Die chronisch nicht-bakterielle Osteomyelitis/Osteitis CNO oder chronisch rezidivierende multifokale Osteomyelitis CRMO, ist eine seltene aber zunehmend häufiger diagnostizierte Erkrankung des Kindesalters. Die Inzidenz wird mit etwa 4:100000 angegeben. Die nicht-bakterielle Osteomyelitis wird heute dem rheumatischen Formenkreis zugeordnet als autoinflammatorische Erkrankung.
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Die chronisch nicht-bakterielle Osteomyeli-
tis/Osteitis CNO oder chronisch rezidivieren –
de multifokale Osteomyelitis CRMO, ist eine
seltene aber zunehmend häufiger diagnosti –
zierte Erkrankung des Kindesalters. Die Inzi –
denz w ir d mit et wa 4 :10 0 0 0 0 angegeb en. Die
nicht-bakterielle Osteomyelitis wird heute
dem rheumatischen Formenkreis zugeordnet
als autoinflammatorische Erkrankung .Das Konzept der autoinflammatorischen Er
–
krankungen wurde erstmals Ende der 1990er
Jahre vorgeschlagen, als man die genetische
Ursache der periodischen Fiebersyndrome
wie das TNF-Rezeptor assoziierte periodische
Fiebersyndrom TRAPS und das FMF-Gen iden –
ti fi zier te. Mac D er mot t et al ver wendeten den
Begriff Autoinflammation, um hervorzuheben,
dass es sich bei diesen scheinbar spontanen entzündlichen Reaktionen nicht um eine au
–
toimmune Erkrankung handelt, da weder au –
toreaktive T-Zellen noch Antikörper nachge –
wiesen werden können. Die Immunantwort
wird bei autoinflammatorischen Erkrankungen
durch Zellen und Moleküle des angeborenen
(innate) Immunsystems und nicht durch das
erworbene (adaptive) Immunssystem getrig –
gert. So wird auch bei der nicht-bakteriellen
Osteomyelitis als mögliche Pathogenese ein
Ungleichgewicht zwischen pro-inflammatori –
schen (IL-6, TNF- α) und anti-inflammatori –
schen (IL-10) Zytokinen beschrieben. Ver –
schiedene Beobachtungen lassen auch bei
der chronisch nicht-bakteriellen Osteomyeli –
tis auf eine genetische Ursache schliessen.
Bei den selteneren autoinflammatorischen
Knochenerkrankungen wie dem DIRA (defici –
ency of IL-1 Receptor agonist) und Majeed-
Syndrom konnten entsprechend molekulare
Defekte identifiziert werden. Gemeinsames
Kennzeichen dieser verschiedenen autoin –
flammatorischen Knochenerkrankungen ist
die sterile Entzündung als Resultat der gestör –
ten Regulation des angeborenen Immunsys –
tems. Dadurch kommt es zu einer entzündli –
chen zellulären Infiltration des Knochens mit
Aktivierung der Osteoklasten, im Weiteren
Osteolysen und ein gesteigertes Knochenre –
modelling. Die sporadisch auftretende CNO
stellt die am häufigsten vorkommende Erkran –
kung aus diesem Formenkreis dar.
Früher ist man davon ausgegangen, dass eine
Osteomyelitis immer eine bakterielle Ursache
hat, auch wenn man keinen Erreger nachwei –
sen konnte. 1972 wurde von A. Giedion erst –
mals das Krankheitsbild der chronischen rezi –
divierenden multifokalen Osteomyelitis als
nichtinfektiöses Krankheitsbild beschrieben.
Heute kennt man eine grosse Diversität mit
multi – ab er auch unifokaler P r äsent ation sow ie
rezidivierenden und chronisch aktiven Ver –
laufsformen. Deshalb wurde die Bezeichnung
nicht-bakterielle Osteitis (NBO) oder chronisch
nicht-bakterielle Osteitis (CNO) vorgeschlagen.
Klinik
Die CNO betrifft deutlich häufiger Mädchen
als Jungen. Der typische Altersgipfel bei Er –
krankungsbeginn liegt um das 10. Lebensjahr
( A b b .1) .
Im Gegensatz zur bakteriellen Osteomyelitis
präsentieren sich die Patienten mit aseptisch –
er Osteomyelitis in gutem Allgemeinzustand,
sind afebril oder subfebril. Vorstellungsgrund
sind die ausgeprägten lokalen, häufig auch
nachts vorhandenen Knochenschmerzen. Ge –
Chronisch nicht-bakterielle Osteomyelitis
Klinik, Diagnostik, Therapie
Daniela Kaiser, Luzern
Abbildung 2 Abbildung 1: Erkrankungsbeginn bei eigener Kohorte von 41 Patienten.
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18
Age at onset (years)
Number of patients
8
7
6
5
4
3
2
1
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1Prof. RTab
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Fusssohlen, die rasch eintrüben und zu Pus-
teln werden (Abb. 4). Der Inhalt ist steril und
enthält neutrophile Granulozyten. Im chroni –
fizierten Stadium zeigen sich keratotische
Veränderungen mit Schuppungen. Die CNO ist
auch mit anderen neutrophilen Dermatosen
vergesellschaftet wie dem Sweet-Syndrom
oder dem Pyoderma gangraenosum.
Im Krankheitsverlauf kann eine Synovitis
auftreten, nicht selten eine Sacroileitis.
Auch beim SAPHO -Syndrom (Synovitis, Akne,
Pustulosis, Hyperostosis, Osteitis) finden sich
neben der Osteitis eine Synovitis oder eine
neutrophile Dermatose. Das SAPHO-Syndrom
wird häufiger bei Erwachsenen diagnostiziert.
Es ist bisher unklar, ob es sich um dieselbe
Erkrankung mit verschiedener Präsentation
handelt. Gewisse Autoren haben die Hypothe –
se formuliert, dass die CNO die pädiatrische
Form des SAPHO -Syndroms darstellt.
Diagnostik
Die CNO ist eine Ausschlussdiagnose, da
weder die klinische Präsentation noch die Laboruntersuchungen krankheitsspezifisch
sind. Es existiert kein spezifischer Biomarker
für die Diagnose oder Bestimmung der Krank
–
heitsaktivität und bisher auch keine nachweis –
bare Genmutation oder HLA-Assoziation. Die
BSR und das CRP können moderat erhöht
sein. Die Diagnose muss deshalb klinisch,
radiologisch und manchmal auch histologisch
abgegrenzt werden von anderen Knochenaf –
fektionen.
Die Differentialdiagnose umfasst Infektionen
im Sinne einer septischen Osteomyelitis oder
Tbc, neoplastische Erkrankungen wie ein
Osteosarkom, eine Leukämie oder Lymphom.
Weiter kann sich auch eine Langerhanszellhis –
tiozytose, ein Osteoidosteom oder eine Os –
teonekrose ähnlich manifestieren. Weitere
autoinflammatorische Erkrankungen, die mit
einer Osteitis einhergehen sind das DIRA,
PAPA- (Pyogene Arthritis, Pyoderma gangra –
enosum) und Majeed Syndrom, welche diff –
entialdiagnostisch miteinbezogen werden.
Die Histologie ist unspezifisch. Die zelluläre
Infiltration ist abhängig vom Krankheitsstadi –
um. In der frühen Phase dominieren die Neu –
legentlich findet sich eine lokale Schwellung,
Rötung und Überwärmung (Abb.2)
.
Meist dauert es mehrere Wochen oder Monate
bis die richtige Diagnose gestellt wird, insbe –
sondere wenn nur ein Herd zu Beginn der Er –
krankung vorhanden ist. Das klinische Spekt –
rum der CNO variiert beträchtlich zwischen
Manifestationen mit einer unifokalen Läsion,
Befall einer Körperregion oder multiplen Her –
den im Sinne einer CRMO als schwerste Form.
B eschr ieb en sind in der Liter atur bis 27 geog r a –
fische Läsionen bei einem Patienten. Die mitt –
lere Erkrankungsdauer beträgt etwa 2 Jahre.
Typische Lokalisationen sind die Clavicula,
die Metaphysen der langen Röhrenknochen
sowie der Befall der Wirbelkörper und des
Beckens. Die Osteitis kann aber an jeder Lo –
kalisation des Skeletts auftreten mit Ausnah –
me des Neurocraniums (Abb. 3) .
Bei Patienten mit CNO können dermatologi –
sche Auffälligkeiten gefunden werden: am
häufigsten Zeichen einer Psoriasis und als
Sonderform der Psoriasis die palmoplantare
Pustulose (PPP). Dabei handelt es sich um
gruppierte Bläschen an Handflächen oder
Abbildung 3: Die am häufigsten beteiligten anatomischen Regionen, Ref. 5. Clavicula 24
%
Humerus 3 %
ISG 3 %
Femur 17 %
Fibula 5 %
Calcaneus 19 %
Sprunggelenk 33 %
Tibia 9
%
Knie 9
%
Becken 7
%
Sternum 9
%
Mandibula 2
%
Abbildung 5: CT Distaler Femur links mit
Osteolysen und Sklerosen.
Abbildung 4: Palmoplantare Pustulose.
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trophilen. Monocyten, Makrophagen, Lym-
phocyten und insbesondere Plasmazellen
finden sich in den späteren Stadien. Das be –
deutet, dass mit der Biopsie keine Abgren –
zung zur bakteriellen Osteomyelitis erfolgen
kann. Die offene Biopsie erlaubt aber den
Ausschluss einer Neoplasie (Osteosarkom,
Ewing-Sarkom) oder einer Langerhanszellhis –
tiozytose. Gleichzeitig kann eine extensive
mikrobielle Untersuchung stattfinden. Die
offene Biopsie kann nicht durch eine Feinna –
delbiopsie ersetzt werden aufgrund der häufig
falschen Resultate.
Etwa 2–3 Wochen nach Beginn der Sympto –
matik zeigen sich im konventionellen Rönt –
genbild erste Veränderungen im Sinne von
Osteolysen, Sklerosen (Abb. 5) und Hyperos –
tosen (Abb. 6) . Die f r üher häu fig dur chgef ühr –
te Skelettszintigraphie erfasst nur etwa 75 %
der Herde. Mittels MRI können alle Herde,
auch die im konventionellen Röntgen nicht
sichtbaren, diagnostiziert werden, da das MRI
auch während frühen Krankheitsstadien sen –
sitiv ist, wo lediglich ein Knochenmarksödem
und noch keine Erosionen vorhanden sind. Die
kürzlich publizierten Studien zeigen den Nut –
zen eines Ganzkörper-MRI . Die Diagnosestel –
lung kann beschleunigt werden, da typische
Muster des bilateralen und multifokalen
Knochenbefalls gesehen werden. Ebenfalls
erlaubt das Ganzkörper-MRI eine bessere
Beurteilung der Krankheitsaktivität. Asympto –
matische Herde können entdeckt werden,
was insbesondere bei spinalem Befall wichtig
ist aufgrund möglicher Komplikationen.
Therapie
Die Literatur zeigt, dass zu Beginn der Erkran –
kung etwa 50 % der Patienten primär antibio –
tisch behandelt werden, obwohl Antibiotika
den Krankheitsverlauf nicht beeinflussen kön -nen.
Nicht-steroidale Antirheumatika sind
die Medikamente der ersten Wahl und können
bei mehr als der Hälfte eine Resolution der
Symptomatik erbringen. Bei schubweisem
Verlauf ist eine kurzfristige Therapie mit Stero –
iden möglich. Als second-line-Therapie werden
Salazopyrin oder Methotrexat eingesetzt. Eine
Verbesserung der Symptome kann aber nur bei
wenigen Patienten erreicht werden und dies
eher bei Patienten mit gleichzeitiger Arthritis.
In den vergangen Jahren erschienen mehrere
Publikationen zum Einsatz von Bisphosphona-
ten (BP). In der Pädiatrie werden Bisphos –
phonate eingesetzt bei Kindern mit erhöhtem
Frakturrisiko im Rahmen der Osteogenesis
imperfecta oder bei primärer oder sekundärer
Osteoporose. Bisphosphonate wie das häufig
verwendete Pamidronat sind effektive Inhibi –
toren der Osteoklasten, haben aber auch ei –
nen anti-entzündlichen Effekt. Zwischen 50–
75 % der behandelten Patienten mit CNO
zeigen in den bisher publizierten Daten mit
kleinen Fallzahlen ein gutes Ansprechen.
Inter es s anter weise f and sich in diesen Unter su –
chungen, auch bei klinischem Ansprechen auf
die Therapie im Sinne einer Schmerzfreiheit, im
Kontroll-MRI häufig eine persistierende subkli –
nische Osteitis. Dieser Befund deckt sich mit
der klinischen Beobachtung, dass die radiologi –
schen Befunde nicht mit der Klinik korrelieren.
Bisphosphonate gehen mit vielfältigen, erheb –
lichen Nebenwirkungen wie atypischen Frak –
turen oder Osteonekrosen des Kiefers einher.
Auch wenn diese Nebenwirkungen bei Kin –
dern nicht beschrieben sind, muss man be –
denken, dass Bisphosphonate eine Halb –
wertszeit von 10 Jahren haben. Die Indikation
sollte insbesondere beim weiblichen Ge –
schlecht sorgfältig gestellt werden. Dies gilt
ebenfalls für die TNF-α-Blocker , die teilweise
ein gutes Ansprechen zeigen, aber mit einer
Immunsuppression einhergehen.
Fazit
Eine Osteomyelitis muss nicht immer infektiös
bedingt sein! Die nicht-bakterielle Osteomye –
litis als inflammatorischer Prozess des Kno –
chens, präsentiert sich klinisch und radiolo –
gisch sehr unterschiedlich. Die Evolution der
nicht-bakteriellen Osteomyelitis ist in etwa
80 % der Fälle gutartig und selbstlimitierend
innerhalb einiger Monate oder wenigen Jah –
ren. Langjährige chronische Verläufe haben
aber eine signifikante Morbidität. Ein verteb –
r aler B ef all kann zu Komplikationen f ühr en mit
Wirbelkörperfrakturen, Vertebra plana und
konsekutiver Skoliosebildung. Pathologische
Frakturen und Defektheilungen sind auch an
anderen Lokalisationen möglich. Die Behand –
lung der CNO ist empirisch, da bisher keine
Plazebo-kontollierten, randomisierten Studi –
en verfügbar sind. Die therapeutische Heraus –
forderung sind die ausgeprägten Knochen –
schmerzen und der vertebrale Befall. Der
Einschluss von Patienten in ein breites euro –
päisches Register ( www.printo.it/eurofever )
wird es in Zukunft erlauben, prospektive
Studien mit grösseren Kohorten durchzufüh –
ren, um die Therapie effektiver zu gestalten.
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in children. Ann Rheum Dis 2005; 64: 279–285.
Korrespondenzadresse
Dr. med. D. Kaiser, Leitende Ärztin
Pädiatrie & Kinderrheumatologie
Kinderspital Luzern
6000 Luzern 16
daniela.kaiser@ luks.ch
Die Autoren haben keine finzanzielle Unter –
stützung und keine anderen Interessenkon –
flikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag
deklariert.
Abbildung 6: Rx linke Clavicula mit Hyperostose.
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTab
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Daniela Kaiser-Kohler , Unterlöchlistrasse 45, 6006 Luzern