Dennis Bachmann, SGP Vertreter
Wolfgang Ummenhofer, Vorsitzender «FMH-Forum Notfall»
Im «FMH-Forum Notfall» sind die ärztlichen Fachgesellschaften in der Schweiz zusammengeschlossen, die sich in ihrem Tätigkeitsgebiet mit Patienten in medizinischen Notfallsituationen beschäftigen und die sich hierbei interdisziplinär besser vernetzen wollen Organisation FMH Forum Notfall
Vielleicht ist aufgefallen, dass sich die «FMH Plattform Rettungswesen» umbenannt hat. Das Gremium besetzt weiterhin die bisherigen Themen, richtet seinen Fokus aber vermehrt auf die Neuorganisation der ärztlichen Notfallversorgung. Damit wurde ein Anliegen des ZV der FMH umgesetzt, um dem Strukturwandel der ambulanten Notfall- und Akutmedizin in der Schweiz Rechnung zu tragen.
Da sich die veränderte Orientierung auch in der Namensgebung des Gremiums niederschlagen soll, heisst das Gremium nicht mehr Plattform Rettungswesen, sondern neu «FMH – Forum Notfall» (siehe untenstehenden Artikel, Schweizerische Ärztezeitung, Nr. 19-20, 2020).
Plattform Rettungswesen mit neuem Namen
FMH – Forum Notfall
Wolfgang Ummenhofer
Prof. em. Dr. med., SGAR-Vertreter Plattform Rettungswesen FMH, Präsident
Die Plattform Rettungswesen der FMH ist Geschichte.
Und vielleicht keine ganz schlechte.
Die Entwicklung des Rettungswesens
in der Schweiz
Es lohnt sich, die Thesen der FMH zum Rettungswesen
in der Schweiz von 1996 anzuschauen; es ist ein kurzes
Papier. Erst, wenn man realisiert, was alles für uns zwi –
schenzeitlich zur Selbstverständlichkeit geworden ist
(einheitliche Sanitätsnotrufnummer 144, ausgebildete
Rettungssanitäter und Notärzte, standardisierte und
zertifizierte Ausrüstung der Rettungsmittel, funktio –
nale und kompetente Notfallstationen in unseren Spi –
tälern), reift die Erkenntnis, dass das vor nicht allzu
langer Zeit eben noch nicht so war. Vermutlich war es
nicht allein das Verdienst der FMH, dass sich das Ret –
tungswesen in der Schweiz so positiv entwickelt hat –
aber wirkungslos waren diese Thesen sicher nicht.
Zumindest entsprach es dem damaligen Selbstver –
ständnis, sich nicht nur in Tariffragen, sondern auch in
allgemeinen gesundheitspolitischen Fragen als Ärzte –
schaft zu Wort zu melden.
Jetzt ist es nicht so, dass im Rettungswesen alle Fragen
gestellt und alle Probleme gelöst wären. Insbesondere
der Beginn der Rettungskette ist nach wie vor eine
Baustelle.
Integration der ärztlichen Grundversor
genden in die Notfallbehandlung
Aber unabhängig hiervon hat sich die Plattform vor
gerau mer Zeit an den Zentralvorstand gewandt und
um ein kritisches Feedback zum Fortbestand des Gre –
miums und der weiteren Ausrichtung der Themen –
schwerpunkte gebeten. Die Antworten waren sehr
klar: Man sei dankbar für einen interdisziplinären
Think-Tank zu allen Fragen der medizinischen Notfall –
versorgung. Mehr denn je stehe aber die Inte gration
der ärztlichen Grundversorgenden in die Notfallbe –
handlung zur Diskussion. Die kantonalen Ärztegesell –
schaften, verantwortlich für die Durchführung des
Notfalldienstes, fühlen sich von Politik, Kostenträgern
und Öffentlichkeit im Stich gelassen. Sie haben zuneh –
Die einheitliche Sanitätsnotrufnummer 144
ist zur Selbstverständlichkeit geworden.
FMH Ak tuell 613
SCHWEIZERISCHE ÄRZ TEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLET TINO DEI MEDICI SVIZ ZERI 2020;101(19 –20):613 – 614
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0 ”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
mend Schwierigkeiten, den Service sinnvoll und res –
sourcengerecht zu organisieren. Hausarztpraxen ver –
waisen, v.a. im ländlichen Raum, und nicht selten wird
von potenziellen Nachfolgern die hohe Dienstbelas –
tung bzw. der Präsenzzwang als eines der gravierenden
Handicaps benannt.
Verändertes Patientenverhalten
Das alles ist kein spezifisch schweizerisches Problem
und auch nicht nur mit dem (relativen) Ärztemangel
zu erklären. Patienten haben ein verändertes Krank –
heitsverhalten; viele haben keinen Hausarzt mehr,
konsultieren Triageportale oder direkt den Spezia –
listen und finden sich bei als Notfall empfundenen
Situationen direkt auf der Notfallstation des Spi –
tals ein.
Vielleicht liegen die Zukunftslösungen tatsächlich
jenseits des klassischen Hausarztmodells. Es wäre
aber hilfreich, wenn wir Ärzte uns massgeblich in die
Diskussion um die strukturellen Rahmenbedingun –
gen möglicher Zukunftsmodelle einbringen würden.
Gleichgültig, wie diese aussehen, braucht es tragfähige
Übergangsmodelle, die Patienten jetzt helfen und
die verbleibenden Grundversorgenden vor weiterem
Burn-out schützen. Der Zentralvorstand der FMH hat
sich gewünscht, dass die Plattform die bisherigen The –
men weiter besetzt, sich aber schwerpunktmässig mit
der Rolle des Grundversorgenden im Notfallsystem be –
schäftigt.
Wir können dieses Bedürfnis gut nachvollziehen. Die
Plattform hat sowohl in ihren Thesen [1] als auch in
ihre m Leitbild 2010 zum Rettungswesen [2] die notfall –
medizinische Kompetenz der grundversorgenden
Dienstärzte als integrativen Baustein unseres Schwei –
zer Notfallsystems hervorgehoben. Wenn sich der Fo –
kus des Gremiums jetzt aber mehr auf die Neuorgani –
sation der ärztlichen Notfallversorgung richtet, dann
sollte sich die veränderte Orientierung auch in der Na –
mensgebung der Gruppe niederschlagen.
Namensänderungen sind immer sehr emotional, nicht
nur bei Zivilstandsangelegenheiten, auch bei uns.
Nach längeren Diskussionen haben wir dem Zentral –
vorstand vorgeschlagen, uns in «FMH – Forum Notfall»
umzubenennen, was, nach kürzerer Diskussion, jetzt
Prof. em. Dr. med. Wolfgang Ummenhofer Plattform Rettungswesen FMH Postfach 300 CH-3000 Bern 15 w.ummenhofer[at]unibas.ch
einstimmig erfolgt ist. Wir wollen unsere bisherige
Arbeit unter dem neuen Namen fortsetzen und freuen
uns, wenn sich auch weitere Fachgesellschaften an un –
serer Arbeit beteiligen.
Denn dass sich in Zeiten weitgehender Fragmentie –
rung innerhalb der Ärzteschaft 12 Fachgesellschaften
und Organisationen über 25 Jahre regelmässig zum
Themenkomplex medizinischer Notfallstrukturen
ausgetauscht und auch zu Wort gemeldet haben, ist ja
fast auch schon ein Wert an sich.
Vermutlich gibt es wenige Themengebiete in der Medi –
zin, in denen so wenig zusammen- und so viel an –
einander vorbei gearbeitet wird wie im Bereich der
medizinischen Notfallversorgung. Umso mehr, als wir
Ärzte ja nur einen Teil der auf diesem Terrain engagier –
ten «Leistungserbringer» repräsentieren und uns ja
auch aus zahlreichen Funktionen mehr und mehr zu –
rückziehen.
Unterschiedliche Perspektiven offen
barten schnell die Schnittmengen
Auf den ersten Blick waren die Synergien auch bei uns
nicht immer offensichtlich. Erstversorgung, Rettungs –
dienst, Notfallstation, Transport kritisch kranker oder
verletzter Patienten oder Krisenmanagement bei aus –
sergewöhnlichen Lagen haben natürlich im Blickwin –
kel von Notfallmedizinern andere Perspektiven als bei
Hausärzten, Chirurgen, Internisten, Pädiatern, Kardio –
logen, Psychiatern, Neurologen, Anästhesisten, Inten –
sivmedizinern, Kantonsärzten oder dem Militär. Aber
gerade aus diesen unterschiedlichen Perspektiven ha –
ben sich immer sehr schnell die Schnittmengen und
die gegenseitige Vernetzung unserer Tätigkeitsfelder
offenbart.
Das «FMH – Forum Notfall» würde sich freuen, wenn
Sie uns wie bisher die «Plattform Rettungswesen der
FMH» mit Interesse und Feedback begleiten.
Bildnachweis© Huettenhoelscher | Dreamstime.com (Symbolbild)
Literatur1 fmh.ch/files/pdf10/thesen_rettungswesen_d.pdf ; 2 www.fmh.ch/files/pdf10/Leitbild1.pdf
Namensänderungen sind immer
sehr emotional.
Wir wollen unsere bisherige Arbeit unter
dem neuen Namen fortsetzen.
FMH Ak tuell 614
SCHWEIZERISCHE ÄRZ TEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLET TINO DEI MEDICI SVIZ ZERI 2020;101(19 –20):613 – 614
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0 ”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
In diesem Zusammenhang hat sich das Forum an 2 Sitzungen mit Delegierten des Berufsverbands „Haus- und Kinderärzte Schweiz“ zur Zukunft und Rolle der Grundversorger im Notfalldienst ausgetauscht.
Nach der vom Forum organisierten Visitation des longitudinalen Notfall-Curriculums der Medizinischen Fakultät der Universität Basel hat der FMH-ZV dieser Ausbildung die Äquivalenz mit dem Dienstarztkurs der SGNOR akkreditiert.
Der Schweizerische Samariterbund unter neuer Führung war zu einer Standortbestimmung eingeladen. Das Forum ist Mitglied des SRC geworden und will sich an den operativen Zielen des SRC zur Optimierung der Rettungskette beteiligen.
Aktuell bearbeitet das Forum eine neue Version seines Leitbildes, das die neuen Schwerpunkte widerspiegeln soll. Bei der bisherigen Version aus dem Jahr 2010 ist beim medizinischen Management des Grossereignisses beispielsweise die Pandemie nicht explizit erwähnt. Hier ist in Zukunft sicher auch die Perspektive und Kompetenz der GrundversorgerInnen gefragt und die Notwendigkeit des interdisziplinären Austauschs offensichtlich.
Positionen und Anliegen der SGAR im Zusammenhang mit Schnittstellen der Notfallorganisation sollten vermehrt bei unserer FMH-Organisation eingebracht werden.