Etwa 60% aller gesunden Neugeborenen entwickeln in den ersten Lebenstagen eine gelbliche Hautverfärbung. Die medizinischpflegerische Herausforderung besteht darin, aus dieser grossen Zahl von Neugeborenen mit harmlosem Ikterus die viel selteneren Neugeborenen zu erkennen, die eine gefährliche Hyperbilirubinämie mit dem Risiko einer Bilirubinenzephalopathie entwickeln. In den letzten Jahren wird über eine Zunahme der Kinder mit Bilirubinenzephalopathie berichtet. Die Ursache dieser Zunahme beruht wohl am ehesten, je nach Land, auf Überwachungsdefiziten auf Wochenbettstationen oder bei Frühentlassungen, und auf einer zunehmenden Unterschätzung oder Banalisierung der toxischen Wirkung des Bilirubins auf das Nervensystem. Die genannten Berichte unterstreichen die grosse Bedeutung von solchen wie den hier vorliegenden Leitlinien.
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Vol. 17 No. 3 2006
1. Einleitung
Etwa 60% aller gesunden Neugeborenen
entwickeln in den ersten Lebenstagen eine
gelbliche Hautverfärbung. Die medizinisch-
pflegerische Herausforderung besteht darin,
aus dieser grossen Zahl von Neugeborenen
mit harmlosem Ikterus die viel selteneren
Neugeborenen zu erkennen, die eine ge –
fährliche Hyperbilirubinämie mit dem Risiko
einer Bilirubinenzephalopathie entwickeln.
In den letzten Jahren wird über eine Zunah –
me der Kinder mit Bilirubinenzephalopathie
berichtet 1)–3) . Die Ursache dieser Zunahme
beruht wohl am ehesten, je nach Land,
auf Überwachungsdefiziten auf Wochen –
bettstationen oder bei Frühentlassungen,
und auf einer zunehmenden Unterschätzung
oder Banalisierung der toxischen Wirkung
des Bilirubins auf das Nervensystem. Die
genannten Berichte 1)–3) unterstreichen die
grosse Bedeutung von solchen wie den hier
vorliegenden Leitlinien.
1984 und 1993 sind von der Schweizerischen
Neonatologiegruppe Empfehlungen zur Be –
handlung von ikterischen Neugeborenen
publiziert worden 4), 5) . Aufgrund der neuen
Datenlage hält die Schweizerische Gesell –
schaft für Neonatologie es für notwendig, die
Empfehlungen von 1993 zu aktualisieren.
Die vorgelegten revidierten Empfehlungen
berücksichtigen neue Erkenntnisse der Fach –
literatur und verweisen auf aktualisierte Emp –
fehlungen anderer Fachgesellschaften 6)–8) .
Unsere praxisnahen Empfehlungen gelten
für gesunde Neugeborene in Gebärkliniken
mit einem Gestationsalter ab 35 0/7 Schwan –
gerschaftswochen (SSW) und/oder einem
Geburtsgewicht über 2000 g. Eine Überbe –
handlung oder Verunsicherung der Eltern soll
vermieden werden. Neugeborene unter 35
SSW und/oder mit einem Geburtsgewicht
unter 2000 g mit einer Hyperbilirubinämie
sind eine Risikogruppe und sollten primär
auf einer Neonatologie-Abteilung abgeklärt
und therapiert werden.
2. Klinische Beurteilung
Das Auftreten und der Verlauf einer Gelb –
sucht sollten routinemässig durch die Pfle –
gende bei jedem Windelwechsel oder Pflege –
intervention, aber mindestens alle 8 bis 12
Stunden erfolgen. Die Evaluation erfolgt
durch Hautanämisierung mit Fingerdruck
bei gutem Licht, wenn möglich Tageslicht,
und wird in den Unterlagen des Kindes pro –
tokolliert. Bei dunkelhäutigen Kindern ist
besondere Aufmerksamkeit geboten, da ein
Ikterus klinisch schwieriger zu erfassen ist.
Die notwendige Unterscheidung zwischen
einem physiologischen und einem patholo –
gischen Ikterus beruht primär auf klinischen
Gegebenheiten. Für einen pathologischen
Ikterus sprechen: Klinische Zeichen (Blässe,
Apathie, Lethargie, Trinkschwäche, Erbre –
chen, Fieber, dunkler Urin oder helle Stühle),
Ikterus praecox (= in den ersten 24 Stunden
sichtbare Gelbfärbung der Haut), Bilirubinan –
stieg > 10 μmol/l/Std., Ikterus prolongatus
(> 14. Lebenstag).
In folgenden Situationen müssen entweder
der Arzt informiert oder je nach Zeitpunkt
weitere Abklärungen gemäss Punkt 3.2.
vorgenommen werden:
● Klinisch signifikanter Ikterus (=Ikterus
mit Gelbfärbung auch an den unteren
Extremitäten).
● Ikterus praecox.
● Bilirubinanstieg > 10 μmol/l/Std.
● Vorliegen von klinischen Zeichen, die auf
einen pathologisch bedingten Ikterus
hindeuten.
● Ikterus bei frühgeborenen Kindern.
Vor jedem Fototherapiebeginn soll das Kind
von einem Arzt untersucht werden und die
Eltern über die Therapie informiert werden.
3. Zusatzuntersuchungen
3.1. Transkutane Bilirubinmessung
In der Regel ist die transkutane Bilirubinmes –
sung nach der klinischen Beurteilung der
erste Schritt der Diagnostik. Diese Methode
ist einfach und nicht invasiv. Bei der transku –
tanen Bilirubinbestimmung müssen folgende
Einschränkungen berücksichtigt werden:
● Bei einem Ikterus praecox sollte immer
eine Bestimmung des Serumbilirubins
Abklärung und Behandlung
von ikterischen Neugeborenen
ab 35 0/7 Schwangerschaftswochen
Revidierte Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft
für Neonatologie
Erarbeitet von einer Arbeitsgruppe bestehend aus:
R. Arlettaz, A. Blumberg, L. Buetti, H. Fahnenstich, D. Mieth, M. Roth-Kleiner
Redaktionelle Verantwortung: R. Arlettaz
Tabelle 1: Laboruntersuchungen beim Kind 1 Die Blutgruppe und der Coombstest (Antiglobulintest) sind einmalige Untersuchungen.2 Der Ikterus macht sich in der Regel zuerst im Gesicht bemerkbar und breitet sich dann kaudalwärts über Stamm und Extremitäten. Faustregel: Wenn eine Gelbfärbung nach Hautanämisierung durch Fingerdruck an den unteren
Extremitäten sichtbar wird, beträgt das Serumbilirubin ca. 200–250 μmol/l 9).
Indikation Laboruntersuchungen
Bei Geburt
Mutter Rhesus negativ oder Blutgruppe, dir. Coombstest 1
mit unbekannter Blutgruppe (bevorzugt aus Nabelschnurblut)
Mutter mit Antikörpern Blutgruppe, dir. Coombstest, Hämatokrit oder
Hämoglobin, Serumbilirubin
Innerhalb der ersten 24 Std.
Blutgruppe, dir. Coombstest, Hämatokrit oder
(Ikterus praecox) Hämoglobin, Serumbilirubin
Nach 24 Stunden
Bei signifikantem Ikterus 2 oder Blutgruppe, dir. Coombstest, Hämatokrit oder
transkutanem Bilirubin über Hämoglobin, Serumbilirubin
Grenzbereich
Bei Ikterus nach 2. Lebenswoche
(= Ikterus prolongatus) Blutgruppe, dir. Coombstest, Hämatokrit oder
Hämoglobin, totales und direktes Bilirubin
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gefordert werden, um den weiteren
Verlauf zu verfolgen und die zusätzlichen
Abklärungen und Massnahmen zu beur –
teilen.
● Eine therapeutische Massnahme (Foto –
therapie, Austauschtransfusion) soll nie
auf Grund einer transkutanen Bilirubin –
bestimmung alleine eingeleitet werden.
● Die transkutane Bilirubinmessung unter
und nach Phototherapie sowie nach
einer Austauschtransfusion ist nicht
zuverlässig und sollte in diesen Situati –
onen nicht angewendet werden.
● Die transkutane Bilirubinmessung ist
bei dunkelhäutigen Kindern und bei
Frühgeborenen, je nach verwendetem
Gerätetyp, von unterschiedlicher Zuver –
lässigkeit. Deshalb sollen die Grenzen ge –
mäss Zulassung der Geräte für jede Klinik
intern festgelegt werden. Prinzipiell gilt,
dass im Zweifel der blutigen Messung der
Vorzug gegeben werden sollte.
3.2. Laboruntersuchungen beim Kind
Folgende Laboruntersuchungen gelten als
Mindeststandard ( Tabelle 1 ):
3.3. Abklärungsschema bei einer
kurzen Hospitalisation (< 48 Std.)
Bei einer Hospitalisation unter 48 Std.
kommt der klinischen Beurteilung zum Zeit -
punkt des Guthrie Testes am 4. Lebenstag zu
Hause eine besondere Bedeutung zu. Falls
das Kind einen signifikanten Ikterus oder kli -
nische Zeichen eines pathologischen Ikterus
aufweist, soll eine blutige Bilirubinbestim -
mung vorgenommen werden. Die betreu -
ende Hebamme und der niedergelassene
Kinderarzt übernehmen die Verantwortung,
die klinischen Kontrollen und Laborunter -
suchungen gemäss Punkt 2 und 3.1 bis 3.3
durchzuführen.
Neben der Beurteilung der klinischen Risi-
kofaktoren kann mit Hilfe einer frühen Be-
stimmung des transkutanen oder Serum -
bilirubins das Risiko eines Neugeborenen
abgeschätzt werden, eine schwerwiegende
Hyperbilirubinämie zu entwickeln ( Abb. 1 ).
a) Bei einer ambulanten Geburt (Hospita -
lisation < 24 Std.) soll eine ambulante
Bilirubinbestimmung im Alter von 18–48
Std. vorgenommen werden.
b) Bei der
Kurzhospitalisation von 24–48
Std. eines sichtbar ikterischen Kindes
sollten mindestens eine Bilirubinbe -
stimmung und eine pädiatrische Unter -
suchung vor Entlassung durchgeführt
werden.
Der Bilirubinwert wird auf der Bhutani-Kurve
(Abb. 1 ) eingetragen und dient zur Risikoab -
schätzung, im weiteren Verlauf eine signifi -
kante Hyperbilirubinämie zu entwickeln 10).
Interpretation der Bhutani Kurve:
● Liegt der Bilirubinwert über der 95. Per -
zentile, sind weitere Abklärungen (gem.
Punkt 3.2) und eine Nachkontrolle des
Serumbilirubins, spätestens innerhalb
der nächsten 24 Std., bzw. eine Therapie
einzuleiten.
● Liegt der Bilirubinwert zwischen der
75. und der 95. Perzentile, sollte eine
Nachkontrolle spätestens innerhalb der
nächsten 24–48 Std. erfolgen.
● Liegt der Bilirubinwert unter der 75.
Perzentile, ist das Risiko einer schweren
Hyperbilirubinämie gering und eine Bi -
lirubinbestimmung ist nur bei deutlich
ikterischen Neugeborenen notwendig,
zum Beispiel zum Zeitpunkt des Neuge -
borenenscreenings (Guthrie Test).
4. Behandlung
4.1. Behandlungsindikationen
Die Indikation zur Fototherapie und Aus -
tauschtransfusion wird in Tabellenform ( Tab.
2) und als Nomogramm dargestellt ( Abb. 2 ).
Dazu folgende Bemerkungen:
● Die Werte entsprechen Totalserumbili -
rubinwerten. Das direkte Bilirubin soll
vom totalen Bilirubin nicht abgezogen
werden.
● Sind Risikofaktoren (subpartale und
neonatale Warnzeichen, neurologische
Symptome, Bilirubinanstieg > 10 μmol/
l/Std.) vorhanden, sollen die entspre –
chenden Grenzwerte im unteren The –
rapiebereich liegen (Graubereich unter
Fototherapie- bzw. Austauschtransfusi –
onsgrenze).
● Die maximale Austauschtransfusions –
grenze ist fix definiert. Diese fixe Gren –
ze ist notwendig, um Neugeborene mit
einem maximalen Bilirubin oberhalb
der maximalen Austauschtransfusi –
onsgrenze, also mit dem Risiko einer
Bilirubinenzephalopathie, erfassen und
Abbildung 1: Modifizierte Bhutani Kurve
Tabelle 2: Behandlungsindikationen (Tabellenform)
Achtung: Bei Ikterus vor 48 Lebensstunden, insbesondere bei Ikterus praecox, sollte gemäss klinischem Ermessen eine Phototherapie bereits vor Erreichen des unteren Grenzwertes erwogen werden (siehe Abb. 2: Behandlungsindikationen).
Fototherapie Austauschtransfusion
Termingeborene > 2500 g, gesund 320 – 350 μmol/l 400 – 430 μmol/l
Termingeborene > 2500 g, krank
oder mit Hämolyse 230 –
300 umol/l 350 – 370 μmol/l
Frühgeborene 35 und 36 SSW
oder Termingeborene < 2500 g 200 –
260 μmol/l 270 – 320 μmol/l
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nachkontrollieren zu können (siehe
Kap. 7).
● Eine Hämolyse ist schwierig diagnosti -
zierbar. Der direkte Coombstest alleine
ist nicht zuverlässig genug 11), 12) und die
Retikulozytenmessung hat eine zu tiefe
Sensitivität und Spezifität. Hauptkrite -
rien der Hämolyse im klinischen Alltag:–
Hämatokrit < 45% oder Hämoglobin
< 145 g/l
– Ikterus praecox (=in den ersten 24
Std)
– Totalbilirubin > 240 μmol/l in den
ersten 48 Std.
– positiver direkter Coombstest
– Bilirubinanstieg trotz Fototherapie
Hauptursachen für eine Hämolyse sind
die Rhesus- und ABO-Inkompatibilität, der
Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Man –
gel, der Pyruvate-Kinase-Mangel und die
Sphärozytose.
4.2. Fototherapie
● Methoden der Fototherapie:
– Eine Fototherapie kann in einem Inku
–
bator, unter einem Wärmestrahler mit
Servosteuerung, in einem Bilirubin-
Bett und, mit Einschränkungen, auf ei –
ner fiberoptischen Matte durchgeführt
werden. Für die Effizienz jeder Metho –
de verweisen wir auf die Cochrane
Database 13).
● Faktoren, die die Wirksamkeit der Foto –
therapie beeinflussen:
– Die Lichtintensität (v. a. wirksam im
blau-grünen Spektralbereich).
– Der Abstand der Lichtquelle zur Haut
– Die bestrahlte Körperoberfläche.
● Wichtige Hinweise bei der Durchführung
der Fototherapie:
– Kind nur mit kleiner Windel bekleiden,
auf Körpertemperatur achten.
– Zwei Lampen nur ausnahmsweise ver
–
wenden.
–
Augenschutz (nicht nötig beim Bilirubin-
Bett oder fiberoptischer Leuchtmatte)
– Auf genügend Flüssigkeit achten, eine
prinzipielle Erhöhung der Flüssigkeits –
zufuhr ist jedoch nicht erforderlich
(siehe Punkt 5).
– Lichtpausen bis zu einer Stunde wäh
–
rend Stillen und Pflegen des Kindes
sind erlaubt (Augenschutz entfernen).
Die Mutter soll so wenig wie möglich
am Kontakt mit ihrem Kind gehindert
werden.
– Bilirubinbestimmung unter Fotothe
–
rapie 8–12 stündlich, bei sinkenden
Werten in der Regel 12-stündlich, aber
spätestens nach 24 Std.
– Die transkutane Bilirubinbestimmung
ist während und nach Fototherapie
nicht zulässig.
– Sistieren der Fototherapie, wenn das
Serumbilirubin unter den Fotothera –
Abbildung 2: Behandlungsindikationen (Nomogramm)
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Vol. 17 No. 3 2006 E m p f e h l u n g e n / R e c o m m a n d a t i o n s
piebereich gefallen ist. Bei Abbruch in
den ersten 3–4 Lebenstagen und/oder
Hämolysezeichen erneute Bilirubinbe –
stimmung 12–24 Std. nach Abbruch.
– Klinische Kontrollen: Temperatur,
Herzfrequenz und Atmung 4-mal pro
Tag. Gewicht täglich (protokollieren).
– Die Phototherapiegeräte sollen regel
–
mässig gewartet und die Leuchtkraft
der Lichtquellen überprüft werden.
5. Ernährung
Eine optimale Energie- und Flüssigkeits –
zufuhr in den ersten Lebenstagen ist ein
wichtiger Faktor, um die Entstehung und
die Folgen einer Hyperbilirubinämie zu ver –
mindern 14). Die Anwendung der von der
Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie
SGP empfohlenen Ernährungspraktiken für
gesunde Neugeborene auf Wochenbett –
stationen können auch bei Vorliegen einer
Hyperbilirubinämie angewendet werden 15).
Die Mütter sollten weiterhin frei nach Bedarf
stillen können mit einer Frequenz zwischen
5–8-mal pro Tag bei Milcheinschuss und
später 8–12-mal pro Tag.
Obwohl gestillte Neugeborene einen leicht
höheren Bilirubinspiegel haben als nicht
gestillte 16), sollte das Stillen während einer
Hyperbilirubinämie oder Fototherapie weder
behindert noch die Mütter betreffend Stillen
entmutigt werden. Der Nutzen der Mutter –
milch überwiegt die Nachteile.
Etwa 1–2% der gestillten Neugeborenen
entwickeln eine langdauernde Hyperbiliru –
binämie mit einem Maximum am 10.–15.
Lebenstag und einer Normalisierung nach
3 bis 12 Wochen. Da der Muttermilchikterus
ungefährlich ist, ist eine Stillpause nicht
indiziert.
Das Angebot von Zusatzflüssigkeit und/oder
Muttermilchersatzpräparaten (z. B.: 10–40
ml Dextrin-Maltose 10%) ist in folgenden
medizinischen Situationen von Bedeutung,
um das Risiko einer Hyperbilirubinämie
günstig zu beeinflussen 15):
● Frühgeborene in Wochenbettstationen.
● Neugeborene mit einem Geburtsgewicht
< 2500 g oder > 4500 g.
● Untergewichtige Kinder (< 10. Perzen -
tile).
● Weinen und Unruhe trotz vorangegange -
ner wiederholter Brustmahlzeit (Durst -
zeichen).
● Hinweise für Dehydratation (Gewichts -
verlust > 10%) oder anhaltende Gewichts –
abnahme nach dem 4.–5. Lebenstag.
6. Empfehlungen
für eine Verlegung in eine
Neonatologie-Abteilung
Folgende Situationen bedürfen einer Verle –
gung auf eine neonatologische Abteilung zur
weiteren Diagnostik und Therapie (intensi –
vierte Fototherapie, Austauschtransfusion,
und/oder intravenöse Immunoglobulinthe –
rapie 17)):
● Klinische Zeichen, welche verdächtig
sind für einen pathologisch bedingten
Ikterus.
● Ikterus praecox.
● Bilirubinkonzentration nahe der unteren
Austauschtransfusionsgrenze.
● Bilirubinanstiegsgeschwindigkeit von >
10 μmol/l pro Stunde.
● Anämie (Hämatokrit < 45% oder Hämo -
globinwert < 145 g/l).
● Weiterer Anstieg der Bilirubinkonzentra -
tion unter Fototherapie (Therapieversa -
ger).
● Eine pränatal bereits bekannte Blutgrup -
peninkompatibilität mit signifikantem
Antikörpertiter und/oder intrauteriner
Therapie sind eine Indikation zur Ge -
burt im Perinatalzentrum. In diesen
Situationen ist ein früher Einsatz von
Immunoglobulinen zu erwägen 17).
Verlegungen ikterischer Neugeborener in
eine neonatologische Abteilung werden in
der Regel durch den betreuenden Pädiater
organisiert nach Absprache mit der aufneh -
menden Klinik.
7. Erfassung von Bilirubin-
enzephalopathien in der Schweiz
In den letzten Jahren wird über eine Zu -
nahme der Kinder mit Bilirubinenzepha -
lopathie berichtet 1)–3) . Aus diesem Grund
sollen künftig auch in der Schweiz Kinder
mit einem Risiko für eine Bilirubinenzepha -
lopathie erfasst werden. Der Swiss Paedi -
atric Surveillance Unit soll jedes Kind, bei
welchem ein Bilirubinwert oberhalb der
maximalen Austauschgrenze dokumentiert
wurde (Totalbilirubin > 430 umol/l bei ge –
sunden Termingeborenen, > 370 umol/l bei
Termingeborenen krank oder mit Hämolyse,
und > 320 umol/l bei Frühgeborenen 35
und 36 SSW und Kinder < 2500 g) gemeldet
werden. Bei diesen Kindern sind spezielle
Entwicklungskontrollen indiziert.
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Diese Empfehlungen wurden an den
Versammlungen vom 25.10.2005 und
28.2.2006 der Schweizerischen Gesell -
schaft diskutiert und am 1.5.2006 vom
Vorstand in Kraft gesetzt.
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med. Romaine Arlettaz Mieth , Klinik für Neonatologie, Universitätsspital, Zürich