Koronare Herzkrankheiten sind im Erwachsenenalter in den industrialisierten Ländern die wichtigste Todesursache. Die Entwicklung der Atherosklerose ist ein multifaktorieller, jahrzehntelanger Prozess, welcher bereits im Kindesalter beginnt.
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Einleitung
Koronare Herzkrankheiten sind im Erwach –
senenalter in den industrialisierten Ländern
die wichtigste Todesursache. Die Entwick –
lung der Atherosklerose ist ein multifakto –
rieller, jahrzehntelanger Prozess, welcher
bereits im Kindesalter beginnt. Man weiss
heute, dass zur Entwicklung der Atheroskle –
rose und zur Entwicklung des Herzinfarktes
im Wesentlichen neun Risikofaktoren bei –
tragen (INTERHEART-Studie). Hierzu gehö –
ren: Hyperlipidämien, Mangel an Bewegung,
Stammfettsucht, Diabetes, Bluthochdruck,
Rauchen, mangelnder Frucht- und Gemüse –
konsum, psychosozialer Status und übermä –
ssiger Alkohol-Konsum. 1) Ein bedeutender
Anteil dieser Risikofaktoren sind eng mit
den Lebensgewohnheiten verbunden. Eine
besondere Risikogruppe sind jedoch die
Patienten mit zusätzlichen genetischen Ri –
sikofaktoren. Von Bedeutung sind hier vor
allem die primären Hypercholesterinämien
und ein hohes Lipoprotein (a).
Die genetischen Formen der Hypercholes-
terinämien (HC) gehören zu den häufigsten
angeborenen Stoffwechselstörungen über –
haupt. In der Schweiz sind ca. 8% der
Bevölkerung betroffen. Mit Ausnahme der
familiären Dysbetalipoproteinämie manifes-
tieren sich die Mehrheit der genetischen HC
laborchemisch bereits im Kindesalter und
sind somit durch ein einfaches Screening zu
erfassen. In verschiedenen Studien konnte
nachgewiesen werden, dass es bereits im
Kindesalter zu atherosklerotischen Gefäss –
veränderungen kommt.
Zudem nehmen in der Schweiz auch die
Lifestyle-bedingten kardiovaskulären Risi –
kofaktoren im Kindesalter stetig zu. 2) Der
prozentuale Anteil übergewichtiger und
adipöser Kinder und Jugendlicher nahm
von 1980 bis 2002 in der Schweiz um das
Sechs- bis Neunfache zu. 3) So ist die Prä –
vention kardiovaskulärer Risiken nicht mehr
ausschliesslich Domäne des Internisten
und Allgemeinpraktikers, auch der Pädiater
muss sich in steigendem Masse mit diesen
Themen auseinandersetzen. In erster Linie
geht es um eine Primärprävention mit dem
Ziel, Lifestyle-bedingte Risikofaktoren zu
vermindern, und andererseits Patienten mit
vermehrten genetischen Risiko frühzeitig
zu erfassen. Vor dem Hintergrund dieser
Entwicklung ist es das Ziel dieser Arbeit,
eine Übersicht über den Lipidstoffwechsel
und die primären Hyperlipidämien zu geben,
und das Screening und die präventiven und
therapeutischen Möglichkeiten bei Kindern
und Jugendlichen zu diskutieren.
Lipidstoffwechsel
Beim Lipidstoffwechsel wird ein exogener
und ein endogener Metabolismus unter –
schieden ( Abbildung 1 ). Ziel des exogenen
Stoffwechsels ist der Transport der Lipide
aus der Nahrung in die Leber und beinhal –
tet:
● Bildung von triglyceridreichen Chylomi –
kronen in Mukosazellen des Darmes
● Hydrolyse der Chylomikronen durch
hormonsensible endotheliale Lipopro –
teinlipase (LPL) und Entstehung der
Chylomikronen-Remnants
● Aufnahme der Remnants in die Leber
Ziel des endogenen Stoffwechsels ist die
Versorgung von peripheren Geweben mit
Cholesterin und Lipiden und beinhaltet:
● Bildung von VLDL in der Leber und Ab –
gabe ins Blut
● Hydrolyse der VLDL durch hormonsensi –
ble endotheliale Lipoproteinlipase (LPL)
und Entstehung der IDL und LDL
● Aufnahme der LDL über Rezeptor in
Leber und anderen Geweben
Atherosklerose und primäre
Hyperlipidämien –
Ein pädiatrisches Problem?
J.–M. Nuoffer, Bern
Hypercholesterinämien
● Hypothyreose
● Anorexia nervosa
● Cholestatische Hepatopathien
● Cushing-Syndrom
● Nephrotisches Syndrom,
Niereninsuffizienz, Dialyse
Hypertriglyzeridämien
● Adipositas
● Diabetes mellitus
● Glykogenose Typ I
● Pankreatitis
Kombinierte Hyperlipidämien
● Adipositas
● Diabetes mellitus
● Glykogenose Typ I
● Hepatitis
● Nephrotisches Syndrom, Niereninsuf –
fizienz, Dialyse
● Medikamente: β-Blocker, Kortikoide,
Östrogene, Thiazide
● Systemischer Lupus
Tabelle 1: Sekundäre Hyperlipidämien
Abbildung 1: Endogener und exogener Stoffwechsel der Lipide
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Die HDL entstehen in der Leber und sorgen
für den Abtransport des überschüssigen
Cholesterins aus der Peripherie zur Leber.
Nur die Leber kann das Cholesterin zu
Gallensäuren abgebaut ausscheiden. Die-
se Stoffwechselwege werden durch die
Zusammensetzung der Nahrungslipide und
Hormone beeinflusst. Eine Ernährung reich
an gesättigten Fettsäuren, Adipositas und
Insulinresistenz führen allesamt zu einem
erhöhten Cholesterin und sind mögliche
Ursachen für sekundäre Hyperlipidämien
(Tabelle 1 ) und Grundlage der präventiven
und therapeutischen Massnahmen.
Im Folgenden werden die für die Pädiat –
rie und Entwicklung der Atherosklerose
wichtigen Formen der primär genetischen
Hyperlipidämien beschrieben ( Tabelle 2). Die-
se Patienten sollten möglichst früh erfasst
werden, um der Entwicklung sekundärer Ri –
sikofaktoren vorzubeugen und um allenfalls
eine Therapie einzuleiten.
Die dominant erbliche, heterozygote Form
der familiären Hypercholesterinämie (HC)
ist eine der häufigsten angeborenen Stoff –
wechselstörungen. Durch eine defekte
Funktion der Rezeptoren für Low-Density-
Lipoproteine (LDL) besteht vom Beginn
der Nahrungszufuhr im Neugeborenenal –
ter an eine sehr starke Vermehrung des
LDL-Cholesterins (meist > 4.5 mmol/l)
und des Gesamtcholesterin (meist > 6.5
mmol/l) sowie des ApoB (>150 mg/dl). Bei
Jugendlichen mit familiärer HC findet sich
im Ultraschall bereits ein vergrösserter
In tima-Media Durchmesser der Carotis 4)
oder eine fortgeschrittene endotheliale
Dysfunktion 5). Die vermehrte Cholesterin –
einlagerung in die Gefässwände führt oft
im mittleren Lebensalter zu vorzeitigen
Herzinfarkten. Bei betroffenen Verwandten
finden sich nicht selten Xanthome der Achil –
lessehne und über den Streckseiten der Ge –
lenke sowie Cholesterinablagerungen in der
Kornea. Die Diagnosestellung stützt sich auf: 1. F
amilienanamnese (dominanter Erbgang);
2. wiederholte Bestimmung der Plasmalipide
im Nüchternzustand. Die Diagnose kann mo –
lekulargenetisch gesichert werden.
Die homozygote Form der familiären Hy –
percholesterinämie ist mit einer Prävalenz
von ca. 1 : 750 000 sehr selten. Die Sym –
ptome treten alle bereits in der 1. Lebensde –
kade auf (Gesamtcholesterin > 15 mmol/l)
und unbehandelt versterben die Patienten
meist in der 2. Lebensdekade.
Der familiäre Defekt des Apolipoprotein B
findet sich in der Schweiz besonders häufig.
Die durch molekulargenetische Methoden
diagnostizierbare Störung führt zu gestörter
Rezeptorbindung der LDL-Partikel und damit
zu vergleichbaren laborchemischen und kli –
nischen Folgen wie bei der familiären HC.
Die meisten Kinder und Jugendlichen mit
wiederkehrend leicht erhöhtem LDL-Chole –
sterin weisen eine polygen vererbte Hyper –
cholesterinämie auf. Die mässig erhöhten
Cholesterinspiegel steigen erst nach der
Pubertät deutlich an. Auch diese Patienten
haben jedoch ein erhöhtes Atherosklerose –
risiko im späteren Lebensalter.
Die familiär kombinierte Hyperlipidämie
führt mit zunehmendem Alter zur Vermeh –
rung von Triglyzeriden und Cholesterin mit
hohem Atheroskleroserisiko; wird in der
Kindheit jedoch häufig nicht erfasst. Auch
die familiäre Dysbetalipoproteinämie kann
laborchemisch in der Kindheit verpasst wer –
den. Der rezeptorabhängige Abbau der VLDL
Remnants in der Leber ist durch eine Struk –
turanomalie des Apo E gestört und führt zu
einer Erhöhung von Triglyzeriden und Chole –
sterin. Gelbliche Lipidablagerungen an den
palmaren Hautfurchen sind pathognomo –
nisch, können aber auch an anderen Lokali –
sationen auftreten. Das Atheroskleroserisiko
ist stark erhöht. Die Veränderungen spre –
chen jedoch sehr gut auf die Normalisierung
des Gewichtes und auf diätetische Massnah –
men an. Eine medikamentöse Therapie mit
Fibraten oder Nikotinsäure ist meist erst im
Erwachsenenalter erforderlich.
Laut Meinung der American Academy of
Pediatrics (AAP) 6), der American Heart As –
sociation (AHA) 7) und der deutschen Ar –
beitsgemeinschaft für Pädiatrische Stoff –
wechselstörungen (APS) ( www.aps-med.
de/hyper.htm )8) sollten Kinder mit primären
Hypercholesterinämien bereits im Kindesal –
ter diagnostiziert und behandelt werden.
Wie können/sollen also diese
Risikopatienten erfasst werden?
Wer wird gescreent?
Entsprechend den meisten Richtlinien wird
ein selektives Screening bei Vorliegen einer
positiven Familienanamnese vorgeschlagen
(primäre Hyperlipidämie oder Herz- und Ge –
fässkrankheiten vor 55 Jahren bei Eltern,
deren Geschwister und Grosseltern). Die AAP
empfiehlt auch dann ein Screening durchzu –
führen, wenn eine familiäre Ana mnese nicht
erhoben werden kann. Die APS befürwortet
jedoch ein allgemeines Screening. Das an
einer positiven Familienanamnese orientierte
selektive Screening kann nach den Ergebnis –
sen zahlreicher Studien nur den geringeren
Teil der Kinder mit schwerer Hypercholesteri –
nämie aufdecken. Eine vorhandene familiäre
Belastung ist oft nicht bekannt, z. B. weil
betroffene Eltern selbst noch in jungem Alter
sind und ihre Hypercholesterinämie noch
keine klinischen Manifestationen wie z. B.
einen Herzinfarkt gezeigt haben, oder weil
über eine bei anderen Familienmitgliedern
z. B. in der Grosselterngeneration vorlie –
gende Stoffwechselstörung keine Kenntnis
besteht. In Deutschland werden die Kosten
für ein allgemeines Cholesterinscreening im
10–13 Lebensjahr übernommen.
Wie wird gescreent?
Beim selektiven Screening sollte im Nüch –
ternzustand eine Bestimmung von Choles –
terin, Triglyzeriden und HDL-Cholesterin im
Serum vorgenommen und das LDL-Chole –
sterin nach Friedewald berechnet werden
(bei Werten in mg/dl: LDL-Chol. = Gesamt –
chol. – HDL-Chol. [Tri-gl/5]). Beim allgemei –
nen Screening eignet sich aus Praktikabili –
täts- und Kostengründen am ehesten eine
Bestimmung des Gesamtcholesterin im Blut.
Ein Problem sind hier die Kinder mit «tran –
sitorischen Hypercholesterinämien», die so
übermedikalisiert werden. Es braucht also
Tabelle 2: Primäre Hyperlipidämien (Miserez, Schweiz Med Forum. 2001, 12: 320–324)
Prävalenz (CH) Vererbung/Defekt
polygene Hypercholesterinämie 1 : 30 unbekannt
fam. kombinierte Hypercholesterinämie 1 : 50 unbekannt
fam. defektive Apo B-100 1 : 210 dominanter, Apo B-100 Defekt
fam. Hypercholesterinämie 1 : 500 dominanter LDL-Rezeptor Defekt
fam. Dysbetalipoproteinämie 1 : 1000 rezessiver Apo E Defekt
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eine Wiederholung der Untersuchung und
eine Bestätigung durch einen vollständigen
Lipidstatus im Nüchternzustand.
Wann wird gescreent?
Hier herrscht wenig Einigkeit: Entsprechend
der AAP und der AHA sollte möglichst
zwischen dem 2.–5. Lebensjahr gescreent
werden. In diesem Alter verspricht man
sich am meisten bezüglich Effekt der Ernäh –
rungsberatung und Lifestyle-Beeinflussung.
Je nach Art der Hyperlipidämie muss jedoch
berücksichtigt werden, dass in diesem Alter
die Patienten laborchemisch verpasst wer –
den können. Von Bedeutung ist daher, dass
bei positiver Familienanamnese beim Index –
fall die Art der Hyperlipidämie in Erfahrung
gebracht wird.
Therapie bei Hypercholesterinämien
Grundlage der Behandlung in der Pädiatrie
ist eine Ernährungsmodifikation und die
Prävention von weiteren Risikofaktoren. Ziel
ist die Senkung des LDL-Cholesterins unter
0.4 mmol/l. Voraussetzung für eine lang –
fristig erfolgreiche Therapie ist eine gute
Information und Motivation des Patienten
und seiner Familienangehörigen, die durch
wiederkehrende Information und Schulung
zu stützen ist. Das Atheroskleroserisiko
(siehe Abbildung 2 ) bei dieser Risikogruppe
erhöht sich zusätzlich durch die Lifestyle-
bedingten Risikofaktoren. Im Kindesalter
bildet daher die Ernährungsmodifikation die
Grundlage. Regelmässige körperliche Aktivi –
täten werden angestrebt. Jugendliche Pati –
enten sind eindringlich vor dem zusätzlichen
Risiko durch Rauchen zu warnen. Bei oralen
Kontrazeptiva sollten Niedrigdosispräparate
bevorzugt werden. Die empfohlenen Richt –
werte der Serumlipide für das diagnostische
und therapeutische Vorgehen bei Kindern
und Jugendlichen der APS sind in der Tabelle
3 ersichtlich.
Ernährungsberatung
Erforderlich ist eine gemischte und kindge –
rechte Kost, die eine altersgemässe Ener –
gie- und Nährstoffzufuhr gewährleistet. Es
handelt sich eigentlich nicht um eine Diät,
sondern um eine altersentsprechende nor –
male gesunde Ernährung.
Bei übergewichtigen oder adipösen Kindern
ist die Normalisierung des Körpergewichtes
eine der wichtigsten Massnahmen. Durch
die Gewichtsabnahme bzw. – stabilisation
fällt das Gesamtcholesterin ab und häufig
erhöht sich das HDL-Cholesterin. Eine ver –
mehrte körperliche Bewegung unterstützt
die Gewichtsabnahme wesentlich.
Bei normalgewichtigen Kindern ist eine
altersentsprechende Gewichtszunahme an –
zustreben.
Ernährungsprinzip: Im Vordergrund einer
kindgerechten Ernährung bei Hypercholes-
terinämie steht die Fettmodifikation. Der
wichtigste Faktor ist die Reduktion der
Zufuhr gesättigter Fettsäuren (< 10% der
Energiezufuhr). Diese ist durch den Aus -
tausch fettreicher Milchprodukte, Fleisch-
und Wurstwaren sowie Süssigkeiten gegen
fettarme Alternativen (z. B. fettarme Joghurt,
magere Fleischsorten, Gummibärchen usw.)
gut zu erreichen. Einfach ungesättigte Fett -
säuren aus Olivenöl oder Rapsöl (Zufuhr
> 10% der Energiezufuhr) haben gegen –
über mehrfach ungesättigten Fettsäuren
aus Sonnenblumenöl, Maiskeimöl, Distelöl
und Margarinen (Zufuhr 7–10% der Ener –
giezufuhr) den Vorteil, dass sie nicht nur
das ungünstige LDL-Cholesterin senken,
sondern auch das protektive HDL-Choleste –
rin anheben können. Rapsöl hat zudem ein
sehr günstiges Verhältnis von Omega-3- zu
Omega-6-Fettsäuren.
Im Weitern wird die Cholesterinzufuhr
(< 200 mg/d) mit der Nahrung begrenzt.
Eine reichliche Zufuhr an Antioxidantien
(Vitamin C, E und Beta-Carotin) und Nah -
rungsfasern durch einen hohen Konsum
von Obst, Gemüse und Vollkornprodukten
wird angestrebt.
Etwa 6 bis 8 Wochen nach Beginn der Er -
nährungsmodifikation ist eine Kontrolle der
Cholesterinwerte und eine erneute gezielte
Diätberatung ratsam. Weitere Kontrollen der
Cholesterinwerte sollen im Allgemeinen in
Abständen von 3 bis 6 Monaten durchge -
Abbildung 2: Genetisches Risiko der Hyperlipidämien Das Atheroskleroserisiko ergibt sich durch das genetische Risiko und die sich gegenseitig beeinflussenden Lifestyle-bedingten Risikofaktoren, welche bei Früherfassung der Hyperlipidämien unbedingt vermieden werden sollten.
Tabelle 3: Empfohlene Richtwerte der Serumlipide für das diagnostische und therapeu - tische Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen der APS 8) * Als zusätzliche Risikofaktoren zählen positive FA für koronare Krankheit vor 5.LJ, arterielle Hypertension,
Diabetes, Nikotin, HDL < 1mmol/l. Ein HDL > 1.5 mmol/l gilt als protektiv und kann von den Risikofaktoren
abgezogen werden.
Gesamtcholesterin > 5,7 mmol/l Indikation zur Bestimmung von HDL- und LDL-Cholesterin
Bei normalen HDL (> 0.9 mmol/l):
LDL > 4 mmol/l In der Regel Indikation zur diätetischen Therapie
LDL > 3.4–4 mmol/l Kontrolle innerhalb 2 Jahren
LDL > 6.5 mmol/l Ambulante Vorstellung des Patienten
in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum
Ab dem Alter von 7–8 Jahren bei über 6–12 Mon. adäquat durchgeführter Diättherapie:
LDL > 4.9 mmol/l Zusätzliche medikamentöse Therapie erwägen
LDL > 4.2 mmol/
+ zusätzliche Risikofaktoren* Zusätzlich medikamentöse Therapie erwägen
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führt werden. Durch eine Ernährungsmodifi –
kation kann eine durchschnittliche Senkung
der LDL-Cholesterinwerte von etwa 15%
erwartet werden.
Medikamentöse Therapie
Bleibt das LDL auch unter konsequenter Er –
nährungsumstellung erhöht, kommt ab ca.
8–10 Jahren eine zusätzliche medikamen –
töse Therapie in Frage ( siehe Tabelle 3 ).
Ionenaustauschharze (Cholestyramin) wir –
ken im Intestinaltrakt durch Unterbrechung
des enterohepatischen Kreislaufes und hem –
men so die Resorption von Cholesterin und
Gallensäuren. Bei familiärer Hypercholeste –
rinämie ist die Wirkung mässig. Triglyzeride
und HDL steigen unter Therapie häufig
leicht an. Wichtigste Nebenwirkungen sind
Völlegefühl und Obstipation. Wichtig ist,
die Medikamente mit reichlich Flüssigkeit
einzunehmen. Die Compliance ist häufig
schlecht. Die Tagesdosis richtet sich nach
der Höhe des Cholesterinspiegels und liegt
zwischen 2-mal 2 g und 24 g täglich.
Phytosterole sind pflanzliche Sterine und
haben eine den Anionenaustauschharzen
entsprechende Wirkungsweise. Phytosterol
angereicherte Nahrungsmittel sind in der
Schweiz als Margarine (Becel ® proaktiv)
oder Jogurtdrinks (Becel ®, Benecol ®) im
Handel. Um eine Cholesterinsenkende Wir –
kung zu erreichen müssen mindestens 2 g
Phytosterole eingenommen werden (d.h.
20g Becel ® proaktiv oder ein Fläschchen Be –
necol ®) Nachteilig ist der relativ hohe Preis
dieser speziellen Nahrungsmittel.
Fibrate (Fenofibrat ®, Gemfibrozil ®) steigern
die Lipoproteinlipase-Aktivität und können
so die Plasmatriglyzeride senken und das
HDL erhöhen, das LDL wird um 5–25%
vermindert. Im Kindesalter kommen sie bei
schwerer kombinierter Hyperlipidämie in
Frage. Wegen der Nebenwirkungen (Myosi-
tis, Transaminasen-Erhöhungen, gastroin –
testinale Beschwerden) sollten sie nicht mit
Statinen zusammen verordnet werden.
Nikotinsäure und deren Abkömmlinge wer –
den in der Pädiatrie wegen der häufigen
Nebenwirkungen (Flush, Gichtanfälle, Cho –
lestase und verschlechterte Glukosetole –
ranz) kaum eingesetzt.
Der Gebrauch von Cholesterinsynthese –
hemmern (HMG-CoA-Reduktaseinhibitoren
wie Atorvastatin ®, Pravastatin ®) in der Pädi –
atrie wurde aufgrund der neueren Studien
wesentlich liberalisiert. 9) Zu den Neben –
wirkungen gehören Erhöhung von Trans –
aminasen und CK. Deshalb sollten diese
Parameter vor Beginn der Therapie, nach
sechs Wochen und im Verlauf halbjährlich
monitorisiert werden. Bei einem Anstieg auf
das Dreifache der oberen Norm sollte die
Behandlung abgebrochen werden. Pravasta –
tin® ist in der Schweiz für die Anwendung bei
Kindern ab 8 Jahren zugelassen.
Zusammenfassend kann gesagt werden,
dass es wichtig ist, Patienten mit primären
Hyperlipidämien bereits im Kindesalter zu
erfassen. Sie haben ein deutlich erhöhtes
Risiko, bereits im frühen Erwachsenalter an
koronaren Herzkrankheiten zu erkranken.
Voraussetzung für eine langfristig erfolg –
reiche Therapie ist eine gute Information
und Motivation des Patienten und seiner
Familienangehörigen, die durch wiederkeh –
rende Information und Schulung zu stützen
ist. Ziel ist die Prävention der sekundären
Risikofaktoren, die durch unsere Lebensge –
wohnheiten deutlich zunehmen, und die LDL
Werte zu senken.
Korrespondenzadresse:
Dr. med. JM Nuoffer
Leiter Metabolik Universitäts-Kinderklinik
und Co-Leiter Spezialanalysen
Institut für Klinische Chemie
Inselspital
3000 Bern
jean-marc.nuoffer@insel.ch
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Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
PD Dr. med. Jean-Marc Nuoffer , Universitäts-Kinderspital Bern und Universitäts-Institut für Klinische Chemie Inselspital, Bern,