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Raucht mein Kind Cannabis? Vom Missbrauch der Urintests

Urintests zur Feststellung von Cannabiskonsum durch einen Minderjährigen erfordern die freie und aufgeklärte Einwilligung des urteilsfähigen Jugendlichen und dürfen nicht unter dem Druck der Eltern durchgeführt werden.

Lead

Urintests zur Feststellung von Cannabiskonsum durch einen Minderjährigen erfordern die freie und aufgeklärte Einwilligung des urteilsfähigen Jugendlichen und dürfen nicht unter dem Druck der Eltern durchgeführt werden. Im Übrigen ist es den Eltern nicht gestattet Urintests, die in der Apotheke im freien Verkauf erhältlich sind, ohne das Wissen ihres Kindes anzuwenden.

Fallvignette

Eine beunruhigte Mutter begleitet ihren 15-jährigen Sohn zum Kinderarzt. Sie wünscht, dass er «wegen Drogengebrauchs gescreent werde». Der Jugendliche erklärt, seine Freunde rauchten bei ihren Eltern zuhause Cannabis, dass er sie oft besuche, selbst aber nicht rauche. Die Mutter glaubt ihm nicht und will es wissen. Wenn nötig führe sie den Test selbst zuhause durch, ziehe es jedoch vor, dass der Arzt es übernehme, damit er ihren Sohn je nach Resultat auch beraten könne.

Einführung

In der Schweiz geben über 20% der Jugendlichen an, mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis (zu nicht-medizinischem Zweck) konsumiert zu haben1). Der erste Konsum findet oft sehr früh statt2). Die Eltern sind beunruhigt und können versucht sein, in Apotheken frei erhältliche Urintests (UT) zu verwenden. Dies wirft die Frage des Nutzens eines Screenings und der Rolle des Kinderarztes auf.

Dieser Artikel befasst sich mit den medizinischen und juristischen Problemen von Urintests zum Nachweis von Cannabiskonsum, werden sie in der Kinderarztpraxis (Punkt 1) oder zuhause durch die Eltern durchgeführt (Punkt 2). Angesichts des möglichen Missbrauchs dieser Tests betonen wir die Notwendigkeit der freien und aufgeklärten Einwilligung des urteilsfähigen Jugendlichen. Der Fall eines nicht urteilsfähigen Jugendlichen wird unter Punkt 3 behandelt. Abschliessend geben wir Empfehlungen für den Pädiater unter Punkt 4.

1. Urintest beim Kinderarzt

Zunächst muss der Arzt die Grenzen des UTs kennen und sie den Eltern klar auseinandersetzen. Diese Tests geben keine Auskunft über das Ausmass oder den Zeitpunkt des Cannabiskonsums, ebenso wenig über den eventuellen Konsum anderer (erlaubter oder unerlaubter) Substanzen3). Zwar werden 100% der regelmässigen Konsumenten erfasst, doch kann die Sensitivität bei Gelegenheitskonsum auf 60% fallen4). Ein gelegentlicher, über zwei Wochen zurückliegender Konsum wird deshalb im Prinzip nicht erfasst5).  CBD alleine wird ebenfalls nicht erfasst. Wenn das konsumierte Produkt THC enthält, selbst wenn es weniger als 1% beträgt, kann es zu einem positiven Test führen6). Für Cannabis wurde die Testgrenze sehr tief angesetzt (50 Nanogramm/ml), um eine grösstmögliche Sensitivität zu erreichen, d.h. falsch negative Resultate zu vermeiden. Diese Testgrenze beruht im Übrigen auf den derzeitigen technischen Möglichkeiten; sie bedeutet nicht, dass die untersuchte Person eine psychoaktive Wirkung verspürt hat oder gar noch verspürt. Ein positiver Test kann somit auf einer sehr geringen Exposition beruhen, wobei Passivrauchen nicht ausgeschlossen werden kann7).

Aus rechtlicher Sicht ist ein Minderjähriger zwar nicht handlungsfähig (Art. 17 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches – ZGB), aber mit 15 Jahren ist er grundsätzlich urteilsfähig (Art. 16 ZGB), zumindest für Handlungen, die seine Intimsphäre, Medizinisches und Soziales betreffen8). Somit kann er alleine in eine ärztliche Untersuchung einwilligen9), einschließlich eines Urintests.

Es ist hinzuzufügen, dass die Einwilligung in einen UT ungültig ist, wenn sie unter Drohung oder Druck erreicht wurde. Es kommt vor, dass Eltern oder andere Personen (früher bestimmte Privatschulen10)) den Zugang zu gewissen Vorteilen (z.B. Auto, Ausgang, Ferien, Taschengeld) von einem negativen UT abhängig machen11). Der Arzt sollte sich nicht zu solchen Machenschaften hergeben und seine Beteiligung verweigern, wenn er das Gefühl hat, die Einwilligung sei nicht klar frei erteilt worden.

Wie erwähnt, können die Eltern nicht an Stelle des Jugendlichen einwilligen. Sie können dessen Entscheid weder bekräftigen noch ein Veto einlegen12). Angesichts der niedrigen Kosten des Tests, erlauben es finanzielle Überlegungen den Eltern nicht, sich in die Entscheidungsfindung einzumischen13). In unserer Fallvignette kann der angesprochene Arzt den einseitigen Wunsch der Mutter, bei ihrem Sohn einen UT durchzuführen, nur ablehnen. Er kann hingegen den Sohn in Abwesenheit der Mutter fragen, ob er den Test wünscht. Es ist jedoch offensichtlich, dass der Junge keinen Test braucht, um zu wissen, ob er (erlaubte oder unerlaubte) Substanzen konsumiert hat oder nicht.

Ist der Jugendliche offen für ein Gespräch, sollte der Pädiater mit ihm die Risiken eines aktuellen oder chronischen Konsums besprechen. Es ist wesentlich, dass der Arzt sich wohlwollend zeigt und jegliches Werturteil vermeidet; er riskiert sonst, das Vertrauen und damit die therapeutische Beziehung zu verlieren. Die Diskussion muss das Alter des Jugendlichen, das Ausmass und die Art des Konsums berücksichtigen. Die Fachperson kann sowohl direkte wie indirekte, sozialpädagogische und finanzielle oder rechtliche Risiken ansprechen (im Falle einer polizeilichen Befragung). Er kann das erhöhte Unfallrisiko bei Aktivitäten erwähnen, insbesondere beim Sport oder dem Gebrauch eines Fahrzeuges. Einige dem Cannabis zugeschriebene Risiken sind umstritten, z.B. der kausale Zusammenhang zwischen Konsum und Lernstörungen, Schizophrenie oder Suizid. Andere Risiken hängen vom Ausmass und der Häufigkeit des Konsums ab, dies gilt für die kognitiven Funktionen, insbesondere das Gedächtnis14). Im Vergleich zu älteren Menschen haben Jugendliche weniger Kontrolle über ihre Emotionen und Handlungen15) und der Konsum von Cannabis kann ihre Neigung zu Risikoverhalten verstärken, was zum Beispiel zu unerwünschtem und/oder ungeschütztem Geschlechtsverkehr führen kann. Schliesslich neigen junge Menschen dazu, langfristige Risiken zu relativieren, was sie später bereuen können.

Bei der Diskussion sollte es nicht nur um Risiken im Zusammenhang mit Cannabis gehen. Der Kinderarzt sollte auch den erlebten Nutzen erfragen. In der Tat kann Cannabis ein Art Selbstbehandlung darstellen, die durch eine soziale, psychologische, ärztliche oder andere Begleitung ersetzt werden kann. Wenn der Arzt zudem die erlebten oder erhofften Nutzen von Cannabis erkennt, kann er den auslösenden Kontext für den Konsum verstehen und auch Probleme ansprechen (z.B. gleichzeitiger Konsum von Alkohol und Cannabis vermeiden).

Es gibt validierte Leitfäden für das Arzt-Patient-Gespräch, welche auch ein besseres Verständnis des sozio-familiären Kontextes des Kindes ermöglichen16).

Sollte der Jugendliche den Wunsch äussern, seinen Konsum aufzugeben, kann ihm der Kinderarzt verschiedene Optionen vorschlagen, wo er Unterstützung bei entsprechenden Fachstellen findet (spezialisierte Sprechstunde für Jugendliche) oder selbst eine individuell angepasste Begleitung einleiten.

Der Pädiater sollte  – so weit möglich – die Bindung zwischen dem Patienten und seiner Familie fördern. Nach der Diskussion mit dem Jugendlichen und mit seiner Zustimmung, wird er die Zweckmässigkeit prüfen, sich mit den Eltern zu unterhalten, nehmen sie doch in der langfristigen Unterstützung ihres Kindes eine Schlüsselstellung ein17). Besteht ein familiärer Konflikt, kann das Hinzuziehen einer Drittperson sinnvoll sein, beispielsweise ein Psychotherapeut oder Sozialarbeiter.

In der Fallvignette, in der keine Gefährdung der psychischen oder physischen Integrität des Kindes besteht, ist eine (fakultative) Meldung an die Kinderschutzbehörde (Art. 314c Abs. 2 ZGB) ausgeschlossen, ebenso wie eine Meldung an Behandlungszentren oder Sozialhilfestellen (Art. 3c Abs. 1 BetmG)18). Schliesslich – und das sollte selbstverständlich sein – ist ein Arzt nicht verpflichtet, den Cannabiskonsum seines Patienten den Strafbehörden zu melden (Art. 3c Abs. 5 BetmG).

2. Dürfen Eltern Urintests selbst durchführen?

Die Mutter der Fallvignette droht, den Test bei ihrem Sohn selbst durchzuführen. Urintests sind in der Tat ohne ärztliche Verordnung in einer Apotheke für weniger als 30 Franken erhältlich (z.B. Veroval, https://www.amavita.ch/fr/veroval-drogues.html und https://veroval.info/fr-ch/products/self-tests/drugs). Sie können im Prinzip nicht ohne Wissen des Kindes durchgeführt werden, da ein «frischer» und unverdünnter Urin benötigt wird. Angesichts der hohen Sensitivität kann der Test jedoch selbst mit einer verdünnten Urinprobe positiv ausfallen.

In keinem Fall sind die Eltern jedoch berechtigt, Urintests gegen den Willen oder ohne das Wissen ihrer Kinder durchzuführen. Um es nochmals zu betonen, ist das Kind urteilsfähig, was hier im Prinzip der Fall ist, steht ihm der Entscheid zu. Somit ist ein ohne seine freie und aufgeklärte Einwilligung durchgeführter Test eine Verletzung seiner Persönlichkeit (Art. 28 ZGB)19). In diesem Sinne handelt es sich um eine widerrechtliche Handlung der Eltern. Das Recht, die elterliche Gewalt über ein minderjähriges Kind auszuüben genügt nicht, um diese Persönlichkeitsverletzung zu rechtfertigen (Art.296 Abs.1, 301 Abs. 1 und 305 Abs.1 ZGB).

Kann letzteres durch ein überwiegendes Interesse der Eltern gerechtfertigt werden? Oft führen die Eltern die Angst vor strafrechtlichen Folgen an, für sich selbst, wie auch für ihr Kind. Tatsächlich setzt sich ein Kind, das Cannabis konsumiert, strafrechtlichen Sanktionen aus, jedoch vor allem in Form eines Verweises20). Hingegen können Eltern, wie im hier beschriebenen Fall, nicht strafrechtlich verfolgt werden21). Zivilrechtlich kann ihnen auch nicht vorgeworfen werden, ihre Erziehungsaufgabe vernachlässigt zu haben; ein solcher Vorwurf kommt erst in Frage, wenn das Kind in Gefahr ist und die Eltern nichts dagegen unternehmen, zum Beispiel weil sie den Konsum ihres Kindes erleichtern oder gar begünstigen22).

3. Das nicht urteilsfähige Kind

Ist ihr Kind nicht urteilsfähig, können die Eltern den Test selber oder durch eine Pflegeperson  durchführen lassen. Sie müssen jedoch im Interesse des Kindes handeln23). Obwohl die Urteilsfähigkeit nicht nur auf dem Alter beruht24), geht man immer mehr davon aus, dass Kinder diese Fähigkeit bezüglich medizinischer Handlungen mit etwa 12 Jahren erlangen (z.B. Covid-Test ab 12 Jahren; Bundesgerichtsentscheid ein 13-jähriges Mädchen betreffend)25).

Die Situation von konsumierenden Kindern, die nicht urteilsfähig sind, kann eintreten, wenn der Konsum in sehr jungem Alter stattfindet oder bei Kindern mit einer Entwicklungsstörung26). Es kommt auch vor, dass sehr junge Kinder (Säuglinge oder Kleinkinder) versehentlich Cannabis enthaltende Substanzen einnehmen (z.B. Harz), die nicht sorgfältig aufbewahrt wurden27). In diesen Fällen kann ein Test zur Identifizierung der Substanz klinisch sinnvoll sein, um eine adäquate Behandlung einzuleiten. Es liegt am Kinderarzt, das Kind auch dann, soweit möglich, über den Sinn der Massnahme aufzuklären.

Die Frage einer Meldung an die Kinderschutzbehörde und/oder an Pflege- oder Sozialhilfestellen stellt sich nur, wenn der Kinderarzt eine Gefährdung für die physische oder psychische Integrität des Kindes feststellt. Zudem kann der Arzt bei Verdacht eines Vergehens der Eltern gegen das Leben oder die physische und psychische Integrität des Kindes, je nach Kanton ermächtigt oder gar verpflichtet sein, den Tatbestand den Strafbehörden zu melden28).

4. Schlussfolgerung und Empfehlungen: Den Dialog fördern

Risikoverhalten bei Jugendlichen ist in diesem Entwicklungsstadium typisch. Ärzte spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, junge Menschen auf dem Weg zu mehr Autonomie zu unterstützen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie den Dialog, das Wohlwollen und die Sicherung ihrer Gesundheit in den Vordergrund stellen. Der Dialog gestaltet sich besser, wenn er nicht ausschliesslich auf den Konsum von Substanzen ausgerichtet ist. Der Jugendliche muss sich seinem Kinderarzt anvertrauen und einbringen können, was ihm jetzt, in seinem Leben, wichtig und angenehm, oder aber schwer zu ertragen und störend ist. Der Cannabiskonsum ist meist nur ein Element im Leben eines Menschen. Im Alter von rund 30 Jahren schränkt die überwiegende Anzahl der Verbraucher den Konsum ein oder gibt ihn auf29).

In diesem Zusammenhang sind Screeningtests ein doppelschneidiges Schwert mit möglichen Risiken. Sie weisen geringen Konsum nach, können aber zu «Überdiagnostik» führen, die von der betroffenen Person als stigmatisierend und unangebracht empfunden werden. Es kann auch dazu führen, dass man wichtige(re) Lebensumstände verpasst.

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit Cannabis, da es sich um die am häufigsten unter Kontrolle stehende und von Jugendlichen konsumierte Substanz handelt. Die angeführten Argumente gelten jedoch auch30) für andere verbotene Substanzen (z.B. Amphetamine, Ecstasy, Kokain), sowie für verschriebene und missbräuchlich verwendete Medikamente (z.B. Ritalin, Makatussin/Purple drank).

Referenzen

  1. 2018: 27.2% Knaben und 17.3% Mädchen. Delgrande Jordan M, Schneider E, Eichenberger Y, Kretschmann A. La consommation de substances psychoactives des 11 à 15 ans en Suisse – Situation en 2018 et évolutions depuis 1986. Ergebnisse der Studie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) (Forschungsbericht No. 100, mit Zusammenfassung auf Deutsch), Lausanne: Addiction Suisse; 2019, S. 103.
  2. Richmond-Rakerd LS, Slutske WS, Wood PK. Age of initiation and substance use progression: A multivariate latent growth analysis. Psychology of Addictive Behaviors. 2017 ; 31(6) :664–75 (Mit Angabe des Alters beim ersten Konsum: 15.8 Jahre (± 3.4 J.) für Knaben), 16.3 ans (± 3.2 J.) für Mädchen; Gmel G, Kuendig H, Notari L, Gmel C. Monitorage suisse des addictions : consommation d’alcool, tabac et drogues illégales en Suisse en 2016, Lausanne: Addiction Suisse, Juli 2017, S. 90.
  3. Widmer N, Buclin T, Augsburger M. Dépistage des substances d’abus. Pharma-Flash. 2008 ;25(2-3):5-11, S. 6 und 10.
  4. Desrosiers NA, Lee D, Concheiro-Guisan M, Scheidweiler KB, Gorelick DA, Huestis MA. Urinary Cannabinoid Disposition in Occasional and Frequent Smokers: Is THC-Glucuronide in Sequential Urine Samples a Marker of Recent Use in Frequent Smokers? Clinical Chemistry. 2014; 60(2):361–72.
  5. Musshoff F, Madea B. Review of biologic matrices (urine, blood, hair) as indicators of recent or ongoing cannabis use. Therapeutic Drug Monitoning. 2006;28(2):155-63. Plasmaspiegel/Haartest können einen über 4 Tage zurückliegenden gelegentlichen Konsum nachweisen; das Ausmass des Konsums wird besser erfasst. Diese Testverfahren werden jedoch im klinischen Alltag beim gesunden Kind nicht verwendet, sondern eher zu juristisch-polizeilichen Zwecken.
  6. Aus diesem Grund bemüht man sich bei ärztlicher Anwendung CBD alleine, ohne THC-Spuren zu verwenden. Karschner EL, Swortwood-Gates MJ, Huestis MA. Identifying and Quantifying Cannabinoids in Biological Matrices in the Medical and Legal Cannabis Era. Clinical Chemistry. 2020;66(7):888–914.
  7. Karscher et al. (n. 6), 908; Cone EJ, Bigelow GE, Herrmann ES, Mitchell JM, LoDico C, Flegel R, Vandrey R. Non-smoker exposure to secondhand cannabis smoke. I. Urine screening and confirmation results. Journal of analogical toxicology. 2015 Jan-Feb;39(1):1-12.
  8. BGE 134 II 235 c. 4.3.5 (Osteopathische Behandlung gegen den Willen einer 13-jährigen Jugendlichen); Pelet O, Cereghetti A. Nul n’est censé ignorer … comment réagir lorsqu’un mineur s’oppose à des soins. Revue Médicale Suisse. 2009; 5(193) :539 – 41, S. 540.
  9. Der urteilsfähige Jugendliche übt seine höchstpersönlichen Rechte alleine aus, so auch die Zustimmung zu einer ärztlichen Handlung. Art. 19c Abs. 1 ZGB; Art. 305 Abs. 1 ZGB sowie Art. 11 Abs. 2 BV. Betreffend den Begriff der strikt persönlichen Rechte siehe z.B. Guillod O. Droit des personnes. 2018 (5ed); Basel (Helbing Lichtenhahn), N 97-8.
  10. Simon O, Refus du dépistage urinaire ou salivaire des drogues à l’école : la position de la SSAM. Revue Médicale Suisse. 2008;6(156):1172-4; Groupe Pompidou (Conseil de l’Europe) Expert Committee on ethical issues and professionnal standards. Opinion on drug testing at school and in the workplace. 13 mars 2008, p. 4-5; Bundesamt für Gesundheit BAG, Sucht Info Schweiz: Schule und Cannabis.  Regeln, Massnahmen, Früherfassung. Leitfaden für Schulen und Lehrpersonen. Februar 2004
  11. Bourgeade A. Traitement médicamenteux de l’enfant et droit de la personnalité : cas du TDAH. Archive ouverte UNIGE 2016, p. 17-9
  12. Donzallaz Y. Traité de droit médical – Volume III. 2021 ; Berne (Stämpfli), N 7152.
  13. Id., N 7170- 7173 sur le contrat de soins ; Junod V, Les adolescents ont droit au secret médical, Bulletin des médecins suisses. 2015;96(1-2) :36-9, note 10.
  14. Gorey C, Kuhns L, Smaragdi E, Kroon E, Cousijn J. Age-related differences in the impact of cannabis use on the brain and cognition: a systematic review. European archives of psychiatry and clinical neuroscience. 2019; 269(1):37–58
  15. Die Entwicklung des präfrontalen Cortex und die Verbindung zum limbischen System (Regelkreis von Belohnung und Emotionen) ist voll im Gange. Nebst kontextuellen Faktoren kann diese neurobiologische Gegebenheit das relativ grössere Risiko von Suchtverhalten im Jugendalter erklären. Dies gilt für unter Kontrolle stehende Substanzen ebenso wie für weitere Faktoren, die zu hedonistischem Verhalten führen (Alkoholkonsum, Risikosport, sexuelle Aktivität, Social Media, online Videospiele, usw.) Walker DM, Bell MR, Flores C, Gulley JM, Willing J, Paul MJ. Adolescence and Reward: Making Sense of Neural and Behavioral Changes Amid the Chaos. Journal of Neuroscience. 2017;37 (45):10855-66.  
  16. Diesbezüglich kann das H.E.A.D.S.S.S-Screening behilflich sein, um die Lebensumstände des Kindes oder Jugendlichen bzw. die Gründe, die sie zu Risikoverhalten verleiten, besser zu verstehen. Die Gesundheitsfachperson kann so Situationen psychosozialer Not erkennen. Goldenring JM, Rosen D. Getting into adolescent heads: an essential update. Contemporary Pediatrics. 2004;2:64.
  17. van Riel B, Ambresin A-E, Takeuchi Y-L. La confidentialité dans les soins aux adolescents ? Le point de vue des adolescents et de leurs parents. Paediatrica. 2019 ;30(4):22-7, p. 26.
  18. Bezüglich der Möglichkeiten Meldung zu erstatten, verweisen wir auf die Dokumente von März 2019 (Melderechte und Meldepflichten) auf der Webseite der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES). Siehe auch Erard F. Le secret médical – Étude des obligations de confidentialité des soignants en droit suisse. 2021 ; sui generis (Zurich): 414-7; Guilllod O, Winkler G.Un professionnel de la santé peut-il être tenu de signaler les cas de mise en danger de mineurs? Jusletter. 13 août 2007.
  19. Ein Urintest muss als einen Eingriff in die persönliche Freiheit, die psychische Integrität und die Privatsphäre betrachtet werden.
  20. Vorbereitende Massnahmen für den Konsum einer geringen Menge (zehn Gramm) Cannabis sind nicht strafbar (Art. 19b BetmG, auf Minderjährige anwendbar: BGE 145 IV 320, c. 1. Hingegen riskiert der Minderjährige bei Cannabiskonsum eine Strafe (Art. 19a Abs. 1 und 2 BetmG). Die strafrechtlichen Sanktionen für Minderjährige sind im Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 festgehalten, das das Jugendstrafrecht regelt (Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht 311.1). Dieses Gesetz sieht Schutzmassnahmen (Art. 12 bis 20 JStG) und Strafmassnahmen (Art. 21 bis 35 JStG) vor, unter anderem den Tadel. Spricht die Behörde gegen einen Minderjährigen eine Strafmassnahe aus, handelt es sich meist um einen Tadel. (Hug-Beeli G. Betäubungsmittelgesetz, Kommentar. 2016; Basel (Helbing Lichtenhahn), zu Art. 19a BetmG, N 480). In der Praxis schreibt die zuständige Behörde dem Jugendlichen oft vor, einen Kurs über die Risiken des Cannabiskonsums zu besuchen (04.439 Parlamentarische Initiative zum Betäubungsmittelgesetz. Revision. Bericht und Entwurf der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 26.10.2011, S. 5).
  21. Falls der Minderjährige nur konsumiert, sind die Eltern nicht strafbar; das BetmG sieht keine Strafmassnahme für eine eventuelle «Mittäterschaft» bei Betäubungsmittelkonsum vor (Art. 105 abs. 2 StGB).
  22. In diesem Fall setzen sich die Eltern in erster Linie einer pädagogischen Betreuung aus. Die Eltern haben die Pflicht, die physische, intellektuelle und «moralische» Entwicklung ihres Kindes zu «fördern und beschützen» (Art. 302 Abs. 1 ZGB). Die Kinderschutzbehörde greift nur ein, wenn die Entwicklung des Kindes gefährdet ist, und subsidiär zu den Eltern (Art. 307 Abs. 1 ZGB), zum Beispiel wenn die Eltern das Kind einem Suchtumfeld aussetzen (Meier P, Art. 307 ZGB, in: Code Civil I – Pichonnaz P, Foëx B (éd.). Commentaire romand. 2010. Basel (Helbing Lichtenhahn), N 5).
  23. Art. 296 Abs. 1 ZGB
  24. Pally Hofmann U. Mon patient est-il capable de discernement? Schweizerische Ärztezeitung 2019;100(34):1102-3; Aebi-Müller R. Der urteilsunfähige Patient – eine zivilrechtliche Auslegeorgnung. Jusletter. 22 September 2014:9-24; Pelet (n. 8).
  25. BGE 134 II 235 c. 4.3.5.
  26. N. 2.
  27. Richards JR, Smith NE, Moulin AK. Unintentional Cannabis Ingestion in Children: A Systematic Review. The Journal of Pediatrics 2017;190:142-52.
  28. Meldeermächtigung z.B. in Fribourg: Art. 90a Abs. 2 Bst.a (SGF 821.0.1), in Neuchâtel: Art. 63a Loi de santé (RS-NE 800.1), oder Jura: Art. 18 Ordonnance concernant l’exercice des professions de la santé (RS-JU 811.213). Meldepflicht in Uri wenn ein Minderjähriger betroffen ist: Art. 36 Abs. 1 Bst. c Gesundheitsgesetz (RS-UR 30.2111). Ob solche kantonalen Bestimmungen bundesrechtskonform sind, ist fraglich: BGE 2C_658/2018 vom 18. März 2021; BGE 1B_96/2013 vom 20. August 2013. Siehe auch Erard18), S. 407-11.
  29. Gmel et al.2), S. 84
  30. Es gibt Tests zum Nachweis beinahe aller, auch weniger geläufiger Substanzen.

Weitere Informationen

Übersetzer:
Rudolf Schlaepfer
Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Diese Forschung wurde vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert (Projekt 100011_182477). Weitere Informationen über das Projekt: https://wp.unil.ch/medicaments-sous-controle
Autoren/Autorinnen
Prof. Dr iur.  Valérie Junod Professeure de droit aux Universités de Genève et de Lausanne

Dr iur.   Carole-Anne Baud Chercheuse FNS à l’Université de Lausanne

Dr med.   Olivier Simon Maître d’enseignement et de recherche, Médecine des addictions, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois

Dr med.  Jean-Baptiste Armengaud Médecin-hospitalier, Département femme-mère-enfant, pédiatrie, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois