Mit zunehmender Prävalenz von vegetarischer und veganer Ernährung werden auch Fachpersonen, welche Säuglinge und Kinder beraten und medizinisch betreuen, immer häufiger mit Fragestellungen solcher Ernährungsformen konfrontiert werden.
Im Auftrag des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie einen Leitfaden mit Handlungsanweisungen zur vegetarischen und veganen Ernährung im Säuglings- und Kleinkindesalter erarbeitet.
Die empfohlene Ernährungsform im Säuglings- und Kindesalter ist die omnivore Ernährung basierend auf dem Konzept der optimierten Mischkost. Während eine gut geplante vegetarische Ernährung im Säuglings- und Kleinkindesalter keine grosse Schwierigkeit darstellt, muss eine vegane Ernährung gut geplant, supplementiert und kontrolliert sein, um dem Risiko von im Kindesalter potentiell schweren Nährstoffdefiziten vorbeugen zu können. Die Umsetzung einer solchen Kostform setzt von Seiten der betreuenden Personen fundierte Kenntnisse der Ernährungslehre voraus.
Übersicht wesentlicher Punkte in der Beratung eines vegan ernährten Kindes
Im Folgenden finden sie die vollständige Handlungsanweisung zum Download:
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Handlungs anweisungen vegetarische und vegane
Ernährung im Säuglings – und Kleinkindesalter
11.03. 2020
Autoren:
– Dr. med. Pascal Müller: Leitender Arzt Ernährungsmedizin, päd. Gastroenterologie &
Hepatologie am Ostschweizer Kinderspital (St.Gallen), Koordinator der Arbeitsgruppe
– Karolin Rose: Ernährungsberaterin SVDE, Leitung SVDE -Fachgruppe vegetarische
Ernährungsformen
– Angelika Hayer: Ernährungswissenschaftlerin, Schweizerische Gesellschaft für
Ernährung SGE
– Dr. med. Laetitia -Marie Petit: Leitende Ärztin pädiatrische Gastroenterologie &
Hepatologie am HUG (Genf), Mitglied Ernährungskommission SGP
– Dr. med. Josef Laimbac her: Chefarzt Jugendmedizin, Ostschweizer Kinderspital
(St.Gallen), Vertreter SGP und EEK
Im Auftrag des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV.
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Einleitung ………………………….. ………………………….. ………………………….. …………… 2
Kapitel 2: Zielgruppe dieses Dokuments und Funktionen der verschiedenen Fachpersonen . 3
Kapitel 3: Kritische Nährstoffe bei einer vegetarischen oder veganen Ernährung und Folgen
einer schlecht kontrollierten vegetarischen/veganen Ernährung. ………………………….. ……….. 4
Nutritive Aspekte einer vegetarischen Kostform ………………………….. ………………………….. . 4
Nutritive Aspekte einer veganen Kostform ………………………….. ………………………….. ……… 5
Kapitel 4: Empfehlungen zur Deckung des Nährstoffbedarfs im 1. bzw. 2./3. Lebensjahr. ….. 7
Praktische Ernährungsgrundsätze bei vegetarischer Ernährung ………………………….. …….. 7
Praktische Ernährungsgrundsätze bei veganer Ernährung ………………………….. ……………. 8
Notwendigkeit von Supplementen ………………………….. ………………………….. ………………… 10
Sä uglingsnahrungen bei veganer Ernährung ………………………….. ………………………….. …. 12
Empfehlungen für die Stillzeit für eine vegan ernährte Mutter ………………………….. ……….. 13
Kapitel 5: Umsetzungsbeispiele für die Praxis ………………………….. ………………………….. …… 13
Erstes Lebensjahr ………………………….. ………………………….. ………………………….. …………. 13
2
Zweites und drit tes Lebensjahr ………………………….. ………………………….. ……………………. 14
Kapitel 6: Notwendige Laboranalysen und deren Interpretation ………………………….. ………… 15
Kapitel 7: Schlussfolgerung inkl. Stellungnahme und Empfehlung bezüglich vegetarischer
und vegane Ernährung im Säuglings – und Kleinkindesalter ………………………….. ……………… 16
Fachliche Unterstützung ………………………….. ………………………….. ………………………….. ……. 17
Literatur ………………………….. ………………………….. ………………………….. ………………………….. 18
Kapitel 1: Einleitung
Die Prävalenz von vegetarischen und veganen Kostformen ist in den vergangenen Jahren
auch in der Schweizer Bevölkerung ansteigend. Untersuchungen in der Schweiz gehen von
ungefähr 1% der (erwachsenen) Bevölkerung aus, welche sich vegan ernährt, für das
Kin desalter liegen keine Zahlen vor. Eine optimierte Kinderernährung hat zum Ziel, den
Organismus mit ausreichend Energie und Mikronährstoffe zu versorgen, um die körperliche
und psychomotorische Entwicklung entsprechend dem genetischen Potential zu
ermöglich en, aber auch Voraussetzungen zu schaffen, um Adipositas und sogenannte nicht –
übertragbare Erkrankungen wie Typ -2-Diabetes, Herz -Kreislauf -Erkrankungen und einige
Krebsarten später im Erwachsenenalter zu reduzieren. Zudem werden bereits im frühen
Kindesalt er die Weichen für einen gesunden Lebensstil, nicht nur in Bezug auf das
Essverhalten, gesetzt.
Es werden unterschiedliche Formen einer vegetarischen und veganen Ernährung
unterschieden ( Tabelle 1 ). In Studien, die hauptsächlich in erwachsenen
Bevölkerun gsgruppen durchgeführt wurden, zeigt eine Ernährung reich mit pflanzlichen
Lebensmitteln Vorteile in Bezug auf Reduktion des Risikos verschiedener nicht –
übertragbarer Erkrankungen. Es gibt jedoch bis aktuell keine entsprechenden Daten, dass
eine vegane Diä t in der frühen Kindheit einen dauerhaften Nutzen für die Gesundheit
bringt 1,2. Entscheidet sich eine Person für eine vegetarische oder vegane Ernährung, ist die
Motivation dazu jedoch häufig nicht primär gesundheitlicher Natur, sondern deutlich häufiger
motiviert aus ethisch -moralischen und auch ökologisch -sozialen Gründen.
Eine in der Lebensmittelauswahl eingeschränkte Ernährung kann hingegen für junge Kinder
kritisch in Bezug auf mehrere Makro – und Mikronährstoffe sein. Bei einer veganen Ernährung
sind dies im Wesentlichen die Versorgung von genügend Energie und der Proteinqualität
sowie die potentiell kritische Versorgung von langkettigen Omega -3 Fettsäuren, Eisen, Zink,
Jod, Calcium, Vitamin D, Riboflavin und insbesondere Vitamin B12. Mängel dieser
Nä hrstoffe können zu schweren und manchmal irreversiblen Entwicklungsstörungen führen.
Die Eidgenössische Ernährungskommission EEK, die Ernährungskommission der
Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie, die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung
SGE un d das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV empfiehlt im
Säuglings – und Kindesalter eine diversifizierte Ernährung basierend auf dem Konzept der
optimierten Mischkost. Diese Fachorganisationen empfehlen eine vegane Ernährung
während d er Schwangerschaft, Stillzeit sowie im Säuglings – und Kindesalter nicht. Eine
vegetarische Ernährung ist hingegen unter Berücksichtigung von genügender Versorgung
mit Eisen und Omega -3 Fettsäuren als sicher anzusehen. Wenn individuell aus eigener
Motivatio n eine vegane Kostform gewählt wird, ist eine gut geplante, abwechslungsreiche
3
Ernährung mit zusätzlicher Ergänzung von Mikronährstoffen (z.B. Vitamin B12) für eine
gesunde Entwicklung im Kindesalter von entscheidender Bedeutung. Familien, welche für
sich eine solche Ernährungsform wählen, sollen durch eine Kinderärztin / einen Kinderarzt
oder eine Allgemeininternistin / einen Allgemeininternisten mit Erfahrung in der Betreuung
von Kindern , sowie von einer qualifizierten Ernährungsfachperson* durch Beratung und
klinischen Kontrollen begleitet werden.
Wenn nicht anders vermerkt, beziehen sich die Empfehlungen dieses Leitfadens auf die EEK
Publikationen „ Ernährung in den ersten 1000 Lebenstagen“ (EEK 2015) 3 und „Vegan diets:
review of nutritional benefits and risks“ (EEK 2018) 1.
*Diese verfügen entweder über einen HF -Abschluss, einen BSc in Ernährung und Diätetik oder sind SRK -anerkannt.
Tabelle 1: Definitionen v egetarischer/veganer Kostformen
Art der Ern ährung (Auswahl,
Zubereitung)
Zusammenfassung der Definitionen
Flexitarisch
(Semivegetarisch) /
Reduktarisch
Gelegentliche Einnahme von Fleisch und Fisch (weniger als einmal
pro W oche) und regelmässiger Verzehr aller anderen tierischen
Produkte (z. B. Eier, Milch, Honig).
Vegetarisch Wenn nicht anders angegeben, handelt es sich bei einer
vegetarischen Ernährung häufig um eine ovo -lacto -vegetarische
Ernährung
Ovo -lacto -vegetarisch Es wird auf alle Arten von Fleisch, Geflügel, Fisch und
Meeresfrüchte ve rzichtet, jedoch nicht auf andere tierische
Produkte wie Eier und Milch / Milchprodukte.
Lacto -vegetarisch Ausgeschlossen ist der Verzehr aller tierischen Produkte mit
Ausnahme von Milch / Milchprodukte.
Ovo -vegetarisch Ausgeschlossen ist der Verzehr aller tierischen Produkte mit
Ausnahme von Eiern.
Vegan Ernährungsform, die alle tierischen Produkte ausschließt (sowohl
als Zutaten als auch als Verarbeitungshilfsmittel). Eine Ausnahme
bildet die Muttermilch zur Ernährung des Säuglings. Veganismus
kann auch bedeuten, dass alle Gegenstände tierischen Ursprungs
ausgeschlossen werden (z. B. aus W olle, Seide oder Leder).
Kapitel 2: Zielgruppe dieses Dokuments und Funktionen der
verschiedenen Fachpersonen
Der Leitfaden richtet sich an Pädiater/innen oder einen mit der Betreuung von Kindern
erfahrenen Allgemeininternisten und anerkannte und qualifizierte Ernährungsfachperson ,
welche Familien zur veganen und vegetarischen Ernährung beraten. Weiteren
Fachperso nen wie Hebammen, Stillberaterinnen oder der Mütter -Väter -Beratung sollen die
Leitfäden als Hilfestellung dienen. Diese Fachpersonen beraten Familien bezüglich den
Empfehlungen zu altersentsprechender Kinderernährung, weisen die Familien auf mögliche
4
Gefah ren einer einseitigen veganen Ernährung hin und überweisen sie an eine
Allgemeininternistin / einen Allgemeininternisten mit Erfahrung in der Betreuung von Kindern ,
an eine Kinderärztin / einen Kinderarzt oder eine anerkannte und qualifizierte
Ernährungsfa chperson .
Kapitel 3: Kritische Nährstoffe bei einer vegetarischen oder
veganen Ernährung und Folgen einer schlecht kontrollierten
vegetarischen/veganen Ernährung.
Grundsätzlich kann eine Fehl – oder Mangelernährung durch jede Form einer einseitigen oder
ungenügenden Nahrungszufuhr aufgetreten, ungeachtet davon ob es sich um eine omnivore,
vegetarische oder vegane Kostform handelt. Aufgrund der in Bezug auf das Körpergewicht
grösseren Nährstoffbedürfnisse des Kindes im Vergleich zum Erwachsenen und des sich
noch entwickelnden Organismus ist das Risiko einer Mangelernährung und somit negativer
Konsequenzen auf Wachstum und neurologische Entwicklung stärker, je jünger das Kind mit
einer Fehlernährung ist. Tabelle 2 gibt einen Überblick über potentiell kritisch e Nährstoffe im
Kindesalter 4.
Tabelle 2: Kritische Nährstoffe in der Kinderernährung
Nährstoff / Kostform Mischkost Vegetarische
Ernährung
Vegane
Ernährung
Vitamin D x x x
Jod x x x
Eisen x x
Zink (x) x
Omega -3 Fettsäuren x x
Vitamin B12 (x) x
Calcium x
Protein x
Vitamin B2
(Riboflavin)
x
Nutritive Aspekte einer vegetarischen Kostform 5,6,7,8
Eine ausgewogene ovo -lacto -vegetarische Ernährungsform kann fast alle Nährstoffe, die ein
heranwachsender Organismus benötigt, liefern. Lediglich die Zufuhr an Eisen, langkettige
Omega -3-Fettsäuren und Vitamin B12 kann zu niedrig sein. Diese Mängel lassen sich durch
gezielte diätetische Massnahmen vorbeugen. Zudem muss Vitamin D, unabhängig der
Kostform, in den ersten drei Lebensjahren su pplementiert werden.
Da es zur nutritiven Versorgung einer ovo -vegetarischen und lacto -vegetarischen Ernährung
nur wenig Daten gibt, können hier kritische Nährstoffe nur auf logische Rückschlüsse
genannt werden. Eine lacto -vegetarische Ernährung mit täglic h drei Milchprodukten, sollte
weitgehend die gleiche Bedarfsdeckung wie die ovo -lacto -vegetarische Ernährung erreichen.
Lediglich die Zufuhr an Vitamin B12 kann durch den Wegfall von Eiern geringer ausfallen.
Bei einer ovo -vegetarischen Ernährung, in der gelegentlich Eier gegessen werden, lassen
sich die kritischen Nährstoffe mit denen der veganen Ernährung vergleichen.
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Nutritive Aspekte einer veganen Kostform 5,6,7,8,9, 16
Vegane Ernährung zeichnet sich durch eine reiche Abdeckung von β -Carotin, Folat, Ni acin,
Vitamine B1, B6 und C, Kalium und Magnesium sowie von Nahrungsfasern und sekundären
Pflanzenstoffen aus. Letztere werden v.a. als protektive Modulatoren in der Pathogenese
von inflammatorischen und kanzerogenen Prozessen diskutiert. Andererseits kann eine
Ernährung, welche vollumfänglich auf Nahrungsmittel tierischer Herkunft verzichtet, potentiell
kritisch sein bzgl. Energie, Proteinqualität, langkettige Omega -3-Fettsäuren, Eisen, Zink, Jod,
Calcium, Vitamin D, Riboflavin und insbesondere Vitamin B12 . Das Wissen um diese
potentiell kritischen Nährstoffe erlaubt Eltern, welche für sich und ihre Kinder eine vegane
Ernährung planen, eine bewusste Auswahl von Lebensmitteln und
Nahrungsergänzungsmitteln zu wählen.
Inhaltsstoffe die durch ihren Mehrverzehr in der veganen Ernährung Nachteile bieten
können, sind z. B. Phytate, Nahrungsfasern, Phytoöstrogene oder Halb – und Schwermetall –
Belastungen wie sie z.B. in Reis (Arsen) oder in getrockneten Algen (Blei, Cadmium und
Aluminium) gefunden werden können. Dies e Stoffe können die Absorption von
Mikronährstoffen hemmen (Phytate), die Verdauung erschweren (Nahrungsfasern) oder
durch hormonähnliche Wirkungen kritisch gesehen werden (Phytoöstrogene). Durch den
Verzehr einer grossen Bandbreite an pflanzlichen Lebensm ittel und damit einer grossen
Vielfalt an Inhaltsstoffen relativieren sich solche Wirkungen jedoch wieder.
Pflanzliche Proteine haben eine weniger diversifizierte Aminosäurenzusammensetzung als
tierische Proteine, so dass bewusst auf unterschiedliche pfla nzliche Proteinquellen und eine
erhöhte Zufuhr geachtet werden muss, um einen Mangel an essentiellen Aminosäuren zu
vermeiden (ca. 30% höhere Proteinzufuhr bis 2 Jahre, 20 -30% bis 6 Jahre und 15 -20% für
ältere Kinder )10. Pflanzliche Nahrungsquellen haben weiterhin ein meist höheres Fül lvolumen
und können so vor allem beim Säugling und Kleinkind infolge vorzeitiger Sättigung und
Völlegefühl zu einem Defizit bei der Energiezufuhr führen. Diesbezüglich sollte auf die
Energiedichte der Speisen geachtet werden (siehe Kapitel 4). Beim vegan ernährten
Säugling wird im ersten Lebenshalbjahr wie bei jedem Neugeborenen grundsätzlich eine
Muttermilchernährung empfohlen 3. Ist dies nicht mög lich, so kann auf eine soja -basierte
Säuglings nahrung ausgewichen werden. Im Vergleich zu einer Kuh milch -basierten
Säuglingsnahrung haben diese jedoch eine höhere Konzentration an Phytaten und
Phytoöstrogenen (Isoflavone). Zwei 2014 bzw 2018 publizierte Re views konnten bei Kindern
mit einer soja -basierte Säuglingsnahrung keine unerwünschten Effekte in Bezug auf
Wachstum, metabolischer, endokrinologischer, reproduktiver und neurologischer Funktionen
finden 11,12 . Hingegen bleibt zu erwähnen, dass die Datenlag e bezüglich möglicher
ungünstiger Langzeiteffekte einer sojareichen Kleinkinderernährung noch immer
unzureichend ist.
Essentielle, mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie die Omega -3-Fettsäuren α-Linolensäure
(ALA), Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaens äure (DHA) sind für die
neurologische Entwicklung zentral (z.B. Synaptogenese, Retinaentwicklung). Da DHA und
EPA vor allem in tierischen Produkten vorkommt, müssen vegan ernährte Kinder genügend
mit deren Vorstufe, der ALA, versorgt werden 13,14 . Die Verso rgung von DHA und EPA ist
aufgrund der variablen Metabolisierung aus dem Vorläufer ALA individuell jedoch unsicher.
Neben der Hämoglobinsynthese spielt Eisen eine wichtige Rolle in der Myelinisierung der
Nervenscheiden und der Synthese von Neurotransmitte r. Klinisch manifestiert sich ein
6
Eisenmangel mit den Symptomen einer Anämie. Daten bezüglich Folgen eines
Eisenmangels ohne Anämie in Bezug auf die neurokognitive Entwicklung sind rar und
heterogen 15. Der Eisenbedarf ist in der frühen Kindheit und während der Adoleszenz im
Vergleich zu Erwachsenen erhöht. Die Bioverfügbarkeit von Häm -Eisen (Fe2+), wie es
typischerweise im Fleisch vorkommt, ist mit 15 – 35% besser als jene des Nicht -Häm -Eisens
(Fe3+), welches in Abhängigkeit von der gleichzeitig konsumierte n Nahrung nur zwischen 2
– 20% liegt. Es muss also darauf geachtet werden, dass Inhibitoren der Eisen -Absorption
wie Phytate aus Hülsenfrüchten oder Oxalsäuren aus Rhabarber oder Spinat die
Eisenresorption negativ beeinflussen können. Eisensupplemente soll ten nicht gleichzeitig mit
Calciumverbindungen z.B. aus der Kuhmilch oder calcium -supplementierten Pflanzendrinks
eingenommen werden. Andererseits ist bekannt, dass Vitamin C oder Säuren wie aus
Apfelsaft die Eisenabsorption intestinal verbessern 17. Auch Zink wird durch die Phytinsäure,
welche in Hülsenfrüchten reichlich vorkommt, in der Absorption gehemmt 17. Ein Zinkmangel
macht sich klinisch häufig erst bei deutlich erniedrigtem Serumspiegel bemerkbar – nebst
Zeichen von Wundheilungsstörungen, Nagelbrüchi gkeit, Haarausfall oder Infektanfälligkeit ist
auch die chronische Diarrhoe oder Gedeihstörung ein mögliches klinisches Zeichen eines
Zinkmangels 18,19.
Vitamin D kommt zwar grundsätzlich in Nahrung tierischer Herkunft wie Eiern oder
fetthaltigem Fisch vor , der Bedarf wird aber vor allem über die endogene Produktion UV -B
bestrahlter Haut gedeckt. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen
BLV empfiehlt eine Supplementierung aller Säuglinge und Kleinkinder bis zum 3. Lebensjahr
mit 400 IE/Ta g bzw. 600 IE/ Tag 20. Das Fehlen von Milch und Milchprodukten in der Nahrung
vermindert zusätzlich auch die Versorgung mit Calcium , insbesondere dann, wenn der
Säugling abgestillt oder von der (calcium -supplementierten) Soja -Anfangsnahrung entwöhnt
ist. Im wachsenden Organismus des Kindes kommt dem optimalen Erreichen der
Knochendichte (Peak Bone Mass), und somit auch der suffizienten Calciumzufuhr eine
bedeutende Rolle zu 21.
Jod ist ein essentieller Faktor für Wachstum und Gehirnentwicklu ng. Wie auch bei anderen
Mikronährstoffen ist der Gehalt von Jod in der Muttermilch abhängig vom nutritionellen
Status der Mutter. In der Schweiz gilt die Verwendung von Jod und Fluorid -angereichertem
Speisesalz als wichtigster Faktor, um der zuvor endemis ch vorkommenden Hypothyreose
vorbeugen zu können 22,23.
Da Vitamin B12 (Cobalamin) fast ausschliesslich in tierischen Lebensmitteln vorkommt,
muss es bei einer veganen Ernährung supplementiert werden. Zwar gibt es pflanzliche
Vitamin B12 -Quellen, diese ent halten jedoch zumeist die biologisch inaktive Form . Vitamin
B12 ist essentiell in verschiedenen Körperfunktionen, u.a. in der Erythropoese im
Knochenmark, in der Myelinsynthese, der Axon -Homöostase und dem Energiemetabolismus
der Mitochondrien 24. Ein Mange l, welcher bereits beim gestillten Kind einer Vitamin B12 –
defizienten Mutter auftreten kann, manifestiert sich im Säuglingsalter mit unspezifischen
Symptomen wie Muskelhypotonie, Entwicklungsstillstand und Vigilanzminderung.
Anthropometrisch zeigt sich ein e Mikrozephalie und Gedeihstörung 25. Die z.T. schweren,
neuro -psychologischen Entwicklungsstörungen können irreversibel sein. Die neurologische
Symptomatik manifestiert sich praktisch immer vor der hämatologischen. Der Bestimmung
des Vitamin B12 -Status kom mt deshalb eine zentrale Rolle zu 26.
7
Kapitel 4: Empfehlungen zur Deckung des Nährstoffbedarfs im 1.
bzw. 2./3. Lebensjahr.
Grundsätzlich: Stillen ist die ideale Ernährung für ein Baby. Der gesunde Säugling braucht
während der ersten sechs Monate nichts a nderes als Muttermilch. Ergänzend zum Stillen
sollte schrittweise Beikost frühestens ab dem 5. Lebensmonat (17. Lebenswoche) und
spätestens mit Beginn des 7. Lebensmonats (26. Lebenswoche) eingeführt werden. Es
empfiehlt sich, parallel zur Beikost so lange weiter zu stillen, wie Mutter und Kind dies
möchten.
Werden ganze Lebensmittelgruppen gemieden, müssen die Nährstoffe dieser durch
geeignete Alternativen zugeführt werden. Wie bei der omnivoren Kost sollten bei
vegetarischen Ernährungsformen möglichst auf wenig industriell hoch prozessierte
Lebensmittel konsumiert werden. Einige Produktimitate sind aufgrund ihrer Zusatzstoffe und
des hohen Gehaltes an Salz, Zucker oder Fett als problematisch zu bewerten. Im Folgenden
wird aufgezeigt, wie eine Abdeckung des Nährstoffbedarfs im Säuglings – und
Kleinkindesalter bei den geläufigsten vegetarischen Ernährungsformen erreicht werden
kann.
Praktische Ernährungsgrundsätze bei vegetarischer Ernährung
Eine ovo -lacto -vegetarische Ernährung , welche Milchprodukte und Eier einschliesst, kann
den höheren Nährstoffanforderungen in der Stillzeit sowie Kleinkindalter gut gerecht werden.
Als proteinreiche Fleischalternativen können Eier, Hülsenfrüchte, Tofu oder bei Kinder über
einem Jahr auch Quorn und Käse dienen. Um den Vitam in B12 -Bedarf zu decken, reichen
drei Portionen Milchprodukte und der gelegentliche Konsum von Eiern in der Regel aus.
Physiologisch wirksame Omega -3-Fettsäuren (Docosahexaensäure DHA und
Eicosapentaensäure EPA) kommen lediglich in Fisch und Algen vor. Da der Gehalt in Algen
nur gering ist und diese aufgrund des variablen Jodgehaltes und möglicher
Schwermetallbelastung in der Kinderernährung ungeeignet sind, sollten Alpha -Linolensäure
(ALA) -reiche Lebensmittel wie Baumnüsse, Chiasamen und deren Öle sowie Le inöl,
Leindotteröl (Camelinaöl) oder Rapsöl verzehrt werden. In der Kleinkindernährung
empfehlen sich Samen und Nüsse vorzugsweise in pürierter / gemahlener Form oder deren
Öle. Da die Umwandlung von ALA in DHA und EPA nur gering ist, müssen die pflanzlich en
Omega -3-Fettsäurenquellen täglich konsumiert werden. Die Umwandlungsrate wird durch
die Zufuhr an Omega -6-Fettsäuren beeinträchtigt, weshalb Omega -6-reiche Öle wie
Sonnenblumen -, Weizenkeim -, Maiskeim -, Traubenkern -, Distel – und Erdnussöl gemieden
werde n sollten. Mit DHA und EPA angereicherte Lebensmittel, wie spezielle Öle oder Säfte,
können ebenfalls zur Bedarfsdeckung beitra gen 27.
Bei einer lacto -vegetarischen Ernährung , bei der täglich drei Portionen Milchprodukte
konsumiert werden, müssen die Fleisc hportionen mit vegetarischen Fleischalternativen
ersetzt und ebenfalls täglich Omega -3-Fettsäuren -Quellen gegessen werden.
Für die ovo -vegetarische Ernährung , welche gelegentlichen Konsum von Eiern beinhaltet,
gelten grundsätzlich ähnliche Empfehlungen wi e bei der veganen Ernährung. Lediglich die
Bedarfsdeckung an Vitamin B12 und Protein dürfte etwas besser als bei einer rein veganen
Kostform ausfallen.
8
Praktische Ernährungsgrundsätze bei veganer Ernährung 28
Bei einer veganen Ernährung , in der auf alle Leb ensmittel tierischer Herkunft verzichtet
wird, gilt es eine Vielzahl an Massnahmen zur Risikominimierung kritischer Bedarfszustände
zu befolgen. Grundsätzlich ist es beim Verzicht auf alle tierischen Lebensmittel wichtig, auf
eine umso grössere Vielfalt be i den pflanzlichen Lebensmitteln zu achten. Um den Wegfall
an Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern zu kompensieren, müssen täglich
Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Nüsse, Samen und Kerne sowie Vollkorngetreide konsumiert
werden. Eine weitere Einschränkung, durch zum Beispiel einen weiteren Verzicht auf
glutenhaltige Lebensmittel, Sojaprodukte oder gekochte Speisen (Rohkosternährung),
steigert die Risiken von Mangelzuständen.
Da eine Ernährung reich an pflanzlichen Lebensmitteln häufig eine geringere Kalori endichte
zeigt, kann die Deckung an ausreichend Energie (Kalorien) eine Herausforderung
darstellen. Vor allem beim kleinen Magenvolumen kleiner Kinder ist es wichtig
nährstoffdichte Lebensmittel wie Muse von Nüssen, Samen und Kernen, Hülsenfrüchte,
Getreid eflocken, Öle, Weizenkeime oder Hefeflocken in jede Mahlzeit einzubauen 5,9.
Nebst Lebensmittelgruppen wie Fleisch, Fisch, Schalen – und Krustentiere, Milchprodukte
und Eier sind in Sojaprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen, Kernen und
Vollkorngetreide re ichlich Proteine (Eiweiss) enthalten. Fleischalternativen basierend auf
Weizen -, Dinkel -, Erbsen – und anderen Pflanzenproteinen sollten auf ihre Inhaltsstoffe
überprüft werden. Grundsätzlich gilt, je länger und abstrakter eine Zutatenliste, desto
weniger e mpfehlenswert sind sie. Für das erste Lebensjahr sind sie in der Regel aufgrund
des Salzgehaltes nicht geeignet. Um eine gute Proteinqualität trotz fehlender tierischer
Quellen zu erhalten, müssen verschiedene Proteinlieferanten kombiniert werden. Die
Komb ination der Aminosäuren von Getreide und Hülsenfrüchte sowie Samen zeigte sich als
äusserst wertvoll, weshalb diese täglich und regelmässig gegessen werden sollten 29. Die
besondere Herausforderung in der Kleinkindernährung ist hierbei der noch unausgereift e
Verdauungstrakt und die limitierte Verdaulichkeit. Geschälte, gut gegarte Hülsenfrüchte, Mus
von Nüssen, Samen und Kernen sowie Sojaprodukte sind wertvolle Lebensmittel in der
Kinderernährung. Der Markt bietet eine Vielzahl an veganen Milchalternativen. Hierbei bietet
derzeit einzig der calciumangereicherte Sojadrink ein vergleichbares Nährstoffprofil und
sollte den anderen veganen Milchalternativen vorgezogen werden.
Durch den Wegfall an Milchprodukten und Fleisch müssen andere Quellen für Calcium, Zink
und Eisen in den Speiseplan eingebaut werden. Jede Mahlzeit sollte mindestens ein
calciumreiches Lebensmittel wie Brokkoli, Kohlrabi, grüne Bohnen, Schwarzwurzel, Wirz,
Rucola, Feigen, schwarze Johannisbeeren, Aprikosen, Tempeh, Tofu, weisse Bohnen,
Sesam oder Mandeln enthalten. Pflanzendrinks sollten calciumangereichert sein. Auch
calciumreiche Mineralwässer ( Übersicht unter http://www.sge –
ssn.ch/media/Calcium_Mineralwasser.pdf ) können wesentlich zur Bedarfsdeckung beitragen.
Der tägliche Konsum an Sojaprodukten, Hülsenfrüchten, Getreide, Nüsse, Samen und Kerne
sorgen für eine ausreichende Zink – und Eisenzufuhr. Weiter liefern einige Gemüse wie grüne
Erbsen, Brokkoli und Schwarz wurzeln, Eierschwämmli und einige Früchte wie Aprikosen,
Datteln und Mango Eisen. Für eine natürliche Zinkanreicherung können den Speisen
Hefeflocken oder Weizenkeime beigefügt werden. Da die Aufnahme dieser Mineralstoffe aus
Getreide und Hülsenfrüchten we sentlich durch die resorptionsmindernden Phytate
beeinträchtigt ist, wird eine erhöhte Zufuhr notwendig. Zubereitungstechniken wie
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Einweichen und Ankeimen können den Phytatgehalt deutlich mindern. Die Kombination mit
Vitamin C oder anderen organischen Säur en (z. B. Zitronensäure) kann wiederum die
Aufnahme verbessern.
Da in der omnivoren Ernährung ein Grossteil an Riboflavin (Vitamin B2) durch
Milchprodukte geliefert wird, ist bei einer veganen Ernährung ein Mangel durch den Wegfall
dieser Versorgungsquell en anzunehmen. In der Praxis wird ein Kleinkind jedoch durch den
Mehrverzehr an Nüssen, Samen, Kernen, Hülsenfrüchte und Getreide ausreichend mit
Riboflavin versorgt.
Wenn Milchprodukte, Eier und Fisch als Jod quellen wegfallen, ist es umso wichtiger,
jodi ertes (sowie fluoridiertes) Speisesalz zu verwenden. Während in der Stillzeit der Säugling
noch ausreichend Jod über die Muttermilch erhält (sofern die Mutter eine genügende
Versorgung hat), kann dessen Zufuhr in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres mit den
salzfreien Beikostmahlzeiten kritisch werden. Viele im Handel erhältliche jodangereicherte
Beikostmahlzeiten schaffen hier Abhilfe. Wird die Beikost vorwiegend selbst zubereitet, kann
eine Jodsupplementierung durch eine Kinderärztin / einen Kindera rzt verordnet werden.
Algen könn ten zur Jodversorgung beitragen, sind jedoch aufgrund variabler Jodgehalte und
möglicher Schwermetallbelastung unsichere Quellen und daher nicht empfohlen .
Um Vitamin B12 und Vitamin D zu erhalten, ist eine Supplementation unumgänglich.
Wie auch bei der ovo -lacto -vegetarischen Ernährung müssen bei veganer Ernährung
pflanzliche Omega -3-Fettsäuren -Quellen täglich verzehrt und Omega -6-Fettsäuren -reiche
Öle gemieden werden.
In Tabelle 3 sind die Empfehlungen für eine ausgewogene (omnivore) Ernährung im 2. und
3. Lebensjahr aufgeführt. Ergänzt werden sie mit Empfehlungen, die bei einer veganen
Ernährung zusätzlich bzw. spezifisch zu berücksichtigen sind. Die Tabelle dient als
Orientierung, kann jedoch keinesfalls eine persönliche Ernährungsberatung ersetzen, da
individuelle Vorlieben, Abneigungen und Rahmenbedingungen bei der Lebensmittelauswahl
zu berücksichtigen sind.
Tabelle 3: Ernährungsempfehlungen im 2. und 3. Lebensjahr mit Ergänzungen bei einer
veganen Ernährung
Allgemei ne
Empfehlungen*
Ergänzende Empfehlungen bei veganer
Ernährung
Getränke 7 dl ungesüsste
Getränke
Calciumreiches Leitungs – bzw. Mineralwasser
bevorzugen (> 300 mg Calcium / Liter).
Bei einer Ernährung mit hohem Gehalt an
Nahrungsfasern (aus Vollkornprodukten,
Hülsenfrüchten etc.) ist eine ausreichende
Flüssigkeitszufuhr zu beachten.
Gemüse und
Früchte
Täglich 3 Portionen
Gemüse und 2
Portionen Früchte
Abwechslung beachten (z.B. diverse Sorten,
verschiedene Farben).
Möglichst täglich ein dunkelgrünes Gemüse (z.
B. Brokkoli, Erbse).
eisenreiche Lebensmittel (z. B.
Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Sojaprodukte)
zusammen mit Vitamin C -reichen Früchten
bzw. Gemüse (z.B. Peperoni, Brokkoli,
10
Zitrusfrüchte) verzehren.
Stärkereiche
Lebensmittel (z. B.
Getreideprodukte,
Kartoffeln)
Täglich 3 -4 Portionen.
Bei Getreideprodukten
Vollkorn bevorzugen.
Abwechslung beachten.
Proteinreiche
Lebensmittel
Täglich 3 -4 Portionen
Milch/ -produkte und
zusätzlich 1 Portion
Fleisch, Fisch, Eier,
Tofu, Quorn, Seitan und
andere proteinreiche
Lebensmittel
Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Eier durch
Sojaprodukte (z. B. calciumangereicherter
Sojadrink / -joghurt, Tofu, Gehacktes),
Kichererbsen, Linsen und andere pflanzliche
Proteinlieferanten ersetzen.
Abwechslung beachten.
Zur Deckung des Calcium -Bedarfs sind neben
(calciumangereicherten) Sojaprodukten weitere
Quellen nötig, z. B. Ca -reiches Gemüse, Ca –
reiches W asser, Ca -angereicherte
Lebensmittel.
Nüsse, Samen und
Kerne
Täglich 1 Kaffeelöffel
ungesalzene Nüsse,
Samen und/oder Kerne
in gemahlener Form
oder als Mus
Grössere Mengen wünschenswert.
Abwechslung beachten.
Öle und Fette Täglich 3 Kaffeelöffel
hochwertiges
Pflanzenöl.
Zusätzlich können
sparsam (ca. 1 KL)
Butter, Margarine,
Rahm etc. verwendet
werden.
Pflanzenöle mit hohem Gehalt an Alpha –
Linolensäure (Omega -3-Fettsäure) bevorzugen
wie z.B. Leinöl, Leindotteröl, Baumnussöl,
Rapsöl.
Süsses und
Salziges
Maximal 1 Portion am
Tag
Weitere
Lebensmittel
Mögliche Ergänzungen:
Weizenkeime
Hefeflocken
Angereicherte Lebensmittel (z. B. Fruchtsaft
mit Calcium, ohne Zuckerzusatz)
Supplementation Jodiertes und
fluoridiertes Speisesalz
Vitamin D
Zusätzlich täglich Vitamin B12 und je nach Bedarf
weitere Nährstoffe supplementieren.
*Konkrete Empfehlungen zu Portionsgrössen können dem Merkblatt «Ernährung von Kindern» der
Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE entnommen werden. Dieses kann unter www.sge –
ssn.ch/unterlagen kost enlos heruntergeladen werden.
Notwendigkeit von Supplementen
Die Nährstoff -Supplementierung kann im Säuglings – und Kindesalter verschiedene
Schwierigkeiten hervorrufen. Oft stehen für diese Altersgruppe keine geeigneten
11
Applikationsformen und Dosierungen z ur Verfügung. Wenn ein Mikronährstoffsupplement
nicht als Arzneimittel zur Verfügung steht, und somit vom Schweizerischen Heilmittelinstitut
Swissmedic kontrolliert wird, muss auf ein Nahrungsergänzungsmittel ausgewichen werden.
Idealerweise sollte ein sch weizerisches oder europäisches Produkt gewählt werden, das
dieselben Standards der Kontrolle vorschreibt (Verordnung des EDI über
Nahrungsergänzungsmittel), welche aber nicht die gleiche Regulation wie Medikamente
einhalten müssen (Swissmedic). Grundsätzli ch empfiehlt sich eine möglichst einfache
Mikronährstoffsubstitution mit nur einzelnen oder sehr wenigen Inhaltsstoffen. Insbesondere
bei über das Internet bestellten Produkten kann die Qualität der Zubereitungen mangelhaft
sein und das sorgfältige Prüfen des Herkunftsortes und Prüfen der Zutatenliste ist zentral.
Für Säuglinge vor dem abgeschlossenen 4. Lebensmonat muss ein Produkt ohne Gluten
und Fructose ausgewählt werden.
Tabelle 4 gibt einen Überblick über Dosierung und eine Produkteauswahl zur Mikronährstoff –
Supplementierung im Säuglings – und Kleinkindesalter. Beachte: die empfohlenen
Referenzwerte sind Richtwerte für gesunde Kinder ohne vorbestehende Defizite. Individuell
muss be i Mangelzuständen therapeutisch mit deutlich höheren Dosen substituiert werden.
Tabelle 4: Auswahl an in der Schweiz verfügbaren Supplementen
Mikronährstoff Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr Verfügbare Produkte I
Vitamin B12
(Cobalamine) II
0 – unter 4 Mt 0.5 µg/Tag
4 bis unter 12 Mt 1.4 µg/Tag
1 bis 4 Jahre 1.5 µg/Tag
Bezüglich der Höhe der bedarfsdeckenden
Vitamin B12 Supplementierung bei veganer
Ernährung existiert derzeit kein Konsensus.
Richtwerte sind: 2 x 1 µg pro Tag od er 1 x 5
µg täglich ab Beikosteinführung bis zum 3.
Lebensjahr.
• Vitamin B12 Spray
(EnergyBalance): 1 Sprühstoss
3 µg
• Vitamin B12 Tropfen
(Evolution): 1 Trpf enthält 100
µg
• Vitamin B12 Tropfen
(Bjökovit): 1 Trpf enthält 50 µg
• Floradix Eisen plus B12
(Salus): 15 ml enthalten 5 µg Vit
B12, 14 mg Eisen (und B –
Komplex -Vitamine, Vitamin C)
• (für Applikationen via
Nasensprays oder Zahnpasten
existieren noch zu wenige
Daten bzgl. Zuverlässigkeit
einer Resorption)
Vitamin D
(Cholecalciferol) III
400 IE im 1. LJ
600 IE im 2. und 3. LJ
• ViDe 3 Tropfen (Wild): 1 Trpf
enthält 100 IE (nicht vegan)
• Dibase 10000 I E (Gebro
Pharma): 1 Trpf enthält 200 IE
(nicht vegan)
• Vitamin D3 (Chrisana): 1 Trpf
12
enthält 800 IE
• Vitamin D3 (Bjökovit): 1 Trpf
enthält 800 IE
• u.a.
Omega -3-
Fettsäuren (EPA &
DHA) II
0.5% der Energie (100 mg/Tag) • Leinöl Bio mit DHA & EPA (20
ml enthalten 200 mg DHA und
100 mg EPA)
• Omega -3 Vegan Swiss plus
Algen -Öl (5 ml enthalten 1176
mg DHA und 714 mg EPA)
• u.a.
Jod III 0 – unter 12 Mt 90 µg/Tag
1 bis 4 Jahre 90 µg/Tag
• Kelp Jod (A. Vogel): 1 Tbl
enthält 50 µg
• u.a.
Eisen II 0 – unter 4 Mt 0.5 mg/Tag
4 bis unter 12 Mt 8 mg/Tag
1 bis 4 Jahre 8 mg/Tag
• Aktiferrin Trpf (Mepha): 1 Trpf
enthalten 0.76 mg Fe(II)
• Maltofer Trpf (Vifor): 1 Trpf
enthalten 2.5 mg Fe(III)
• u.a.
Zink II 0 – unter 4 Mt 1.5 mg/Tag
4 bis unter 12 Mt 2.5 mg/Tag
1 bis 4 Jahre 3 mg/Tag
• Zink Biomed Filmtabl: 1 Tbl
enthält 20 mg
• Unizink Inj Lös Amp: per os
(30 mg/10 ml)
• u.a.
I Nahrungsmittelergänzungsmittel unterliegen ständigen Anpassungen im Markt, individuell muss jedes Produkt
vom Verschreibenden auf Dosis und Inhaltsstoffe geprüft werden. Die hier aufgeführten Beispiele s ind eine
Auswahl an Produkten, wie sie entweder als Arzneimittel in der Schweiz erhältlich sind, oder von vegan lebenden
Personen häufig verwendet werden. Bei Interesse können weitere Produkte laufend in die Liste aufgenommen
werden (Kontakt: Autorenschaf t via Sekretariat SGP)
II Quelle: DACH -Referenzwerte www.sge -ssn.ch/dachreferenzwerte/
III Quelle: Schweizer Empfehlungen www.sge -ssn.ch/empfehlungen -blv/
Säuglingsnahrungen bei veganer Ernährung
Beim vegan ernährten Säugling wird im ersten Lebensjahr wie bei jedem Säugling
grundsätzlich eine Muttermilchernährung empfohlen. Ist Muttermilchernährung nicht möglich
so muss auf ein e soja -basierte Säuglingsnahrung ausgewichen werden 4. Pflanzenbasierte
Drinks sind für die ausschliessliche Ernährung ungeeignet, da sie die Nährstoffbedürfnisse
nicht zu decken vermögen. Die Ernährungskommission der SGP rät von selbst zubereiteter
Säuglings -Trinknahrung infolge des Risikos einer ungenügenden Energie – und
13
Nährstoffversorgung sowie Kontaminationsrisiken ab. Der Zeitpunk t der Einführung der
Beikost ist wie bei omnivor ernährten Säuglingen frühestens ab dem 5 . Lebensmonat (17.
Lebenswoche) und spätestens mit Beginn des 7. Lebensmonats (26. Lebenswoche)
empfohlen.
Empfehlungen für die Stillzeit für eine vegan ernährte Mutt er
Bereits während der Schwangerschaft sind b ei einer sich vegan ernährenden Frau
regelmässige Kontrollen und Nährstoffsupplemente empfohlen 1. Mütterliche
Mangelernährung kann einen negativen Effekt auf die Entwicklung des Föten und gestillten
Säuglings ha ben. Diverse Nährstoffbedürfnisse sind in der Stillzeit für die Mutter erhöht,
daher ist eine individuelle Beratung durch eine Ärztin / einen Arzt und eine qualifizierte und
anerkannte Ernährungsfachkraft einer sich vegan ernährenden stillenden Mutter zwin gend
notwendig. Die Muttermilch stellt bei suffizientem Vitamin B12 -Spiegel der Mutter eine
zuverlässige Vitamin B12 -Quelle für das gestillte Kind dar. Die tägliche Zufuhr von Vitamin
B12 in der Stillzeit wird auf 5.5 µg/Tag geschätzt, wobei bei einer einm al täglichen
Supplementierung eine Dosis von mind. 50 µg/Tag gewählt werden soll.
Die Proteinaufnahme der stillenden Mutter sollte auf 1.2 g/kg Körpergewicht/Tag gesteigert
werden und die Ernährung in Bezug auf folgende potentiell kritische Mikronährstoff e
monitorisiert werden: Omega -3-Fettsäuren, Eisen, Zink, Jod und Calcium.
Omega -3 Fettsäuren sollten bei der in einer Dosis von mindestens 200 mg
Docosahexaensäure (DHA) pro Tag eingenommen werden, dies kann durch verschiedene
Mikroalgenöl -angereicherte Ö le oder vegane Supplemente erreicht werden. Die tägliche
Zufuhr von Calcium einer Stillenden sollte bei 1000 mg pro Tag liegen. Zudem ist eine
tägliche Vitamin D Supplementierung von 6 00 IE empfohlen. Weiter wird zur Verwendung
von Jod – und Fluorid – angere ichertem Speisesalz geraten, um den Jodbedarf während der
Stillzeit von 25 0 µg/Tag abzudecken 30. 5 g angereichertes Speisesalz enthält 125 µg Jod.
Kapitel 5: Umsetzungsbeispiele für die Praxis
Erstes Lebensjahr
Im Allgemeinen wird empfohlen, bereits in der ersten Phase der Beikost auch Fleisch zu
geben, um die Eisenversorgung des Säuglings sicherzustellen. Dies ist insofern von
Bedeutung, als dass im Alter von etwa einem halben Jahr die Eisenvorräte des Säuglings
nahezu erschöpft sind. Zudem steigt im zw eiten Lebenshalbjahr der Bedarf an Eisen an.
Wird ein Kind vegan ernährt, muss sichergestellt werden, dass das Kind über pflanzliche
Lebensmittel ausreichend mit Eisen versorgt wird (z. B. Vollkorngetreide, Nussmus,
Hülsenfrüchte). Eisenreiche Lebensmittel sollten immer mit Vitamin C -reichen Lebensmitteln
(z. B. Früchte) kombiniert werden, um die Aufnahme des Eisens aus den pflanzlichen
Lebensmitteln zu verbessern.
Beikost ist in Form von Breimahlzeiten und / oder Fingerfood möglich. Im Fall von Brei kann
der Gemüse -Kartoffel -Fleisch -Brei durch einen Gemüse -Kartoffel -Getreide -Brei ersetzt
werden. Als Getreidekomponente empfiehlt sich ein Vollkornprodukt wie z. B. Hafer – oder
Hirseflocken. Wie oben beschrieben werden Früchte zur Verbesserung der Eisenaufnahme
14
aus dem Getreide und dem Gemüse ergänzt. Mit etwas Nussmus oder fein gemahlenen
Nüssen wird die Mahlzeit mit weiteren wichtigen Nährstoffe angereichert.
Rezept für einen veganen Gemüse -Kartoffel -Getreide -Brei
100 g Gemüse waschen, rüsten, in Stücke schneiden
und in wenig Wasser kochen 50 g Kartoffeln
10 g Vollkorngetreide (z. B. Hafer -, Hirseflocken) zugeben und mitkochen
30 g Fruchtsaft oder Früchtepüree als Dessert Saft hinzugeben und alles pürieren. Bei
Bedarf etwas Wasser hinzugeben.
10 g Nussmus oder fein gemahlene Nüsse Unterrühren
8 g Rapsöl
Die oben genannten Mengen sind ab dem 5./6. Monat möglich. Mit zunehmenden Alter und
mit grösser werdendem Appetit können die Mengen angepasst werden. Dabei ist das
Verhältnis zwischen den einzelnen Lebensmitteln beizubehalten.
Weiterführende, allgemeine Informationen für Eltern zur Einführung der Beikost sind unter
www.sge -ssn.ch/unterlagen sowie unter www.kinderandentisch.ch verfügba r.
Zweites und drittes Lebensjahr
Im Kapitel 4 wurden die Ernährungsempfehlungen bei einer vegetarischen und veganen
Ernährung behandelt. Die folgende Tabelle 5 zeigt ein Tagesbeispiel, welches illustriert, wie
die spezifischen Empfehlungen zur veganen Ernährung in der Praxis umgesetzt werden
können.
Tabelle 5: Tagesbeispiel einer veganen Ernährung im 2. und 3. Lebensjahr
Beispiele
Frühstück Selbstgemischtes Müesli:
– Haferflocken und/ oder andere Flocken
– Gemahlene Nüsse, Samen, Kerne (z. B. Haselnüsse, Leinsamen)
– Weizenkeime
– frische Früchten und Rosinen
– calciumangereicherter Sojadrink
Ungesüsster Früchte – oder Kräutertee.
Znüni Früchte, evtl. ergänzt mit Sojajoghurt (je nach Hunger).
Calciumreiches Leitungs – oder Mineralwasser (> 300 mg Ca/Liter).
Mittagessen Gemüse -Linsen -Curry:
– Verschiedene Gemüsesorten und Pilze
– Rote Linsen
– Kartoffeln
– Nüsse, Samen, Kerne (gemahlen)
– Rapsöl
Dessert: veganes Glace
Calciumreiches Leitungs – oder Mineralwasser mit Zitronenschnitze.
Zvieri Gemüse als Fingerfood (z. B. Gurke, Karotte, Peperoni),
je nach Hunger: zusätzlich Vollkornbrot mit Nussmus.
Calciumreiches Leitungs – oder Mineralwasser.
Abendessen Vegane Spaghetti Bolognaise:
– Vollkorn -Spaghetti
– Tomatensauce
15
– Sojagranulat
– Hefeflocken
Salat mit Baumnussöl -Dressing (anstatt eines Salates kann 1 Kaffeelöffel
Baumnussöl über die gekochten Spaghetti gegeben werden).
Calciumreiches Leitungs – oder Mineralwasser.
Zusätzlich Jodiertes und fluoridiertes Speisesalz
Vitamin B12, Vitamin D und bei Bedarf weitere Nährstoffsuppl emente
Kapitel 6: Notwendige Laboranalysen und deren Interpretation
Es besteht international kein Konsens über empfohlene Laboruntersuchungen von gesunden
Menschen während einer veganen Ernährung. Folgende Vorschläge dienen als Grundlage
für eine individuelle Entscheidung bezüglich eines Monitoring ergänzend zur detaillier ten
Ernährungsanamnese. Bei klinischen Risikosituationen oder auffälligen Befunden sind
gezielt weitere Untersuchungen zu veranlassen.
Bei einer nährstoffdeckenden und supplementierten Ernährung der Mutter in der
Schwangerschaft und Stillzeit, soll beim Säugling eine erste Laborkontrolle mit Beginn der
Beikosteinführung (zwischen Anfang des 5. Lebensmonat s (17. Lebenswoche) und
spätestens mit Beginn des 7. Lebensmonats (26. Lebenswoche)) und mit 12 Monaten
durchgeführt werden. Im Kindesalter soll bei näh rstoffdeckender Versorgung ein bis
zweijährlich eine Laborkontrolle stattfinden und allenfalls die Lebensmittelauswahl und
Supplementierung angepasst werden. Bei einem vegan ernährten Kind kann sich die
Kinderärztin / der Kinderarzt oder der mit der Betreu ung von Kindern erfahrene
Allgemeininternist an folgenden Laboruntersuchungen orientieren ( Tabelle 6 ).
Bei vegetarischer Kostform ist die Bestimmung des Blutbildes (ink. Ec -Indices) und ein
Eisenstatus (Ferritin und CRP) ausreichend, sollte die umfassende Ernährungsevaluation
eine nährstoffdeckende Lebensmittelauswahl zeigen.
Tabelle 6: Laboruntersuchungen beim vegan ernährten Kind
Zu evaluierender
Nährstoff
Labor -Biomarker Kommentar Referenz für
Normalwerte
Eisen Blutbild Generelles Screening (Hb inkl.
Indices, Leukozyten,
Thrombozyten)
Altersentsprechende
Normwerte beachten
Ferritin Als Akutphaseprotein gleichzeitig
CRP bestimmen. Bei
inflammatorischen Zuständen
Transferrinsättigung bestimmen.
6 Mt bis 15 LJ: 10 –
140 µg/l
Vitamin B12 Holo –
Transcobalamin II
(holoTCII)
Biologisch aktives Cobalamin. In
Kombination mit MMA (Urin)
bestimmen.
>35 pmol/l
Methylmalonsäure
(im Spoturin)
MMA widerspiegelt den Vitamin
B12 Metabolismus; erhöhte Werte
widerspiegeln einen Vitamin B12
Mangel.
< 3.6 mmol MMA/mol
Kreatinin
16
Protein Albumin, Harnstoff Marker für Malnutrition,
Proteinstoffwechsel
Albumin: 30 – 54 g/l
Harnstoff: 1.8 – 6
mmol/l
Vitamin D, Calcium -
Phosphatstoffwechsel
Vitamin D (25 -OH -
Cholecalciferol)
Keine Routinemässige Bestimmung
empfohlen bei Supplementierung
gemäss CH -Empfehlung und
fehlenden zusätzlichen
Risikofaktoren für einen Mangel.
>75 nmol/l optimal; 50 –
74 nmol/l adäquat; 25 –
50 nmol/l Insuffizienz, <
25 nmol/l schwerer
Mangel
Calcium,
Phosphat,
Creatinin (Serum)
Calcium,
Phosphat,
Creatinin (Urin)
Bestimmung bei klinischer
Symptomatik einer Rachitis,
symptomatischem Vitamin D
Mangel oder nutritiver
Unterversorgung von Calcium bzw
Vitamin D.
Alk. Phosphatase Erhöht: u.a. Marker des
Knochenstoffwechsel
Erniedrigt: u.a. Marker für
Zinkmangel
Altersentsprechende
Normwerte beachten
Jod TSH Screening für Schilddrüsenfunktion
und indirekter Marker für
Jodmangel. Falls TSH pathologisch
fT3 und fT4 bestimmen.
0.6 – 4.9 mU/l
Jod (im Spoturin) Jodurie unterliegt Tages -
Schwankungen. Messung nur bei
begründetem Verdacht auf
Jodmangel.
Ungenügende
Jodaufnahme <99 µg/l
Adäquate
Jodaufnahme 100 -200
µg/l
Adäquate
Jodaufnahme für
Schwangere 150 -250
µg/l
Zink Zink (Serum) 11 - 18 µmol/l
Kapitel 7: Schlussfolgerung inkl. Stellungnahme und Empfehlung
bezüglich vegetarischer und vegane Ernährung im Säuglings - und
Kleinkindesalter
Mit zunehmender Prävalenz von vegetarischer und veganer Ernährung werden auch
Fachpersonen, welche Säuglinge und Kinder beraten und medizinisch betreuen, immer
häufiger mit Fragestellungen solcher Ernährungsformen konfrontiert werden. Die empfohlene
Ernähr ungsform im Säuglings - und Kindesalter ist die omnivore Ernährung basierend auf
dem Konzept der optimierten Mischkost. Während eine gut geplante vegetarische Ernährung
im Säuglings - und Kleinkindesalter keine grosse Schwierigkeit darstellt, muss eine vegan e
17
Ernährung gut geplant, supplementiert und kontrolliert sein, um dem Risiko von im
Kindesalter potentiell schweren Nährstoffdefiziten vorbeugen zu können. Die Umsetzung
einer solchen Kostform setzt von Seiten der betreuenden Personen fundierte Kenntnisse der
Ernährungslehre voraus. Folgende Übersicht fasst die wesentlichen Punkte zusammen.
Allgemein:
Auf ausgewogene, abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl achten
Vegane Ernährung begleitet von qualifizierter Ernährungsfachkraft und Kinderärztin / Kinderar zt
oder mit der Betreuung von Kindern erfahrene Allgemeininternisti n / erfahrenen
Allgemeininternisten
Motivation explorieren, Informationsquellen besprechen
Ernährungsanamnese erheben, 3 -Tage Ernährungstagebuch analysieren und kritische
Nährstoffe regelm ässig prüfen (Laborkontrollen)
Supplemente besprechen
Säuglinge (Sgl)
Gestillt: Laborkontrolle bei der Mutter und
Vit B 12 Substitution falls diese sich selbst
vegan ernährt
Mit Säuglingsnahrung ernährt: adaptierte
Soja -basierte Anfangsnahrung
Beikost (Beginn zwischen Anfang des 5. und
spätestens anfangs des 7. Lebensmonat s):
Muttermilch oder Soja -Säuglings nahrung bis
mindestens 12 Mt
Auf kaloriendichte Beikost achten und mit
ALA -reichen Ölen supplementieren
evt. Eisensubstitution (v.a. gestillte Sgl nach
Beikosteinführung)
Jodversorgung evaluieren
Vitamin K und D Prophylaxe (gemäss allg.
Empfehlung)
Vitamin B 12 Supplement mit
Beikosteinführung
1. Laborkontrolle für kritische
Mikronährstoffe
Kleinkinder (KK) und Kinder
Energiezufuhr überwachen (Perz entilen)
Rohkost bei KK limitieren (geringere
Verdaubarkeit und Kaloriendichte)
Cave Aspirationsgefahr (Nüsse z.B. mahlen)
Kritische Mikronährstoffe evaluieren (Eisen,
Calcium, Jod, Zink, Omega -3 Fettsäuren)
fixe Vitamin B 12 Supplementierung
fixe Vitamin D Supplementierung bis zum 3.
LJ (gemäss allgemeiner Empfehlung)
Regelmässige Laborkontrollen besprechen
Fachliche Unterstützung
Ernährungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie
Fachbeirat von Stillförderung Schweiz
Kinderärzte Schwei z: Berufsverband der Kinder - und Jugendärzte in der Praxis
18
Miapas – Projekt zur Förderung der Gesundheit von Kleinkindern
Schweizerischer Fachverband Mütter - und Väterberatung
Schweizerischer Hebammenverband
Universitätszentrum für Allgemeinmedizin und Gesundheitswesen - Unisanté, Lausanne
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Weitere Informationen
Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Pascal Müller , Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen Karolin Rose , Hiltl Akademie, Zürich / Spital Männedorf Angelika Hayer , Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE, Bern Dr. med. Laetitia-Marie Petit , Unité de Gastroentérologie, Hépatologie et Nutrition pédiatriques, Hôpital Universitaire de Genève (HUG), Genf Dr. med. Josef Laimbacher , Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen