Verglichen mit noch vor 20 Jahren ist ein Patient nach Blutstammzelltransplantation (SZT) heute einem deutlich geringeren Risiko ausgesetzt, an akut oder mittelfristig auftretenden Komplikationen zu versterben. Die durchschnittliche Heilungschance der mit allogener SZT behandelten Erkrankungen beträgt in unseren Händen zurzeit ca. 80 %. Allogene SZT sind bei nicht malignen Erkrankungen (NMD) je nach Stammzellquelle heutzutage schon so sicher, dass der Schwerpunkt auf die Reduktion der Langzeitfolgen durch Minimierung der Toxizität der Konditionierung gelegt werden kann, ohne das Abstos sungsrisiko zu erhöhen. Bei malignen Erkrankungen (MD) ist leider nach wie vor das Rezidiv der grösste Risikofaktor, so dass hier verstärkt Anstrengungen zur Verbesserung des Remissionsstatus durch effizientere Vorbehandlungen und Trans plantationstechniken unternommen werden müssen. Hier spielt die Erforschung und Anwendung wirksamer neuer Chemotherapeutika mit oder ohne therapeutic drug monitoring (TDM) (z. B. targeted Busulfan, Treosulfan, Clofarabin), Tumorwachstuminhibierender Medikamente (Sorafenib, Azacytidin), zytolytischer monoklonaler Anti körper (z. B. Blinatomumab) und neuer Immuntherapien zur Eliminierung noch vorhandener Krebs zellen (alpha/beta TCRDepletion bei haploidentischem Spender, tumorspezifische TZelltherapie mit Suizidgenen, TZellaktivierung mit Hilfe von Chimeric antigen receptors (CARs), etc.) eine wichtige Rolle.
31
Zusammenfassung
Verglichen mit noch vor 20 Jahren ist ein
Patient nach Blutstammzelltransplantation
(SZT) heute einem deutlich geringeren Risiko
ausgesetzt, an akut oder mittelfristig auftre
tenden Komplikationen zu versterben. Die
durchschnittliche Heilungschance der mit
allogener SZT behandelten Erkrankungen
beträgt in unseren Händen zurzeit ca. 80 %.
Allogene SZT sind bei nicht malignen Erkran
kungen (NMD) je nach Stammzellquelle
heutzutage schon so sicher, dass der
Schwerpunkt auf die Reduktion der Langzeit
folgen durch Minimierung der Toxizität der
Konditionierung gelegt werden kann, ohne
das Abstos sungsrisiko zu erhöhen. Bei ma
lignen Erkrankungen (MD) ist leider nach wie
vor das Rezidiv der grösste Risikofaktor, so
dass hier verstärkt Anstrengungen zur Ver
besserung des Remissionsstatus durch ef
fizientere Vorbehandlungen und Trans plan
tationstechniken unternommen werden
müssen. Hier spielt die Erforschung und
Anwendung wirksamer neuer Chemothera
peutika mit oder ohne therapeutic drug
monitoring (TDM) (z. B. targeted Busulfan,
Treosulfan, Clofarabin), Tumorwachstum in
hibierender Medikamente (Sorafenib, Azacy
tidin), zytolytischer monoklonaler Anti körper
(z. B. Blinatomumab) und neuer Immunthera pien zur Eliminierung noch vorhandener
Krebs
zellen (alpha/beta TCR Depletion bei
haploidentischem Spender, tumorspezifi
sche TZelltherapie mit Suizidgenen, T Zell
aktivierung mit Hilfe von Chimeric antigen
receptors (CARs), etc.) eine wichtige Rolle.
Einleitung
In den let z ten 10 –15 Jahr en hat es b e deut s ame
Entwicklungen auf dem Gebiet der pädiatri -schen SZT gegeben. Im folgenden Manuskript
w ir d au f die G r undlagen der SZ T in der Pädiatr ie
eingegangen und die heutigen Möglichkeiten
und Grenzen dieser Therapie anhand eigener
Ergebnisse aufgezeigt. Der Begriff «Knochen
–
marktransplantation» (KMT) wird hierbei kon –
sequent vermieden und durch SZT ersetzt.
Autologe und allogene
Stammzelltransplantation
Bei einer autologen SZT werden hämatopoie –
tische Stammzellen (HSZ), die dem Patienten
mit einer Apherese entnommen wurden, nach
Zusatz von Dimethylsulfoxid (DMSO) in flüssi –
gem Stickstoff tiefgefroren. Es erfolgt dann
eine hoch dosierte Chemotherapie, an deren
Ende die HSZ aufgetaut und reinfundiert
werden. Die Hochdosischemotherapie dient
der Zerstörung des soliden Tumors oder des
Transplantation von hämatopoietischen
Stammzellen bei Kindern und Jugendlichen
U. Zeilhofer, T. Güngör, Abteilung für Knochenmark- und Blut-Stammzelltransplantation des
Kinderspitals Zürich
Spender (S)
(gesund)
reife T-Lymphozyten (S):
«aggressiv» (Graft-versus- Host-Erkrankung Konditionierung
Empfänger (E)
(krank)
Thymus
HSZ naive T-Lymphozyten (S)
(tolerant E +S):
nach 3-6 Monaten nachweisbar
reife T-Lymphozyten (E): «aggressiv»
(Abstossung des Transplantes)
Abbildung 1: Prinzipien der allogenen SZT: Abstossung und Toleranz
Abbildung 2: Prinzipien der allogenen SZT: Immunologische Rekonstitution; Lc= Lymphozyten
Spender (S)
Empfänger (E)
Toleranz gegen E + S
Thymus
Blutorgan
Makroph/APC
B – LC
T
1. Frühphase: Neutrophile, Mono, NK Sofortabwehr 4 Mo
2. Mittelphase: Makrophagen, T-Lc Zell. Immunität 3–6 Mo
3. Spätphase: B -Lc Hum. Immunität 6–12 Mo
AbkürzungenALL = Akute lymphoblastische Leukämie
AML = Akute myeloische Leukämie
GHvD = Graft-versus- Host Disease
HLA = Human leukocyte antigen
HSC = Haematopoietic stem cells
KM = Knochenmark
MAC = Myeloablative Konditionierung
MD = Maligne Erkrankung
MDS = Myelodysplastisches Syndrom
MIC = Minimal intensity Konditionierung
NMD = Nicht maligne Erkrankung
OS = Gesamtüberleben (overall survival)
PBSC = Peripheral blood stem cells
PID = Primärer Immundefekt
RIC = Reduced intensity conditioning
SZT = Blutstammzelltransplantation
TBI = Total body irradiation
TDM = Therapeutic drug monitoring
TRN = Transplantations-assoziierte Sterblich
keit (transplant-related mortality)
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
32
Lym phoms, die Reinfusion der autologen HSZ
als Knochenmarks-Rescue, um die Periode
der protrahierten Knochenmarksaplasie zu
überbrücken. Dieses Verfahren kommt fast
ausschliesslich bei onkologischen Erkrankun –
gen (Neuroblastom, Medulloblastom, Neph –
roblastomrezidiv oder Hodgkin Lymphomre –
zidiv) und im Rahmen von Studien bei
therapierefraktären Autoimmunerkrankungen
(z. B. polyartikuläre rheumatoide Arthritis,
Multiple Sklerose) zum Einsatz.
Im Folgenden wird vor allem das Thema allo –
gene SZT erörtert werden.
Bei einer allogenen SZ T wird das hämatopoe –
tische System des Empfängers durch ein
neues gesundes Spender-Blut- und -Immun –
system ersetzt. Multipotente HSZ, die die
Fähigkeit zur lebenslangen Selbsterneuerung
besitzen, werden vom Spender auf den Emp-
fänger übertragen, diese bilden dann hämato –
poietische Progenitorzellen, die Blutorgan und
Immunorgan des Empfängers wieder aufbau –
en. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass das
zelluläre Immunsystem des Empfängers vor –
her ausgeschaltet wird, so dass eine Abstos –
sung verhindert werden kann. Zusätzlich
muss im Knochenmark Platz geschaffen wer –
den, indem die Empfänger-HSZ zerstört und
durch Spender-HSZ via «Homing» im Kno –
chenmarkstroma ersetzt werden können. Es
werden über die eigentliche Infusion von HSZ
hinaus in der Regel Immunsuppressiva einge –
setzt, um eine potentiell gefährliche Graft
versus Host-Erkrankung (GvHD) zu verhin –
dern. Nach Überwindung der prinzipiellen Probleme, Abstossung und GVHD, steht nach
erfolgreichem Spenderzell-Engraftment (Kri
–
terien: > 0.5 G/L neutrophile Granulozyten,
> 50 G/L Thrombozyten ohne Tc-Substitution)
die zelluläre und humorale Immunrekonstitu –
tion und die Entwicklung einer zentralen und
peripheren Toleranz gegenüber dem Empfän –
ger im Vordergrund. Diese Toleranzentwick –
lung gegenüber den HLA-Merkmalen des
Empfängers wird nach Besiedelung des Thy –
mus durch lymphoide Progenitorzellen aus
dem Knochenmark initiiert und unterscheidet
sich dadurch prinzipiell die SZT von allen an –
deren Organtransplantationen. Im Thymus
werden Spender-HLA Moleküle präsentiert,
und es entstehen «de-novo» naive T-Zellen,
die gegenüber Spender- und Empfänger-HLA
Toleranz aufweisen. Daher ist in der Regel
nach ca. 6 Monaten post SZT keine Fortset –
zung der Immunsuppression mehr notwendig.
Die Patienten können grund immunisiert wer-
den und entwickeln dann in Folge ein normal
funktionierendes Blut- und Immunsystem. Mit
Hilfe dieses Prinzips können zahlreiche hä –
matologische, onkologische, immunologische
und metabolische Erkrankungen geheilt wer –
den, ohne dass eine lebenslange Immunsup –
pression notwendig ist (Abb. 1, 2) .
Wir haben für dieses Manuskript die Daten am
Kinderspital Zürich von 2002 bis einschliess –
lich 2012 ausgewertet. Es wurden in diesem
Zeitraum n =237 SZT bei n =221 Patienten
durchgeführt (n = 49 autolog; n =188 allogen).
Von den 188 allogen transplantierten Kindern
im Kinderspital Zürich litt die Hälfte (47 %) an einer malignen Erkrankung (inkl. Myelodys
–
plastisches Syndrom mit Nachweis maligner
Myeloblasten), knapp
1/3 (29 %) an einem pri –
mären Immundefekt (PID), 1/6 (18 %) an einer
hämatologischen und ein kleinerer Anteil (6 %)
an einer metabolischen Erkrankung (Abb. 3) .
Die Anzahl der SZT im Kinderspital Zürich
nahm in den let z ten Jahr en stetig zu (Abb. 4).
Das Kinderspital erfüllt das Kriterium von
mindestens n =10 pädiatrischen allogenen
Transplantationen pro Jahr und ist daher als
selbständiges pädiatrisches Zentrum JACIE-
akkreditiert. Die JACIE-Akkreditierung (JACIE;
Joint Accreditation Committee of ISCT-Europe
and EBMT) dient der Sicherung der Qualität
bei der Durchführung allogener und autologer
SZTs inklusive Stammzellgewinnung und -ver –
ar b eitung und ist f ür Schweizer Tr ansplant ati –
onszentren obligatorisch.
Indikationen für eine
allogene SZT bei Kindern
Zu den SZT-Indikationen in der pädiatrischen
Hä matologie zählen Hämoglobinopathien
(Sich
el
zellanämie und Beta-Thalassämie),
aregeneratorische Anämien (Diamond-Black –
fan-Anämie), kongenitale Thrombozytopenien
(amegakaryozytäre Thrombozytopenie, Wis –
kott-Aldrich-Syndrom), schwere Thrombo –
zy
tenfunktionsstörungen (Thrombasthenia
Glanz
mann) oder bestimmte kongenitale Neu –
tropenien (HAX1-Defekt bzw. Kostmann-Syn –
drom). Andere SZT-Indikationen in der Häma –
tologie sind die angeborenen Syndrome mit
Knochenmarkversagen, wie Fanconi Anämie,
Dyskeratosis congenita, Shwachman Diamond
Syndrom, die sich wie eine klassische schwe –
re bis sehr schwere Aplastische Anämie ( SA A
oder VSAA) oder auch als refraktäre Zytopen –
ie (RC) mit Dysplasiezeichen im Knochenmark –
ausstrich präsentieren können. Die myelodys –
plastischen Syndrome (MDS) mit Blast –
en
nachweis (RAEB, RAEB-T) gehören zu den
malignen Erkrankungen, da sie unbehandelt in
eine akute myeloische Leukämie (AML) über –
gehen. RAEB und RAEB -T werden im Kindes-
und Jugendalter – mit guten Ergebnissen –
ohne vorhergehende Remissions-induzierende
Chemotherapie allogen HSZ-transplantiert.
Die akuten Leukämien gehören neben den
angeborenen nicht-malignen Erkrankungen
(NMD) zu den häufigsten Transplantationsin –
dikationen im Kindes- und Jugendalter. Die
häufigste Form der akuten Leukämie bei Kin –
dern, die akute lymphatische Leukämie (ALL),
qualifiziert im Falle eines Rezidivs oder im
Falle einer Hochrisikosituation (z. B. zeitlich
Abbildung 3: Indikationen für allogene SZT im Kinderspital Zürich (2002–2012) SZT-Indikation Kispi-ZH, n =188
Hämat
Onko + MDS
Immuno
Metabol
47 %
29%
18 %
6%
Abbildung 4 : Entwicklung der Transplantationszahlen im Kinderspital Zürich (2000–2012)
30
25
20
15
10 5
0 2000 20022004 20062008 20102012 Allo
Auto
Tot al
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
33
verzögerter Abfall der minimalen Resterkran-
kung) bereits in erster kompletter Remission
(CR1) für eine SZT. Voraussetzung für die SZT
is t in der Regel eine vor ausgehende Induk tion
einer kompletten – wenn möglich molekula –
ren – Remission (minimale Resterkrankung
<10
–3). Patienten mit einem Rezidiv einer
akuten myeloischen Leukämie (AML) werden
ebenfalls allogen HSZ-transplantiert. Ausnah -
men sind pädiatrische AML-Patienten mit
ungünstiger Prognose, v.a. mit Flt3-Mutation,
t(9/11) und t(6/9) Translokation, die bereits
in CR1 transplantiert werden.
B ei den PID, die f ür eine SZ T quali fi zier en, gibt
es v. a. 4 grosse Gruppen:
a) Schwere kombinierte Immundefekte (SCID:
Gamma- C-, JAK 3-, CD3-, RAG1/2-, IL7
Reptor-, DNA-Ligase IV-, Artemis-, Cerun -
nos-, Adenosindesaminase- und Purinuk -
leotidphosphorylase-Defekte etc.)
b) Kombinierte Immundefekte (CID: Cartilage
Hair Hypoplasia, Wiskott-Aldrich-Syndrom,
CD40-Ligand-Defekt, Bare lymphocyte-
und IPEX-Syndrom etc.)
c) Angeborene Lymphohistiozytose-Sydrome
(HLH: Perforin-, MUNC-13-, Syntaxin11-
Defekte, Purtillo Syndrom etc.) und
d) Phagozytendefekte (z. B. chronische Gra-
nulomatose = CGD) mit autosomal rezes -
siv und X-chromosomal vererbtem Mangel
an NADPH-Oxidase oder Defekte der Leu -
kozytenadhäsionsmoleküle (z. B. LFA1-
Defekt mit fehlender Expression von
CD11a- c und CD18).
Weitere Indikationen für die allogene SZT
stellen metabolische Erkrankungen dar, v. a.
die lysosomalen Speichererkrankungen, wie
Mucopolysaccharidose Typ IH (Typ Hurler),
alpha-Mannosidose, Morbus Farber (Cerami -
dase-Defekt), oder Defekte der Beta-Oxidati -
on überlangkettiger Fettsäuren (X-linked Ad -
renoleukodystrophie = X-ALD). Der Erfolg
einer SZT bei diesen neurodegenerativen Er -
krankungen erklärt sich über den Transfer und
die Neubildung von gesunden Monozyten des
Spenders, die sich im Gewebe zu Makropha -
gen subspezialisieren und sich im ZNS zu
Oligodendrozyten oder in der Leber zu Kupf -
fer-Zellen weiterdifferenzieren können. Dort
können diese metabolisch aktiv werden, in -
dem sie das fehlende Enzym an benachbarte
Neuronen oder Leberzellen abgeben, die das
Enzym via Rezeptoren oder direkt aufnehmen.
Durch Aufnahme des fehlenden Enzyms (z. B.
alpha-Iduronidase bei MPS Typ IH) können
Neuronen vor der Degeneration bewahrt und
eine toxische Kumulation von pathologischen Stoffwechselprodukten, wie Glykosaminogly
-
kanen, weitgehend verhindert werden. Bei
rechtzeitig durchgeführter SZT (bei lysosoma -
len Speicherkrankheiten in der Regel vor dem
2. Lebensjahr; bei X-ALD sobald neurologi -
sche oder neuropsychatrisch-kognitive Sym -
ptome auftreten) kann der im ZNS progredien -
te und schliesslich fatale Krankheitsprozess
zum Stills t and gebr acht und so das b etr of fene
Kind vor Demenz und progressiver Neurode -
generation bewahrt werden. Positive Effekte
hat die SZ T b ei MP S Ty p IH b ei der P r ävention
von Pathologien, wie Funktionsstörungen der
Cochlea, Trübung der Cornea und Verdickun -
gen der Herzklappen. In anderen betroffenen
Geweben, z. B. Knorpel und Knochen, ist der
Effekt der SZT nicht oder nur so gering vor -
handen, dass orthopädische Komplikationen
(Odontoid Hypoplasie, Fingerkontrakturen,
Karpaltunnelsyndrom, Genua valga, Skolio -
sen) auftreten können und chirurgisch korri -
gier t wer den müs sen. B ei X- ALD kann eine b ei
ersten Zeichen der neurologischen Progressi -
on o der b ei Er f üllung von P r og r es sionskr iter i -
en im MRI des Gehirnes (LOES Score) durch -
geführte SZT lebensrettend sein und den
sonst fatalen neurodegenerativen, z. T. ent -
zündlichen Prozess im ZNS nach 6–12 Mona -
ten (Dauer des Einwanderungsprozesses von
Spender-Makrophagen in das ZNS) aufhalten.
Die bei X-ALD bestehende Nebenniereninsuf -
fi zienz is t nach SZ T nicht r ever sib el und daher
auch nach erfolgreicher SZT substitutions -
pflichtig.
Blutstammzellquellen
H eut z ut age können HSZ aus 3 Q uell en gewon -
nen werden: a) Knochenmark (KM), b) peri -
pherem Blut nach G-CSF Stimulation (PBSC)
und c) Nabelschnurblut (CB).
a ) Die älteste und in der Pädiatr ie am häu figs -
ten verwendete Quelle ist Knochenmark,
das bereits 1968 bei der ersten erfolgrei -
chen allogenen SZT (Kind mit primärem
Immundefekt) verwendet wurde. Da nur
ein geringer Prozentsatz der Zellen im
Knochenmark (ca. 1 %) CD34+ HSZ ent-
spricht, ist die Zahl an HSZ in einer Kno -
chenmarkspende limitiert. In der Regel
werden dem Spender je nach Alter 10–20
ml/kg Empfänger KM entnommen. Die
Knochenmarkentnahme erfolgt durch 2
Ärzte, die an 2 Stellen des Beckenknochen
(Spina iliaca posterior) in Vollnarkose und
Bauchlage KM (in 5–10 ml Portionen) ent -
nehmen. Dieser Eingriff erfordert in der
Regel eine Kurzhospitalisation von 2–3 Tagen. Die Rekonvaleszenz nach einem
solchen Eingriff ist schnell, meist sind die
Spender nach 3–5 Tagen wieder schul-
oder arbeitsfähig. In Folge des Blutverlus
-
tes bei der KM-Entnahme muss selten, v. a.
bei sehr kleinen Spendern (<10 kg) oder
bei grosser Diskrepanz zwischen Spender-
und Empfängergewicht, eine bestrahlte
Erythrozytentransfusion vorgenommen
werden. Alle Spender im Kinderspital Zü -
rich erhalten nach erfolgter KM-Entnahme
5 mg/kg Eisen i. v. zur Beschleunigung der
Regeneration der Hämatopoiese. Ein Vor -
teil von K no chenmar k is t die im Tr ansplan -
tat um mindestens 1 log geringere CD3+
T-Zellzahl, was mit einem geringeren Risiko
für eine GvHD vergesellschaftet ist.
b) Gewinnt man Stammzellen aus PBSC, so muss der Spender vorgängig über 4–5 Tage
mit 10–12 microgramm/kg G - CSF s.c. sti -
muliert werden. Andere Stimulationsfakto -
r en von HSZ , w ie Pler i xafor, sind no ch nicht
in der Routineanwendung. Für die Entnah -
me von PBSC braucht es eine Apherese,
wofür 2 grosslumige venöse Zugänge (bei
Adulten häufig via periphere Venen, bei
Kindern häufig via zentralem, doppellumi -
gem Dialysekatheter) notwendig sind. Es
sind in der Regel mehrere Stunden für die
Apherese nötig. Bei einer Apherese werden
Blutstammzellen und weitere mononukle -
äre Zellen per Zentrifugation gesammelt,
wobei Thrombozyten und Erythro zyten
dem Spender grösstenteils wieder zu -
rückinfundiert werden. Ein grosser Vorteil
von PBSC ist die im Gegensatz zu KM
deutlich höhere Stammzellmenge, die ent -
nomm en wer den kann , was häu fig z u einem
schnelleren Engraftment führt als bei Ver -
wendung von KM. Dies ist vor allem bei
älteren und schwereren onkologischen
Patienten mit marginalem Remissionssta -
tus oder Patienten mit PID, die an einer
therapierefraktären aktiven Infektion lei -
den, von Vorteil, da die Aplasiezeit u.U.
verkürzt werden kann. Ein Nachteil von
PBSC ist der relativ hohe Anteil an CD3+
T-Zellen, die ein erhöhtes GvHD-Risiko
darstellen können. Bis anhin gibt es keine
Langzeit-Daten über mögliche Spätfolgen
beim Spender nach einer Stimulation von
HSZ mit G - CSF. Die Sorge über eine durch
G-CSF induzierte Entwicklung einer Leuk -
ämie hat sich bisher nicht bestätigt. Alle
verwandten Blutstammzellspender werden
im Rahmen des Schweizer Transplantati -
onsgesetzes registriert und mit einem
jährlichen Fragebogen nachverfolgt.
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
34
freiwilligen Spendern weltweit wird, desto
wahrscheinlicher wird es, für alle Empfänger
weitgehend passende Spender zu finden. Jeder
Leser dieses Artikels kann sich bei Interesse
freiwillig beim Schweizer Knochenmarkregis-
ter (Swiss Blood Stem Cells = SBSC; h t t p : //
www.sbsc.ch ) online als Spender registrieren
lassen. Per Post wird ein Wattestäbchen zur
Durchführung eines Wangenabstrichs für die
HLA-Typisierung zugeschickt. International
wird bei Geschwisterspendern (<18 Jahren)
eine Knochenmarkentnahme empfohlen.
Im Kinderspital Zürich wurden zwischen 2002
und 2012 in 66 % der Fälle KM als Stammzell -
quelle verwendet, in knapp 25 % der Fälle
wurden PBSC eingesetzt und in 7 % CB. Bei 4
SZT mit Geschwisterspendern wurde CB mit
KM kombiniert, v. a. da die Stammzellzahl im
gerichtet entnommenen CB-Transplantat des
passenden Geschwisters nicht ausgereicht
hatte (Abb. 6) .
Konditionierung
Bevor allogen transplantiert werden kann,
muss der Empfänger konditioniert werden.
Dies erfolgt über die Verabreichung einer
Chemotherapie (Hochdosischemotherapie)
oder seltener über eine Radiotherapie (Ganz -
körperbestrahlung = Total Body Irradiation =
g r if fen wer den, sollte es zu einem unzur ei
-
chenden Engraftment kommen oder Lym -
phozyteninfusionen im Rahmen einer
zellulären Immuntherapie (Donor Lympho -
zytengabe bei Leukämierezidiv, Stamm -
zellboost bei persistierender Zytopenie
oder Infusion von virus-spezifischen T-
Zellen gegen CMV-, EBV- oder ADV-Infek -
tionen) notwendig sein.
Als Spender kommen Human Leukocyte Anti -
gen (HLA) -genoidentische Geschwister, die in
weniger als 20 % der Fälle zur Verfügung ste -
hen, HLA-identische und nicht HLA-identische
Fremdspender (Freiwillige ab 18 Jahren) sowie
seltener haploidentische (50 % HLA-Überein -
stimmung) und HLA-phänoidentische Famili -
enspender in Betracht. In den letzten Jahren
nahmen die unverwandten Freiwilligenspender
am Kinderspital Zürich erheblich zu (Abb. 5).
Bei ca. 19 Millionen weltweit zur Verfügung
stehenden freiwilligen KM- und PBSC-Spen -
dern werden in vielen, aber nicht in allen Fällen
10/10 oder 9/10 HLA-übereinstimmende
Fremdspender (matched unrelated donor =
MUD) identifiziert. Es gibt seltene HLA-Kons -
tellationen, v. a. bei Patienten aus seltenen
Ethnien, bei denen kein Spender, der mehr als
7/10 HLA-Übereinstimmungen aufweist, ge -
funden werden kann. Je grösser die Anzahl an
c)
Eine weitere, ubiquitär verfügbare Stamm -
zellquelle ist CB (erstmalige Anwendung
1988 b ei einem K ind mit Fanconi A nämie ) .
Da es weltweit Nabelschnurblutbanken
gibt, können diese relativ einfach und
rasch angefordert werden. In der Schweiz
gibt es 2 öffentliche Nabelschnurbanken
in Basel und Genf. Die oft recht langwieri -
ge Spendersuche und -abklärung von er -
wachsenen Freiwilligenspendern, die in
der Schweiz von der Registrierung bis zur
Auffindung ca. 2 Monate dauert, wird bei
CB auf ca 4 Wochen bis zur Lieferung ab -
gekürzt, was dem kranken Empfänger zu
Gute kommen kann. Die Nabelschnurblut -
entnahme is t f ür das Neugeb or ene gef ahr -
los und das Risiko, mit dem Transplantat
eine Infektion (HIV, Hepatitis, CMV, EBV)
zu üb er tr agen, ist ger ing. Im CB finden sich
numerisch deutlich weniger, meist noch
weitgehend naive und unreife CD3+ T-
Zellen, die ein geringeres GvHD -Risiko
darstellen als PBSC- oder KM-Transplanta -
te, so das s auch Tr ansplant ationen mit 3 – 4
HLA-Allelunterschieden ohne in-vitro T-
Zelldepletion möglich sind. Ein Nachteil
der Nabelschnurbluttransplantation ist die
limitierte Stamm zellzahl, so dass bei Kin -
dern >20 kg eine Nabelschnurbluttrans –
plantation mit einem Unit schwieriger sein
kann. Es können aber auch Nabelschnur –
bluttransplantationen mit mehreren CB
Units durchgeführt werden. International
anerkannte Kriterien für die Eignung eines
CB für einen Empfänger sind u. a. das Vor-
handensein von >3 x 10
-7 nukleierten Zel –
len/kg und >2 x 10 -5 CD34+ HSZ/kg im
Transplantat und das Nichtvorliegen eines
9/10 oder 10/10 HLA-gematchten Famili –
en- oder Fremdspenders. Bei Stoffwech –
selkrankheiten, wie MPS Typ IH (M. Hur –
ler), Fucosidose, alpha-Mannosidose, die
meist Kleinkinder betreffen, ist CB in eini –
gen spezialisierten Zentren mittlerweile
die Stammzellquelle der Wahl. Der HLA-
Match des CB muss mindestens 4/6 HL A –
Antigenen betragen, besser sind allerdings
5/6 und 6/6 HLA-gematchte CB. Es ist im
Kinderspital Zürich üblich, auch CB Trans –
plantate molekular (4- digit) zu typisieren
mit der Forderung auf Mindestüberein –
stimmung von 6/10 HL A – Merkmalen. Auf –
grund der geringen Zahl an HSZ im CB
bezogen auf das Empfängergewicht ist das
Abstossungsrisiko erhöht und die Aplasie –
zeit in der Regel länger als nach KM- und
PBSC-Transplantationen. Des Weiteren
kann nicht erneut auf den Spender zuge –
Abbildung 5: Verteilung von Geschwister-, Fremd- und Elternspender (haploidentisch) bei SZT im
Kinderspital Zürich (2000–2012)
20
1816
14 12
10
8
6
4
2
0 20 01
2000 20022003 2004 2005 2006 200720082009 20102 011 2012 Spender
FremdspenderHaplo
Geschwister
Abbildung 6: Verteilung der Stammzellquellen im Kinderspital Zürich (2002–2012) Stammzellquelle allogen n =188
BM
PBSC
CB
CB/BM
66%
25% 2%
7%
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
35
Zellen zu zerstören und um bei einigen
Stoffwechseldefekten eine maximale My-
eloablation zu erreichen
b) Die «reduced intensity» Konditionierung
(RIC) verwendet reduzierte Dosen von
Chemotherapeutika oder TBI, v. a. wenn es
die Grundkrankheit erlaubt, so dass ein
gewisser kleiner Anteil an Empfängerzellen
überleben kann, da für die Heilung von
nicht malignen Grundkrankheiten ein sta –
biler gemischter Chimärismus (Koexistenz
von Empfänger- und Spenderzellen) in der
Regel ausreicht. Hierbei kommt die sinn –
volle Auswahl und Dosierung der myeloab –
lativen und immunsuppressiven Medika –
mente, die Anwendung eines «Thera –
peutic-drug-monitoring» (TDM) der myelo –
ablativen Substanz Busulfan und die sinn –
volle Nut zung der A llor eak ti v it ät der Sp en –
der T- und NK-Zellen (Graft versus Marrow
Effekt) zum Tragen, um möglichst viele HSZ und hämatopoietische Progenitorzel
–
len mit möglichst geringer Toxizität (Ver –
minderung des Kollateralschadens) zu
beseitigen. Mit Hilfe von RIC-Schemen
können neben der Verminderung der aku –
ten Toxizität der Chemotherapie (Mukosi –
tis, Lebervenenverschlusskrankheit und
Pneumonitis) auch Lang zeitfolgen der SZT,
wie endokrine Folgen und Infertilität, ver –
mindert werden. In welchem Ausmass
Langzeitfolgen durch Anwendung von RIC-
Schemen reduziert werden können, wer –
den Langzeitunter suchungen, die u. a. am
Kinderspital Zürich stattfinden, zeigen.
c) Die «minimal-intensity»-Konditionierung (MIC) beinhaltet die Anwendung von im –
munsuppressiven Medikamenten, wie Cy –
clophosphamid und Fludarabin, sowie die
Gabe von spezifischen zytotoxischen Anti –
körpern (anti-CD45) oder die lokalisierte
Myeloablation mit Radionuklid-gekoppel –
TBI) die eine fraktionierte Bestrahlung von 6
x 2 Gy (=12 Gy) beinhaltet.
Die Konditionierung hat grundsätzlich 3 Ziele:
a)
Beseitigung der Empfänger-HSZ im Kno –
chenmark («Platz-Schaffen» für das Ho –
ming der Spender-HSZ)
b) Immunsuppression des Empfängers, um
eine Abstossung der Spender-HSZ durch
Empfänger T- und NK-Zellen zu verhindern
c) Vollständige Elimination und Eradikation
der Grunderkrankung, insbesondere bei
malignen Erkrankungen
Man kann drei Konditionierungsarten unter –
scheiden:
a) Die myeloablative Konditionierung (MAC), bei der man mit der Intensität der Chemo –
therapie bis zum Maximum der tolerierba –
ren Dosis geht, um möglichst alle autolo –
gen (v. a. malignen) hämatopoetischen
Kategorie Zeitliches Auftreten Zeichen der aGvHDZeichen der cGvHD
Akute GvHD
Klassisch ≤ Tag 100 janein
Persitierend oder akutrezidivierend > Ta g10 0
janein
Chronische GvHD
Klassisch Keine Begrenzung neinja
«Overlap» Keine Begrenzung jaja
Tabelle 1: Definition der akuten und chronischen GvHD gemäss Empfehlung der National Institutes of Health (NIH) Consensus Conference
GradHaut LeberDarm
I Stadium 1–2 00
II Stadium 3 oder: Stadium 1 oder:Stadium 1
III –
Stadium 2-3 oder:Stadium 2–4
IV Stadium 4 oder: Stadium 4–
Tabelle 2 + 3: Stadium- und Gradeinteilung der akuten GVHD (modifiziert nach Glucksberg und Przepiorka)
Gradeinteilung
StadiumHautbefall Leber/BilirubinDarmtrakt/Durchfall
1 (+) < 25% Körperober fläche 34–50 µmol/lDurchfall 10–19 ml/kg/Tag,
Übelkeit, Erbrechen
2 (++) 25–50 % KOF 51 –1 0 2 µ m o l / lDurchfall 20–30 ml/kg/Tag,
Übelkeit und Erbrechen
3 (+++) < 50 % generalisierte Erythrodermie 103–255 µmol/lDurchfall > 30 ml/kg/Tag,
Übelkeit und Erbrechen
4 (++++) Generalisierte Erythrodermie,
Blasenbildung, Desquamation >255 µmol/l
Durchfall > 30 ml/kg/Tag,
starke Bauschmerzen und/oder
Ileus und/oder Meläna
Stadiumeinteilung
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
36
meidung bzw. der Prävention einer schweren
aGvHD III–IV.
Alle Patienten mit einer allogenen SZT erhal-
ten eine GvHD -Prophylaxe, die in der Regel
aus 2 medikamentösen Immunsuppressiva
(Calcineurin-Inhibitoren, wie Ciclosporin A
oder Tacrolimus mit oder ohne low-dose Me –
thotrexat oder Ciclosporin A in Kombination
mit Mycophenolat-Mofetil) besteht. Bei
Fremdspender- und Geschwister-SZT nach
Verabreichung von RIC-Schemen werden vor
SZT zusätzlich lymphozytotoxische Antikörper
gegen T- (und B – ) Zellen verabreicht (Anti-
Thymozyten- Globulin = ATG oder anti- CD52
Antikörper = Alemtuzumab), die aufgrund ih –
rer langen Halbwertszeit über den Tag 0 der
Stammzellinfusion hinaus im Blut des Empfän –
gers zirkulieren und mitttransplantierte T-
Zellen des Spenders eliminieren können (in-
vivo T-Zelldepletion). Bei haploidentischen
Transplantationen, d. h. SZT von Familienmit –
gliedern (v. a. Eltern), die nur 50 % HLA-
Übereinstimmung aufweisen, muss in der
Regel eine in-vitro T-Zelldepletion der Spen –
der-PBSC (zur GvHD -Prophylaxe) und eine
in-vivo T-Zelldepletion des Empfängers (zur
Abstossungsprophylaxe) durchgeführt wer –
den. Bei der in-vitro T-Zelldepletion kommen
Antikörper mit Magnetic Beads (CliniMACS)
zum Einsatz, mit denen eine Positivselektion
von CD34+ Blutstammzellen und damit eine
indirekte CD3 +/CD19 + Depletion von mehre –
ren Logtiterstufen erreicht wird. Experimen –
telle in-vitro Depletionstechniken mit vorhan –
denem antileukämischen Effekt sind die
CD3+/CD19+ und die TCR-alpha+/beta+ De –
pletionen. Alle drei Haplodepletionstechniken
werden am Kinderspital Zürich angeboten.
Kommt es zu einer aGvHD Grad I der Haut,
dann wird diese topisch mit Steroid- oder
Tacrolimus-Salben behandelt. Alle GvHD, die
über Grad I hinausgehen, werden mit hoch-
dosierten systemischen Kortikosteroiden
(2 mg/kg Methylprednisolon) zusammen mit
CSA behandelt. Ein unzureichendes Anspre –
chen auf eine systemische Steroidtherapie
(Progression nach 3-tägiger Behandlung oder
keine Veränderung nach 7 Tagen) ist prognos –
tisch ungünstig zu werten (sog. «steroid-re –
fractory GvHD»), dann sind weitere Immun –
suppressiva indiziert, wie low-dose Metho –
trexat, Rapamycin oder monoklonale Antikör –
per gegen CD25 (Basiliximab) oder TNFalpha
(Infliximab). Die meisten akuten GvHD > Grad
I sprechen auf 2 mg/kg Methlyprednisolon an
und gehen nicht in Grad III-IV über.
Im Gegensatz zu anderen Organtransplantati –
onen ist nach einer allogenen SZT keine le -benslange Immunsuppression notwendig.
Nach Bildung von lymphoiden Progenitorzel
–
len und Einwanderung in den Thymus («Schu –
le» der T-Lymphozyten: Positive und negative
Selektion) entstehen nach 3–6 Monaten to –
lerante naive T-Zellen mit einem breiten
T-Zellrezeptor-Repertoire, die trotz HLA-Un –
terschieden des Empfängergewebes keine
Allo- bzw. Autoreaktivität besitzen. Immun –
suppressiva können daher bei Fehlen oder
Remission einer vorhandenen GvHD durch –
schnittlich nach 6 Monaten post SZT gestoppt
werden. Nach Stoppen der Immunsuppressiva
(oft auch schon vorher) kommt es zu einer
zunehmenden zellulären Immunrekonstitution
durch periphere Expansion mittransplantier –
ter, nicht-alloreaktiver T-Lymphozyten und
durch Thymus-abhängige T-Zellneubildung, so
dass die Infektionsprophylaxen sukzessive
abgesetzt werden können. Bis zum Erreichen
einer funktionellen B-Zellfunktion braucht es
in der Regel 6–9 Monate, daher werden im
Kindesalter intravenöse Immunglobuline mit
passiver Zufuhr von natürlichen Antipolysac –
charid-Antikörpern gegen Pneumokokken und
Hämophilus Typ B sowie gegen andere virale
und bakterielle Krankheiten bis zum Erreichen
der humoralen Immunkompetenz verabreicht.
Im K inder spit al Zür ich w ir d or ales Itr acona zol
zur Pilzprophylaxe von Candida und Aspergil –
lus Species, Aciclovir bzw. Valaciclovir zur
P rophy la xe von H er p esv ir us ( HSV, V Z V, CM V )
Reaktivierungen und Co-Trimoxazol (3x/Wo –
che) zur Prophylaxe einer Pneumocystis-Jiro –
vecii-Pneumonie eingesetzt. Itraconazol wird
in der Regel nach 3 und Cotrimoxazol und
Acyclovir nach 6–9 Monaten abgesetzt. Nach
9–12 Monaten erhalten die Patienten in der
Regel gar keine Medikamente mehr.
Eine cGvHD entwickelt sich nur bei sehr we –
nigen pädiatrischen Patienten unseres allogen
transplantierten Patientengutes. Eine chroni –
sche GvHD ähnelt Auto-Immunerkrankungen,
wie Systemische Sklerodermie, Rheumatoide
Arthritis, Sjögren-Syndrom, Crohn’s Disease,
Lichen sclerosus et atrophicans und kann
prinzipiell alle Organe betreffen. Bei Kindern
ist das Risiko einer chronischen GvHD deut –
lich ger inger als b ei Er wachsenen ( in der Lite –
ratur ca. 15 % bei Kindern gegenüber bis zu
50 % bei Erwachsenen). Die Therapie der
chronischen GvHD richtet sich nach der
Schwere und der Lokalisation der Symptome.
Ein wichtiger Bestandteil der Therapie sind
hierbei systemische und topische antiinflamm –
atorische und immunsuppressive Medikamen –
te, wie Kortikosteroide, Calcineurininhibitoren
(Cyclosporin A, Tacrolimus), mTOR Inhibitoren
ten Antikörpern gegen Leukozyten. Diese
MIC-Schemen werden vor allem bei Pati –
enten mit komplexen Erkrankungen, wie
Fanconi-Anämie, Dyskeratosis congenita,
oder auch DNA-4-Ligase Defekten einge –
setzt, die nicht nur Blut- und Immunsys –
tem, sondern auch andere Gewebe betref –
fen und die sehr empfindlich auf Chemo –
therapeutika reagieren können.
GvHD
Als GvHD bezeichnet man eine inflammatori –
sche und z. T. lymphoproliferative, alloreakti –
ve Reaktion von Spender-T-Zellen gegen HLA-
exprimierende Gewebe des Empfängers.
Früher wurde eine akute GvHD streng nach
dem zeitlichen Auftreten innerhalb von 100
Tagen nach SZT von einer chronischen GvHD
( Au f tr eten nach Tag +10 0 nach SZ T ) getr ennt ;
diese strikte Einteilung ist heutzutage nicht
mehr üblich ( Ta b . 1) .
Während man mittlerweile gut versteht, dass
die akute GvHD (aGvHD) durch eine über
mehrere Stufen stattfindende Infiltration von
mittransplantierten, zytotoxischen CD8+T-
Zellen entsteht, die von Antigen-präsentieren –
den Zellen (APC) stimuliert werden, ist die
Pathophysiologie der chronischen GvHD (cGv –
HD) komplexer. Hier spielen auch CD4+ T-
Zellen und B – Zellen mit ( Auto – ) A ntikör p er bil –
dung eine wichtige Rolle, so dass die cGHVD
eher einer chronischen Autoimmunerkran –
kung ähnelt.
Die aGvHD tritt in der Regel relativ früh nach
SZ T häu fig zum Zeitpunk t des Eng r af tment s au f
und ist meist auf 3 Organsysteme beschränkt:
Leber, Haut und Darm. Es kommt hier zu einer
entzündlichen Infiltration des Gewebes durch
alloreaktive Spender CD3+ CD8+ T-Zellen mit
Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen,
wie TNF-alpha, sowie Induktion von Apoptose
und Zelltod in Keratinozyten, Darmepithel- und
Gallengangszellen. Die Haut mit einer hohen
Dichte an APC ist am häufigsten und mit dem
Auge dir ek t sichtbar b etr of fen. J e nach Auspr ä –
gung der GvHD wird sie in Stadien eingeteilt
und aus den unterschiedlichen Stadien der
einzelnen Organe wird ein Gesamt-Grad (I-IV)
bestimmt (Tab. 2 und 3) .
Patienten, die eine schwer e aG vHD G r ad III – I V
entwickeln, haben eine deutlich reduzierte
Wahrscheinlichkeit zu überleben (ca. 30 %).
Neue Verfahren zur Behandlung der aGvHD
III–IV, wie die extrakorporale Photopherese
(ECP) und die Gabe von mesenchymalen
Stammzellen, sind daher in Erprobung. Das
Hauptaugenmerk liegt auf der strikten Ver –
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
37
(Rapamycin), Anti B -Zellantikörper (Ritu-
ximab), Thyrosinkinase-Inhibitoren (Imatinib),
low- dose MTX etc. Zusätzlich steht uns seit
kurzem die Extrakorporale Photochemothera –
pie (ECP) zur Verfügung. Die ECP beruht auf
einer Apherese von peripheren mononukle –
ären Zellen, Zugabe von Methylpsoralen, UV-
Bestrahlung und Rückinfusion dieser Zellen in
den Patienten. Durch die ECP werden antigen –
präsentierende Zellen so moduliert, dass der
die GvHD unterhaltende Prozess unterbrochen
werden kann. Es gibt die Möglichkeit, ECP
auch bei schwerer aGvHD einzusetzen.
Früher wurde die cGvHD nur in «limited» oder
«extensive» klassifiziert, heute erfolgt die Ein –
teilung ebenfalls gemäss den Empfehlungen
der NIH Consensus Conference je nach Anzahl
der betroffenen Organe und Ausprägung der
Symptome in 3 Schweregrade ( Ta b. 4) .
Währ end eine akute G vHD of t folgenlos ausheilt ,
muss bei einer cGvHD mit bleibenden Schäden
gerechnet werden, aber auch komplette Remis –
sionen von cGHvD sind möglich. Hierzu zählen
kosmetisch und funktionell störende Haut- und
Schleimhautveränderungen (Poikilodermie, Nar –
benbildung, Kontrakturen, oraler und vaginaler
Lichen sclerosus, Sicca-Syndrom, Tränengangs –
tenose), Gelenksschäden, restriktive/obstruk –
tive Pneumopathien (Bronchiolitis obliterans)
und Corneaschädigungen.
Während es im Kinderspital Zürich von 2002
bis 2012 bei 188 Transplantationen bei knapp
50 % der Kinder zu einer milden (Grad I–II)
akuten GvHD gekommen ist, sind 6 Kinder an
den Folgen einer schweren GvHD verstorben
(3 %). Zusätzlich betreuen wir 4 Patienten
(2.5 %), die aktuell Folgeprobleme im Rahmen
einer chronischen GvHD haben.
Abbildung 7: A ) G es amtüb er leb en ( OS ) aller 188
allogen und 49 autolog transplantierten Pati –
enten. 2-Jahres- OS bei allogenen SZT = 80,1 % ,
2-Jahres- OS bei autologen SZT = 61 %
B) Gesamtüberleben (OS) der 188 allogen
trans plantierten Patienten unterteilt nach
maligner Erkrankung (MD) und nicht-maligner
Erkrankung (NMD). 2-Jahres- OS bei MD = 69 % ,
2-Jahres- OS bei NMD = 89 %
C) Gesamtüberleben (OS) der 188 allogen
transplantierten Patienten aufgeteilt nach SZT-
Indikationen
2-Jahres-OS hämatologische Erkrankungen =
87,5 % , 2-Jahres-OS onkologische Erkrankun –
gen + MDS = 69 % , 2-Jahres- OS immunologi –
sche Erkrankungen = 86,2 % , 2-Jahres- OS bei
metabolischen Erkrankungen = 100 %
Anzahl betroffener
OrganeMilde cGvHD
Moderate cGvHDSchwere cGvHD
1 Organ Score 1Score 2Score 3
2 Organe Score 1Score 2Score 3
≥3 Organe Score 1Score 3
Lungenbeteiligung Score 1Score 2
Tabelle 4: Einteilung der cGvHD gemäss Empfehlungen der NIH Consensus Conference. Score 0
= keine Sy mptome, Scor e 1 = milde Sy mptome, Scor e 2 = mäs sige Sy mptome, Scor e 3 = schwe –
re Symptome
Percent survival
100
8060
40 20
0 0 24 48 7296120 14 4
Time since transplantation (months) allogen
autolog
Percent survival
100
8060
40 20
0 0 24 48 7296120 14 4
Time since transplantation (months) MD
NMD
Percent survival
100
8060
40 20
0 0 24 48 7296120 14 4
Time since transplantation (months) Hämat
Onko + MDS
Immuno
MetabolA
B
C
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
38
Abbildung 8: A) Transplantationsassoziierte
Mor
talität (TRM) aller allogen transplantierten
Patienten: 2-Jahres-TRM = 9,8 %
B) Gesamtmortalität der Patienten mit malig –
nen Erkrankungen (MD) (rote Linie), sowie
Mortalität infolge Rezidivs (gelbe Linie) und
infolge Transplantations-assoziierter Kompli –
kationen (TRM) (blaue Linie)
2-Jahres-Mortalität bei allen MD = 30,6 % ,
2-Jahres-TRM = 8,1 % , 2-Jahres-Mortalität auf –
grund Relapse = 24,4 %
C) Transplantionsassoziierte Mortalität (TRM)
bei den nicht-malignen Erkrankungen (NMD)
(rote Linie) , sowie unterteilt nach unterschied –
lichen SZT-Indikationen: Hämatologisch (blaue
Linie), immunologisch (gelbe Linie) und met a-
bolisch (grüne Linie, läuft entlang der X
Achse) . 2-Jahres-TRM aller NMD = 11,2 % , 2-
Jahres-TRM hämatologisch = 11,8 % , 2-Jahres-
TRM immunologisch = 12,8 % , 2-Jahres-TRM
metabolisch = 0 %
Percent death
80
60
40 20
0 0 24 48 7296120 14 4
Time since transplantation (months)
Percent death
100
8060
40 20
0 0 24 48 7296120 14 4
Time since transplantation (months) all MD
TRM
relapse
Percent survival
100
8060
40 20
0 0 24 48 7296120 14 4
Time since transplantation (months) all NMD
Härmat
Immuno
Metabol
Percent death
A
B
C
Transplantations-assoziierten Mortalität (TRM)
niederschlägt. Die 2-Jahres-TRM im Gesamt –
kollektiv aus MD und NMD liegt bei 9,8 %
(Abb. 8 A) . Die weitere Verteilung von Todes –
ursachen in Folge TRM oder Relapse sind in
den Abbildungen 8 B C dargestellt.
Gründe für besseres Überleben
in den letzten 10 Jahren
Die Gründe für die guten Resultate sind viel –
fältig:
1. Die HL A -Ty pisier ung ( HL A K las se I ; A , B , C ;
HLA-Klasse II : DRB1, DQB1, DRB3-5, DP)
der Leukoz y ten is t in den let z ten 15 Jahr en
präziser geworden. Während die HLA-
Merkmale früher serologisch auf Antigen-
Niveau bestimmt wurden (2-Digit Typing), findet heute eine molekulare HLA-Typisie
–
r ung au f A llel – Eb ene s t at t ( 4 – Digit Ty ping ) .
Die molekulare 4-Digit Typisierung der
HL A – Moleküle hat vermutlich grossen An –
teil daran, dass SZT mit unverwandten
Spendern heutzutage vergleichbare Resul –
tate aufweisen wie Geschwisterspender –
transplantationen. Die HLA-Typisierung
erfolgt in der Schweiz im EFI-akkreditier –
ten Laboratoire Cantonal de l’Histo com-
patibility im HUG in Genf.
2. Die Entwicklung diagnostischer Techniken
für die Früherkennung von Infektions –
krankheiten (quantitative PCR für CMV,
EBV, HHV6, HHV8, Toxoplasmose, Adeno –
virus, BK-Polyoma; sensitiver Galactoman –
nan-Test) hat zu einer grösseren Sicherheit
einer SZT beigetragen, da wirksame anti –
infektiöse Therapien früher eingeleitet
werden können.
3. Medikamente oder Medikamentenkombi –
nationen, wie Defibrotide und Antithrom –
bin III-Konzentrate, haben die Prognose
der früher häufig fatalen hepatischen Ve –
nenverschlusskrankheit (VOD = veno-oc –
clusive-disease) entscheidend verbessert.
Virostatika, wie Ganciclovir, Valgancivlovir,
Foscavir, Cidofovir bei CMV und HHV6;
Cidofovir bei ADV, CMV, BK sowie neue
Antimykotika (Voriconazol, Caspofungin,
Posaconazol) haben ebenfalls zum verbes –
serten Outcome beigetragen.
4. Therapeutic drug monitoring (TDM) von
Chemotherapeutika, wie Busulfan, oder
Blutspiegelbestimmungen von Antimyko –
tika, wie Voriconazol oder Posaconazol,
Mortalität nach allogener
SZT im Kinderspital Zürich
Im Rahmen der Fertigstellung dieses Manu –
skriptes wurden die Ergebnisse des Kinderspi –
tals Zürich für den aktuellen Zeitraum zwi –
schen 2002 und 2012 ausgewertet: Die
2-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit (OS)
aller allogen transplantierter Patienten liegt
bei 80 % . Bei autologen SZT liegt die 2-Jahres
OS bei 61% (Abb. 7 A). Die 2-Jahres- OS bei
NMD lieg t b ei 89 % , b ei Patienten mit malig nen
Erkrankungen (MD) bei 69 % (Abb. 7B).
Das Risiko an Toxizität, Infektion, Nebenwir –
kung der Chemotherapeutika und/oder Fol –
gen der Strahlentherapie oder GvHD zu ver –
sterben, ist deutlich in den Hintergrund ge –
treten, was sich in einer Reduktion der
100
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
39
o der Immunsuppr es si va , w ie C SA , Tacroli-
mus, Rapamycin erleichtern die Verabrei –
chung von Medikamenten im Sinne der
Reduktion von Toxizität und Steigerung der
Effizienz.
5. Mit Hilfe von RIC-Schemen für die Konditi –
onierung von nicht-malignen Erkrankungen
(s. o.) konnte die akute Toxizität der Be –
handlung beträchtlich reduziert und damit
der Outcome verbessert werden. Es be –
steht grosses Interesse, die Toxizität der
Konditionierung in der Pädiatrie weiter zu
reduzieren. Bei der Verwendung von mye –
loablativen und RIC-Schemen für die Trans –
plantation maligner Erkrankungen kommt
der Graft-versus-leukemia (GvL) -Effekt
zum Tragen, mit dem Spender NK- und T-
Zellen Tumorzellen des Empfängers HLA-
abhängig und -unabhängig erkannt und
elimiert werden können. Diesen GvL-Effekt
kann man auch mit Donor Lymphozyten
Gaben (DLI) oder mit spezifischen Immun –
therapien (NK-Zellinfusionen, CD8+T-Zell –
infusionen) nach erfolgtem Engraftment
und Abheilung der Mukositis weiter nutzen.
Es ist allerdings schwierig, die den GvL-Ef –
fekt auslösenden T-Zellen invitro und in-
vivo von den alloreaktiven, GvHD-auslösen –
den T-Zellen zu trennen. Daher sind diese
Zelltherapien in der Pädiatrie noch nicht in
der Routineapplikation angekommen.
6. Ein wichtiger Faktor ist die zunehmende
är z tliche und p fl eger ische Er f ahr ung. Es is t
bekannt, dass Zentren, die mehr als 10
pädiatrische Transplantationen pro Jahr
durchführen, geringere Mortalitätsraten
haben als Zentren mit kleineren Zahlen.
In der differenzierten allogenen SZT von
pädiatrischen Patienten mit malignen Erkran –
kungen setzen wir zunehmend auf den kontrol –
lierten Einsatz von zytotoxischen, antileukä –
misch-wirksamen Medikamenten (z. B. TDM
von Busulfan), den weitgehenden Ersatz des
toxischen Cyclophosphamid durch die besser
verträglichen Substanzen Fludarabin oder
Clofarabin und den Einsatz von «unmanipulier –
ten» Transplantaten, die T- und NK-Zellen ent –
halten und einen GvL-Effekt auslösen können,
um die maligne Grundkrankheit bzw. residuelle
Empfänger-HSZ über zytotoxische Mechanis –
men zu beseitigen. Ein zukünftiges Ziel ist, die
TB I b ei ALL- Patienten au f zugeb en und volls t än –
dig durch eine MAC- Chemotherapie (targeted
Busulfan, Thiotepa, Fludarabin) zu ersetzen, um
Spätfolgen nach Bestrahlung zu vermeiden.
Eine entsprechende Studie wurde durch die
BFM-Gruppe unter Mitarbeit des Kinderspitals Zürich lanciert, und die ersten Patienten wer
–
den bereits aufgenommen. Ein anderer For –
schungsschwerpunkt am Kinderspital Zürich ist
der Einsatz von haploidentischen Transplanta –
tionen nach Depletion von GvHD-auslösenden
CD3+ T-Zellen (TCRalpha/beta+CD3+ T-Zellen)
und die Gabe von Virus-spezifischen T-Zellen
gegen Adenovirus, CMV und EBV.
Spätfolgen
Bei Kindern, die sich entwickeln und wachsen
müssen, sind Spätfolgen nach einer allogenen
SZT ein wichtiges Thema. Vor allem eine TBI
kann beträchtliche Spätfolgen verursachen,
so dass grosses Interesse besteht, aktinische
Spätschäden zu verhindern oder ihre Ausprä –
gung deutlich zu reduzieren. Zu den beschrie –
benen Spätfolgen einer TBI mit 12 Gy zählen
endokrine Störungen, die die Gonaden,
Schilddrüse und Hypophyse betreffen und
zum Ausbleiben der Pubertät und zu Infertili –
tät führen können (hypergonadotroper Hy –
pogonadismus). Auch nach myeloablativer
Chemotherapie kann die hormonelle und re –
produktive Funktion von Ovarien und Hoden
geschädigt werden. Es besteht Hoffnung,
dass nach gezielter RIC-Konditionierung we –
niger Gonadentoxizität beobachtet wird. Bei
einigen mittlerweile adulten männlichen SZT-
Patienten aus dem eigenen Patientengut sind
bereits Vaterschaften beschrieben worden.
Aber gute Langzeituntersuchungen bei adul –
ten Männern und Frauen, die im Kindesalter
mit einem RIC-Schema transplantiert worden
sind, stehen noch aus.
Um die Spätfolgen einer allogenen SZT, wie
Infertilität, abzumildern, bietet das Kinderspi –
tal Zürich in Zusammenarbeit mit der Frauen –
klinik des Universitätsspitals Zürich unter –
schiedliche Verfahren an: Dazu gehören die
Ovarkryokonservierung bei Mädchen allen
Alters und die Spermienasservation mit Kyro –
konservierung bei postpubertären Jungen. Die
endokrine Gonadenfunktion kann per Hormon –
substitution relativ gut unterstützt werden.
Ein echter Wachstumshormonmangel nach
TBI mit 12 Gy ist sehr selten. Ein zusätzlicher
Risikofaktor hierfür ist eine vorgängig erfolgte
ZNS-Bestrahlung, wie dies bei ZNS-Befall ei –
ner Leukämie notwendig ist. Zu einem Klein –
wuchs kann es aber auch – unabhängig von
einem Wachstumshormonmangel – durch eine
direkte Schädigung der Wachstumsfugen der
Knochen kommen. Auch dies ist nach einer
TBI mit 12 Gy nur sehr selten der Fall. Oft
kann keine sicher e Er klär ung f ür ein fehlendes
Erreichen der Zielgrösse gefunden werden. Nach einer alleinigen Chemotherapie kommt
es in der Regel nicht zu Wachstumsstörungen,
ausser wenn über eine sehr lange Zeit zur
Behandlung einer GvHD Steroide zum Einsatz
kamen. In der SZT-Nachsorge wird das
Wachs tum sehr genau kontr ollier t . B ei Risiko
–
patienten (nach Bestrahlung jeglicher Art)
erfolgen alle 1–2 Jahre ein Wachstumshor –
monprovokationstest (z. B. Arginintest).
Eine Schädigung der Schilddrüse kann sowohl
nach Bestrahlung aber auch nach Chemothera –
pie auftreten. Es können sich Autoimmunphäno –
mene entwickeln, die via Auto-Antikörper eine
Hypothyreose (meist Typ Hashimoto) oder Hy –
perthyreose (Typ Basedow) auslösen können.
Daher muss auch die Schilddrüsenfunktion
mindestens einmal jährlich kontrolliert werden.
Wichtige Spätfolgen können auch das Herz
betreffen. Einschränkungen der Kontraktilität
im Sinne einer Kardiomyopathie können durch
zahlreiche Chemotherapeutika, TBI, GvHD,
Autoantikörper oder Virusinfektionen ausge –
löst werden. Auch hierbei muss die Vorbe –
handlung der Patienten mitberücksichtigt
wer den. So hab en K inder, die b er eit s eine o der
bei Rezidiv mehrere AML- oder ALL-Chemothe –
rapien erhalten hatten, aufgrund der Antrazy –
klinkumulation ein erhöhtes Risiko für eine
Kardiomyo pathie. Bei allen Patienten werden
einmal jährlich eine Echokardiographie sowie
ein EKG durchgeführt. So können Funkti –
onseinschränkungen zu einem sehr frühen
Zeitpunkt erfasst werden (nämlich dann, wenn
die meisten Patienten noch asymptomatisch
sind) und rechtzeitig eine Therapie (z. B. mit
ACE-Inhibitoren) eingeleitet werden.
Das Risiko für eine toxische Lungenschädi –
gung ist deutlich geringer als das Risiko für
kardiale Probleme, aber gerade nach Verab –
reichung von Busulfan in hohen Dosierungen
in Kombination mit Cyclophosphamid aber
auch nach Ganzkörperbestrahlung kann es zu
einer restriktiven Einschränkung der Lungen –
funktion kommen, so dass sich auch diesbe –
züglich ein regelmässiges (alle 1–2 Jahre)
Monitoring mittels Lungenfunktionsprüfung
empfiehlt. Bisher lassen sich in unserer päd –
iatrischen Klientel, die nach 2000 transplan –
tiert wurde, keine wesentlichen restriktiven
Lungenerkrankungen nachweisen.
Patienten nach einer SZT haben ein erhöhtes
Risiko, ein Sekundärmalignom zu entwickeln.
Hierbei scheinen Patienten mit MD viel eher
disponiert zu sein als Patienten mit NMD.
Neben einer angeborenen Disposition für
maligne Erkrankungen bei Patienten mit MD
ist hier die Bestrahlung während oder vor der
Konditionierung ein sehr wichtiger Risikofak –
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
40
tor, aber auch alkylierende Substanzen und
bestimmte Immunsuppressiva (CSA, Tacroli-
mus) und Antimykotika (Voriconazol) können
nach UV-Exposition Sekundärtumoren auslö –
sen. Die Häufigkeit für Sekundärmalignome
jeglicher Art nach SZT wird nach 30 Jahren
mit immerhin bis zu 20 % angegeben, für ma –
ligne Tumoren (ohne Hautmalignome) knapp
8 % . Als Zweitmalignome können Hodgkin
Lymphome, Weichteiltumoren, akute Leukämi –
en, gutartige und bösartige Hirntumoren,
Hauttumoren aber auch Knochentumoren
au f tr eten. A b 20 02 sind im K inder spit al Zür ich
2 Sekundärtumoren diagnostiziert worden, ein
Ewing-Sarkom und ein gutartiges Meningeom
bei ALL-Patienten nach TBI bzw. ZNS-Bestrah –
lung, die Folgetherapien notwendig machten.
Weitere mögliche Spätfolgen, wie bleibende
Funktionsstörungen von Leber und Nieren,
sind sehr selten und meist Folgen von Virus –
infektionen oder Medikamententoxizität. Ent –
wicklungsprobleme und neurologische De fi-
zite können je nach Grunderkrankung, Vor
–
morbiditäten, Vortherapien und Auftreten von
ZNS-Infektionen nach SZT, wie HHV6-Enze –
phalitis, auftreten. Die Analyse des entwick –
lungspädiatrischen Outcomes und möglicher
psychosozialer Schwierigkeiten der SZT-Pati –
enten nach SZT im Kinderspital Zürich ist im
Gange und wird zu einem späteren Zeitpunkt
berichtet werden. Auf mögliche, aber sehr
seltene Probleme (unzureichender Haar –
wuchs, Narben, cGvHD, sexuelle Dysfunktion,
Depression) nach allogener SZT kann in die –
sem Bericht nicht näher eingegangen werden.
Zu guter Let z t sind aber auch deutliche Ver bes –
serungen von Organfunktionen nach SZT mög –
lich, insbesondere konnten sich massiv einge –
schränkte Lungenfunktionen (Vitalkapazität,
Diffusionskapazität) v. a. bei Patienten mit PID,
z. B. CGD, nach SZT langsam wieder normalisie –
ren, so dass eine Progression bis hin zur Lun –
gentransplantation vermieden werden kann.
Eingeschränktes Wachstum bei Patienten mit
chronischen Entzündungen und Infektionen,
v. a. mit PID, normalisieren sich in der Regel
nach erfolgreicher SZT (Aufholwachstum). Pa –
tienten, die chronisch transfundiert werden
mussten (z. B. Beta-Thalassämie, Aplastische
Anämie) können vor einer fortschreitenden se –
kundären Hämochromatose durch Eisenkumu –
lation und –toxizität im Bereich des Herzens, der
Leber oder endokriner Organe bewahrt werden.
Transition in die Adultmedizin
Ein wichtiger Punkt der Nachsorge ist die
Transition von pädiatrischen KMT-Patienten in
die Erwachsenenmedizin. Je nach zugrundelie –
gender Grundkrankheit kommen hierbei Ärzte
verschiedener Disziplinen in Betracht, die die
nötigen Nachkontrollen übernehmen können.
In erster Linie kommen Hämatologen/Onkolo –
gen aus KMT-Adultzentren, aber auch nieder –
gelassene Hämatologen/Onkologen und
Rheumatologen/Immunologen in Betracht.
Wichtig ist, dass sich Adultmediziner zuneh –
mend aktiv mit pädiatrischen Krankheiten
auseinandersetzen, über die sie bis dato nur
wenig Kenntnisse oder Erfahrungen erwerben
konnten, um der Nachsorge ehemals pädiatri –
scher Patienten gerecht zu werden. Bei un –
komplizierten Verläufen kommen zunehmend
auch interessierte Hausärzte zum Einsatz, die
einen ehemals pädiatrischen Patienten so
coachen können, dass die richtigen Folgeun –
tersuchungen zum richtigen Zeitpunkt veran –
lasst werden. Die gründliche Aufklärung des
adulten und mündigen Patienten über die Risi –
ken etwaiger Spätfolgen nach einer SZT ist
unerlässlich. Dieser Transitions- und Aufklä –
rungsprozess muss daher vom SZT-Pädiater
so sorg fältig wie möglich vorbereitet werden.
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Die Autoren haben keine finanzielle Unter
stützung und keine anderen Interessenkon
flikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag
deklariert.
Korrespondenzadresse
PD Dr. Tayfun Güngör (MD)
Abteilungsleiter Knochenmark- und
Blutstammzelltransplantation
University Children’s Hospital Zurich
Steinwiesstrasse 75, 8032 Zürich
Tayfun.Guengoer@ kispi.uzh.ch
31In de ltn z d0–5
31In deltz0
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
U. Zeilhofer Prof. Dr. med. Tayfun Güngör , Abteilungsleiter, Stammzelltransplantation, Universitäts-Kinderspital, Zürich Andreas Nydegger