Die Zöliakie, auch gluteninduzierte Enteropathie, Glutenunverträglichkeit oder nichttropische bzw. einheimische Sprue, ist eine chronische Erkrankung der Dünndarmschleimhaut aufgrund einer Überempfindlichkeit gegen das in vielen Getreidesorten vorkommende Kleberprotein Gluten.
Fortbildung / Formation continue
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Einleitung
Die Zöliakie, auch gluteninduzierte Entero-
pathie, Glutenunverträglichkeit oder nicht-
tropische bzw. einheimische Sprue, ist eine
chronische Erkrankung der Dünndarm-
schleimhaut aufgrund einer Überempfind-
lichkeit gegen das in vielen Getreidesorten
vorkommende Kleberprotein Gluten. Bei
genetisch prädisponierten Personen führen
glutenhaltige Nahrungsmittel zu einer im-
munologischen Kaskade, die mit histologi-
schen Veränderungen des Dünndarms und
zur Malabsorption mit unterschiedlichen
Symptomen führt
1).
Gluten ist das Klebereiweiss von Weizen und
verwandten Getreidearten wie Roggen und
Gerste. Gluten kommt aber auch in Dinkel,
Grünkern, den Urweizenarten Einkorn, Em-
mer und Kamut sowie Triticale vor.
Der Name Zöliakie wurde vom Wort «koilia»
abgeleitet, die bauchige Krankheit (Aratae-
us von Kappadozien, 2. Jh.v.Chr.).
Pathogenese
Obwohl sich eine primäre genetische Asso-
ziation mit dem HLA-Locus HLA-DQ2 und
DQ8 nachweisen lässt, entwickeln nur 2%
der Personen mit der entsprechenden HLA-
Konstellation eine Zöliakie. Neben dem Glu-
ten als bekannte Trigger ist die Entwicklung
einer Zöliakie daher noch von einem derzeit
nicht bekannten 2. Trigger abhängig, der
die normalvorkommende Gewebstransglu-
taminase aktiviert und so die Antigenität der
Gliadinpeptide verstärkt. Die Folge ist eine
Aktivierung mononukleärer Zellen in der La-
mina propria und die Bildung einer TH1-Lym-
phozyten-dominierten Immunreaktion, wel-
che mit einer vermehrten Produktion von
Interferon-γund TNF-αeinhergeht. Da-
durch kommt es zu Zellinfiltration in die
Mukosa, Apoptose und zur Entstehung des
typischen Bildes der Zottenatrophie und
Kryptenhyperplasie. Ungeachtet detaillierter
Kenntnisse über die komplexen pathoge-
netischen Mechanismen der Zöliakie bleibtunklar, weshalb trotz genetischer Prädis-
position die meisten Menschen einen To-
leranzmechanismus entwickeln
2), 3) . Ver-
schiedene Studien weisen auf den protek-
tiven Effekt einerseits einer Stilldauer von
mindestens 6 Monaten und andererseits der
nur allmählichen Einführung glutenhaltiger
Nahrungsmittel in die Säuglingsnahrung
hin
4).
Epidemiologie
Die Zöliakie gilt in den westlichen Ländern als
die häufigste Erkrankung, die mit einer Mal-
absorption einhergeht. Während die Krank-
heit früher v.a. im Kindesalter diagnostiziert
wurde, wird die Diagnose heute zunehmend
auch im Erwachsenenalter gestellt. Die Prä-
valenz wird in Europa und in Nordamerika auf
1:100–250 geschätzt
5). Andere Studien spre-
chen von einer Prävalenz von 1:500 Men-
schen
6). Für die Schweiz sind keine verläss-
lichen Daten über die Prävalenz bekannt.
Rutz et al. fanden bei 2000 asymptomati-
schen Schülern aus der Ostschweiz in einer
Screeningstudie positive Endomysium IgA-
Antikörper (EMA) in einer Häufigkeit von
1:132
7).
Klinisches Bild
Die typischen Manifestationen einer klassi-
schen Zöliakie können sich bereits vor dem
zweiten Lebensjahr bzw. 2–4 Monate nach
der Einführung von Getreideprodukten zeigen
(siehe Tabelle 1).Ältere Kinder weisen eher oligosymptoma-
tische Formen und atypische Symptome auf
(siehe Tabelle 2).
Folgen der Malabsorption sind Eisenman-
gelanämie, Vitaminmangel, Hypoprotein-
ämie, Hyperparathyreoidismus und selten
auch pathologische Frakturen (Osteoporose).
Obwohl die Symptome der Zöliakie sehr un-
einheitlich sind und die Krankheit als Cha-
mäleon bezeichnet werden kann, wird die
Diagnose Zöliakie in den letzten Jahren
wegen verbesserter Screeningmethoden
häufiger gestellt. Insbesondere ist darauf hin-
zuweisen, dass einige Erkrankungen gehäuft
mit einer Zöliakie assoziiert sind (Tabelle 3).
Oligosymptomatische
Zöliakieformen
Von der typischen Zöliakie werden oligo-
symptomatische Zöliakieformen unter-
schieden, die auch als «silente» bzw. «laten-
te» Zöliakie bezeichnet werden: In diesem
Zusammenhang spricht man auch vom «Zö-
liakie-Eisberg», da aufgrund der hohen Prä-
valenz positiver Antikörper in Screening-
untersuchungen angenommen werden muss,
Zöliakie im Kindesalter
Daniela Brunner, Johannes Spalinger
Pädiatrische Gastroenterologie, Medizinische Universitäts-Kinderklinik Bern
Pädiatrische Klinik, Kinderspital Luzern
Tabelle 1: Typische Leitsymptome
3Durchfall
3Ausladendes Abdomen
3Rezidivierende Bauchschmerzen
3Gedeihstörung
3Müdigkeit
3Inappetenz
3Muskuläre Hypotonie
3Psychomotorische Retardierung
mit Misslaunigkeit
3Erbrechen
Tabelle 2: Atypische Symptome
3Kleinwuchs
3Anämie
3Obstipation
3Zahnschmelzdefekte
3Aphthen
3Knochen-Gelenksschmerzen
3Verhaltensauffälligkeiten
3Nagelauffälligkeiten
3Cheilitis
3Pubertas tarda
3Alopezie 8)
3Hepatitis (Transaminasenerhöhung) 9)
Tabelle 3: Erkrankungen gehäuft
mit Zöliakie assoziiert
3Diabetes mellitus Typ 1
3Autoimmune Thyreoiditis
3Trisomie 21
3Turner-Syndrom
3Selektiver IgA-Mangel
3Zystische Fibrose
3Dermatitis herpetiformis
3Epileptische Anfälle bei occipitalen
Verkalkungen
3William’s-Syndrom
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dass eine Vielzahl von Patienten wegen ihrer
atypischen Symptome noch nicht oder nie
diagnostiziert werden.
Silente Zöliakie
(klinisch asymptomatische Form, Antikörper
nachweisbar, Mukosa verändert)
Klinisch asymptomatische Formen werden
meistens bei Screeninguntersuchungen mit
Hilfe von Antikörpern im Rahmen von Fami-
lienabklärungen oder von Risikogruppen
(Diabetes mellitus Typ 1, Down-Syndrom)
entdeckt. Die Betroffenen weisen meist kei-
ne oder nur ganz diskrete Symptome auf.
Histologisch finden sich häufig nur minima-
le Veränderungen der Mukosa, die nicht zu
klinischen Zeichen einer Malabsorption oder
zu Ernährungsdefiziten führen. Ein Teil dieser
Patienten erfährt aber eine Verbesserung des
Wohlbefindens unter einer glutenfreien Diät.
Kinder zeigen bessere Schulleistungen, we-
niger Verhaltensprobleme und sind weniger
müde.
Latente Zöliakie
(klinisch asymptomatisch, Antikörper nach-
weisbar, Mukosa normal)
Bei dieser Form lassen sich unter einer glu-
tenhaltigen Ernährung erhöhte EMA- oder
tTG-Antikörper nachweisen und es liegt eine
histologisch normale Dünndarmmukosa vor.
Zu einem späteren Zeitpunkt können die Be-
troffenen eine glutensensitive Enteropathie
entwickeln. Weshalb sich die Zöliakie bei die-
sen Personen erst zu einem späteren Zeit-
punkt manifestiert ist unklar. Diskutiert wird
die protektive Wirkung einer sehr geringen
Getreideexposition in Familien mit Zöliakie-
betroffenen.
Diagnostik
Wird die Diagnose der Zöliakie vor dem 20.
Lebensjahr gestellt, besteht der Anspruch auf
IV-Leistungen. In den meisten Kantonen der
Schweiz kann für die zusätzlichen Kosten der
gliadinfreien Ernährung bei der Steuer-
erklärung ein Abzug geltend gemacht werden.
Die Diagnostik der Zöliakie stützt sich
auf vier Säulen
10 ):
1. Anamnese und klinischer Befund
2. Serologie
3. Dünndarmbiopsie
4. Eindeutiges Ansprechen auf Glutenexklu-
sion nacherfolgter DiagnostikIn der Anamnese muss der Beginn mit gli-
adinhaltiger Beikost genau erfragt und in
Beziehung zur klinischen Symptomatik ge-
bracht werden. Wichtig ist es auch, die Symp-
tome der Tabelle 1 und 2zu erfragen.
Serologische Diagnostik:
Hintergrundinformationen
Serologisch können gegenwärtig die Gliadin
IgA–, Gliadin IgG–, Endomysium IgA (EMA-
IgA)- und Gewebstransglutaminase IgA-Anti-
körper (tTG-IgA) bestimmt werden. Dabei soll-
te immer auch das Gesamt-IgA bestimmt
werden, da ein IgA-Mangel bei Zöliakiepa-
tienten gehäuft vorkommt (je nach Studie in
3–11%)
2), 11) . Liegt ein IgA-Mangel vor, ist die
serologische Diagnostik nicht verwertbar.
Während sich die Gliadin IgG-Antikörper
durch eine hohe Sensitivität, aber niedrige
Spezifität auszeichnen, erweisen sich die Gli-
adin IgA-Anitkörper als sehr spezifischer Mar-
ker für das Vorhandensein einer Zöliakie. Gli-
adin IgG-Antikörper können z.B. bei M.
Crohn, bei Kuhmilcheiweissallergie oder
auch bei Gesunden falsch-positiv sein
12 ).
Die Endomysium IgA-Antikörper werden
durch Immunfluoreszenzmikroskopie ent-
weder an Schnitten von Affenösophagus
oder humaner Nabelschnur nachgewiesen.
Diese Untersuchung ist untersucherabhän-
gig und erfordert eine grosse Erfahrung. Der
Vorteil dieses Markers ist die hohe Spezifität
von > 95%
13 ). Einschränkend ist zu erwähnen,
dass die Spezifität bei Kindern unter 2 Jah-
ren nur bei etwa 80% liegt. In dieser Alters-
gruppe ist ein negatives Screeningresultat
daher nur bedingt aussagekräftig.
1997 wurde das Antigen der EMA, die Ge-
webstransglutaminase (Tissue- oder tTG) von
Dietrich, identifiziert. Es ist das Autoantigen
der Zöliakie, gegen welches die diagnostisch
bedeutenden Antikörper gebildet werden
(tTG-IgA)
14 ). Diese Antikörper werden mittels
ELISA-Technik bestimmt. Die Sensitivität die-
ser Antikörper liegt zwischen 81–97%, die
Spezifität bei 87–99% und ist somit mit den
Endomysium IgA vergleichbar
15)–18) .
Trotz der hohen Spezifität der serologischen
Marker wird dringend empfohlen, die Di-
agnose sowohl im Kindes- wie auch im Er-
wachsenenalter mittels Dünndarmbiopsie zu
sichern
10 )bzw. eine fachärztliche Beurteilung
einzuholen.
Nur eine gut dokumentierte Diagnose recht-
fertigt die Durchführung der einschneidenden,
lebenslänglichen, gliadinfreien Ernährung.
Bei Patienten mit Zöliakie-assoziierten Er-
krankungen wird ein serologisches Screeningje nach Klinik in regelmässigen Abständen
empfohlen.
Serologische Diagnostik:
Praktisches Vorgehen
Bei Verdacht auf das Vorliegen einer Zöliakie
empfiehlt sich folgende serologische Scree-
ninguntersuchung:
3 Tissue Transglutaminase IgA-Antikör-
per (tTG-IgA-Antikörper)
3 oder Endomysium IgA-Antikörper (EMA
IgA-Antikörper)
3 Totales IgA (Serum)
3 Kinder unter 2 Jahre:
– Gliadin IgG– und Gliadin IgA-Antikörper
Die meisten grösseren Labors führen diese
Bestimmungen durch. Bei positivem Antikör-
perresultat wird dringend abgeraten, eine «ex
juvantibus»-Diät zu beginnen, sondern es
wird empfohlen, mittels Dünndarmbiopsie
die Diagnose zu sichern. Bis zum Zeitpunkt
der Biopsie soll die gliadinhaltige Ernährung
weitergeführt werden, damit die histologi-
schen Resultate nicht verfälscht werden.
Bei Kindern unter 2 Jahren, bei denen anam-
nestisch und klinisch der Verdacht einer
Zöliakie besteht, empfiehlt es sich, auch bei
negativer Serologie eine Dünndarmbiopsie
durchzuführen.
Da die Häufigkeit einer Zöliakie bei Ver-
wandten 1. Grades bei 5–10% liegt, kann die
Durchführung eines serologisches Scree-
nings auch bei asymptomatischen Familien-
angehörigen von Zöliakiepatienten gerecht-
fertigt sein
10), 12) .
Behandlung der Zöliakie
Die einzige Behandlung der Zöliakie ist eine
strikte lebenslängliche glutenfreie Ernährung.
Die Zöliakie gehört zu den wenigen Krank-
heiten, die ausschliesslich diätetisch be-
handelt werden können. Dafür ist eine ein-
gehende professionelle diätetische Schulung
(Ernährungsberatung) des Patienten und des-
sen Familie erforderlich.
Das Einhalten einer strikten Diät führt zu ei-
ner vollständigen Normalisierung der Dünn-
darmschleimhaut und verhindert die Spät-
komplikationen (z.B. Osteoporose).
Bezüglich der Diät sind alle Getreidearten ver-
boten, die Gluten enthalten (siehe Tabelle 4).
Neben dem Weglassen glutenhaltiger Ge-
treidearten ist ein besonderes Augenmerk
auf versteckte Gliadinspuren zu richten, wie
sie in Fertiggerichten, Gewürzen, aber auch
Medikamenten zu finden sind.
Fortbildung / Formation continue
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Kontroverse Hafer
Methodisch sorgfältig durchgeführte Unter-
suchungen der letzten Jahre zeigen, dass Ha-
fer in geringen Mengen (bis 70 g täglich) und
über einen Zeitraum von 6–12 Monaten we-
der zu einer klinischen Verschlechterung der
Symptomatik noch zu immunologischen
Veränderungen der Dünndarmschleimhaut
führten und auch nicht zu einem Anstieg der
Antikörpertiter
20)–22) . Janutuinen et al. haben
eine Studie publiziert, bei der sie die mit Ha-
fer belasteten Patienten nach 5 Jahren wie-
der untersucht und keinen negativen Effekt
gefunden haben
23). Erwähnenswert ist aber
die Tatsache, dass die Studien mit Hafer
durchgeführt wurden, der unter speziellen
Bedingungen angebaut und verarbeitet wur-
de, um Kontaminationen mit anderen Ge-
treidearten und damit Gluten zu vermeiden
24).
Die fehlende Verfügbarkeit von «nichtkon-
taminiertem» Hafer und die Beobachtungen,
dass Patienten mit Zöliakie in Remission so-
gar noch nach 5–8 Jahren nach Wiederein-
führen glutenhaltiger Nahrungsmittel ein Re-
zidiv entwickeln
25), 26) , ist der Grund, weshalb
derzeit die Einnahme von Hafer nicht vor-
behaltos empfohlen werden kann.
Verlaufskontrollen
Der Erfolg einer glutenfreien Diät kann
serologisch dokumentiert werden. Die ver-
schiedenen Antikörpertiter fallen bei ein-
gehaltener Diät rasch ab und sollten nach
12–24 Monaten nicht mehr nachweisbar
sein.
Glutenbelastung
Eine Glutenbelastung nach erfolgter und ge-
sicherter Diagnose wird nicht mehr emp-
fohlen. In ganz seltenen Fällen, insbesonde-
re nach nicht korrekt gestellter «Erstdia-
gnose», kann diese unter spezialärztlicher
Kontrolle durchgeführt werden.
Komplikationen
Eine strikte glutenfreie Diät ist auch bei mo-
tivierten, gut geschulten Patienten schwierig
einzuhalten. Die Compliance einer gluten-
freien Ernährung korreliert mit den Kennt-
nissen über die Krankheit
27). Die potenziellen
nutritiven Komplikationen bei Nichteinhal-
tung der Diät sind v.a. Malabsorptionsfolgen.
Aufgrund neuster Studien ist das Malig-
nomrisiko (intestinales Lymphom) bei Zöli-
akiepatienten im Vergleich zur Normalbe-
völkerung teilweise erhöht
28), 29) .
Ausblick
Zwar ist zurzeit eine konsequente Diät die
einzige Behandlungsmöglichkeit der Zöliakie.
Mögliche Ansätze zur Erleichterung der Diät
werden aber in der Herstellung von gen-
technologisch verändertem Weizen
2)oder in
der Enzymtherapie (Substitution der Trans-
glutaminase)
30)gesucht.
Wie bereits bemerkt, entwickeln nur 2% der
Personen mit der entsprechenden HLA-
Konstellation eine Zöliakie. Es liegen keine
systematischen Studien vor, welche die Be-
deutung des HLA-DQ2/DQ8-Status als
Screening-Methode untersucht haben. Den-
noch könnte diese Untersuchung bei Risi-
kopatienten (Down-Syndrom, Diabetiker,
Turner-Syndrom usw.) die Screening-Stra-
tegie in Zukunft verändern, indem sich eine
Zöliakie bei nicht vorhandenen HLA-DQ2-
und DQ8-Marker ausschliessen lässt.
Zusammenfassung
Die Prävalenz der Zöliakie scheint viel höher
zu sein als bisher angenommen (Eisberg-Phä-
nomen). Die jährliche Inzidenz in Europa ist
in den letzen 40 Jahren von 0,8/100 000 bis
auf 9,4/100 000 gestiegen, möglicherweise
auch aufgrund verbesserter Screening-Me-
thoden und Erfassung oligosymptomati-
scher Patienten. Die lebenslängliche glu-
tenfreie Ernährung ist nach wie vor die ein-
zige Therapieform, welche zur Heilung führt
und frei von Nebenwirkungen ist.
Bei Verdacht auf Zöliakie stehen gute sero-
logische Screening-Methoden zur Verfügung,
zur Diagnosesicherung wird weiterhin die
Durchführung der Dünndarmbiopsie emp-
fohlen. Eine professionelle Ernährungsbera-
tung sowie Schulung des Patienten und des-
sen Familie erhöht die Diätcompliance we-
sentlich. Durch das Einhalten der Diät kann
die Lebensqualität der Zöliakiepatienten er-heblich verbessert werden, auch wenn die
klinischen Symptome unter Glutenbelastung
milde waren.
Zum Verständnis der Klinik, zur Interpretation
der Serologie und zur Motivation der Pa-
tienten für eine lebenslängliche Diät sind für
den behandelnden Arzt Kenntnisse zur Pa-
thophysiologie der Zöliakie entscheidend.
Merkpunkte
3 Häufigkeit der Zöliakie wird unterschätzt:
Daher an die Möglichkeit einer Zöliakie
denken und serologische Diagnostik
durchführen
3 Bei ungeklärter therapieresistenter Anä-
mie (Eisenmangel), unklarem Klein-
wuchs, erhöhten Transaminasen usw. an
oligosymptomatische Formen der Zöli-
akie denken
3 IgA-Mangel ist bei Zöliakiepatienten ge-
häuft, daher totale Serum IgA-Bestim-
mung bei der Erstdiagnostik
3 Tissue Transglutaminase (tTG-IgA) und
die Endomysium-Antikörper (EMA-IgA)
haben die höchste Spezifität und einen
vergleichbaren Aussagewert. Die meis-
ten Labors benützen einen ELISA-Test mit
tTG-IgA-Antikörpern. Es ist daher nicht
notwendig, in der primären Diagnostik
die tTG-IgA- unddie EMA-IgA-Antikörper
zu bestimmen, sondern es genügt, neben
IgA- nurdie tTG-IgA- oderdie EMA-IgA-
Antikörper zu bestimmen
3 Bei Kindern unter 2 Jahren liegt die Spe-
zifität der tTG-IgA- unddie EMA-IgA-Anti-
körper nur bei ca. 80%, daher zusätzliche
Bestimmungen von Gliadin IgG – und Gli-
adin IgA-Antikörpern.
3 Antikörper verschwinden nach Einfüh-
rung einer glutenfreien Ernährung
3 Die gliadinfreie Ernährung soll keinesfalls
«ex-juvantibus» nur auf der Basis einer
Gliadin-Antikörperserologie, sondern erst
nach Sicherung der Diagnose mittels
Dünndarmbiopsie begonnen werden
Kontroverse
Ist eine Bestätigung der Diagnose mittels
Dünndarmbiopsie immer notwendig?
Bei Vorliegen positiver Endomysium und tTG-
IgA-Antikörper und entsprechender Klinik
kommt häufig die Frage auf, ob eine Dünn-
darmbiopsie zur Bestätigung der Diagnose
notwendig ist? Die hohe Spezifität dieser Anti-
körper bzw. der Nachweis von 3 Antikörpern
(Gliadin-IgG, Gliadin-IgA, tTG-Antikörpern)
im Serum lässt in der Tat bei der Mehrheit der
Tabelle 4: Glutenhaltige Getreidesorten
3Weizen, Gerste, Roggen
3Weizenarten:
– Dinkel
– Grünkern
– Einkorn
– Emmer
– Kamut
– Triticale
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Patienten eine pathologische Schleimhaut
vermuten 31). Dennoch empfiehlt die Gesell-
schaft der Kindergastroenterologen der
Schweiz (SGPGE), die Gremien der europäi-
schen (ESPGHAN) und nordamerikanischen
Gesellschaften (NASPGHAN) für Kindergast-
roenterologie zur Diagnosesicherung derzeit
die Durchführung einer Dünndarmbiopsie.
Trotz der sehr hohen Spezifität ist das Stellen
einer falschen Diagnose nach wie vor möglich.
Zu bedenken ist dabei, dass die Zöliakiebe-
handlung eine invasive lebenslängliche Diät
bedeutet, die gesicherte Diagnose wesentlich
zur Diät-Compliance beiträgt und bei fehlen-
dem Ansprechen auf eine Glutenexklusion
eine Diagnostik zu einem späteren Zeitpunkt
v.a. unter teilweiser Glutenexklusion er-
schwert ist. Die Diagnostik (mit oder ohne
Biopsie) und die initiale Behandlung einer Zö-
liakie im Kindesalter gehören daher in die
Hand eines Kindergastroenterologen.
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Korrespondenzadresse:
Dr. med. J. Spalinger
Pädiatrische Gastroenterologie
Kinderspital Luzern
6000 Luzern 16
johannes.spalinger@k
sl.c h
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Johannes Spalinger , Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung Universitätskinderklinik Bern / Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung, Kinderspital, Luzerner Kantonsspital, Luzern