Bewusst habe ich im Jahresbericht auf die Nennung einzelner Namen verzichtet, um ganz sicher keine:n der zahlreichen Kolleg:innen zu vergessen, die im letzten Jahr geholfen haben, die Pädiatrie in der Schweiz vorwärtszubringen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle.
Covid 19 war bis zum Frühjahr 2022 weiterhin unser Hauptthema. Dank unseren Expert:innen konnten wir die Massnahmen für Kinder weiterhin beeinflussen. Eine ausgewogene Mischung zwischen Schutz und Ermöglichen einer gesunden Entwicklung der Kinder zu empfehlen, war schwierig. Wir sind deswegen von Massnahmen-Gegnern und -Befürwortern zum Teil heftig kritisiert worden. Bisher unbekannt für unsere Gesellschaft war der dadurch entstandene mediale Rummel. Einerseits erhöhte es den Bekanntheitsgrad von pädiatrie schweiz und wir waren in aller Munde, aber andererseits führte es zu einer Belastung unserer Exponent:innen. Neben den Forderungen der Journalist:innen, möglichst gestern schon zu antworten, wurden einzelne Exponent:innen und unsere Gesellschaft auch zur Zielscheibe massiver und oft ungerechtfertigter Kritik. Kritisiert wurden wir nicht nur von Journalist:innen und Laien, sondern auch von Kolleg:innen, die lieber den direkten Weg zur Presse gewählt haben, anstatt uns zu kontaktieren. Auch haben die Medienschaffenden versucht, uns gegeneinander auszuspielen und jede abweichende Äusserung aufzubauschen, insbesondere zwischen uns und der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes. Dank der parlamentarischen Gruppe Kinder- und Jugendmedizin ist es uns letzten Sommer gelungen, zwei Vertreter der Kindergesundheit (ein Kinderspychiater und ein Kinderinfektiologe) in diese Taskforce zu mandatieren. Mit deren Hilfe konnten wir Ende 2021 eine gemeinsame Stellungnahme mit der Taskforce veröffentlichen. Mit dem Ende der Bundes- und fast aller kantonalen Massnahmen ist Covid 19 plötzlich kein mediales Thema mehr, obwohl der Virus weiter grassiert.
Häufig kritisiert worden sind wir für unsere Aussage, dass «Langzeitfolgen von Covid 19» (Long Covid) glücklicherweise bei Kindern viel seltener sind als bei Erwachsenen. Gemäss den Kritikern hat dies dazu geführt, dass Kinder mit diesen Beschwerden zum Teil nicht ernst genommen werden. Für uns aber war immer klar, dass auch Kinder, respektive vor allem Jugendliche lange bis sehr lange an den Folgen von Covid 19 leiden können. Deswegen gibt es an vielen Kinderkliniken nun auch spezielle Sprechstunden für sie.
Die parlamentarische Gruppe Kinder- und Jugendmedizin ist aktuell daran, den durch Covid 19 verschärften Mangel an psychotherapeutischen Behandlungsplätzen für Kinder und Jugendliche anzugehen.
Als weitere Folge der Pandemiemassnahmen haben wir den «Milupa Entwicklungskoffer» aus hygienischem Blickwinkel überarbeitet.
Als indirekte Pandemiefolge mussten wir den Kongress 2022 nach Luzern verschieben, weil er in Davos dem verschobenen Weltwirtschaftsforum in die Quere gekommen ist. Dies hat zu unerwarteter Mehrarbeit aller Beteiligten geführt.
Der Krieg in der Ukraine führt vor Ort zu viel Kinderleid. Durch die in die Schweiz geflüchteten Kinder kommt es zu neuen Aufgaben für unsere Mitglieder. Im Rahmen der parlamentarischen Gruppe ist eine «Taskforce Ukraine» gegründet worden, die die pädiatrischen Aktivitäten in der Ukraine und der Schweiz bündelt und koordiniert.
Eine weitere Folge der Pandemie ist der Digitalisierungsschub und der zunehmende Einsatz von digitalen Medien für Sitzungen und Fortbildungen. Hier hat mein Vorgänger schnell reagiert und es sind neue Formate wie die Symposien zu den Themenheften Paediatrica geschaffen und sogar ein digitaler Jahreskongress durchgeführt worden. Nachdem die Generalversammlung 2020 dem Engagement von pädiatrie schweiz im Bereich digitale Fortbildungen zugestimmt hat, ist das Projekt «Weiter- und Fortbildungsplattform» lanciert worden. Die neue Plattform steht exklusiv unseren Mitgliedern zur Verfügung und wird gegen Ende des Jahres in Betrieb genommen. Besonders attraktiv ist die Möglichkeit, Fortbildungscredits durch e-learning zu erwerben.
Andere Arbeiten wie das digitale Gesundheitsheft mussten in der Pandemie hintenanstehen, sind aber nicht vergessen worden und werden weiterverfolgt. So ist der Verein Digitales Gesundheitsheft im Dezember 2021 gegründet und damit die Basis für das Projekt gelegt worden.
Im Bereich Qualität kommen von Gesetzes wegen neue Aufgaben auf uns zu, die wir mit «nichts tun» nicht vermeiden können. Wir sind deshalb daran, proaktiv selbstbestimmte Qualitätsmassnahmen zu schaffen, die unseren Mitgliedern einen Mehrwert bringen. Kritik daran ist für mich unverständlich, denn wenn wir nichts machen, werden uns vermutlich vom Bund untaugliche Massnahmen aufgezwungen. Obwohl es hier zwischen FMH, Versicherern und Bund aktuell zu einem Zerwürfnis gekommen ist, werden wir daran weiterarbeiten.
Letztes Jahr konnte pädiatrie schweiz nach einem gut fundierten Verfahren eine choosing wisely Liste in mehreren Sprachen veröffentlichen, die den Kinderärzt:innen helfen soll, unnötige oder schädliche Therapien zu vermeiden. Ebenso haben die Arbeiten für eine zweite Liste bereits begonnen.
Im Bereich pädiatrische Praxisassistenz haben wir zusammen mit Kinderärzte Schweiz KIS und Haus- und Kinderärzte Schweiz mfe eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von nationalen Leitlinien gebildet, mit dem Ziel, die Qualität in dieser Form der Weiterbildung zu sichern und gegebenenfalls zu verbessern.
Im Bereich Wachstumskurven hat sich pädiatrie schweiz mit den verschiedenen Akteuren zusammengesetzt und möchte neue, für die ganze Schweiz gültige Kurven erarbeiten.
Trotz Hausarztarztinitiative findet die Politik immer neue Wege, um unsere Arbeit zu erschweren. Ich möchte hier KVG Artikel 47c erwähnen, der ein jährliches Budgetlimit einführen will. Auch warten wir seit Dezember auf den Entscheid des Bundesrates zum Tardoc, eine Einführung per 01.01.2023 ist jetzt schon illusorisch. pädiatrie schweiz arbeitet in politische Fragen nach wie vor sehr gut mit mfe, FMH und der parlamentarischen Gruppe zusammen.
Positiv zu erwähnen ist die Initiative «Kinder ohne Tabak». Unter dem Lead von mfe konnten wir mit einer breiten Koalition von Gesundheitsorganisationen und dem Engagement unserer Mitglieder diesen Abstimmungserfolg erreichen.
Philipp Jenny, Präsident
pädiatrie schweiz