Fachzeitschrift >

Melanozytäre Nävi im Kindesalter

Melanozytäre Nävi, gutartige Proliferationen melanozytärer Zellen der Haut, sind bei Kindern und Jugendlichen häufig. Während kongenitale melanozytäre Nävi („congenital melanocytic nevi“, CMN) bereits intrauterin entstehen und bei Geburt oder seltener innerhalb der ersten Lebensmonate sichtbar sind, treten erworbene melanozytäre Nävi („common aquired nevi“) später auf, nehmen mit der Zeit in der Anzahl zu und zeigen ab der 4. Lebensdekade eine spontane Regression.

Grundsätzlich sind melanozytäre Nävi im Kindesalter harmlos und eine maligne Entartung ist sehr selten. Besondere Aufmerksamkeit erfordern jedoch rasch (innerhalb weniger Wochen oder Monate) entstandene Pigmentmale, auch wenn diese relativ symmetrisch aufgebaut und nicht oder kaum pigmentiert sind, und Patienten mit kongenitalen Riesennävi. Dieser Beitrag soll einen Überblick über melanoyztäre Nävi bei Kindern geben mit Fokus auf kongenitale melanoyztäre Nävi (CMN) und deren Management.

Einleitung

Die Mehrzahl der melanozytären Nävi entsteht in den ersten 20 – 30 Lebensjahren. Erste Nävi treten dabei bereits in der frühen Kindheit auf und nehmen dann im weiteren Verlauf zu1).

Ein gewisser Teil der Nävi liegt bereits bei Geburt vor (ca. 1 – 2 % der Neugeborenen), man spricht dann von kongenitalen melanozytären Nävi (CMN)2).

Während kleine und mittelgrosse CMN, abgesehen von ästhetischen Fragestellungen, in der Regel keine Probleme bereiten, können grosse und Riesen-CMN zu Komplikationen führen im Sinne einer malignen Entartung und/oder einer möglichen ZNS Beteiligung (CMN Syndrom).

Die Anzahl und Art von Nävi ist überwiegend durch die genetische Prädisposition (heller Hauttyp, familiäre Prädisposition zur Nävusbildung) vorgegeben. Darüber hinaus korreliert die individuelle Anzahl bei Kindern und Jugendlichen eng mit der Häufigkeit und Intensität der Sonnenbestrahlung3).

Entstehung und Arten von Nävi

Der Nävus definiert sich als umschriebene Vermehrung von Melanozyten, welche in Gruppen (Nävusnestern) organisiert sind.

Als Ursprung der melanozytären Neoplasien wird heute die Neuralleiste gesehen. Während der Embryogenese wandern melanozytäre Vorläuferzellen aus der Neuralleiste in die fetale Dermis und differenzieren sich unter dem Einfluss von melanozytären Transkriptionsfaktoren (SOX10 und MITF) zu Melanozyten aus 4)

Histologisch findet man eine umschriebene Vermehrung von Melanozyten, welche in Gruppen, Strängen und Nestern organisiert sind. Man unterscheidet je nach histologischer Tiefenausdehnung Junktions-, Compound- und dermale Nävi. Der Junktionsnävus liegt in der unteren Epidermisschicht, erscheint daher klinisch absolut flach und zeigt eine regelmässige (homogene) braune bis schwarze Pigmentierung (Abb. 1). Compound-Nävi (zusammengesetzte Nävi) bestehen aus einer oberflächlichen (epidermalen) und einer tieferen (dermalen) Komponente (Abb. 2). Sie sind klinisch leicht erhaben und zeigen oft eine etwas unregelmässigere Pigmentierung. Es existieren auch rein dermale Nävi, welche als weiche, papillomatöse Papeln und Noduli (dunkelbraun bis hautfarben) in Erscheinung treten (Abb. 3). Der kongenitale Nävus ist ein Compound oder dermaler Nävus, bei welchem die Melanozyten die ganze Dermis ausfüllen und entlang der Haarfollikel in die Tiefe gehen, was zur verstärkten terminalen Hypertrichose im Nävus führt (Abb. 4).

Grundsätzlich sind die meisten Nävi bei Kindern harmlos. Die Anzahl der erworbenen melanozytären Nävi nimmt vom Kleinkindesalter bis ca. zum 3. Lebensjahrzehnt stetig zu und ab der 4. und 5. Lebensdekade zeigen viele eine spontane Involution. Das klinische und dermatoskopische Erscheinungsbild ist je nach Altersstufe unterschiedlich5). So beobachtet man bei Kindern (< 10 Jahren) typischerweise dermale oder Compound-Nävi mit dermatoskopisch globulärem Pigmentnetzwerk, während Jugendliche und Erwachsene vorwiegend Nävi vom junktionalen Typ mit retikulärem Pigmentnetzwerk aufweisen.

Abbildung 1
Flacher hellbrauner Junktionsnävus im Bereich Nasenspitze.
Abbildung 2
Compoundnävus (zusammengesetzter Naevus), klinisch leicht erhaben mit einer   etwas unregelmässigen Pigmentierung.
Abbildung 3
Dermale Nävi: Die Melanozytenproliferation liegt hier ausschliesslich in der tieferen Dermis wodurch der Nävus erhaben und heller gefärbt auftritt.
Abbildung 4
Kongenitaler melanozytärer Riesennävus im Bereich des Rückens.


Nävuskontrollen im Kindesalter / Aspekte für das klinische Management

Bei klinisch unauffälligen Nävi und Fehlen von Risikofaktoren sind im Kindesalter grundsätzlich keine fixen Nävuskontrollen notwendig. Die Risikofaktoren für eine Melanomentwicklung im Kindesalter sind mit denjenigen der Erwachsenen vergleichbar. Hierzu zählen:

  1. Kaukasische Abstammung (heller Hauttyp)
  2. Sommersprossen
  3. Rote Haare
  4. Mehrere Sonnenbrände
  5. Immunsuppression (angeborene und erworbene Immundefekte)
  6. Positive Familienanamnese (1. Grad Verwandte mit Melanom)

Liegt einer dieser Risikofaktoren vor und bei Kindern mit vielen Nävi (Faustregel: Anzahl der Nävi > Alter x 2) empfehlen wir grundsätzlich eine erste Nävuskontrolle ab dem Pubertätsalter.

In der klinischen Untersuchung gilt es gewöhnliche / harmlose Nävi von atypischen Nävi zu unterscheiden. Die allseits bekannte klinische Faustregel, die sog. ABCDE-Kriterien (A: Asymmetry, B: Border (unregelmässige Begrenzung), C: Color (Mehrfarbigkeit), D: Diameter (Durchmesser > 6mm), E: Evolution (Entwicklung)), ist für die Erkennung von kindlichen Melanomen nur bedingt hilfreich, da diese nicht selten andere Charakteristika als bei Erwachsenen aufweisen, welche durch diese bekannten Kriterien nicht erfasst werden. So präsentieren sich Melanome bei Kinder sehr häufig als amelanotische (oft rote), symmetrische, schnell wachsende und oft auch blutende Knötchen. Es wurden daher spezifische ABCDE-Kriterien für das Kindesalter entwickelt (Tabelle 1), welche zusätzlich zu den klassischen Kriterien verwendet werden sollen6).

Eine weitere klinische Faustregel, um gewöhnliche / harmlose Nävi von atypischen oder potentiell bösartigen Läsionen zu unterscheiden, ist die Regel des „hässlichen Entleins“ (das ugly duckling sign). Kindliche Nävi sind bei den einzelnen Individuen oftmals sehr monomorph. Eine Läsion, die sich deutlich davon unterscheidet, sollte daher immer mit grosser Vorsicht angesehen werden, insbesondere, wenn sie Wachstum zeigt oder sich sonst verändert. Die Schwelle zur Exzision sollte bei solchen Läsionen sehr tief angesetzt sein.

Desweiteren hat die Dermatoskopie (Auflichtmikroskopie) einen besonderen Stellenwert in der Nävuskontrolle, da sie die Spezifität der klinischen Untersuchung deutlich erhöht.

Zusammenfassend erfordern bei Kindern rasch entstandene (innerhalb weniger Wochen oder Monate) und/oder überproportional wachsende pigmentierte Läsionen oder diagnostisch unklare hautfarbene bis rötliche derbe Papeln besondere Aufmerksamkeit, auch wenn diese symmetrisch aufgebaut sind.

Tabelle 1
Zusätzlich zu den klassischen ABCDE-Kriterien im Kindesalter anzuwendende Kriterien zur Erkennung des Melanoms
(M. Theiler et al. Das Melanom im Kindesalter. Paediatrica 2015)

Spitz- oder Reed Naevus

Der Spitz-Nävus ist relativ selten (ca. 1 % der histologisch verifizierten melanoztären Tumoren), wird im Kindesalter aber doch recht regelmässig angetroffen. Es handelt sich um einen erworbenen, benignen melanozytären Nävus, der sehr schnell wächst und histologisch durch hochgradige Dysplasien gekennzeichnet ist. Der klassische Nävus Spitz stellt sich als pinkfarbene Papel im Gesicht von Kindern dar, kann aber auch an anderen Körperstellen angetroffen werden (Abb. 5). Pigmentierte Varianten (Reed-Nävus) zeigen sich oft an der unteren Extremität. Letztere sind dermatoskopisch durch das „Starburst-Pattern“ gekennzeichnet. Klinisch typische Spitz-Nävi messen < 1 cm, sind oft kuppelförmig, symmetrisch und weisen eine glatte Oberfläche ohne Krusten, Blutungen oder Ulzerationen auf.

Während der klassische Nävus Spitz daher klinisch meist eindeutig diagnostiziert werden kann, sind dessen atypischen Varianten (atypischer Spitz-Nävus, atypischer Spitz-Tumor) klinisch nicht von einem kindlichen Melanom zu unterscheiden. Wir erleben immer wieder, dass gerade diese kritischen Läsionen als „Warzen“ oder „Fibrome“ fehlinterpretiert und somit wachsen gelassen werden. Zum Zeitpunkt der korrekten Diagnose und Exzision liegen dann oft bereits recht grosse Knoten (> 1 cm Durchmesser) vor, welche in lokoregionale Lymphknoten metastasiert haben können.

Während man früher generell alle spitzoiden Läsionen exzidiert hat, werden heute an vielen Kliniken die klassischen Nävi Spitz bei Kindern < 10 Jahren belassen und regelmässig klinisch kontrolliert, insbesondere dann, wenn sie an chirurgisch heiklen Stellen (z.B. Nasenspitze) lokalisiert sind. Oft kommt es mit der Zeit zu einem Wachstumsstillstand und einer Ausreifung zu einem klassischen Compound-Nävus oder auch zu einer Regression.

Bei klinisch atypischen spitzoiden Läsionen (anhaltendes Wachstum, Grösse > 1cm, verkrustete, verruköse Oberfläche, Blutung) muss eine rasche Totalexzision (keine inkompletten Punchexisionen oder Shave-Biopsie!) und histologische Aufarbeitung in einem hierfür spezialisierten Labor (dermatologische Universitäts-Kliniken) erfolgen. Ebenfalls gilt weiterhin die Empfehlung, bei Patienten > 10 Jahren alle spitzoiden Läsionen (auch typische Spitz-Nävi) zu exzidieren, da das Risiko für ein sich als Spitz-Nävus maskierendes Melanom mit steigendem Alter zunimmt. 

Abbildung 5
Klassischer Nävus Spitz im Bereich Wange.

Kongenitale melanozytäre Nävi

Kongenitale melanozytäre Nävi (CMN) werden in kleine (< 1.5 cm), mittelgrosse (1.5-20 cm), grosse (20-40 cm), riesige Nävi (> 40 cm) und multiple mittelgrosse (≥ 3 Stück) eingeteilt. Die Grössenangaben beziehen sich dabei auf den zu erwartenden, grössten Durchmesser im Erwachsenenalter. Zur Bestimmung der prognostizierten Grösse existieren entsprechende Tabellen7).

Kleine und mittelgrosse Nävi sind relativ häufig (Prävalenz 1-2 %), während CMN mit einem Durchmesser grösser als 20 cm selten sind (Inzidenz 1: 20‘000). Ca. 75 % der grossen CMN werden von zahlreichen kleinen, sogenannten Satellitennävi, begleitet.

CMN basieren auf somatischen Mutationen im MAPK-Signalweg, wobei bei kleinen Nävi BRAF (V600E)-Mutationen dominieren und bei mittelgrossen und grossen CMN fast ausschliesslich NRAS (Q61)-Mutationen gefunden werden8). Letztere sind auch in den ZNS-Manifestationen im Rahmen von CMN nachweisbar.

Komplikationen und Aspekte für das klinische Management

Insbesondere grosse oder multiple CMN können zu Komplikationen führen. Neben der malignen Entartung stellt eine mögliche ZNS Beteiligung ein Morbiditäts-, respektive Mortalitätsrisiko dar9).  Das Risiko der Entstehung eines malignen Melanoms auf dem Boden von CMN ist insgesamt geringer als früher angenommen, korreliert in erster Linie mit der Nävusgrösse und wird bei grossen und Riesen-Nävi auf ca. 5-10 % geschätzt9). Auch ist zu beachten, dass mindestens ein Drittel der Melanome bei Kindern mit CMN extrakutan im ZNS auftreten9).

Die ZNS Manifestationen treten bei ca. 10-20 % der Patienten mit grossen oder multiplen CMN auf und können dabei melanozytärer (intraparenchymale Melanose, leptomeningeale Melanozytose, ZNS Melanom) oder nicht melanozytärer Natur (Syringomyelie, Hydrozephalus, Tumore (Ependymom, Astrozytom u.a), Dandy-Walker- und Arnold-Chiari-Malformationen) sein10). Aufgrund dieser Vielzahl an möglichen ZNS-Manifestationen mit ganz unterschiedlicher Prognose und Therapie ist ein frühes Screening-MRI des gesamten ZNS (Schädel und Wirbelsäule) mit Kontrastmittel im Alter von < 6 Monaten bei Kindern mit grossen und multiplen CMN indiziert, wobei dessen Befund das weitere Management massgebend bestimmt. Gleichzeitig veranlassen wir bei diesen Kindern routinemässig eine neuropädiatrische Untersuchung.

Therapie und psychosoziale Aspekte

Grosse und Riesennävi

Bis heute ist nicht klar, ob die Exzision eines grossen/Riesennävus das Risiko der Entstehung eines Melanoms beim Patienten signifikant vermindert. Fest steht, dass eine Intervention am Nävus nicht zu einer Reduktion der Häufigkeit extrakutan entstehender Melanome führt. Grundsätzlich ist gemäss diesen Erkenntnissen die einzig zwingende Indikation für eine chirurgische Exzision der Verdacht auf Malignität. Selbstverständlich ist aber auch die ästhetische Beeinträchtigung resp. eine antizipierte Stigmatisierungsproblematik oft ein Grund für eine chirurgische Therapie. Insgesamt sind wir aber am Kinderspital Zürich bei grossen und Riesennävi eher zurückhaltend bzgl. Chirurgie. Die Entscheidung ist jedoch von Fall zu Fall individuell und in Absprache mit der Familie abzuwägen. Wird ein grosser oder Riesennävus belassen, sind regelmässige Kontrollen (initial 6-monatlich) am hierfür spezialisierten Zentrum indiziert. Wenn die seltene Situation auftritt, dass innerhalb eines grossen CMN ein Melanom auftritt, entwickeln sich diese meist in der Tiefe, sodass v.a. die Palpation des CMN entscheidend ist.

Kleine und mittelgrosse Nävi

Aufgrund des minimalen Melanomrisikos sind während der Kindheit keine spezifischen Massnahmen notwendig und die klinischen Kontrollen können durch den Pädiater erfolgen. Ab der Pubertät empfehlen wir dann eine jährliche Kontrolle dieser Nävi durch den Dermatologen. Wenn der Nävus an einer ästhetisch klar problematischen Lokalisation vorliegt, ist eine frühe Totalexzision zur Verhinderung einer späteren Stigmatisierung niederschwellig zu evaluieren. Ansonsten empfehlen wir eher mit einer Operation zuzuwarten, bis der Patient ein Alter erreicht, wo er selbst über eine Intervention entscheiden kann.

Referenzen

  1. Witt C et al. Bedeutung des Sonnenverhaltens für die Entstehung melanozytärer Nävi. Akt Dermatol 2006;32:347-52
  2.  Price HN, Schaffer JV. Congenital melanocytiv nevi when to worry and how to treat: Facts and controversies. Clin Dermatol 2010;28: 293-302
  3. Kelly JW et al. Sunlight: a major factor associated with the development of melanocytic nevi in Australian school children. J Am Acad Dermatol, 1994;30:40-8
  4. L. Sommer et al. Checkpoint of melanocyte stem cell development. Sci STKE, 2005(298):pe42
  5. Zalaudek I. et al. Age-related prevalence of dermoscopy patterns in acquired melanocytic naevi. Br J Dermatol 2006;154:299-304
  6. Cordoro KM. et al. Pediatric Melanoma: results of a large cohort study and proposal for modified ABCD detection criteria for children. J Am Acad Dermatol 2013; 68: 912-25
  7. Krengel S, Scope A, Dusza SW, Vonthein R, Marghoob AA. New recommendations for the categorization of cutaneous features of congenital melanocytic nevi. J Am Acad Dermatol. Mar 2013; 68(3):441-451
  8. Kinsler VA, Thomas AC, Ishida M, et al. Multiple congenital melanocytic nevi and neurocutaneous melanosis are cause by postzygotic mutations in codon 61 of NRAS. J Invest Dermatol. Sep 2013;133(9):2229-2236
  9. Kinsler VA, O’ Hare P, Bulstrode N, et al. Melanoma in congenital melanocytic naevi. Br J Dermatol. 2017;176(5):1131-1143
  10. Waelchli R, Aylett SE, Atherton D, Thompson D, Chong WK, Kinsler VA. Classification of neurological abnormalities in children with congenital melanocytic naevus syndrome identifies MRI as the best predictor of clinical outcome. Br J Dermatol, 2015

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Regula Brändli, Pädiatrische Dermatologie, Zentrum Kinderhaut, Universitäts-Kinderspital Zürich
Dr. med. Martin Theiler, Zentrum Kinderhaut, Abteilung Dermatologie, Universitäts-Kinderspital, Zürich
PD Dr. med. Lisa Weibel, Zentrum Kinderhaut, Abteilung Dermatologie, Universitäts-Kinderspital, Zürich