Fettstoffwechselstörungen sind eine heterogene Gruppe von meistens vererbten Krankheiten, welche oftmals aufgrund einer positiven Familienanamnese bereits im Kindesalter diagnostiziert werden. Dies ist insbesondere im Sinne einer Sekundärprävention eine äusserst wichtige pädiatrische Aufgabe, stellt doch die frühzeitige Diagnose und Therapieeinleitung bei bestimmten Fettstoffwechselstörungen einen entscheidenden Grundstein für die Gesundheit im Erwachsenenalter dar. In diesem Artikel sollen vor allem praktische Aspekte anhand häufig gestellter Fragen im Zusammenhang mit Fettstoffwechselstörungen behandelt werden. Die häufigsten Dyslipidämien sowie deren Diagnostik und Therapie werden kurz dargestellt. Seltenere Fettstoffwechselstörungen werden hier zum Teil gezielt mit erwähnt, auf eine vollständige und systematische Abhandlung sämtlicher Krankheiten wird aber verzichtet. Den Autoren dieses Beitrages erscheint wichtig, in der Praxis den Fokus nicht nur auf die Senkung von Plasma-Cholesterinwerten zu richten, sondern sämtliche bekannte Risikofaktoren wie zum Beispiel Ernährung, Bewegung, Gewicht und Nikotinabusus zu betrachten. Sowohl für die Primärdiagnostik als auch für die Beurteilung der Gesamtsituation ist eine exakte Familienanamnese von zentraler Bedeutung. Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen ist komplex und schliesst eine Steigerung der körperlichen Aktivität und die Vermeidung weiterer Risikofaktoren ebenso mit ein wie eine Diät und Medikamente.
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Abstract
Fettstoffwechselstörungen sind eine hete-
rogene Gruppe von meistens vererbten
Krankheiten, welche oftmals aufgrund einer
positiven Familienanamnese bereits im Kin –
desalter diagnostiziert werden. Dies ist ins –
besondere im Sinne einer Sekundärpräven –
tion eine äusserst wichtige pädiatrische
Aufgabe, stellt doch die frühzeitige Diagnose
und Therapieeinleitung bei bestimmten Fett-
stoffwechselstörungen einen entscheiden –
den Grundstein für die Gesundheit im Er –
wachsenenalter dar. In diesem Artikel sollen
vor allem praktische Aspekte anhand häufig
gestellter Fragen im Zusammenhang mit
Fettstoffwechselstörungen behandelt wer –
den. Die häufigsten Dyslipidämien sowie
deren Diagnostik und Therapie werden kurz
dargestellt. Seltenere Fettstoffwechselstö –
rungen werden hier zum Teil gezielt mit er –
wähnt, auf eine vollständige und systemati –
sche Abhandlung sämtlicher Krankheiten
wird aber verzichtet. Den Autoren dieses
Beitrages erscheint wichtig, in der Praxis
den Fokus nicht nur auf die Senkung von
Plasma-Cholesterinwerten zu richten, son –
dern sämtliche bekannte Risikofaktoren wie
zum Beispiel Ernährung, Bewegung, Gewicht
und Nikotinabusus zu betrachten. Sowohl für
die Primärdiagnostik als auch für die Beur –
teilung der Gesamtsituation ist eine exakte
Familienanamnese von zentraler Bedeutung.
Die Behandlung von Fettstoffwechselstörun –
gen ist komplex und schliesst eine Steige –
rung der körperlichen Aktivität und die Ver –
meidung weiterer Risikofaktoren ebenso mit
ein wie eine Diät und Medikamente.
Einführung
Fettstoffwechselstörungen zählen zu den
häufigsten verer\bten Krankheiten in der päd –
iatrischen Praxis und \besitzen eine grosse
Bedeutung für die spätere Gesundheit im Er -wachsenenalter. Gleichzeitig führen sie in al
–
ler Regel \beim Kind nicht zu Symptomen, ein
Umstand, der jedoch keinesfalls Anlass zu
diagnostischer oder therapeutischer A\bsti –
nenz sein darf. Im Gegenteil hat die Pädiatrie
eine entscheidende Rolle in der Weichenstel –
lung für eine angemessene le\benslange, wenn
immer nötig, strikte Therapie von Fettstoff –
wechselstörungen. In diesem Sinn ist die Be –
handlung dieses Themas ein Parade\beispiel
für die Sekundärprävention als eine der
wichtigsten pädiatrischen Aufga\ben.
Im Vor der g r und dieses B eitr ages stehen pr ak –
tische Aspekte, mit dem Ziel, mögliche «Be –
rührungsängste» in der Praxis a\bzu\bauen. Die
folgenden Fr agen, zuges andt von einem in der
Klinik tätigen Kollegen, sollen \beantwortet
werden:
• Wann muss der (niedergelassene) Pädiater
daran denken, \bei Patienten Blutfettwerte
zu \bestimmen?
• Wie sind Alter, Klinik, Familienanamnese
und Risikofaktoren zu \berücksichtigen?
• Welche Parameter sollen \bestimmt werden;
wie ist das praktische Vorgehen?
• Existieren Referenzwerte und wie sind
diese zu \bewerten?
• Wie ist das Vorgehen \bei pathologischen
Werten? Wann ist eine Kontrolle indiziert,
wann sind Diät o der M e dikamente not wen –
dig?
Da\bei liegt der Fokus des Artikels auf den
vergleichsweise häufigen Situationen; selte –
nere Krankheiten sind nicht vollständig oder
systematisch aufgeführt, werden jedoch zur
Illustrierung des klinischen und \biochemi –
schen Spektrums gezielt mit erwähnt.
Definition
Fettstoffwechselstörungen (synonym: Dysli –
pidämien) sind eine heterogene Gruppe von
Krankheiten, \bei denen Blutfettwerte, vor al –
lem Cholesterine und/oder Triglyceride, ver –
ändert sind. Dies kann primär \bei Vorliegen
eines verer\bten Stoffwechseldefektes der Fall
sein oder sekundär im Rahmen anderer
Krankheiten von Hormonhaushalt (z. B. Dia\be –
tes, Hypothyreose, Cushing-Syndrom), Nieren (nephrotisches Syndrom oder andere chroni
–
sche Nierenkrankheiten) oder Le\ber (Steato –
sis hepatis) oder \bei Anorexia nervosa. Die
meisten Fettstoffwechselstörungen stellen
einen relevanten Risikofaktor für die Entste –
hung einer Arteriosklerose dar und müssen
daher auch \bei praktisch stets asymptomati –
schen Kindern ernst genommen werden
1) –3) .
Epidemiologie
Die häufigste Fettstoffwechselstörung ist der
heterozygote LDL-Rezeptor-Defekt 4), des –
sen geschätzte Inzidenz \bei 1:500 liegen soll.
In ähnlicher Dimension liegt die Inzidenz des
Apolipoprotein B 100 \bangels (1: 20 0 –
1:700), welcher zu eingeschränkter LDL-Re –
zeptoraffinität führt
5). Der homozygote LDL-
Rezeptor-Defekt mit de facto Ausfall der
LDL-Rezeptor-Funktion ist dagegen sehr sel –
ten (Grössenordnung 1:1’000’000). Aller –
dings gi\bt es in der Schweiz für diese Defekte
keine zuverlässigen Zahlen. Dies gilt auch für
alle ü\brigen Fettstoffwechselstörungen, die
als selten \bis sehr selten angenommen wer –
den dür fen. Dies \bedeutet, dass für die meis –
ten dieser Krankheiten (ausser den 2 o\ben
genannten) nur wenige Patienten, zum Teil nur
Einzelfälle oder ü\berhaupt keine Patienten in
der Schweiz vorhanden sind.
\biochemie und Pathophysiologie
Lipide müssen aufgrund ihrer hydropho\ben
Eigenschaf ten im B lut an P r oteine ( sog. A p oli –
poproteine) ge\bunden transportiert werden.
Im resultierenden Lipoprotein sind die hydro –
pho\ben Lipide im Kern «versteckt» und von
Apolipoproteinen umhüllt. Entsprechend ihrer
Dichte werden Lipoproteine in 5 Klassen ein –
geteilt, die jeweils charakteristische Zusam –
mensetzungen \besitzen, welche ihre \bioche –
mischen Eigenschaften \bedingen
6):
• High- density Lipoproteine (HDL)
• Low- density Lipoproteine (LDL)
• Intermediate- density Lipoproteine (IDL)
• Very low- density Lipoproteine (VLDL)
• Chylomikronen
Von klinischer Bedeutung ist vor allem LDL-
Lipoprotein, welches für den Transport von
Lipiden, vor allem Cholesterin, in die periphe –
ren Organe verantwortlich ist
7). Liegt, wie \bei
der familiären Hypercholesterinämie , ein
Defekt des LDL-Rezeptors vor, resultiert eine
Erhöhung des LDL-Lipoproteins im Plasma.
Ne\ben Cholesterin enthalten LDL-Lipoprotei –
Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter
Johannes Hä\berle 1), Alexander Lämmle 1), Matthias R. Baumgartner 1)
1) Abteilung für Stoffwechselkrankheiten
Forschungszentrum für das Kind
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 75
CH-8032 Zürich
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20 Fetsofwc
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ne reichlich Apolipoprotein B 100. Dieses
kann in seiner Funktion durch Gen-Mutatio-
nen (häufigste Mutation p.R3500Q)
3 ) , 5) ge –
stört sein, woraus klinisch wie therapeutisch
die gleiche Situation mit Hypercholesterinä –
mie resultiert wie \bei LDL-Rezeptordefekten.
Bereits im Kindesalter führen konzentrations –
a\bhängig vor allem erhöhte LDL-Cholesterin –
werte zu arteriosklerotischen Gefässschäden.
Defekte der Lipoproteinlipase , welche im
Kapillarendothel die Triglyceride der Chylomi –
kronen und VLDL spaltet und damit deren
Aufnahme in die Zellen ermöglicht, führen zu
isolierter, zum Teil massiver Triglyceriderhö –
hung (Werte teilweise > 50 mmol/L, Ref < 2
mmol/L). Phänotypisch identisch sind Defek -
te des Cofaktors Apolipoprotein CII . Er höhte
Triglycerid-Konzentrationen stellen keinen
Risikofaktor für vorzeitige Arteriosklerose dar.
Bei Defekten der ABC-Transporter G5 oder G8
ist in Dünndarm und Gallenwegen der Export
von zuvor resor\bierten pflanzlichen Fetten,
sog. Phytosterolen, gestört. Daraus resultiert
die sehr seltene Sitosterolämie, die ähnlich
wie der homozygote LDL-Rezeptordefekt ein
relevanter Risikofaktor für Herzinfarkte \be -
reits im Kindesalter ist
8).
Klinisches \bild
Die meisten Patienten mit Fettstoffwechsel -
störungen sind im Kindesalter asymptoma -
tisch. Erste Krankheitszeichen können \bei
familiärer Hypercholesterinämie Fetta\blage -
rungen in der Haut, sogenannte Xanthelas-
men , sein. Bei Vorliegen von Homozygotie für
einen LDL-Rezeptor-Defekt können diese \be -
reits im Kleinkindesalter als imposante su\b -
kutane Knötchen entlang der Hautfalten von
Händen oder Füssen und ü\ber Gelenken im -
ponieren, während ansonsten meist im Be -
reich des Unterlides erste gel\bliche A\blage -
r ungen zu finden sind
4 ) , 9 ) (Abb. 1A) . Diese sind
gemäss klinischer Erfahrung eindeutig mit der Höhe der Cholesterin-Konzentrationen im
Plasma korreliert und können unter Behand
-
lung kleiner werden oder verschwinden.
Dane\ben finden sich \bei einzelnen Fettstoff -
wechselstörungen (z. B. Sitosterolämie) tiefer
unter der Haut gelegene Fetta\blagerungen,
sogenannte Xanthome. Prädilektionsstellen
für Xanthome sind die Streckseiten der Ellen -
\bogen, die Knie sowie Achillessehnen (Abb.
1B) . Oftmals ist die ü\ber Xanthomen liegende
Haut \bläulich-livide verfär\bt, dies auch noch
nach Rückgang oder Verschwinden der Xan -
thome unter Behandlung.
Ein Arcus corneae ist im Kindesalter nur in
Ausnahmefällen \bei sehr schlecht eingestell -
ter familiärer Hypercholesterinämie (oder \bei
homozygoter Hypercholesterinämie) zu \beo\b -
achten.
Bei einem kleinen Teil der Patienten \besteht
als Folge einer vermehrten Einlagerung von
Fett eine Hepatomegalie , die zu Le\berkap -
selspannung und Bauchschmerzen führen
kann. Dies ist zum Beispiel \bei Patienten mit
familiärer Hypertriglyceridämie oder familiä -
rer Chylomikronämie möglich.
Derzeit noch relativ selten dürfte \bei Kindern
das metabolische Syndrom mit Adipositas,
Hyperurikämie, arteriellem Hypertonus, peri -
pherer Insulinresistenz und HDL-Cholesterin-
erniedrigung vorliegen.
Komplikationen
Hohe Cholesterinkonzentrationen im Plasma
verursachen keine akuten Komplikationen,
sind jedoch ein Risikofaktor für eine vorzeiti-
ge Arteriosklerose . Die exakte Bedeutung
einer Hypercholesterinämie im Kontext an -
derer \bekannter (Ü\bergewicht, Bewegungs -
mangel, arterieller Bluthochdruck, Hyperho -
mocysteinämie, Lipoprotein (a) -Erhöhung,
Rauchen) und un\bekannter Risikofaktoren ist
keineswegs geklärt
1). In der Literatur \be -
schrie\ben und auch in der Praxis zu \beo\bach -ten sind frühe fatale Verläufe \bei vergleichs
-
weise geringer e\benso wie kaum \betroffene
Familien mit gravierender Hypercholesterin-
ämie. Besonders gefürchtet sind Komplikati -
onen \bei homozygoter familiärer Hypercho -
lesterinämie sowie \bei Sitosterolämie; für
diese Krankheiten sind jeweils akute fatale
Herzinfarkte im Kleinkindesalter \beschrie -
\ben
3 ) , 8) .
Auch sehr hohe Konzentrationen der Triglyce -
ride (> 10 mmol/L) können durchaus akute
Beschwerden auslösen. Dazu sind akute
Bauchschmerzen, gastrointestinale Blutungen
sowie eine akute Pankreatitis zu zählen, letz –
tere mit potentiell ernster Prognose. Hyper –
triglyceridämie ist jedoch kein Risikofaktor
einer vorzeitigen Arteriosklerose.
Transition und Ausblick
in das Erwachsenenalter
Fettstoffwechselstörungen \blei\ben die Domä –
ne der Erwachsenenmedizin, weil praktisch
alle Komplikationen erst im Erwachsenenalter
au f tr eten. I dealer weise \b es tehen vor O r t enge
Kontakte zwischen Pädiatrie und Erwachse –
nenmedizin, um eine optimale Transition und
damit die Vermeidung von Ängsten auf Pati –
entenseite e\benso wie von Informationsver –
lust auf ärztlicher Seite zu gewährleisten. Wie
dargelegt, soll jedoch eine kompetente und
konsequente pädiatrische Betreuung das Auf –
treten der Komplikationen mindestens verzö –
gern.
Abklärung Familienanamnese
Fraglos kommt einer sorgfältigen und voll –
ständigen Familienanamnese eine heraus –
ragende Bedeutung für die Bewertung der
Situation eines Patienten mit Fettstoffwech –
selstörung zu. Da\bei sind mindestens Ver –
wandte ersten Grades mit einzu\beziehen.
Notwendig erscheint eine gezielte Anamnese
Abbildung 1: Hautveränderungen \bei Fettstoffwechselstörungen. A: 9-jährige Patientin mit Xanthelasmen, unter \beiden Augenlidern als gel\bliche
Verfär\bungen erkenn\bar. B: 12-jährige Patientin mit Xanthomen am Knie, welche als Schwellung sicht\bar und tast\bar sind und als \bläuliche
Verfär\bung imponieren
A B
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20 Fetsofwc
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mit geschlossenen Fragen («Ist es \bei Ihren
Eltern zu frühen Herzinfarkten gekommen?»,
«… und \bei deren Geschwistern?» etc.), weil
in der P r a x is ander nf alls w ichtige D et ails nicht
erho\ben werden. Stichwörter \bei der Erhe-
\bung der Familienanamnese sollten z. B. sein:
Herzinfarkte, Schlaganfälle, Bypassoperatio –
nen
10 ). Bei positiver Familienanamnese sind
gezielte Untersuchungen des Lipidprofils im
Plasma \bereits im Kleinkindesalter indiziert.
Laboruntersuchungen
In der initialen Diagnostik einer Fettstoff –
wechselstörung sollen die folgenden Plasma-
Parameter \bei nüchternem Patienten erho\ben
werden
3):
• Lipidstatus (Gesamt-, HDL-, LDL-Choleste –
rin und Triglyceride)
• Lipoprotein (a) (dieser Wert ist genetisch
determiniert und \bedarf daher keiner Ver –
laufskontrolle, ausser \bei versuchter Inter –
vention mit Niacin)
11 )
• Homocystein
Zur Bewertung der Lipidwerte sind altersa\b –
hängige Referenzwerte una\bding\bar, weil
ins\besondere Cholesterin während des Kin –
desalters sowie nach der Pu\bertät ansteigt,
wohingegen präpu\bertär und während der
Pu\bertät die Werte spontan a\bfallen können
3).
Darü\berhinaus können in einzelnen Situatio –
nen Spezialuntersuchungen wie Lipidelektro –
phorese oder Sterolprofil sinnvoll sein; emp –
fohlen ist hier stets die Kontaktaufnahme mit
einem Stoffwechselzentrum.
Dane\ben sind einmalig zum Ausschluss einer
sekundären Fettstoffwechselstörung die fol –
genden Werte zu \bestimmen:
• TSH, fT4
• Kreatinin
• Cortisol
• Urinstatus
\behandlung – Allgemeines
G r undsät zlich müssen fast alle K inder mit Fet t –
stoffwechselstörung diätetisch und/oder me –
dikamentös \behandelt werden. Schwierig ist
eine Festlegung, a\b welcher Veränderung von
La\borparametern eine Ernährungsmodifikation
alleine nicht mehr ausreicht und eine zusätzli –
che Medikamentenga\be notwendig wird. Dies
lässt sich nur in der Gesamtschau von Alter,
klinischer Situation (liegen weitere Risikofakto –
ren vor?) und Familienanamnese entscheiden und \basiert nie alleine auf der Konzentration
von La\borparametern. Grundsätzlich kann
durch vermehrte körperliche Aktivität, sofern
nicht ohnehin schon \bestehend, das Lipidprofil
ver\bessert werden
3 ) , 4) , 12–14) .
Diät
Die Grundlage der Behandlung der meisten
Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter ist
eine Ernährungsmodifikation. Für die familiäre
Hypercholesterinämie \bedeutet dies eine
Reduktion tierischer, gesättigter Fette in der
Nahrung und die Meidung \besonders choles
–
terinhaltiger Le\bensmittel (v. a. Eigel\b, Fleisch
mit sicht\barem Fett, Butter). Die Fettzufuhr
sollte \b evor zug t einf ach unges ät tig te Fet t s äu –
ren (z. B. aus Walnuss-, Raps-, oder Olivenöl)
enthalten und auf 30–35% der Gesamtkalori –
en \b eg r enz t wer den. Im G egensat z da zu mus s
die Zufuhr von pflanzenfettreichen Produkten
\bei Vorliegen einer Sitosterolämie vermieden
werden, während hier tierische Fette «er –
lau\bt» sind. Für einzelne Krankheiten, z. B. die
familiäre Hypertriglyceridämie, ist eine Re –
duktion des Fettanteils in der Nahrung auf
< 25% sowie eine Vermeidung hohen Zucker -
konsums therapeutisch ausreichend. Hinge -
gen erzielt die Diät der familiären Hypercho -
lesterinämie auch \bei strikter Einhaltung oft
keine \befriedigenden Erge\bnisse, weil eine
Reduktion der Cholesterinwerte im Plasma
nur um 10 % \bis maximal 20 % gelingt und dies
für viele Patienten nicht ausreichend ist
3).
D er Er folg einer choles ter inar men Diät is t zum
Teil genetisch determiniert, wo\bei ins\beson -
dere Apolipoprotein E-Phänotypen als Prädik -
toren für gutes \bzw. schlechtes Ansprechen
dienen
15 ).
Medikamente
Mehrere Medikamente mit jeweils unter -
schiedlichem Wirkmechanismus stehen zur
Verfügung, in der Praxis reduziert sich aus
verschiedenen Gründen die Auswahl auf nur
wenige Wirkstoffe. Grundsätzlich soll eine
medikamentöse Therapie stets \begleitend zur
Fortführung der Diät erfolgen
3).
Ionen-Austauscherharze (z. B. Colestyra -
min) sind grosse, wasserunlösliche Moleküle,
die nicht resor\biert werden, a\ber im Darm
Gallensäuren \binden und damit die Lipidre -
sorption vermindern. In der Praxis kann dies
jedoch nur gelingen, wenn die Medikamente
zu jeder fetthaltigen Mahlzeit eingenommen
werden. Daraus, und aus dem unangenehmen
Gefühl \bei oraler Einnahme, resultiert jedoch eine (nachvollzieh\bare) schlechte Compli
-
ance, welche die ohnehin \beschränkte Wirk -
samkeit der Ionen-Austauscherharze weiter
vermindert. Auch wenn Konsensusempfehlun -
gen zum Teil noch den Einsatz von Ionen-
Austauscherharzen als Stufe 1 der medika -
mentösen Therapie vorsehen, ist dies in der
Praxis der Autoren dieses Artikels nur für
einzelne Patienten eine dauerhaft annehm\ba -
re Option.
H\bG- CoA-Reduktase-Hemmer (synonym:
Statine) \beeinflussen die endogene Choleste -
rinsynthese in einem sehr frühen Schritt und
reduzieren damit die intrazelluläre Choleste -
rinverfüg\barkeit. Gleichzeitig wird die Emp -
findlichkeit von LDL-Rezeptoren gesteigert, so
dass vermehrt LDL-ge\bundenes Cholesterin in
die Zelle aufgenommen wird. Somit sind Sta -
tine wirksame Medikamente zur Senkung von
Gesamt- und LDL- Cholesterin, wo\bei je nach
Wirkstoff eine Senkung um \bis zu 40 % gelingt.
In jedem Fall ist eine Kom\bination mit einer
Diät sinnvoll, weil von einer Addition der W irk -
samkeit ausgegangen werden kann
12 ) –14 ) . In der
Schweiz ist Pravastatin (Selipran ®) als einziges
Statin \bereits a\b 8 Jahren zugelassen.
Ezetimib ist ein vergleichsweise neuer Wirk -
stoff, welcher die Resorption von Cholesterin
am Bürstensaum von Dünndarmzellen durch
Inhi\bition eines Steroltransporters (NPC1L1)
hemmt. Die Wirksamkeit der Cholesterinsen -
kung lieg t \b ei ca. 25 % . Somit kann der Eins at z
vor allem \bei familiärer Hypercholesterinämie
durchaus sinnvoll sein. Aufgrund \bislang feh -
lender Langzeitstudien und nur relativ gerin -
ger Erfahrung mit dem Einsatz \bei Kindern
kann E zetimi\b der zeit je do ch nur als Reser ve -
medikament angesehen werden.
Fibrate sind in ihrem Wirkmechanismus nicht
vollständig aufgeklärt, vermutet wird eine
Steigerung der Aktivität der Lipoproteinlipase
und damit eine ver\besserte Aufnahme von
Triglyceriden. Fi\brate spielen jedoch in der
Behandlung von Kindern keine grosse Rolle.
Lipidapherese, Plasmapherese
Als ultima ratio können \bereits im Kindesalter
Lipidapherese oder Plasmapherese eingesetzt
werden, sofern durch andere Massnahmen
keine ausreichende Stoffwechseleinstellung
geling t. In jedem Fall sind diese Ver fahren \bei
Vorliegen einer homozygoten familiären Hy -
percholesterinämie frühzeitig zu diskutieren.
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23
Verlaufsuntersuchungen
Klinische Verlaufskontrollen sollen zu Be-
ginn der Behandlung das Verständnis von
Eltern und Patienten und damit die Compli -
ance ver\bessern. Patienten sollen motiviert
werden, die Diät möglichst konsequent einzu -
halten sowie, falls erforderlich, ihre Medika -
mente regelmässig einzunehmen. Da\bei mag
es gerade im Kindes- und Jugendalter eine
Herausforderung darstellen, die Notwendig -
keit der konsequenten Behandlung darzustel -
len, ohne ü\bertrie\bene Ängste zu erzeugen.
Laborchemische Kontrollen sind zu Beginn
im A\bstand von 6 Monaten sowie \bei Errei -
chen einer guten Stoffwechseleinstellung alle
12 Monate sinnvoll. Bei Einnahme von Statin -
präparaten sollen da\bei jeweils Transamina -
sen und Kreatinkinase im Plasma mit \be -
stimmt werden. Sinnvoll ist eine Bluta\bnahme
\beim nüchternen Patienten, wo\bei Choleste -
rinwerte, anders als Triglyceride, postprandial
nur gering ansteigen.
Der Stellenwert sonographischer Untersu -
chungen der Intima-Media-Dicke der Arteria
carotis ist stark vom Vorhandensein eines
hochauflösenden Linearschallkopfes sowie
der Erfahrung des Untersuchers einschliess -
lich seiner konstanten Verfüg\barkeit a\bhän -
gig. Im klinischen A llt ag mag eher Ver unsiche -
rung entstehen, sofern nicht der stets sel\be
erfahrene Untersucher die Sonographie
durchführt.
Bei sehr hohen Cholesterinwerten und \bei
stark \belasteter Familienanamnese sind regel -
mässige Kontrollen von Echokardiographie
und Belastungs-EKG sinnvoll.
Prognose
Die Prognose von Fettstoffwechselstörungen
hängt, wie dargestellt, von vielen Faktoren a\b
und kann nicht alleine von einer Besserung
oder Normalisierung einzelner La\borparame -
ter a\bgeleitet werden. Betont werden soll
nochmals, dass die Vermeidung zusätzlicher
Risikofaktoren und eine Optimierung der Le -
\bensumstände gemeinsam mit ver\besserten
La\borparametern die Prognose günstig \beein -
flusst
1) –3) .
Zusammenfassung
Fettstoffwechselstörungen stellen einen rele -
vanten Risikofaktor für die vorzeitige Entwick -
lung arteriosklerotischer Gefässläsionen dar
und sollen daher so f r üh w ie möglich diag nos -
tiziert und \behandelt werden. Da\bei kommt
einer sorgfältigen Familienanamnese eine
grosse Bedeutung zu, vor allem zur Risikoa\b -
schätzung angesichts der multifaktoriellen
Ursachen der Arteriosklerose. Bei positiver
Familienanamnese sind gezielte Untersuchun -
gen des Lipidprofils im Plasma \bereits im
Kleinkindesalter indiziert, auch \bei Fehlen
einer familiären Belastung ist eine einmalige
Cholesterin\bestimmung im Jugendalter sinn -
voll. Bei erhöhten Werten des LDL-Choleste -
rins ist a\b dem Kleinkindesalter eine fettmo -
difizierte Diät indiziert, je nach Verlauf zusätz-
lich eine medikamentöse Therapie. Hier sind
St atine, zumindes t a\b dem A lter von 8 Jahr en,
in erster Linie einzusetzen. Medikamente zur
Behandlung einer Fettstoffwechselstörung
ersetzen nicht, sondern \begleiten eine Diät.
Die Betreuung von Kindern mit Fettstoffwech -
selstörungen soll in Zusammenar\beit mit
einem Stoffwechselzentrum erfolgen, dies
mindestens in der initialen Phase der Diagno -
sestellung und während der Therapieeinlei -
tung.
Fazit für die Praxis
Den Autoren dieses Beitrages erscheint wich -
tig, in der Praxis keine Fokussierung \betrof -
fener Familien alleinig auf Plasma- Choleste -
rinwerte zu fördern, sondern die Hyper -
cholesterinämie als einen Risikofaktor unter
zahlreichen anderen zu \betrachten. Ne\ben
der Senkung erhöhter Cholesterinwerte ist
eine Beachtung von Le\bensumständen, Er -
nährung, Bewegung, Gewicht als mindestens
gleichwertige Herausforderung anzusehen.
Die Familienanamnese ist zentral in der Beur -
teilung der Gesamtsituation. Bei positiver
Familienanamnese sind gezielte Untersuchun -
gen des Lipidprofils im Plasma \bereits im
Kleinkindesalter indiziert.
Die Behandlung von Fettstoffwechselstörun -
gen ist komplex und schliesst eine Steigerung
der körperlichen Aktivität und die Vermeidung
weiterer Risikofaktoren e\benso mit ein wie
eine Diät und Medikamente.
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Korrespondenzadresse
Prof. Johannes Hä\berle
A\bteilung für Stoffwechselkrankheiten
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 75
CH-8032 Zürich
Johannes.Hae\berle @ kispi.uzh.ch
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstüt -
zung und keine anderen \bnteressenkonflikte
im Zusammenhang mit diesem Beitrag dekla -
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Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med. Johannes Häberle , Universitäts-Kinderspital Zürich und Forschungszentrum für das Kind, Zürich Dr. med. Alexander Lämmle , Interdisziplinäres Stoffwechselteam Universitätsinstitut für Klinische Chemie und Abteilung für pädiatrische Endokrinologie, Diabetes und Stoffwechsel, Bern Prof. Dr. med. Matthias R. Baumgartner , Ordinarius für Stoffwechselkrankheiten, Leiter Abteilung für Stoffwechselkrankheiten, Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung, Zürich Andreas Nydegger