Für Kleinkinder bis zu 2 Jahren ist das Risiko, an einer invasiven Infektion mit Pneumokokken zu erkranken, esonders hoch. Die Folgen können schwere und teilweise lebensbedrohende Erkrankungen wie Meningitis, Bakteriämie und Pneumonie sein. In der Schweiz tritt pro Monat eine Pneumokokken- Meningitis und eine Bakteriämie auf. Ausserdem erkranken jährlich ca. 4000 Kinder an einer Pneumokokken-Pneumonie und ca. 27000 leiden unter einer Otitis media, die durch Pneumokokken verursacht wird. Ein Zehntel der Meningitis-Erkrankungen verläuft schwer oder sogar tödlich, eines von vier Kindern leidet nach überstandener Meningitis an neurologischen Ausfällen, ein Drittel der Kinder erleidet als Folge der Erkrankung eine Beeinträchtigung des Gehörs bis hin zur Taubheit. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF) empfehlen deshalb seit Januar 2006 die ergänzende Impfung gegen Pneumokokken mit einem konjugierten, heptavalenten Impfstoff für alle gesunden Kinder im Alter von 2 bis 24 Monaten, deren Eltern einen optimalen Impfschutz wünschen. Die Kostenübernahme dieser Impfung erfolgt durch die Krankenkassen seit August 2006.
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Vol. 18 No. 2 2007 F o r t b i l d u n g / F o r m a t i o n c o n t i n u e
Einführung
Für Kleinkinder bis zu 2 Jahren ist das Risiko,
an einer invasiven Infektion mit Pneumo –
kokken zu erkranken, besonders hoch.
Die Folgen können schwere und teilweise
lebensbedrohende Erkrankungen wie Me –
ningitis, Bakteriämie und Pneumonie sein.
In der Schweiz tritt pro Monat eine Pneu –
mokokken-Meningitis und eine Bakteriämie
auf. Ausserdem erkranken jährlich ca. 4000
Kinder an einer Pneumokokken-Pneumonie
und ca. 27 000 leiden unter einer Otitis
media, die durch Pneumokokken verursacht
wird. Ein Zehntel der Meningitis-Erkran –
kungen verläuft schwer oder sogar tödlich,
eines von vier Kindern leidet nach über –
standener Meningitis an neurologischen
Ausfällen, ein Drittel der Kinder erleidet als
Folge der Erkrankung eine Beeinträchtigung
des Gehörs bis hin zur Taubheit.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die
Eidgenössische Kommission für Impffragen
(EKIF) empfehlen deshalb seit Januar 2006
die ergänzende Impfung gegen Pneumokok –
ken mit einem konjugierten, heptavalenten
Impfstoff für alle gesunden Kinder im Alter
von 2 bis 24 Monaten 1), deren Eltern einen
optimalen Impfschutz wünschen. Die Kosten –
übernahme dieser Impfung erfolgt durch die
Krankenkassen seit August 2006.
Ist in der Schweiz über die
neuen ergänzenden Impfungen
wie die Pneumokokkenschutz
impfung b ereits breit genug
informiert worden?
Die Tatsache, dass die ergänzenden Imp –
fungen relativ neu sind, verlangt nach einem
wiederholten daran Erinnern, dass die Pneu –
mokokkenschutzimpfung einen wichtigen
Schutz gegen die invasiven Pneumokokken –
infektionen darstellen. Denn für die Ärzte
ist diese Information ebenso neu wie für
die Eltern. Bei einer ergänzenden Impfung
wie dieser, die von der EKIF, dem BAG und
den Berufsverbänden empfohlen wird, hat
der praktizierende Arzt (Kinderarzt oder
Hausarzt) die Rolle eines aktiven Aufklärers
zu erfüllen. Man darf nicht erwarten, dass
die Information über diese neuen Impfungen
wie bei den Routineimpfungen bereits von
allen Ärzten aufgenommen wurde.
Was die Eltern von Kleinkindern betrifft, so
ist die grosse Mehrheit der Eltern dafür, ihren
Kindern einen optimalen Schutz gegen solche
potentiell schwer verlaufenden Krankheiten
zu bieten. Impfkritische Eltern kommen in
allen Praxen und Kinderspitälern vor, sie
sind aber in der Minderheit. Wichtig ist, dass
offen und ehrlich informiert wird und andere
Meinungen akzeptiert werden. Gerade bei
der Pneumokokkenschutzimpfung scheint es
möglich, die Argumente für eine solche Imp –
fung allen Eltern überzeugend darzulegen.
Wie häufig ist das Auftreten
der invasiven Pneumokokken
erkrankungen in der Schweiz?
Die Statistiken zeigen, dass es zwei Gipfel
bei der Häufigkeit der invasiven Pneumo –
kokkenerkrankungen gibt ( Abbildung 1 ).
Der hier Interessierende findet sich in den
ersten zwei Lebensjahren; das Risiko bis
zum fünften Lebensjahr ist auch noch etwas
erhöht. Damit die Kinder in diesem hinsicht –
lich invasiver Pneumokokkeninfektionen
gefährlichen Lebensabschnitt hinreichend
geschützt sind, ist der frühe Impfbeginn
notwendig.
Der zweite Höhepunkt der invasiven Pneu –
mokokkenerkrankungen beginnt ab einem
Alter von 65 Jahren ( Abbildung 1 ). Erfah –
rungen zeigen, dass mit kontinuierlicher
Zunahme der Durchimpfungsrate nicht nur
die geimpften Kinder vor invasiven Pneu –
mokokkeninfektionen geschützt sind. Die
reduzierte Übertragung der Erreger aus
dem Nasopharynx in der Gesamtbevöl –
kerung bewirkt, dass auch andere Alters –
gruppen, die selbst nicht geimpft sind, ein
geringeres Risiko für invasive Pneumokok –
kenerkrankungen besitzen 2).
Mit dem Impfschema der Pneumokokken –
schutzimpfung, d. h. zwei Grundimpfungen
im Alter von 2 und 4 Monaten zusammen
mit DTPa Hib IPV± HBV sowie einer Auffri –
Antworten auf Fragen zur ergänzenden
Schutzimpfung gegen Pneumokokken
erkrankungen
Urs Beat Schaad, Basel 1
Abbildung 1: In den ersten zwei Lebensjahren ist das Risiko für eine invasive Pneumokokkenerkrankung (IPE) stark erhöht
Cas
1 Die Ausarbeitung des Berichts erfolgte ohne finanzi – elle Unterstützung einer pharmazeutischen Firma. Als Facharzt FMH Pädiatrie und FMH Infektiologie ist der Autor Mitglied verschiedener Fachgesellschaften für Kindermedizin und Infektiologie im In- und Ausland. Zudem gehört er dem «Expert Panel Prevenar» der Firma Wyeth Pharmaceuticals AG.
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schimpfung im Alter von 12 Monaten, wird
eine lebenslänglich andauernde Immunität,
basierend auf einem immunologischen Ge –
dächtnis, erzielt.
Wie wichtig sind Nachholimpfung
en bei verpassten Impfterminen?
Für Kinder, bei denen die ersten Impfungen
verpasst wurden, empfiehlt die EKIF, die –
se Impfungen bis zum Alter von 2 Jahren
(solche mit Risikofaktoren auch darüber
hinaus) nachzuholen. Das Risiko, im zweiten
Lebensjahr und darüber hinaus an schweren
invasiven Pneumokokkeninfektionen zu er –
kranken, besteht weiterhin. Ein Rückgang
der Inzidenz der Erkrankung durch den
Erwerb der natürlichen Immunität bedeutet
nicht, dass kein Risiko mehr besteht.
Wie können Praxisärzte die Eltern
über die neuen ergänzenden
Impfungen informieren?
Im Vordergrund steht dabei, den Eltern die
Bedeutung der Pneumokokkenerkrankung
für die ersten Lebensjahre bewusst zu
machen. Folgende fünf Punkte können als
Argumentarium dienen, um die Eltern hin –
reichend über diese ergänzende Impfung
zu informieren:
Punkt 1 – die Kolonisation: Die Eltern
werden informiert, dass die Pneumokokken
sehr häufig im nasopharyngealen Bereich
von Kleinkindern anzutreffen sind und diese
regelmässig ausgetauscht werden. Also
kommen fast alle Kleinkinder mit Pneumo –
kokken in Kontakt.
Punkt 2 – die Krankheiten: Die Tatsache,
dass invasive Pneumokokken schwere Er –
krankungen hervorrufen können wie Menin –
gitis, Sepsis und Pneumonie, aber auch für
die akute Otitis media verantwortlich sind,
wird den Eltern vermittelt.
Punkt 3 – die Resistenzentwicklung:
Auch in der Schweiz gibt es wie weltweit
zunehmend resistente Keime. Die Resistenz
bewirkt, dass die gezielte Behandlung der
Pneumokokkeninfektionen immer schwie –
riger wird.
Punkt 4 – die Therapie: Die Behandlung
der invasiven Pneumokokkeninfektionen
ist häufig sehr aufwändig, v. a. wenn es sich
noch dazu um resistente Keime handelt.
Punkt 5 – die Prävention: Es besteht
die Möglichkeit, eine Prävention gegen
die invasiven Pneumokokkenerkrankungen
durchzuführen. Dies geschieht mit einem
sicheren und wirksamen Impfstoff. Verhütet
wird Kolonisation und Krankheit, eine Thera –
pie erübrigt sich.
Wenn die Eltern über diese fünf Punkte infor –
miert werden, wird für die meisten deutlich,
dass der fünfte Punkt die Lösung für die
ersten vier Punkte darstellt.
Visuelle Unterlagen wie Grafiken über die
Inzidenz der Pneumokokkenerkrankungen
ergänzen das 5-Punkte-Argumentarium für
die Eltern. Auch wenn zum Glück nicht
alle Pneumokokkenerkrankungen tödlich
verlaufen, so muss doch hervorgehoben
werden, dass ein Viertel der Kinder blei –
bende Schäden als Folge der Infektion
davon trägt. Denn das Ziel sollte nicht nur
die Beherrschung der tödlichen Folgen der
Erkrankung sein. Auch Hörstörungen, Läh –
mungen, Auffälligkeiten in einem späteren
Verhalten, z. B. in der Lernfähigkeit, gilt es
zu berücksichtigen.
Referenzen1) BAG: Pneumokokkenimpfung bei Kindern unter 5 Jahren. BAG Bulletin, Supplementum XVII: Ordner «Infektionskrankheiten – Diagnose und Bekämp – fung», Bulletin BAG, 2005; 45: 1–18.
2) CDC; Direct and indirect effects of routine vaccina – tion of children with 7-valent pneumococcal conju – gate vaccine on incidence of invasive pneumococcal disease – United States, 1998–2003. CDC, MMWR, 2005; 54(36): 893–897.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Urs Beat Schaad
Facharzt FMH für Kinder- u. Jugendmedizin
und FMH Infektiologie
Chefarzt Pädiatrie
Universitäts-Kinderspital
beider Basel (UKBB)
Römergasse 8
4005 Basel
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med. Urs Beat Schaad , Infektiologie, Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)