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Invasive Pneumokokken-Erkrankungen beim Kind in der Schweiz heute

Pneumokokken sind wie Meningokokken oder Haemophilus influenzae Typ b bekapselte Bakterien, welche aufgrund der immunologischen Unreife, insbesondere beim Säugling und Kleinkind schwere invasive Infektionen ver ursachen, welche zu Todesfällen führen und lebenslange, relevante Behinderungen hinterlassen können. Die Einführung der Konjugatimpfstoffe hat zu einer erfreulichen Verminderung der Sepsis, Meningitis und Pneumonie durch diese Erreger beim Kleinkind geführt; so sehen wir heute kaum invasive Infektionen mit H. influenzae Typ b in der Schweiz.
Umso eindrücklicher beschreibt der Beitrag von Gradoux et al. an drei Kasuistiken, wie bisher ganz gesunde Säuglinge heute völlig unerwartet an einer invasiven Infektion durch Streptococcus pneumoniae erkranken können. Er zeigt fulminant auftretende schwerste und schicksalshafte Erkrankungen: Sei es eine Meningitis, eine fulminante Sepsis mit Purpura fulminans und ischämischen Nekrosen oder ein hämolytisch-urämisches Syndrom, je mit schweren Langzeitfolgen.
Dieser Beitrag zeigt die Existenz und die Schwere dieser Erkrankungen und weist darauf hin, dass wir diese auch nach Einführung der Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe noch befürchten und mit besten Mitteln behandeln müssen. Der Artikel zeigt zudem auf, wie wichtig die Impfung und deren Umsetzung zur Verhinderung invasiver Infektionen ist, aber auch, dass die Impfung ihre Grenzen hat: Sie kann die Krankheitslast, die sich wandelt, reduzieren, aber nicht beseitigen.
Die Einführung der Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe beim Kind führte in den USA, Europa und in der Schweiz zur deutlichen Abnahme aller invasiven Pneumokokken-Infektionen, und insbesondere jener Infektionen, die durch in der Impfung enthalten Serotypen verursacht waren2)–5). Darüber hinaus bewirken Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe bei hoher Durchimpfung durch die Reduktion der Kolonisation in der Nase einen indirekten Schutz auch bei nicht geimpften Personen (Herdenprotektion)2), 3, 6). Die Impfung führt also zu einer Reduktion der grossen Krankeitslast, zu direktem und indirektem Schutz der Bevölkerung. Die Kehrseite der Medaille bzw. die Limitation der Impfung ist die schon nach der Einführung von Prevenar 7 beobachtete Zunahme von Infektionen durch gewisse nicht in der Impfung enthaltene Serotypen (z. B. 19A). Dieses sogenannte Replacement wurde zum Teil durch die weiteren in Prevenar 13 enthaltene Serotypen aufgefangen, zeigt sich nun aber nicht nur hier wieder beispielhaft, indem zwei der drei Infektionen durch bisher seltene nicht in der Impfung enthaltene Serotypen (24, 33) verursacht wurden. Die Impfung ist gegen Pneumokokken-Serotypen gerichtet, die von invasiven Infektionen bekannt sind. Was die Nase bei geimpften Personen an deren Stelle kolonisieren wird, muss unbedingt beobachtet und genau verfolgt werden. Der dritte durch den in Prevenar 13 enthaltenen Serotyp 3 verursachte Fall zeigt, dass der Schutz möglicherweise nicht gegen alle 13 Serotypen gleich gut wirksam ist7), 8). Auch hier sind weitere Beobachtungen nötig, um allfällige Anpassungen des Impfstoffs oder der Impfschemata evaluieren zu können.
Zusammenfasend schildert dieser Beitrag auf eindrückliche Weise schwere invasive Pneumokokken-Infektionen bei Säuglingen, die wir auch nach Einführung von PneumokokkenKonjugatimpfstoffen sehen, ihre Erkennung, Behandlung und Verhinderung bleiben eine Herausforderung.

Weitere Informationen

Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med.   Christoph Berger Infektiologie und Spitalhygiene, Universitäts-Kinderspital Zürich, Steinwiesstrasse 75, 8032 Zürich

Andreas Nydegger