum ein Kind in die kinderkardiologische Sprechstunde kommt. Ein auf ein bestimmtes Vitium verdächtiges Herzgeräusch ist eine klare Indikation zur Weiterabklärung – das Geräusch als solches einordnen zu können, erfordert viel Übung und Erfahrung. Ein Herzgeräusch und zusätzlich andere kardiale Symptome sind Grund, weitergehende Untersuchungen zu veranlassen. Auch mehrere gleichzeitig vorhandene, anderweitige kardiale Symptome sollten den Kinderarzt veranlassen eine Zuweisung zum Kardiologen in Erwägung zu ziehen.1)
  • Je jünger der Patient ist (v.a. erstes Lebensjahr) desto eher sollte man zur Abklärung schreiten.
  • Wenn das Systolikum rau, ausstrahlend und >3/6 laut ist, soll ein Sprechstundentermin veranlasst werden.
  • Jegliches Diastolikum ist pathologisch und muss abgeklärt werden.

Mit oder ohne Herzgeräusch:

  • Ein Kind mit Herzinsuffizienzzeichen braucht eine kardiologische Untersuchung. Herzinsuffizienzzeichen sind: unklare Gedeihstörung, Tachypnoe, Hepatomegalie, Trinkschwäche, vermehrtes Schwitzen auch bei geringer körperlicher Aktivität (Schweissperlen auf der Stirn oder nasses «Baby-Body» beim trinkenden Säugling), Leistungsknick, auffallend viele und heftige respiratorische Infektionen.
  • Familiäre Kardiopathien (z.B. hypertrophe Kardiomyopathien, bikuspide Aortenklappe, ausgewählte Rhythmusstörungen) sind ein Grund zur gelegentlichen Abklärung. Eventuell liegt bereits die Empfehlung dazu durch den behandelnden Kardiologen der Eltern vor.
  • Wird ein Syndrom mit bekannter Assoziation zu Kardiopathien diagnostiziert, sollte im Verlauf eine kardiale Abklärung stattfinden. Manchmal wird das Syndrom auch aufgrund der kardialen Befunde diagnostiziert (Marfan, Trisomie 21, Williams Beuren, Noonan, X0, Sotos, Naxos, etc.). In dieser Situation sollte unbedingt auch eine genetische Beratung der Familie erfolgen.
  • Ein «syndromal wirkendes» Kind (unklar ob bzw. welches Syndrom vorliegt) mit oder ohne kardiale Symptomatik sollte gelegentlich den Weg in eine kardiologische Sprechstunde finden.
  • Jegliche arterielle Hypertonie jenseits des Neugeborenenalters muss abgeklärt werden.

Palpitationen:

  • Bestehen in der Anamnese Warnzeichen wie Auslösung durch Anstrengung, Kombination mit Synkopen oder Thoraxschmerzen sollte das Kind zugewiesen werden. Ansonsten ist Zurückhaltung angebracht, ev. nützt schon das «ernst nehmen» mit Tagebuch führen lassen und allenfalls eine Schilddrüsenhormonbestimmung. Auch die Frage nach psychischen Belastungsmomenten gehört dazu.

Thoraxschmerzen:

  • Treten die Thoraxschmerzen im Zusammenhang mit Anstrengung, Palpitationen oder (prä-)synkopalen Zuständen auf, sollte eine Abklärung ins Auge gefasst werden. Ansonsten ist wie bei den Palpitationen eine Tagebuchführung oft hilfreich. Dies selbstverständlich nachdem relevante nicht-kardiale Ursachen in Betracht bzw. ausgeschlossen wurden.

Synkopen/Präsynkopen:

  • Falls die Ohnmachtsanfälle nicht klar auf einen vagalen Auslöser oder Hyperventilation zurückzuführen sind, muss der Patient weitergehenden Untersuchungen zugeführt werden. Eine kardiologische Abklärung ist insbesondere dann angezeigt, wenn die Episoden durch Anstrengung ausgelöst werden können oder mit Palpitationen assoziiert sind. Kinder mit bekannten Herzerkrankungen oder Zustand nach Herzbehandlungen sowie Kinder mit Schrittmacher oder unter Herzmedikation sollen umgehend zur Abklärung neu aufgetretener Synkopen zugewiesen werden.2-4)

1.2. Abwarten

In den folgenden Situationen kann abgewartet werden.

  • Ein akzidentelles Herzgeräusch klingt musikalisch, ist in der Regel < 3/6 laut, strahlt nicht aus und ist lageabhängig.1) Hören Sie ein solches Geräusch ohne andere klinische Warnzeichen und jenseits vom Säuglingsalter, dann muss dieses nicht weiter abgeklärt werden. Akzidentelle Geräusche sind am häufigsten im (Vor-)Schulalter hörbar und verschwinden im Laufe der Jahre.
  • Ein speziell erwähnenswertes weiteres akzidentelles Geräusch ist das «Nonnensausen», d.h. ein Systolo-Diastolikum subclaviculär, welches bei Drehung des Kopfes verschwindet.
  • Ein erstmals im Rahmen einer Infektion gehörtes, unspezifisch klingendes Systolikum ist kein Grund für eine sofortige Abklärung; eine Nachkontrolle im infektfreien Zustand reicht aus.
  • Synkopale Ereignisse im Zusammenhang mit Exsikkation oder vagaler Stimulation müssen ebenfalls nicht primär kardiologisch abgeklärt werden. (vgl. Abbildung 1)2,4,9)
  • Muskuloskelettale Thoraxschmerzen (durch Palpation auslösbar), erfordern keine weitergehenden kardiologischen Untersuchungen.
  • Unabhängig von der Aktivität bestehende, intermittierende, stechende Thoraxschmerzen (messerstichartig) ohne weitere Krankheitssymptome sind auch als funktionelle Thoraxschmerzen bekannt und bedürfen keiner weiteren Abklärung. Typischerweise betrifft dies eher ältere Schulkinder.
  • Zyanotische Extremitäten oder ein zyanotisches Munddreieck innerhalb der ersten 6 Lebensmonate sind kein Grund zur Beunruhigung, sofern sonst keine anderen kardialen, pulmonalen oder infektiösen Warnhinweise (insbesondere normale Sauerstoffsättigung) bestehen und sie nicht mit einer zentralen Zyanose (Zunge) assoziiert sind. (vgl. Abbildung 2)5)
Abbildung 1. Zeichnung einer vagalen Präsynkope eines 8-jährigen Mädchens «Aua, Mami ich han mir in Finger gschnitte»
Abbildung 2. Blaue Händchen ohne weitere Symptomatik im ersten halben Jahr.
Mit freundlicher Genehmigung der Eltern.

2. Kinder mit bekannter Herzerkrankung

2.1. Betreuung vor einer Korrekturoperation oder Palliativeingriff

Abwechselnde, je nach Vitium, engmaschige Kontrollen beim Kinderarzt beziehungsweise beim Kinderkardiologen sind unerlässlich, um die Bedürfnisse des Patienten einschätzen zu können. Die Kreislaufsituation ist vor allem in den ersten 3 Lebensmonaten grossen Veränderungen unterworfen (postnatale kardiopulmonale Adaptation) und das Gedeihen dieser Kinder steht in enger Wechselwirkung mit der kardialen Situation. Die beiden Ärzte müssen daher in regelmässigem Austausch stehen. Folgende Parameter sind von besonderem Interesse: Vitalwerte (Puls, Atemfrequenz, BD, SpO2), Atmung (Atemfrequenz, -arbeit, -geräusche etc.), Gewichtsverlauf, Trinkverhalten, Ernährung, Bewusstseinsveränderungen/Synkopen. Der Kinderkardiologe steht für Fragen der Eltern oder des Kinderarztes zur Verfügung. Je nach Verlauf lässt sich auf diese Weise der optimale Operationszeitpunkt gemeinsam besser finden.

Dieser Austausch erhöht das Vertrauen der Eltern in die ärztliche Betreuung und ist ein erheblicher Komfortgewinn für die betroffene Familie, vor allem, wenn sie weit weg vom kardiologischen Zentrum wohnt.

Säuglinge: Häufig besteht eine Ernährung mit angereicherter Säuglings-/Muttermilch: Die diesbezügliche initiale Instruktion erfolgt meist durch den Kinderkardiologen bzw. die Pflegenden im Zentrumsspital. Es ist ratsam – insbesondere bei fehlender Gewichtszunahme – sich als Arzt/Ärztin zeigen oder beschreiben zu lassen, wie die Zubereitung der Milchmahlzeit erfolgt. Im Verlauf leiden viele dieser Kinder unter Obstipation / abdominellen Beschwerden – Macrogol® kann hier helfen.

Kinder mit Diuretika: Cave Elektrolytentgleisung bei Gastroenteritis in Rücksprache mit dem Kardiologen soll eine stationäre Einweisung und / oder ein vorübergehendes Absetzen der Diuretika diskutiert werden.

Gastroenteritiden oder andere Zustände, die eine Volumensubstitution notwendig machen, erfordern eine besondere Aufmerksamkeit: Wenn immer möglich soll eine perorale Rehydrierung angestrebt werden. Falls doch eine intravenöse Flüssigkeitssubstitution notwendig ist, wird eine Zuweisung in ein Kinderspital mit Expertise in Kinderkardiologie dringend empfohlen; die intravenöse Flüssigkeitssubstitution muss vorsichtig (10ml/kg/über 30-60min) und unter engmaschiger kardiopulmonaler Überwachung stattfinden.

Eisenmangel: Im Hinblick auf Operationen sollten die Eltern – wie auch sonst – auf eine ausgewogene Ernährung achten, um möglichst eine Anämie zu verhindern. Gegebenenfalls soll grosszügig eine Eisensubstitution erfolgen. Gerade bei Patienten mit zyanotischen Vitien ist ein höherer Hämoglobingehalt anzustreben (>130 g/L). Ein «normaler» Hämoglobinwert bedeutet bei diesen Kindern bereits eine massive Anämie!

2.2. Betreuung unmittelbar nach der Herzoperation und im weiteren Verlauf

Fieber, Thoraxschmerzen oder ganz allgemein eine Verschlechterung der kardiopulmonalen Situation in den ersten 4-6 Wochen nach der Operation erfordern eine unverzügliche Zuweisung zum betreuenden Kardiologen bzw. ins Zentrum, in welchem die Operation stattgefunden hat. Differentialdiagnostisch soll an ein Postperikardiotomiesyndrom mit z.T. hämodynamisch relevantem Perikarderguss oder auch an eine Mediastinitis etc. gedacht werden.

Narbe: Zu Beginn ersetzt man abfallende Steristrips bis 4 Wochen postoperativ, um danach mit Massage unter Verwendung einer herkömmlichen fetthaltigen Creme (z.B. Nivea®) zu beginnen. Diese Massnahme hilft, eine überschiessende Narbenbildung zu verhindern. Ein absoluter Sonnenschutz (z.B. T-Shirt, Ganzkörper-Badekleid) wird bis ein Jahr nach Sternotomie/Thorakotomie empfohlen. Kommt es trotz aller Bemühungen zu einer ausgeprägten Keloidbildung, kann ein Plastischer Chirurg beigezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass diese Patientinnen im weiteren Leben eventuell eine erneute Sternotomie benötigen. Dies muss dem Plastischen Chirurgen mitgeteilt werden, auch in welchem Zeitraum eine allfällige erneute Sternotomie erwartet wird – teilweise gibt es dann Empfehlungen bezüglich Nahtmaterial / Technik etc. beim nächsten Mal.

Wenn man die Kinder im Verlauf beiläufig auf die Narbe anspricht, hört man sehr unterschiedliche Antworten: Für die einen ist die Narbe ein grosses Stigma, für andere überhaupt kein Problem.

Nicht wenige junge Erwachsene lassen sich ein Tattoo im Bereich der Narbe stechen. Spricht man sie darauf an, hört man oft Aufschlussreiches über ihre Lebensgeschichte. Von einem Tattoo in eine noch unreife Narbe sollte abgeraten werden. (siehe auch Beitrag betreffend Endokarditisprophylaxe).

Rhythmusstörungen sind ein häufiges Problem in der Kinderkardiologie. Sie sollten bei jeder Konsultation bedacht und explizit erfragt werden (Palpitationen, Leistungsknick, plötzliche Blässe mit reduziertem Allgemeinzustand). Bei entsprechendem Verdacht soll eine unverzügliche Zuweisung in die Kinderkardiologie veranlasst werden. Rhythmusstörungen stellen die häufigste Spätkomplikation auch im Langzeitverlauf nach einer Herzoperation dar.

Entwicklungsverzögerung: In der Regel wird routinemässig eine Zuweisung in die Entwicklungspädiatrische Spezialsprechstunde 1 Jahr nach Operation an der Herzlungenmaschine empfohlen oder bereits von der Klinik, in welcher die Operation stattgefunden hat, vorgemerkt.

Eine Skoliose ist eine mögliche Spätkomplikation nach lateraler Thorakotomie. Es lohnt sich bei den Vorsorgeuntersuchungen einen aufmerksamen Blick auf die Wirbelsäule zu werfen.

Impfungen: Ein vollständiger Impfstatus ist gerade bei Kleinkindern, die lange und oft im Spital sind, äusserst wichtig. Schnell geht eine Impfung «vergessen» – und dies bei teilweise sehr vulnerablen Patienten.

Antikoagulierte Patienten werden in der Regel via Zentrum geführt. Falls nicht, muss auch bei stabilen Werten unbedingt daran gedacht werden, das Kontrollintervall bei infektiösen Erkrankungen zu verkürzen (Gastroenteritiden oder andere Infektionen und Situationen mit schlechtem Appetit). Unter Umständen ist eine tägliche Messung und eine grosszügige Rücksprache mit dem involvierten Kinderhämatologen / -kardiologen indiziert!

Komplexe Vitien und Notwendigkeit einer Hospitalisation / Operation aus extrakardialen Gründen: Patienten mit komplexen Vitien sollen auch bei extrakardialen gesundheitlichen Problemen möglichst in dasjenige Zentrum zugewiesen werden, in dem sie am Herzen operiert wurden oder in dem zumindest eine permanente kinderkardiologische Versorgung vorhanden ist. Kurze Wege und das Vorhandensein der kompletten Krankenakte erhöhen die Sicherheit.

Endokarditis / -prophylaxe: Siehe entsprechender Beitrag.

2.3. Jugendliche / Transition

  • Menarche: Bei Mädchen mit Kardiopathien soll regelmässig nach der Blutungsstärke gefragt werden, ggf. ist grosszügig der Hämatokritwert zu überprüfen. Cave: Je nach Vitium bzw. Kreislaufsituation gelten andere anzustrebende Werte.
  • Verhütung: Vorsicht ist bei antikoagulierten Patientinnen geboten.6,7) Bei Patientinnen mit Fontanzirkulation besteht aufgrund der speziellen Kreislaufsituation ein prothrombotischer Status und eine Belastung der Leber bis hin zur ausgeprägten Hepatopathie. Solchen Patientinnen dürfen keine oralen Antikonzeptiva gegeben werden. Ebenso dürfen orale Antikonzeptiva nicht an Patientinnen mit schwerer pulmonal-arterieller Hypertonie verabreicht werden. In vielen Fällen ist ein orales Antikonzeptivum jedoch aus kinderkardiologischer Sicht kein Problem oder zumindest das kleinere als eine Schwangerschaft.
  • Generell ist es ratsam, Patientinnen mit komplexen Vitien oder medikamentös beeinflusstem Gerinnungsstatus frühzeitig eine Betreuung bei Gynäkologinnen aus einem Zentrum mit GUCH (Grown up with Congenital Heart Disease)-Erfahrung zu empfehlen.
  • Schwangerschaft: Aus kardialer Sicht ist dies bei den meisten Vitien und in vielen Fällen auch bei anderweitigen Kardiopathien möglich. Der Jugendlichen muss man aber sagen, dass sie den Kinderwunsch frühzeitig mit ihrem Kardiologen besprechen soll – beziehungsweise im Falle einer ungeplanten Schwangerschaft umgehend mit ihm Rücksprache halten soll. Der massive Anstieg des Herzzeitvolumens, die Überwachung der Blutdrucksituation und die Wahl des Geburtsmodus erfordern eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit.
  • Drogen (insbesondere Nikotin und Kokain): Die Gefahr muss früh angesprochen und altersgerecht erklärt werden, um ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen.
  • Berufswahl: Wenn bereits in jungen Jahren von einer zunehmenden Herzinsuffizienz ausgegangen werden muss, ist ein Beruf mit möglichst geringer physischer Belastung wünschenswert. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass es für das persönliche Glück der Jugendlichen in der Regel wichtiger ist, eine Ausbildung in einem Feld, in dem sie sich wohl fühlen, abschliessen zu können. Es ist unsere Verantwortung, den Jugendlichen auch eine Entfaltungsmöglichkeit zu geben und sie nicht zu sehr einzuschränken. Das bedeutet, frühzeitig Weichen zu stellen, sowie den Patienten und seine Familie zu ermuntern nötigenfalls die Schule, beziehungsweise den Lehrbetrieb, adäquat zu informieren.

3. Verschiedenes

Versicherungstechnisches: Die meisten angeborenen Herz- und Gefässmissbildungen werden bis zum 20.Lebensjahr durch die IV abgedeckt (Ziffer 313 im GgV des EDI, angeborene Herz- und Gefässfehlbildungen) sofern eine Therapie (medikamentös, katheterinterventionell oder operativ) oder regelmässige fachärztliche Kontrollen notwendig sind. Die Anmeldung erfolgt in der Regel durch die Kardiologen oder bereits durch die betreuenden Ärzte der Neonatologie.

EKG-Tip bei Patienten mit Palpitationen (in der Regel ältere Kinder): «Saugnapf»-Elektroden (für Erwachsene) haben ca. ab 5 Jahren Platz auf dem Thorax. Hier kann es sich lohnen, die Zusammenarbeit mit der Hausärztin der Eltern zu suchen – oft ist sie für die Eltern schneller erreichbar als der Kinderkardiologe oder die Notfallstation und in der Regel gerne bereit, im Falle einer Tachykardie-Episode ein EKG aufzuzeichnen. Selbstverständlich muss ihr vorgängig zugesichert beziehungsweise angeboten werden, dass ein Kinderarzt / Kinderkardiologe anschliessend das EKG beurteilt.

Übergewicht: Es ist unsere Aufgabe die Eltern unmissverständlich zu motivieren, ihre Kinder in einem gesunden Lebensstil aufwachsen zu lassen – egal ob mit oder ohne Herzfehler.

Das heisst lieber draussen, laut und dreckig als drinnen vor dem Bildschirm, ruhig und sauber.

Zucker und Zähne vertragen sich schlecht. Gesunde Zähne sind wichtig fürs Herz (vgl. Beitrag zur Endokarditis). «Zuviel Bildschirm = zu viele dicke Kinder= zu viele zukünftige (herz)kranke Erwachsene».

4. «Gratis zum Mitnehmen für die Patienten»

oder was Du selber tun kannst, um Dir und Deinem Herz etwas Gutes zu tun.

Für die Kleinen:
Putz die Zähne und geh nach draussen spielen.

Für die Grösseren und Eltern:

  • Putz immer noch die Zähne
  • Treibe Sport, ausser es ist dir vom Kardiologen explizit verboten worden – das sind äusserst wenige Patienten (zB. Patienten mit pulmonal-arterieller Hypertonie oder hypertroph-obstruktiven Kardiomyopathien, akute Myokarditis, PIMS)
  • Fang nicht an zu rauchen, nimm keine Drogen
Abbildung 3. Grafik für «Putz die Zähne und geh nach draussen spielen».

Referenzen

  1. Haas N.A., Schirmer K.-R. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie, Leitlinien, Abklärung eines Herzgeräuschs im Kindes- und Jugendalter; Beschlossen vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie am 29.11.2017 www.dgpk.org/leitlinien
  2. Brignole M., Moya A., De Lange F. J., Deharo J.-C., Elliott P. M., Fanciulli A., et al. 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. European Heart Journal, Volume 39, Issue 21, 01 June 2018, Pages 1883–1948, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy037; Published: 19 March 2018
  3. W.-K. Shen, Sheldon R. S., Benditt D.G., Cohen M.I., Forman D. E., Goldberger Z. D. et al. ACC/AHA/HRS Guidline for the Evaluation and management of Patients With Syncope A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines and the Heart Rhythm Society.Circulation 2017 Aug 1;136(5):e25-e59. doi: 10.1161/CIR.0000000000000498. Epub 2017 Mar 9.
  4. Dittrich S., Dorka R., Dubowy K.-O., Pillekamp F.: Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und angeborene Herzfehler e.V. S2k- Leitlinie. Synkope im Kindes- und Jugendalter.; Beschlossen vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler am 29.02.2020 www.dgpk.org/leitlinien
  5. Kändler, L Haas N., Gorenflo M. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie, Leitlinien, Abklärung einer Zyanose. Beschlossen vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie am 06.09.2017; www.kinderkardiologie.org
  6. Regitz-Zagrosek V.  Roos-Hesselink JW, Bauersachs J, Blomström-Lundqvist C, Cífková R, De Bonis M, et al. 2018 ESC Guidelines for the management of cardiovascular diseases during pregnancy: The Task Force for the Management of Cardiovascular Diseases during Pregnancy of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J. 2018 Sep 7;39(34):3165-3241. doi: 10.1093/eurheartj/ehy340
  7. Gatzoulis M.A., Webb G.D., Daubeney P. E. F., Diagnosis and Management of Adult Congenital Heart Disease.. 3rd Edition. Elsevier Saunders 2018; ISBN 9780702079291
  8. Haas N. A., Kleideiter U., Kinderkardiologie – Klinik und Praxis der Herzerkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, 3. unveränderte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2021; ISBN: 9783132443600
  9. Lindinger A., Paul T., EKG im Kindes- und Jugendalter, 7. vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2016. doi:10.1055/b-003-128227
  10. Sendi P, Hasse B, Frank M, Flückiger U, Boggian K, Guery B et al. Infective endocarditis: prevention and antibiotic prophylaxis Swiss Med Wkly. 2021 Feb 28;151:w20473. doi: 0.4414/smw.2021.20473. eCollection 2021 Feb 15.

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Autoren/Autorinnen
Dr. med.   Rahel Soyka Oberärztin Pädiatrie und Kinderkardiologie, Spitäler Schaffhausen

Dr. med.   Isabelle Güss Niedergelassene Kinderärztin, Praxis, Schaffhausen