Kinder die stundenlang einem Bildschirm überlassen werden, leiden an schweren Lern- und Sozialisierungsstörungen. Diese Symptome bilden sich glücklicherweise rasch zurück, wenn das Kind in einer interaktiven Umgebung sozialisiert wird. Die manchmal zur Beschreibung dieses Phänomens verwendeten Begriffe «Autismus» und «Sucht» werden durch die Wissenschaft zwar abgelehnt1), dennoch sind diese Beobachtungen beunruhigend. Und auch wenn sie nur eine beschränkte Anzahl Kinder betreffen, sollten sie doch unsere Aufmerksamkeit wecken. Das Benutzen von Bildschirmen vor dem Alter von zwei Jahren scheint zudem den Melatoninzyklus, und damit die regenerierende Wirkung des Schlafes schwer zu stören, mit noch schlecht bekannten Auswirkungen. Die Kinderärzte spielen bei der Prävention der schädlichen Wirkung übermässigen Bildschirmkonsums eine wesentliche Rolle, denn sie haben das Vertrauen der Eltern und können sehr wirksam erzieherische Botschaften übermitteln.
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Kinder die stundenlang einem Bildschirm
überlassen werden, leiden an schweren Lern-
und Sozialisierungsstörungen. Diese Sympto
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me bilden sich glücklicherweise rasch zurück,
wenn das Kind in einer interaktiven Umgebung
sozialisiert wird. Die manchmal zur Beschrei
–
bung dieses Phänomens verwendeten Begriffe
«Autismus» und «Sucht» werden durch die
Wissenschaft zwar abgelehnt
1), dennoch sind
diese Beobachtungen beunruhigend. Und auch
wenn sie nur eine beschränkte Anzahl Kinder
betreffen, sollten sie doch unsere Aufmerk
–
samkeit wecken. Das Benutzen von Bildschir –
men vor dem Alter von zwei Jahren scheint
zudem den Melatoninzyklus, und damit die
regenerierende Wirkung des Schlafes schwer
zu stören, mit noch schlecht bekannten Aus
–
wirkungen. Die Kinderärzte spielen bei der
Prävention der schädlichen Wirkung übermäs –
sigen Bildschirmkonsums eine wesentliche
Rolle, denn sie haben das Vertrauen der Eltern
und können sehr wirksam erzieherische Bot
–
schaften übermitteln.
Wiederholte Warnungen
Wie fantastisch auch immer die Möglichkeiten
sein mögen, die Bildschirme Kindern über
sechs Jahren bieten: Forscher weisen seit
über einem Jahrzehnt immer wieder auf die
Gefahren für Kleinkinder hin
2). Nehmen wir
einen Vergleich. Welche Eltern würden eine
mit Schokoladencreme gefüllte Salatschüssel
mit einem Löffel auf dem Kaffeetisch stehen
lassen, sodass das Baby sich nach Belieben
bedienen kann? Bestimmt niemand! Und doch
tun Eltern genau dasselbe, wenn sie den ein –
geschalteten Fernseher und die Fernbedie –
nung im Zimmer, in welchem sich ein Klein –
kind befindet, zur freien Verfügung lassen !
Dasselbe gilt für Tablets und Smartphones.
Das Risiko eines übermässigen Gebrauchs
dieser Mit tel is t umso g r ös ser, als sie P r o duk –
te anbieten, die für unser Gehirn mindestens
so attraktiv sind, wie ein Schokoladenriegel
oder eine Limonade für unseren Gaumen. Die
angeblich Kleinkindern angepassten Program –
Kampf dem Missbrauch von Bildschirmen:
Kinderärzte an vorderster Front
Serge Tisseron 1, Paris
Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds
me sind nicht «zu fett, zu salzig, zu süss», um
die Schlagworte zu verwenden, die in Frank-
reich in der Kampagne zugunsten einer aus –
geglichenen Ernährung verwendet werden,
doch sind sie «zu farbig, zu packend, zu be –
weg t». Mit dem Risiko, das s mit der en G enus s
der Geschmack an langsamen Rhythmen und
nuancierten Welten und die Freude, mit sich
selbst allein zu sein, verloren geht. Die grös –
ste Gefahr besteht jedoch darin, dass diese
Angebote auch von wesentlichen kognitiven,
manuellen und kommunikativen Lernprozes –
sen ablenken, mit schwerwiegenden Auswir –
kungen auf kognitive Entwicklung und soziale
Kompetenzen.
Nach ersten, auf die übermässige Gewichts –
zunahme und das zunehmende Adipositasri –
siko ausgerichteten Studien
3), konzentrierten
sich die Forscher sehr schnell auf die Auswir –
kungen der Bildschirme auf Lernprozesse und
Sozialisierung. Jede vor dem Bildschirm ver –
brachte Stunde beraubt das Kleinkind des
Erwerbes legitimer Kompetenzen, deren Aus –
wirkungen sich weit über die ersten Lebens –
jahre hinaus bemerkbar machen.
Gefahren der Bildschirme für
Kleinkinder
Es ist unmöglich, bei Kindern unter 24 Mona –
ten von «altersangepassten» Programmen zu
sprechen. Es zählen einzig die vor dem Bild –
schirm verbrachten Stunden, die immer auf
Kosten wesentlicher altersgemässer Aktivitä –
ten gehen.
Spracherwerb
Fernsehen und DVDs begünstigen nicht nur
die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder, die
davor sitzen nicht, sondern verlangsamen im
Gegenteil deren Erwerb
4). Die Tatsache, dass
sich sogenannt «altersangepasste» Program –
me nicht positiver auf den Spracherwerb
auswirken als andere, hängt damit zusam –
men, das s diese P r og r amme nie dem psycho –
logischen Zustand des Kleinkindes entspre -chen. Der Fernseher spricht es nie an, denn
der Fernseher ist niemand.
Aufmerksamkeit und
Konzentrationsfähigkeit
Fernsehen schadet der Entwicklung von Auf
–
merksamkeit und Konzentrationsfähigkeit ei –
nes Kindes, das in einem Raum spielt, in
welchem ein Fernseher eingeschaltet ist,
selbst wenn es nicht hinschaut
5). Wie ist das
möglich ? G enau so w ie w ir dur ch Schw immen
schwimmen, und durch Führen eines Fahrzeu –
ges fahren lernen, lernt ein Kleinkind durch
sich Konzentrieren, sich zu konzentrieren. Je
sicherer es sich in einer ruhigen Umgebung
fühlt, desto länger sind spontane Spielperio –
den, und es wurde nachgewiesen, dass es
sich dabei um einen ausgezeichneten Indika –
tor für seine spätere Aufmerksamkeits- und
Konzentrationsfähigkeit handelt. Im Gegen –
satz dazu lassen sich umso mehr spätere
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwie –
rigkeiten voraussehen, je mehr die Spieldauer
in einer störenden Umgebung verkürzt ist.
Dies ist ohne jeden Zweifel in einem Zimmer
der Fall, in welchem ein Fernseher läuft!
Diese Befunde wurden weitgehend durch die
Arbeiten von Linda Pagani bestätigt. Diese
Professorin an der Universität der École de
psychoéducation de Montréal hat 1997 eine
erste Longitudinalstudie zu den langfristigen
Auswirkungen des frühzeitigen Fernsehkon –
sums durch Kleinkinder gestartet (1997 gab
es weder Tablets noch Smartphones). 2010
konnte sie zeigen, das s K inder die b ei G ehb e –
ginn mehr als eine Stunde vor dem B ildschir m
verbrachten, mit 10 Jahren nicht nur ein er –
höhtes Adipositasrisiko aufwiesen, sondern
auch vermindertes Interesse in der Schule
und geringere mathematische Fähigkeiten,
welche die Autorin mit einer schlechteren
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähig –
keit in Zusammenhang bringt
6). Diese Kinder
sind allgemein weniger autonom, weniger
beharrlich und sozial weniger kompetent.
Beziehung zu Zeitbegriffen
Obwohl dies nicht in demselben Mass wie die
oben erwähnten Bereiche untersucht wurde,
kann der Einfluss eines frühen Kontaktes mit
Bildschirmen auf die Entwicklung der Bezie –
hung zu Zeitabläufen nicht übersehen werden.
Wenn ein Kind kritzelt, Bauklötze aufeinander
stapelt oder ein Spielzeug vor sich herschiebt,
1 Facharzt für Psychiatrie, Doktor in Psychologie
9Kinderdd sndtddeula
9Kinder stulagmBrn
10
entde ck t es in einem seine Fähigkeit , die Welt
zu verändern, und dass diese Veränderungen
unabänderlich sind. Doch wenn wir fernsehen
o der ein DV D anschauen, genüg t je der Augen-
blick sich selbs t , ausgef üllt mit Far b en, B ewe –
gung und Gefühlen. So neigen wir zu keinem
Zeitpunkt dazu, uns an das zu erinnern, was
wir gesehen haben, um zu verstehen, was wir
gerade sehen. Und die in Tablets installierten
Programme tauchen Kinder noch stärker in
eine Welt dauernder und totaler Umkehrbar –
keit, da man jederzeit zurückspulen und so –
eben gelöschtes wieder sichtbar machen
kann. Es entsteht damit die Schwierigkeit, die
Irreversibilität einer Handlung zu begreifen,
und das Risiko, die Konse quenzen von Ver hal –
tensweisen zu verharmlosen
7).
Verlust der Selbstwirksamkeit
Fer nsehen macht pas si v. Die Studie von Linda
Pagani
8) ergab, dass mit jeder im Alter von
zwei bis drei Jahren zusätzlich vor dem Fern –
seher ver br achten Stunde das Risiko, im A lter
von zehn Jahren von Altersgenossen zum
Opfer oder Sündenbock gemacht zu werden,
um 10 % zunimmt. Ein Kind, das sich eher als
Zuschauer der Welt betrachtet, denn als ein
Akteur der fähig ist, Situationen zu beeinflus –
sen, wird weniger bereit sein, auf erlittene
Aggressionen zu reagieren. Die Täter erken –
nen dies schnell und steigern ihre Gewalttä –
tigkeit ihm gegenüber, bis er zum Sündenbock
gestempelt wird. Diese Erscheinung wird von
Lehrern oft nicht erkannt, da sie der Meinung
sind, Kinder die grosse Fernsehkonsumenten
sind, seien am gewalttätigsten. In Tat und
Wahrheit sind diese Kinder ebenso öfter als
der Durchschnitt Opfer von Gewalt als auch
gewalttätig. Dies zeigt die letzte Publikation
von Linda Pagani.
Gefahren für den Aufbau von Empathie
Diese Autorin publizierte 2016 die Ergebnisse
ihrer Studie zu den Folgen von Fernsehkon –
sum durch 2- 3 -Jährige auf soziale Kompeten –
zen im Alter von 13 Jahren
9). Dazu evaluierte
sie die selbstdeklarierten Beziehungsschwie –
rigkeiten der Jugendlichen ihrer Stichprobe in
vier Bereichen: Tendenz zur Viktimisierung,
soziale Isolierung, Tendenz zu proaktiver Ge –
walt (d. h. gegenüber Kindern durch die sie
selbst keine Gewalt erlitten hatten), und
schliesslich asoziales Verhalten. Die Studie
ergab, dass erheblicher Fernsehkonsum im
Alter von 2,5 Jahren beim 13-Jährigen das
Risiko von Viktimisierung und sozialer Isolie –
rung erhöht, und das Annehmen gewalttäti –
gen und asozialen Verhaltens gegenüber Mitschülern begünstigt. Anders gesagt,
«Zum-Opfer-Werden» und Gewalttätigkeit
schliessen sich nicht aus, sondern bilden zwei
komplementäre Facetten einer Störung im
Aufbau von Empathie. Die ersten Lebensjahre
stellen einen besonders kritischen Abschnitt
in der Entwicklung der an der Selbstregulation
der emotionalen Intelligenz beteiligten Hirn
–
zonen dar. In diesem Alter lernt das Kind, das
Gesicht des Gegenübers als Grundlage zum
Gestalten geteilter Emotionen heranzuziehen.
Jede vor dem Fernseher verbrachte Stunde
geht somit zugunsten eines Austausches von
Angesicht zu Angesicht mit einem Er wachse –
nen oder einem anderen Kind verloren. Dies
ist umso schwerwiegender, als die Stunden des Wachseins im Kleinkindesalter be
–
schränkt sind.
Je mehr Zeit Kinder vor einem Bildschirm
verbringen, desto weniger Zeit haben sie für
kreatives Spielen, interaktive Aktivitäten und
weitere wesentliche kognitive soziale Erfah –
rungen. Kompetenzen wie Teilen, Wertschät –
zung und Respekt des Gegenübers, deren
Aufbau im Kleinkindesalter fusst, sind damit
gefährdet. Der asoziale Jugendliche, der Be –
ziehungen meidet und sich in repetitive und
sterile Aktivitäten am Bildschirm zurückzieht,
ist nicht so sehr des Missbrauchs schuldig,
sondern vielmehr ein Opfer, das zu frühzeitig
und massiv Bildschirmen ausgesetzt wurde.
D ie fr a n zö sis c h e V ers io n d ie se s P la k ate s k an n v o n h ttp :/ /3 -6 -9 -1 2 .o rg / o der h ttp :/ /s e rg etis se ro n.c o m h eru nte rg ela d en w erd en.
3 6 9 12 – —
B ild sc h ir m e
e ntd eck e n
und au fw ach se n
0 b is 3 J a h re
D as Kin d b ra uch t
e s, mit Ihnen sein e
Sin neswelt und
s ein eBez ugsp unkte
z u en td ecken .
6 b is 9 J a h re
D as Kin d en td eck t
d ie Sp ielregeln
d es Soz ialleb ens.
12 J a h re u nd ä lt e r
D as Kin d b efreit sich
z u neh men d von
f a miliä ren Ba nden . 3 b is 6 J a h re
D as Kin d er kundet
s ein e sensor isch en
u nd ma nuellen
Fä hig keit en.
9 b is 1 2 J a h re
D as Kin d er for sch t
d ie K omp lexität
d er W elt.
Besc h rä n ke n
S ie Bild sc h ir m e,
b enutz e n S ie
d ie se g em ein sa m ,
s p re ch e n S ie in d er
F a m ilie d arü b er. B rin g en S ie ih m
b ei, s ic h u nd s e in e
I n te rn e ta u sta u sc h e
z u s c h ütz e n.
V erw end en S ie
B ild sc h ir m e
k re ativ , e rk lä re n
S ie ih m In te rn e t. B
le ib en
S ie ve rfü g bar,
e s bra u ch t
S ie no ch !
S pie le n S ie ,
s p re ch e n S ie ,
s c h alt e n S ie d en
F e rn se he r a u s.
Ic h h ab e d ie M eile nste in e 3 -6 -9 -1 2 a ls A ntw ort a u f d rin g end e F ra g en v o n E lt e rn
u nd P ä d ag ogen z u sa m meng este llt S erg e T is se ro n
“
„
3 -6 -9 -1 2 . A ppriv o is e r le s écra n s e t gra n d ir , V erla g é rè s
9Kinderdd sndtddeula
9Kinder stulagmBrn
11
Drei erzieherische Prinzipien für
jeden Altersabschnitt
Drei Erziehungsprinzipien für Eltern, die eine
günstige erzieherische Umwelt wünschen:
• Abwechslung die darin besteht, verschie –
denartige Aktivitäten zu fördern – mit und
ohne Bildschirme, unter Bevorzugung von
Kreativität gegenüber alleinigem Konsum;
• Begleitung, d. h. mit dem Kind darüber
sprechen, was es am Bildschirm tut und
sieht; und schliesslich
• Erziehung zur Selbstregulation, insbeson –
dere durch Festlegen der vor dem Bild –
schirm verbrachten Zeit und indem das
Kind aufgefordert wird, seinen Bildschirm -konsum immer mit einer bestimmten Dauer
zu verbinden.
Dies wird im Rahmen der Kampagne «3-6-9-
12» empfohlen
10 ). Sie wurde rund um vier
Ratschläge aufgebaut, die in jedem Alter
Gültigkeit haben und die von den Kinderärzten
weitergegeben werden können:
• Zusammen qualitativ gute Programme aus –
wählen;
• Bildschirmzeit beschränken;
• mit dem K ind dar üb er spr e chen, was es am
Bildschirm tut und sieht;
• kreative Aktivitäten fördern. Vor dem Alter von 3 Jahren: Spielen,
reden, Fernseher ausschalten
Von Geburt bis zum Alter von 3 Jahren muss
das Kind seine Beziehung zu seinen Sinnen
und zur Sprache aufbauen, seine Motorik
entwickeln, die Unwiderrufbarkeit der Zeit
integrieren und lernen, das Gesicht seines
Gegenübers als Grundlage geteilter affektiver
Kommunikation zu verstehen. Ein Kleinkind
soll deshalb niemals alleine vor einem Bild
–
schirm oder in einem Zimmer gelassen wer –
den, in welchem ein Bildschirm eingeschaltet
is t . Das soll uns nicht dar an hinder n, gelegent –
lich mittels einer unterhaltenden App mit ihm
zu spielen, ab er f ür eine kur ze Zeit und immer
gemeinsam.
3-6-Jährig: Bildschirme einschränken,
teilen, in der Familie darüber sprechen
In diesem Alter festigt das Kind seine Kennt –
nisse und beginnt das Erlernen der Selbstre –
gulation. Das Vorschreiben beschränkter
Bildschirmzeiten gehört dazu: Von
1/2 Stunde
mit 3 Jahren bis höchstens 1 Stunde mit 6
Jahren. Die Bildschirme müssen sich in einem
gemeinschaftlichen Raum befinden. Abendli –
ches Benutzen vermeiden (LEDs stören den
Schlafrhythmus), ebenso zu den Mahlzeiten
und um das Kind zu beruhigen. Der Slogan
«Kein persönlicher Computer vor 6-jährig»,
2008 im Rahmen der Kampagne «3-6-9-12»
lanciert, bedeutet, einem Kind unter 6 Jahren
kein persönliches digitales Tool zu schenken,
da dies eine Regulation beinahe unmöglich
macht. Diese Geräte müssen für die ganze
Familie bestimmt sein. Ebenfalls ist es wich –
tig, eine tägliche Zeitdauer festzulegen, um
das Kind daran zu gewöhnen, Bildschirme mit
einer Zeitdauer zu assoziieren. Digitale Geräte
sollen nie dazu verwendet werden, um das
Kind zu beruhigen oder zu belohnen. Und
vergessen wir schliesslich nicht, körperliche
und kreative Aktivitäten, wie falten, aus –
schneiden, kleben, kochen, basteln zu för –
dern.
6-9-jährig: Bildschirme kreativ
benutzen, Internet erklären
Das Alter von 6 – 9 Jahren dient dem Erlernen
sozialer Spielregeln. Es gibt zahlreiche elekt –
ronische Hilfsmittel, die kreativ eingesetzt
werden können: Digitale Photographie,
Scratch, stop mowie software. Spornen wir
das Kind an, mit Hilfe des Bildschirms zu
kreieren. Reden wir auch darüber, dass es
bald das A lter hab en w ir d , ein Mobiltelefon zu
b esit zen und legen w ir Regeln fes t , die von der
ganzen Familie respektiert werden, insbeson –
Verbreiten wir dieses P lakat.
G em ein sa m k ö nne n w ir u nse re B ezie hung z u m B ild sc h ir m ä n d ern .
B esu ch e n S ie u ns a u f h ttp :/ /3 -6 -9 -1 2 .o rg
(Übersetzung durch die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie.)
0 – 3 J a h re
M it dem Kin d
z u spielen ,
ist die beste
A rt und W eise
sein e Entwic klu ng
zu fördern .
Ich z ie he
g eme insa me s
L e se n vo n
Ge sc h ic hte n d em
Bild sc h irm vo r.
De r eingesc h alte te
F e rn se her s ch ad et
d en L ern pro ze sse n
d es K indes, s elb st
we nn e s n icht
hin sc h au t.
Ke in F ern se her
im Kin derz imme r.
Dig itale Tools
n ur in Be gle itu ng
u nd z ur F re ud e a m
g eme insa me n Sp iel.
3 – 6 J a h re
Ic h b estimme
kla re R egeln zur
Z eitd au er vo r
dem Bild sc h irm.
Ic h r esp ektie re
d ie Alte rsan gab en
d er P ro gra mme .
T a b le t, F ern se her,
Co mp ute r im
W ohn- u nd n icht
im Sc hla fz imme r.
Ic h u nte rsag e
d ig itale Tools
wä hre nd
M ah lz eite n u nd vo r
d em E insc h la fe n.
Ic h b enutz e s ie n ie,
u m me in K ind
zu b eru hig en.
Ge me insa m
s p ie len is t b esse r
a ls a lle ine s pie len.
6 – 9 J a h re
Ic h b estimme klare
R egeln zur Z eitd au er
vo r d em Bild sc h irm.
Ic h b esp re ch e
mit me inem K ind,
wa s e s s ie ht u nd tu t.
T a b le t, F ern se her,
Co mp ute r im
W ohn- u nd n icht
im Sc hla fz imme r.
Ic h b egre nze d ie
Mö glic hke ite n a uf
d er Sp ielko nso le .
Ich s pre ch e ü ber
d as R ech t a uf
In tims phäre u nd
a m e igenen Bild
u nd ü ber d ie d re i
In te rn et-P rinzip ien:
1) Alle s wa s ma n in s
In te rn et s tellt, k an n
a n d ie Ö ffe ntlic hke it
g ela ngen.
2) Alle s wa s ma n
in s In tern et s tellt,
ve rbleib t d ort
f ü r imme r.
3 ) M an d arf n ic h t a lle s
g la ub en, wa s ma n im
In te rn et f indet.
9 – 1 2 J a h re
Ic h b estimme
mit meinem K ind,
a b we lchem Alte r
e s e in Mo bilte lefo n
besitz en d arf.
E s d arf im
In te rn et s urfe n,
ic h bestimme
o b alle ine o der
in Be gle itu ng.
Ic h b estimme mit
ih m d ie Z eitd au er,
d ie e s vo r dem
Bild sc h irm
ve rbrin gen d arf.
Ic h s pre ch e mit
ih m üb er d as,
wa ses d ort s ieht
und tu t.
Ic h e rin nere
e s an die d re i
In te rn et-P rinzip ien.
A b 1 2 J a h re
Me in K ind s urft
a lle ine im In tern et,
a b er ic h b estimme
mit ih m die
e in zu halte nd en
Z eitf enste r.
W ir s pre ch en
mite inan d er ü ber
Do wnload , P lagia te ,
P o rn ogra phie
u nd alle Forme n
vo nMo bbin g
und Be lästig ung.
Na ch ts sch alte n
wir WLAN u nd
Mo bilte lefo ne a us.
Ic h we igere mic h,
s e in „F re und “
in so zia le n
Ne tzwe rke n z u s ein .
, In halt e im mer d em A lt e r a n p asse n
In je dem A lt e r d ie P ro gra m me
g em ein sa m w äh le n, d ie Z eit v o r d em
B ild sc h ir m b esc h rä n ke n, d ie K in d er a n sp orn e n,
ü b er w as s ie s e he n u nd t u n z u s p re ch e n,
i h re e ig ene n K re atio ne n f ö rd ern .
3 6 9 12 – —
9Kinderdd sndtddeula
9Kinder stulagmBrn
12
dere kein Mobiltelefon während den Mahlzei-
ten und nachts. In jedem Zimmer ein Wecker!
9-12-jährig: Sich selbst und seine
Datenaustausche schützen
Ermutigen wir das Kind, seine der Unterhal –
tung gewidmete Bildschirmzeit, die progressiv
von einer auf zwei Stunden verlängert wird,
mit Hilfe eines «Bildschirm-Tagebuches»
selbst zu regeln. Reden wir auch mit ihm dar-
über, was es am Bildschirm sieht und tut. Er –
klären wir ihm die 3 Internetregeln:
• Alles was man dorthin gibt, kann allgemein
zugänglich werden;
• Alles was man dorthin gibt, bleibt für ewig
dort;
• Nicht unbedingt alles glauben, was man
dort findet.
Nach 12 Jahren: Verfügbar bleiben
Das Kind sucht zunehmend Bezugs- und Ori –
entierungspunkte ausserhalb der Familie,
braucht aber immer noch die liebevolle Auf –
merksamkeit seiner Eltern, auch wenn es alles
unternimmt, um das Gegenteil glauben zu
machen!
Mobiltelefon: Regeln in jedem Alter
Mehrere Studien deuten darauf hin, dass sich
das B enut zen von So cial M e dia dur ch Jugend –
liche eher günstig auswirkt
11 ). Es stärkt das
Gefühl der Verbundenheit mit seinen Kamera –
den
12 ), mindert die Empfindung der Isoliert –
heit13 ) und festigt bestehende Freundschaf –
ten. Die pathologische Verwendung
entspräche einer Flucht vor einer realen Situ –
ation, die als unüberwindbar erlebt wird
14 ). In
diesen Situationen hat eine erzwungene Ver –
kürzung der Bildschirmzeit wenige Erfolgs –
chancen. Wichtig ist es, das zugrundeliegende
Problem zu verstehen.
Empfehlen wir jedoch den Eltern vorsichtiger –
weise, den Kauf eines Mobiltelefons für ihr
Kind möglichst lange hinauszuziehen, Geräte
mit beschränkten Funktionen vorzuziehen –
Klapphandy ohne Internetzugang noch Touch –
screen – und eine App zu installieren, welche
die verfügbare Zeit beschränkt. Empfehlen wir
den Eltern auch, die Kommunikation mit ihren
Kindern dem Gebrauch ihres eigenen Handys
vorzuziehen ! Im Jahr 2017 fanden in Frank –
reich 26% der 12-14-Jährigen, dass ihre Eltern
zu häufig ihr Telefon benutzen
15 ). Was würden
wohl 1- o der 2- jähr ige K inder s agen, wenn sie
sprechen könnten? Regeln zum sinnvollen
Gebrauch des Mobiltelefons sind nur wirk –
sam, wenn die Eltern mit dem guten Beispiel
vorangehen. Fordern wir sie deshalb auf, ihre
eigenen digitalen Geräte gezielt, für präzise
Tätigkeiten zu verwenden, und nicht aus Lan –
geweile, und nicht vor B ildschir men zu es sen.
Zusammenfassend
Kinderärzte sollten es sich zur Gewohnheit
machen, mit Eltern darüber zu sprechen,
welchen Stellenwert Bildschirme in der Fami –
lie einnehmen. Der physische Platz als er s tes :
Wo sind sie, hat das K ind f r eien Zugang da zu ?
Dann der Stellenwert in der Zeiteinteilung: W ie
viel Zeit verbringt das Kind vor Bildschirmen?
Und schliesslich der Platz im Familienleben:
Wird ohne Fernsehen, Handy oder Smartpho –
ne zu Abend gegessen und so eine gesellige
Stimmung geschaffen?
Dies wird einigen weiterhelfen, leider nicht
allen. Wenn in gew is sen Haushalten der Fer n –
seher dauernd läuft, wurde er nicht für das
Kind eingeschaltet. Es ist für die Erwachsenen
ein Mittel, ihre tagtäglichen Schwierigkeiten
zu vergessen, den Leidensdruck am Arbeits –
platz, die Einsamkeit zuhause und die Sorgen
des Monatsendes. Das Kind ist dabei ein
Kollateralschaden. Versuchen wir es dennoch.
Wenn wir unbeachtet lassen, dass Bildschir –
me ab Geburt ein gesundheitspolitisches
Problem sind, laufen wir Gefahr, viel schwer –
wiegendere, später wesentlich schwerer an –
zugehende Probleme aufkommen zu lassen.
Der Kampf für die Babys von heute ist ein
Kampf für die Gesellschaft von morgen.
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nels du soin, de la prévention, et de chercheurs
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20 et le 30 juillet 2017 sur un échantillon de 201
français âgés de 12 à 14 ans. Edition 2017: focus
sur les 12-14 ans.
Korrespondenzadresse
serge.tisseron @gmail.com
Der Autor hat keine finanzielle Unterstützung und keine
anderen Interessenskonflikte im Zusammenhang mit
diesem Beitrag deklariert.
9Kinderdd sndtddeula
9Kinder stulagmBrn
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Serge Tisseron