RegresAutismus-Spektrum-Störungen (ASS) betreffen eine grundlegende Funktion unserer Gesellschaft, d. h. die Fähigkeit zu kommunizieren und sozial zu interagieren. Im DMS-51) beruhen die diagnostischen Kriterien dieser Entwicklungsstörung auf einem Zusammenspiel von Verhaltens- störungen, wie ein Defizit an sozialer Interaktion und Kommunikation oder das Vorhandensein beschränkter, stereotyper und repetitiver Verhaltensmuster (siehe auch Artikel von S. Manificat).
22
CN V b etr äg t das Risiko, ASS zu ent w ickeln bis
40 % (z. \b. Duplikation 1q21.1) 11 ). Als \beispiel
sei erwähnt, dass die Prävalenz der CNV
16p11.2 für Deletion und Duplikation 1/1000
beträgt
12 ) ,13 ) . Das Risiko ASS zu entwickeln ist
ca. 20 % für die Deletion und ebenso gross für
die Duplikation. Nur die Duplikation wurde mit
der Schizophrenie assoziiert. Diese CNV er –
klären ca. 1% aller ASS-Fälle
9 ) ,14 ) . Die klini-
schen Manifestationen sind zahlreich (ener –
getische Störung, Entwicklungsverzögerung,
spezifische Sprachstörung, Makro- oder Mik –
rozephalie ) und können sich schon f r üh in der
Entwicklung zeigen.
Perinatale Faktoren, mütterliche
Krankheiten und Umweltfaktoren
Perinatale Asphyxie, Frühgeburtlichkeit und
intrauterine Wachstumsstörung sind bekann –
te Risikofaktoren für eine suboptimale
Hirnentwicklung, mit Auswirkungen auf höhe –
re kognitive Funktionen wie die soziale Kogni –
tion
15 ). Prä- und perinatale Risikofaktoren, die
möglicherweise mit ASS einhergehen können,
unterteilen sich in zwei Gruppen: Umweltbe –
dingt toxische Elemente (Valproinsäure, Alko –
hol, Kokain) und mütterliche Krankheiten
(Diabetes, Autoimmunkrankheiten, Allergien
und Infekte wie Röteln, CMV, Influenza wäh-
rend der Schwangerschaft). Schliesslich
könnten gewisse Umweltfaktoren wie Pestizi –
de, Luftverschmutzung (Feinpartikel) oder
gewisse hormonaktive Stoffe (Endocrine Dis-
rupters) durch \beeinflussung der frühen Ent –
wicklung gewisser Hirnstrukturen, eine Rolle
beim Auftreten von ASS spielen. Studien am
Tier gehen wohl in diese Richtung, es gibt
derzeit jedoch keine formelle wissenschaftli –
che \beweise, die erlauben, eine \beziehung
zwischen diesen Umweltfaktoren und einer
pathogenen Wirkung auf den Menschen her –
zustellen
16 ).
Stoffwechselkrankheiten
Obwohl bei weniger als 10 % der ASS-Patien-
ten vorhanden 17 ), werden verschiedene Stoff –
wechselkrankheiten, wie Phenylketonurie,
Kreatinmangel-Syndrome, Purinstoffwechsel-
störungen oder Adenylsuccinatlyasemangel,
mit dem Auftreten von ASS in Zusammenhang
gebracht. ASS können Erstmanifestationen
einer Oligosaccharidose sein. Metabolische
Abklärungen sind bei einem Kind mit ASS in –
diziert, dessen klinische Anamnese Elemente
wie Lethargie, zyklisches Erbrechen, früh
aufgetretene Epilepsie, autistische Regres
–
Autis
mus-Spektrum-Störungen (ASS)
betref-
fen eine grundlegende Funktion unserer Ge –
sellschaft, d. h. die Fähigkeit zu kommunizie –
ren und sozial zu interagieren. Im DMS-5
1)
beruhen die diagnostischen Kriterien dieser
Entwicklungsstörung auf einem Zusammen –
spiel von Verhaltensstörungen, wie ein Defizit
an sozialer Interaktion und Kommunikation
oder das Vorhandensein beschränkter, ste –
reotyper und repetitiver Verhaltensmuster
(siehe auch Artikel von S. Manificat) .
Der \begriff Spektrum verweist auf die extre-
me Heterogenität des im \begriff ASS zusam-
mengefassten klinischen Phänotypus. Die
Störung variiert sowohl in Schweregrad als
auch in der Art der beobachteten Symptome
und Verhalten. So beinhaltet das Spektrum
nonverbale Kinder mit schwerem Entwick –
lungsrückstand ebenso wie Kinder mit einem
guten kognitiven Potential oder gar ausseror –
dentlichen Kompetenzen in spezifischen kog –
nitiven \bereichen (insbesondere Gedächtnis).
ASS sind oft mit anderen Entwicklungsstörun –
gen assoziiert, wie intellektuelle Defizite,
spezifische Sprachstörungen oder Aufmerk –
samkeitsdefizit mit/ohne Hyperaktivitätsstö –
rung (ADHS). Zu dieser grossen Komplexität
kommt noch die Entwicklungsdynamik hinzu,
mit Symptomen die in dauerndem Wandel
begriffen und entwicklungsabhängig sind.
Die Erblichkeit von ASS ist beträchtlich und
var iier t je nach Studie von 38 % bis 90 %
2). Eine
neuere Studie aus Schweden schätzt die
Erblichkeit der ASS auf 50 % der \bevölkerung,
und legt nahe, dass genetische Faktoren das
Risiko eine ASS zu entwickeln, zur Hälfte er-
klären. Die Autoren zeigen ebenfalls, dass in
einer Familie, in welcher diese Diagnose bei
einem Familienmitglied gestellt wurde, das
Risiko für «genetisch Nahestehende», eine
ASS zu entwickeln, erhöht ist
3).
Zur grossen klinischen Heterogenität kommt
eine nur bruchstückhafte Kenntnis der ätiolo –
gischen Faktoren und neurobiologischen Me –
chanismen, die der ASS zugrunde liegen,
hinzu. Alle Studien stimmen darin überein, dass genetische, epigenetische, metabolische
und Umweltfaktoren zur Entwicklung von ASS
beitragen
4), 5) . Wir wollen hier aktuelle Kennt-
nisse zu den ätiologischen Faktoren, und an –
schliessend gewisse häufig beobachtete Ko –
morbiditäten von ASS darstellen.
Genetik der Autismus-Spektrum-
Störungen
Entsprechend der klinischen Heterogenität ist
auch die genetische Architektur der ASS sehr
var iab el. Sie umf as st monogene und p olygene
Faktoren, und sowohl seltene Genomvarian –
ten mit s t ar ker Penetr anz f ür ASS w ie gängige
Genomvarianten mit schwächerer Penetranz,
deren Häufung aber Ursache einer ASS sein
kann
6). Die bekanntesten monogenen, mit
ASS assoziierten Formen wurden schon vor
einigen Jahren beschrieben ( Tab. 1). Ihr Studi –
um ermöglichte die Identifizierung gewisser
«pathogener Mechanismen»
6), 7) , ohne jedoch
ein Korrelat zu einem spezifischen klinischen
ASS-Phänotyp herstellen zu können.
Dank Fortschritten im \bereich der Genetik
konnten in neuerer Zeit seltene und gängige
Varianten polygener Formen mit ASS assoziiert
werden
8),9) . Diese schliessen Kopienzahlvaria –
tion
en ( CN V ) ein, die in einer Mo di fizier ung der
Chromosomenarchitektur bestehen, mit Ver –
lust (Deletion) oder Übermass (Duplikation) an
genet
ischem Material in einer mehr oder weni –
ger grossen Chromosomenregion, und eine
v ar i
able Anzahl Gene betreffen 10 ) (Abb. 1) .
Im Verlaufe der letzten Jahre wurden zahlrei –
che CNV sowie deren Assoziation mit Ent-
wicklungsstörungen wie z. \b. ASS entdeckt.
Es ist interessant festzustellen, dass ein CNV
einerseits mit ASS, Schizophrenie oder intel –
lektuellem Defizit assoziiert sein kann, und
andererseits ein und dieselbe Störung durch
mehrere CNV bedingt sein kann.
Die CNV (Deletion und Duplikation) auf dem
Chr omosom 16 in der Region 16p11.2 w ur den
in klinischer und molekularer Hinsicht in den
letzten Jahren gut untersucht, und weitere
CNV werden erforscht ( Tab. 2 ). Für gewisse
Aetiologische Faktoren und Komorbiditäten
der Autismus-Spektrum-Störungen
Marine Jequier Gygax 1, Anne M. Maillard, PhD 1, Lausanne
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
1 Centre Cantonal Autisme, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV), Lausanne
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTabinTo.,ST,e(chtorTSe(olrTab
23
Interaktion korrekt einzusetzen. Kinder mit
ASS haben ein sehr beschränktes \bewusst-
sein des Sprachgebrauches und wenden
Kommunikation unpassend oder ungenügend
an. Es fällt ihnen oft schwer, eine Unterhal-
tung aufrecht zu erhalten und Redewendun –
gen zu folgen. Die Störung der Pragmatik
bleibt selbst beim erwachsenen ASS-Patien –
ten mit einem guten kognitiven Niveau und
ohne Störungen des Wortverständnisses be –
stehen
23 ) , 24) .
Zu den charakteristischen, bei Kleinkindern
mit ASS und Sprachverzögerung beobachte –
ten Zeichen gehört fehlendes Zeigen mit dem
Finger, fehlende Reaktion beim Nennen sei –
nes Vornamens, unmittelbare oder verzögerte
Echolalie, eigentümliche Prosodie, Gebrauch
der Drittperson um von sich selbst zu spre –
chen. Ältere Kinder kennzeichnen sich durch
phrasenhafte, «auswendig gelernte» Aus –
drucksweisen sowie wörtliche Interpretation
und für bare Münze nehmen (Schwierigkeit
Humor, Ironie, Doppelsinn zu verstehen). Eine
ren kognitiven Störung und einer ungünstige
–
ren Entwicklung verbunden. \beinahe 90 % der
Patienten mit ASS weisen kognitive Defizite
und eine Störung der motorischen Entwick –
lung auf
21 ).
Spezifische Sprachstörung
Obwohl die verzögerte Sprachentwicklung im
DMS-5 nicht mehr zu den diagnostischen
Kriterien der ASS gehört, handelt es sich um
eine häufige Komorbidität. Die Differentialdi –
agnose zwischen spezifischer Sprachstörung
(z. \b. Dysphasie) und ASS ist beim jungen
Kind oft schwierig und erfordert eine spezia –
lisierte Abklärung. \bei ASS können in der Tat
mit Ausnahme einer isolierten expressiven
Störung alle Arten Sprachstörung beobachtet
werden
22). A llgemein leiden K inder mit ASS an
einem gestörten Sprachverständnis und einer
pragmatischen verbalen (und nonverbalen)
Sprachstörung. Eine pragmatische Sprachstö –
rung besteht in der Unfähigkeit, Sprache und
nonverbale Zeichen (Gesten, Kontext) in der
sion, unerklärter Immundefekt und/oder Dys
–
morphiezeichen, kognitiver Entwicklungsrück-
stand, Automutilation, Muskelschwäche
sowie neurologische Zeichen wie Tonusano –
malien oder Ataxie aufweist (vollständige
Übersicht siehe
18 )).
Mit ASS asso\bierte Komorbiditäten
Motorische Entwicklungsstörung
Die \besonderheiten der motorischen Entwick –
lung bei ASS haben schon früh Aufmerksam-
keit erreg t
19 ) und umfassen eine verzögerte
Entwicklung motorischer Kompetenzen, repe –
titive motorische Verhaltensweisen (Stereo –
typien), und ein auffälliges Gehmuster (Ze-
henspitzengang, Ataxie, instabile Haltung).
Insbesondere wurden gewisse Finger- und
Hands ter e ot y pien sow ie G ehmo delle, im Ver –
gleich zu stereotypen \bewegungsmuster bei
Patienten mit Entwicklungsrückstand oder bei
Vergleichspopulationen, als typisch für ASS
erkannt
20 ). Das Vorhandensein dieser Stereo –
typien ist im Allgemeinen mit einer schwere-
Tabelle 1: \beispiele monogener mit ASS assoziierter Syndrome
Syndrom GenKlinische Charakteristika ASS-Patienten mit
SyndromSyndrom-Patienten
die ASS aufweisen
Fragiles-X-Syndrom
43), 44) F M R1 Schwere der ASS korreliert mit geistiger
Retardierung, Angstgefühlen, Schlafstörungen
Dysmorphie (längliches Gesicht, Prognathismus,
grosse Ohren, manchmal Makrozephalie) 2–3 %
20–40%
Tuberöse Sklerose
Bourneville
45) TSC1,
TSC2 Entwicklungsrückstand und Auftreten von ASS,
assoziiert mit früh manifesten infantilen
Spasmen
Hypopigmentierte Flecken, Angiofibrome,
shagreen Patches, intrakardiale Rhabdomyome,
kortikale Tubera 3–4%
40–80%
Neurofibromatose
Ty p 1
46) N F1 Café-au-lait-Flecken, kutane und zerebrale
Neurofibrome, N.opticus-Gliome, Makrozepha –
lie, manchmal geistige Retardierung
ASS assoziiert mit Aufmerksamkeitsstörungen
(mit/ohne Hyperaktivität) unbekannt*
25%
Dystrophinopathie
Typ Duchenne
47) X p21 Muskelschwäche, Zehenspitzengang, neuropsy –
chiatrische Störungen die mit einer Deletion des
distalen Exons auf dem Dystrophin- Gen
korrelieren unbekannt*
17 %
Angelman Syndrom
– Duplikation 15q
48)49) UBE3A Hypotonie, geistige Retardierung,
schwer gestörte Sprachentwicklung, Epilepsie 1–2%
>40%
PTEN Hamartom-
Tumor-Syndrom
50) PTEN Makrozephalie, geistige Retardierung, fokale und
generalisierte epileptische Anfälle unbekannt*
unbekannt*
* «Unbekannt» bedeutet, dass die Assoziation von ASS mit dem monogenen Syndrom bekannt und beschrieben ist, die Zahlen zur Prävalenz jedoch unbekannt oder in der Literatur in-
konstant sind.
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTabinTo.,ST,e(chtorTSe(olrTab
24
verzögerte Sprachentwicklung ist deshalb
beim Kleinkind ein Warnzeichen. Im Gegen-
s at z zum K ind mit ASS zeig t ein K ind mit einer
spezifischen Sprachstörung Freude am ge –
meinsamen Spielen und der Austausch ist
qualitativ und quantitativ gefälliger. In beiden
Fällen soll das K ind au f eine mögliche Hör stö –
rung abgeklärt werden, mittels Audiogramm
und/oder evozierten Potentialen.
Epilepsie
Die Epilepsieprävalenz bei Patienten mit ASS
wird allgemein auf 30 % geschätzt, mit zwei
Spitzen für das Auftreten einer Epilepsie: Die
erste im Kleinkindesalter, die zweite in der
Adoleszenz
25). \b ei gew is sen klinischen \b ilder n
kann eine autistische Regression epilepti –
schen Ursprungs vermutet werden, wie im
Falle erworbener Aphasie bei einer während
dem Schlaf sehr aktiven Epilepsie (vom Typ
kontinuierliche Spike-Wave-Aktivität), oder
bei spät auftretenden infantilen Spasmen
26).
\bei einem Kind mit ASS, das eine verzögerte
Sprachentwicklung, geringes oder fehlendes
Interesse für die Klangumwelt zeigt und an
Schlafstörungen leidet, sollte ein EEG durch –
geführt werden.
\bei pädiatrischen Patienten mit tuberöser
Sklerose \bourneville (TS\b) besteht das Risiko,
gleichzeitig mit spät auftretenden infantilen
Spasmen eine kognitive Regression zu er fah –
ren
27). Selbst ohne Regression ist die kogniti –
ve Entwicklung im Allgemeinen ungünstig und
das ASS-Risiko bei gleichzeitigem \bestehen
von infantilen Spasmen höher 28 ). Frühzeitiges
\beherrschen der infantilen Spasmen durch
Vigabatrin soll die Schwere der Symptomatik
von ASS begrenzen
29). ASS können auch bei
kindlichen epileptischen Syndromen wie
West-, Lennox-Gastaut-, Doose- oder Dravet-
Syndrom (schwere myoklonische Epilepsie
des Säuglings) auftreten
30).
Der Typ mit ASS assoziierter epileptischer
Krisen (und epileptiforme Pattern) ist varia-
bel; es gibt keine für Autismus spezifische
Epilepsieform und antiepileptische \behand –
lung
31 ). In der Praxis, und angesichts der
häufigen Assoziation von Epilepsie und ASS,
muss beim geringsten Verdachtsmoment und
insbesondere bei kommunikativer und sprach –
licher Verhaltensregression sowie bei TS\b an
Epilepsie gedacht werden.
Schlafstörungen
Schlafstörungen (Einschlafstörungen, unbe –
friedigende Schlafdauer und –qualität) kom –
men bei 40 – 90 % der Patienten mit ASS vor
32).
Diese Störungen werden bei der Anamnese –
aufnahme von allen Angehörigen angegeben.
Zahlreiche Studien dokumentieren bei Patien –
ten mit ASS kürzere Schlafdauer, verminder –
ten Anteil REM-Schlaf und häufiges Aufwa-
chen nachts
33). Ein bekannter Mechanismus
besteht in einem gestörten zirkadischen
Rhythmus, bedingt durch eine Anomalie der
Gene, welche die Melatoninproduktion regu –
lieren (Clock Genes)
34). Je schlechter ein K ind mit ASS schläft, desto grösser ist das Risiko,
hyperaktives Verhalten und schwere Stereo
–
typien zu entwickeln
32).
\bei einem Kind mit Schlafstörungen sollten,
als Vorbedingung für das versuchsweise Ein –
führen einer medikamentösen Therapie vom
Typ Melatonin, verhaltenstherapeutische
Massnahmen (Einschlafrituale, Schlafhygie –
ne) ergriffen werden. Retrospektive (auf
Rückmeldungen der Eltern beruhend) und
prospektiv randomisierte Studien
35) haben die
Wirksamkeit von Melatonin nicht nur auf
Schlafqualität und –dauer, sondern auch auf
Symptome wie Angstgefühle und soziale
Schwierigkeiten nachgewiesen. Eine weitere
prospektive Studie hat gezeigt, dass die
Mehrzahl der Kinder mit ASS auf eine Mela-
tonindosis von 1 oder 3 mg, 30 Minuten vor
dem Schlafengehen verabreicht, ansprechen,
mit einer Verbesserung des Einschlafens
während 17 Wochen, ohne Nebenwirkungen
und ohne Leber-, Nieren- oder endokrine
Funktionsstörungen
36).
Gastrointestinale Störungen
Die Assoziation gastrointestinale Störungen
und ASS hat eine hohe Prävalenz, je nach
Studie bis zu 90 %
37). In einer neueren Studie
weisen 37% der Kinder mit ASS gastrointesti –
nale Stör ungen auf, v. a. in For m von Obstipa –
tion, verglichen mit pädiatrischen Vergleichs –
populationen signifikant häufiger als andere
Störungen wie Durchfall, Erbrechen, schmerz –
hafte Darmperistaltik, Magenschmerzen
38).
Pathophysiologisch weisen Kinder mit ASS
und gastrointestinalen Störungen eine mit
entzündlichen Magendarmkrankheiten, wie
Mo. Crohn oder ulzerös-hämorrhagische Ko –
litis, vergleichbare Schleimhautentzündung
auf
39). Gewisse Autoren erörtern die mögliche
Rolle des Mikrobioms beim Entstehen der
besonderen Verhaltensformen von Kindern
mit ASS, und die Wirkung von Therapien wie
Diäten (Ausschluss von Gluten/Kasein, keto –
gene Diät ) , \b ehandlung dur ch P robiotica o der
Stuhltransplantation
40 ) , 41) , 42) . Keine dieser
Massnahmen ist derzeit anerkannt und die
ersten Resultate benötigen eine \bestätigung
bevor diese Therapien empfohlen werden
können.
Schlussfolgerung
ASS sind multiple Störungen mit zahlreichen
Facetten, oft mit weiteren Störungen verbun –
den. Spezifisch ist ASS jedoch die gestörte
soziale Inter ak tion und eine mangelhaf te o der
unangepasste Anwendung der Kommunikati –
on. Initial wird man sich vergewissern, dass
Abbildung 1:
Kopienzahlvariationen (CNV) auf einem Chromosomenpaar. Links befindet sich
ein («normales») diploides Chromosomenpaar mit 2 Kopien der Region. Die Deletion charakte –
risiert sich durch das Vorhandensein einer einzigen Kopie der Region auf dem Chromoso –
menpaar, während die Duplikation das genetische Material auf einem der Chromosomen ver –
doppelt, was zu 3 Kopien der Region führt.
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1Prof. RTabinTo.,ST,e(chtorTSe(olrTab
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das Kind nicht an einem neurosensorischen
Defizit, wie Hör-, Seh- oder neuro-ophthalmo-
logischer Störungen leidet, welches die Ent –
wicklung von Kommunikationskompetenzen
behindern könnte.
Am Entstehen von ASS sind zahlreiche und
noch schlecht verstandene Ätiologien und
pathogenetische Faktoren beteilig, und die
vorliegende Übersicht erhebt keinen An –
spruch auf Vollständigkeit. Man kann festhal –
ten, dass die derzeit untersuchten biologi –
schen Mechanismen ganz allgemein an der
Hirnentwicklung beteiligt sind, ohne dass ein
spezifischer Zusammenhang mit ASS nachge –
wiesen werden könnte. Wohl haben geneti –
sche Untersuchungen bei der Suche nach der
Ätiologie in der klinischen oder Grundlagen –
forschung eine vorrangige Rolle eingenom –
men, der \blick des Klinikers verbleibt jedoch
zentral beim Erkennen des klinische \bildes
und seiner Variabilität. Nur ein gemeinsamer
Einsatz klinischer Kompetenzen und wissen –
schaftlicher Forschung werden zu einem
besseren Verständnis der ASS und der Rolle
der verschiedenen Risikofaktoren führen.
Kinder bei denen eine Autismus-Spek
trum-
St
örungen vermutet wird, müssen pluridiszip –
linär abgeklärt werden. Dabei steht der Kin-
derarzt in vorderster Linie und ist auf
mehreren Ebenen tätig: Von Frühdiagnostik
bis zur Lang zeitbetreuung gewisser Komorbi –
ditäten und Unterstützung der Familie.
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Tabelle 2: Wichtigste mit ASS und weiteren Entwicklungsstörungen assoziierte CNV. Angepasst
nach Malhorta und Sebat 2)
CNV Lokalisation ER/ID* ASSSchizophrenie
1 q 21 .1 Deletion/Duplikation Duplikation Deletion/Duplikation
7q11 . 2 3 Deletion/Duplikation Duplikation
7q36.3 DuplikationDuplikation
1 5 q11 . 2 -1 3 .1 Duplikation Duplikation
15 q13 . 3 Deletion DeletionDeletion
16 p13 . 3 Duplikation DuplikationDuplikation
16p11.2 Deletion/Duplikation Deletion/Duplikation Duplication
2 2 q11 . 2 Deletion/Duplikation Duplikation Deletion
2 2 q13 . 3 DeletionDuplikation
*Entwicklungsrückstand/intellektuelle Defizite
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ajmg.b.30493. Korrespondenzadresse
Marine Jequier Gygax, neuropédiatre FMH
Centre Cantonal Autisme
Les Allières
Av. \beaumont 23
1010 Lausanne
Tél: +41213148029
marine.jequier@ chuv.ch
Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung und
keine anderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit
diesem \beitrag deklariert.
1Prof. ffRTof.ff.abi
1Prof. RTabinTo.,ST,e(chtorTSe(olrTab
Weitere Informationen
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Autoren/Autorinnen
Marine Jequier Gygax Anne M. Maillard