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Hypnose in der kinderärztlichen Sprechstunde

Die natürliche Trance ist ein Bewusstseinszustand, der den Kindern ermöglicht, auf die eigene Erfahrungswelt und zur Verfügung stehende Ressourcen zurückzugreifen.

Einleitung

Meist suchen Kinder und Jugendliche die pädiatrische Sprechstunde zur Behandlung verschiedener medizinischer oder chirurgischer Erkrankungen auf, für die uns die moderne Medizin wirksame Medikamente und Interventionen zu Verfügung stellt. Mehr und mehr kommen jedoch in der pädiatrischen Praxis Themen wie Prüfungsängste, fehlendes Selbstvertrauen, Stresssituationen oder funktionelle Beschwerden zur Sprache und unsere Patientinnen und Patienten beziehungsweise ihre Eltern wünschen sich eine Verbesserung ihrer Handlungsfähigkeit, um selbstwirksam die vielfältigen Herausforderungen des Lebensalltages zu meistern. Hier kommen die klassischen und erfolgreichen pädiatrisch-therapeutischen Möglichkeiten nicht selten an ihre Grenzen. In diesem Kontext möchte ich die Verwendung der Hypnose als erweiterte ärztliche Handlungsoption vorstellen und fragen, inwiefern diese in der täglichen Kinderarztpraxisarbeit hilfreich sein kann.

Kinder und Jugendliche bringen ihre natürliche Trancefähigkeit mit in den Erfahrungsraum der pädiatrischen Praxis. Hier stehen sie spezifischen Herausforderungen im Kontext von medizinischen Interventionen gegenüber. Wie können sie dabei unterstützt werden, existierende Trancefähigkeiten gewinnbringend einzusetzen? Welche Strategien erlauben es der Praxispädiaterin natürliche Trance zu nutzen? Wie gelingt es, dass die pädiatrische Praxis als sicherer Erfahrungsraum wahrgenommen wird, wo neuartige Erlebnisse zu vermehrter Autonomie und Selbstwirksamkeit führen?

Die natürliche Trance ist ein Bewusstseinszustand, der den Kindern ermöglicht, auf die eigene Erfahrungswelt und zur Verfügung stehende Ressourcen zurückzugreifen. Kinder tauchen in ihre Erfahrungswelt ein, um durch Imaginieren verschiedene Verhaltensoptionen durchzuspielen, die sich als nützlich erweisen könnten 1). Damit hat die natürliche Trance, wie sie im medizinischen Kontext zu beobachten ist, die Bedeutung einer Selbsthilfestrategie, von der Kinder immer dann Gebrauch machen, wenn sie neuartigen und potentiell unangenehmen Erfahrungen exponiert sind. Sie kann als spontaner und unbewusster Versuch des Kindes verstanden werden, Erfahrungen zuerst einzuordnen, um dann die Teilbereiche der Selbstregulationsfähigkeit (kognitiv, affektiv / emotional, physiologisch, Verhalten) abzugleichen 2). Während der Trance ist die Aufmerksamkeit so fokussiert, dass Absorption, Dissoziation und/oder Assoziation auftreten. Diese Merkmale sind deckungsgleich mit denjenigen der therapeutischen induzierten Trance. In der pädiatrischen Praxis bieten sich spontane Trancezustände, während deren Kinder aufmerksam hinhören und rezeptiv für Suggestionen sind, als Gelegenheit für den Einsatz von zielgerichteten hypnotischen Interventionen. Diese werden im folgenden Text hypnotische Kurzinterventionen genannt und detailliert besprochen. Die Einführung des entsprechenden Begriffs erlaubt es, hypnotische Kurzinterventionen von formalen hypnotherapeutischen Konsultationen zu unterscheiden.

Weiter zeigen Kinder während eines Arztbesuches oft Verhaltensstrategien, die als spontane Selbsthypnosefertigkeiten zu interpretieren sind 2). Intensives orales Erkunden einer Spielrassel, vertieftes sequentielles oder symbolisches Spiel mit dem Puppenhaus im Sprechzimmer, konzentriertes Zeichnen während einer Vorsorgeuntersuchung oder Eintauchen ins Game des Smartphones stehen exemplarisch für natürliche Selbsthypnosefähigkeiten. Kinder können dabei geschult werden, bereits existierende Selbsthypnosefähigkeiten als Ressourcen im Kontext von medizinischen Interventionen und als hilfreiche therapeutische Strategien gegen Krankheiten einzusetzen.

Therapeutische Trancearbeit, von der in der hypnotherapeutischen Sprechstunde Gebrauch gemacht wird, adressiert verschiedenste Krankheitsentitäten. Eine fundierte Ausbildung in Hypnotherapie ist eine Grundvoraussetzung, um hypnotherapeutische Sprechstunden anbieten zu können.

Der initiale Schritt, um Hypnose in der pädiatrischen Praxis hilfreich einzusetzen und zu nutzen, ist das Erkennen spontaner Trancezustände, wann immer sie während der ärztlichen Konsultation auftreten. Diese können dann als Momente natürlicher Trance genutzt werden.

Im Folgenden wird zunächst kurz auf die Geschichte der pädiatrischen Hypnose, die Definition der Hypnose und deren neurobiologischen Grundlagen eingegangen. Im Hauptteil werden die hypnotische Sprache, die hypnotische Kurzintervention und die Hypnotherapie im Bezugsrahmen einer pädiatrischen Praxis vorgestellt. Abschliessend werden wichtige Voraussetzungen für das Gelingen der Hypnose und Ausbildungsmöglichkeiten benannt.

Geschichte der Hypnose

Rituelle Trancen (lat. transire hinübergehen, überschreiten), die durch rhythmische Bewegungen, Tänze, Musik, Gesang und meditative Übungen induziert werden, haben eine lange Tradition in alten und modernen Zivilisationen. Auch Kinder partizipierten in diesen Kultzeremonien, insbesondere im Rahmen von Initiationsriten.

Welche namhaften europäischen Ärzte die Entwicklung der Hypnose im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts prägten, wird durch Kohen und Olness 1) detailliert beschrieben, während Meilensteine der pädiatrischen Hypnose inhaltlich umfassend durch Kohen und Kaiser 3) dargestellt werden. Mitte des 20. Jahrhunderts verlieh Milton Erickson, Gründer der ressourcenorientierten Hypnotherapie, der pädiatrischen Hypnose einen ersten Auftrieb. Erickson legte ein besonderes Augenmerk auf die natürlichen Trancefähigkeiten von Kindern und wies auf deren Aktivierungsmöglichkeit und das innewohnende Ressourcenpotential hin. Seit den 1970er Jahren wuchs das Interesse an der pädiatrischen Hypnose in den USA kontinuierlich. Die Stanford Children’s Hypnotic Susceptibility Scale, die hypnotische Empfänglichkeit von Kinder misst, wurde entwickelt. Die Zahl wissenschaftlicher Publikationen stieg kontinuierlich an. Karen Olness implementierte die pädiatrische Hypnose im klinischen Alltag und erforschte deren klinische Anwendung. Sie wird heute als Mutter der pädiatrischen Hypnose bezeichnet 3). Daniel Kohen ist ein weiterer hervorragender Pionier. Er ist heute zusammen mit Pamela Kaiser, einer international ausgezeichneten Hypnoseexpertin zu kindlichen Ängsten, Co-Direktor des National Pediatric Hypnosis Training Institute (NPHTI). Sein Lehrbuch der pädiatrischen Hypnose, in Zusammenarbeit mit Co-Autorin K. Olness, gilt heute als Standardwerk 1). Die Kanadierin Leora Kuttner, Buchautorin 4) und Filmemacherin, machte sich mit ihren Beiträgen zur Entwicklung effizienter hypnotischer Techniken gegen akute und chronische Schmerzen ebenfalls sehr verdient um die pädiatrische Hypnose.

Welchen Stellenwert hat die pädiatrische Hypnose heute in Europa und der Schweiz? Die Niederlande spielen eine Vorreiterrolle bei der landesweiten Implementierung der Hypnose. Dort wird Hypnose etwa als Erstlinientherapie für die Behandlung von funktionellen Bauchschmerzen angewendet. Vlieger’s Gruppe in Utrecht zeigte in einer Doppelblindstudie, dass Darm-gerichtete Hypnotherapie im Vergleich zur Standardtherapie in der Reduktion von Schmerzhäufigkeit und Schmerzintensität äusserst effektiv ist. Untersucht wurden Patienten zwischen 8-18 Jahre mit funktionellen Bauchschmerzen oder Irritable Bowel Syndrome. Der Therapieerfolg war nach einem Jahr anhaltend (85% in der Hypnotherapie- im Vergleich zu 25% in der Standarttherapie-Gruppe) 5). In der Deutschschweiz erkannten Susy Signer-Fischer, Kinder- und Jugendpsychologin und der Praxispädiater Thomas Gysin (1936-2018) frühzeitig die breite therapeutische Anwendbarkeit der Hypnose im pädiatrischen Kontext. Der zweite Teil ihres Buches Der kleine Lederbeutel mit allem drin: Hypnose mit Kindern und Jugendlichen 6) ist der Hypnose in der kinderärztlichen Praxis gewidmet. Heute erfreut sich die Hypnose in der Praxispädiatrie wachsender Beliebtheit, weil ihr Stellenwert als erweiternde oder ergänzende Methode zur konventionellen Medizin anerkannt wird. Parallel zu dieser Entwicklung wird Hypnose auch vermehrt im Spitalkontext genutzt. Zu erwähnen ist, dass das Universitätsspital Genf unter der Leitung von Drs. Claire-Anne Sigrist und Adriana Wolff seit 2017 begonnen hat, mittels eines einzigartigen, flächendeckenden Programms das medizinische Personal in Hypnose auszubilden.

Definition

Es existiert weder eine universell gültige noch wissenschaftlich validierte Definition der Hypnose. Charakteristische Elemente der Hypnose sind passagere Einengung der Aufmerksamkeit, gesteigerte Konzentration, mentale Entspannung, veränderte Wahrnehmung, die Absenz des kritisch- analytischen Denkens und die Fähigkeit zur Suggestionsaufnahme.
Kohen und Olness 1) definieren Hypnose und hypnotische Erfahrungen aus einer klinischen Perspektive heraus wie folgt:

Hypnose ist ein spontan eintretender oder induzierter alternativer Bewusstseinszustand (mit oder ohne Entspannung, die offensichtlich oder nicht offensichtlich ist), in welchem ein Individuum eine fokussierte Konzentration auf eine Idee oder ein Bild entwickelt, mit dem ausdrücklichen Zweck der Maximierung des Leistungsvermögens, der Erzeugung einer Veränderung und/oder Reduzierung oder Lösung eines Problems.

Ihre Definition betont ausdrücklich, dass das Individuum alleiniger kompetenter Besitzer von Ressourcen ist. Hypnose unterstützt damit den Besitzer dieser Ressourcen in der erneuten Entdeckung jenes Lösungspotentials, welches seinen Ressourcen innewohnt und dieses so auszurichten, dass Erfahrungen von Gelingen und Selbstwirksamkeit eintreten.
Revenstorf 7) bezeichnet Hypnotherapie als:

Ein psychotherapeutisches Verfahren, das hypnotische Trance als einen veränderten Bewusstseinszustand dazu nutzt, Verhaltensveränderungen zu ermöglichen, gedankliche Strukturen neu zu knüpfen, unproduktive Einstellungen und Haltungen zu korrigieren, affektive Muster zu verändern (minimieren, verstärken, neu konditionieren), emotionale Ereignisse und Empfindungen zu rekonstruieren und physiologische/biochemische Veränderungen für Heilungsprozesse zu fördern.

Er beschreibt, dass die Hypnotherapie kognitive, emotionale, verhaltensmässige und physiologische Inhalte anspricht.

Neurobiologische Grundlagen

Es ist bewiesen, dass Hypnose nicht identisch mit Schlaf ist. EEG-Ableitungen unter Hypnose zeigen, dass für den entspannten Wachzustand der Hypnose mehrheitlich kurzamplitudige Alpha-Wellen der Gehirnaktivität charakteristisch sind, während langwellige Delta- und Theta-Wellen mit niedrigen Amplituden für den Schlaf typisch sind 8).

Die Tranceforschung beschäftigte sich lange mit der Frage, ob ein hypnotischer Zustand und die Reaktionen auf hypnotische Suggestionen nur einem kurzfristigen, subjektiven Erleben entsprechen oder ob ihnen neuronale Mechanismen und plastische Veränderungen des Gehirns zu Grunde liegen. Der Gebrauch moderner, dynamischer Bildgebungsverfahren des Gehirns, wie die funktionelle Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRI) und Positronen-Emissions-Tomographie (PET) führten zu einem grossen Durchbruch in der Darstellung der kortikalen Neuroplastizität, die während der Hypnose stattfindet. Beispielsweise führte die hypnotische Suggestion, eine graue Grafik farbig wahrzunehmen, zu einer bilateral signifikant erhöhten Aktivität im Gyrus fusiformis und in zwei Kernen des anterioren cingulären Kortex 8).

Suggestionen, die zur Modulation von Schmerzintensität und Schmerzunannehmlichkeit angeboten werden, bewirken spezifische Veränderungen des zerebralen Blutflusses im primär somatosensorischen Kortex und des anterioren cingulären Kortex 9). Diese und andere Resultate der kognitiven Neurowissenschaften und der funktionellen Hirnuntersuchungen belegen, dass während der Hypnose in definierten Regionen spezifische neurophysiologische Prozesse stattfinden.

Hypnotische Sprache

Sobald Kinderärzte hypnotische Elemente gewinnbringend für ihre Patienten einsetzen, verändert sich ihr Sprachbewusstsein, weil sie merken welche Sprachelemente effektiv und effizient sind, um Kindern und Jugendlichen Kooperationsoptionen zu eröffnen. Sie erfassen die Bedeutung, die der Sprache als therapeutisches Instrument und hypnotisches Schlüsselelement zukommt. Ihre Sensibilität für Sprache wächst stetig. Sie verändern Sprachmuster, so dass potentiell verletzende oder negative Begriffe durch aufbauende, entwicklungsinduzierende und –fördernde Formulierungen ersetzt werden.

Der Nutzung einer zielorientierten, achtsamen Sprache, die positive, auf Können („Mastery“) orientierte Suggestionen vermittelt, spielt eine entscheidende Rolle. Die Sprache fokussiert auf individuelle Ziele wie die Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeit, des Wohlbefindens und der Gesundheit sowie der Resilienz 10).
Dieses Set an sprachlichen Fertigkeiten stellt einladende Kommunikationsangebote bereit, um Kindern und Jugendlichen das Zurückgreifen auf eigene Erfahrungsressourcen zu ermöglichen, so dass sie diese zwecks therapeutischer Veränderungen nutzen können 11). Die verbale Sprache ist durch Wortwahl, Geschwindigkeit und Prosodie ebenso permissiv und einladend, wie die nonverbale Sprache durch Mimik, Gestik und Verhalten. Diese Art der Kommunikation ist vertrauensbildend und kooperationsfördernd. Botschaften wie „ich werde nicht überrascht sein, wenn du …“, vermitteln Hoffnung. Sie evozieren positive Erwartungen und führen Zukunftsorientierung ein. Die Leichtigkeit, mit welcher schnell Veränderungen eintreten, wird durch Konnotationen wie „vielleicht hast du bereits bemerkt, wie sich der Atem verändert hat“ oder „ist es nicht wunderbar, wie einfach und leicht es dir gelingt …“ begleitet und absichtlich verstärkt. Wie-Fragen, zum Beispiel „wie machst du das“ und „wie weisst Du, dass …“ signalisieren dem Kind Interesse für seine Art des Handelns. Sie ermuntern das Kind, eigene Strategien zu reflektieren und explorieren.

Das hypnotische Sprachrepertoire verzichtet mit Absicht auf Sätze, die negative Suggestionen wie „die Infusion wird nur ein wenig brennen“ beinhalten, oder als solche verstanden werden können wie „du musst keine Angst haben“. Es spricht Situationen von Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit an, um auf Handlungsoptionen wie „ich werde dir zeigen, wie du mithelfen kannst, dir selbst zu helfen. Du kannst dabei wichtige Aufgaben übernehmen“ hinzuweisen. Schmerz-besetzte Worte werden mit Bezeichnungen wie Weh, Unwohlsein, Unannehmlichkeit ersetzt. Eine Attacke (z.B. Panikattacke) wird in Episode umbenannt. Der Begriff Episode beinhaltet eine zeitliche Struktur von Anfang, Mitte und Ende. Die Wahl des neuen Wortes begünstigt einerseits eine veränderte Wahrnehmung der bisher gemachten Erfahrungen, andererseits teilt sie mit, dass gelernt werden kann, mit einer Episode klar zu kommen. Unpersönliche, inadäquate Ausdrücke, die den Patienten auf seine Krankheit reduzieren und vorhandene Ressourcen ausblenden wie „Diabetiker oder Asthmatiker“ gehören der Vergangenheit an. Die Sprache wird als kraftvolles Therapeutikum eingesetzt, um Botschaften der Ich-Stärkung („es ist gut zu wissen, dass du dies genau richtig machst“), der Gelassenheit („es ist hilfreich zu wissen was passiert, jedoch nicht beeinträchtigt zu sein“), des Wohlbefindens („damit du dich wieder wohlfühlst, werde ich…“) und der Heilung („so wie ich das einschätze, ist das genau das richtige Medikament für dich“) zu transportieren. Selbstverständlich ist die Sprache dem Entwicklungsalter des Kindes angepasst. Sprache achtsam und präzise einzusetzen ist deshalb wichtig, weil Kinder in Trance besonders neugierig sind, genau hinhören und sehr empfänglich für Suggestionen sind. Hypnotische Sprache während der körperlichen Untersuchung zu nutzen, hilft den Kindern und Jugendlichen, sich körperlich und emotional wohler zu fühlen. Die Umschreibung, die eine Palpation begleitet „sage mir bitte, wenn es sich nicht angenehm anfühlt“ setzt das Angenehme der Untersuchung in den Fokus. Mit der Frage „welches Ohr soll ich zuerst untersuchen, das rechte oder linke?“ wird eine Wahlmöglichkeit angeboten.

Hypnotische Kurzintervention

Wie eingangs aufgeführt sind spontane Trancen täglich mehrfach in der pädiatrischen Praxis zu beobachten. Gerade, weil Kinder- und Jugendmediziner über eine präzise Beobachtungsgabe verfügen, haben sie körperliche Zeichen, die Kinder während spontaner Trance zeigen, schon oft wahrgenommen. Möglicherweise wurden sie aber nicht explizit als solche erkannt und zugeordnet. Körperliche Zeichen der Trance sind Blickfixation, Erschlaffung der Muskeln und Extremitäten, die wie ausser Kraft gesetzt oder eingefroren wirken. Die Atmung ist vertieft und verlangsamt. Für Kinder typisch ist die Wachtrance, während der das Spiel intensiviert wird und die Aufmerksamkeit ausschliesslich auf die aktuelle Aktivität fixiert wird. Kinder besitzen die Fähigkeit, in schnellen, sich ändernden Abfolgen in die Trance ein- und wieder auszutreten 4).

Kinder bringen individuelle Trancefähigkeiten mit in den Erfahrungsraum der pädiatrischen Praxis. Die spontane Trance wird im besten Fall mehrheitlich durch die Neuartigkeit der Situation und im schlechtesten Fall durch ungünstige Vorerfahrungen ausgelöst. Sie kann als Einladung verstanden werden, sich der Erfahrungswelt des Kindes anzuschliessen, um den Moment gesteigerter Suggestibilität aufzunehmen und ihn für eine hypnotische Kurzintervention zu nutzen. Basis für das Gelingen einer hypnotischen Kurzintervention ist, dass eine vertrauensvolle Beziehung, Rapport genannt, etabliert ist. Zusätzlich müssen hypnotische Kurzinterventionen die klinische Situation und die Entwicklungskompetenzen der Kinder berücksichtigen. Kinder- und Jugendmediziner sind oft erstaunt, wenn sie erkennen, dass sie dies unbewusst bereits im Alltag eingebaut haben, indem sie als pädiatrisch tätige Ärzte genuin dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche die Kinderarztpraxis als sicheren, geschützten Erfahrungsraum empfinden und entsprechend erleben.

Als hypnotische Kurzintervention gelten alle zweckmässigen, kindgerechten Vorgehensweisen, die durch Dissoziation hin zu Beruhigung und Entspannung führen. Bekannte visuell-auditive hypnotische Kurzinterventionen sind das Anbieten von Musikspieldosen oder eines Windrades während des Impfens. Kinästhetische hypnotische Kurzinterventionen wie rhythmisches Bewegungen (z.B. tröstendes Schaukeln des Kindes) oder synästhetische (z.B. beschützendes Halten und Singen während einer medizinischen Intervention) sind wertvoll, um Trance zu induzieren und dissoziativ zu wirken. Leise Geräusche wie Summen während der Ohruntersuchung wirken hypnotisch 12).
Verbale hypnotische Kurzinterventionen basieren auf Formulierungen, die passende Schnittstellen zwischen kindlicher Neugier und Sich-Einlassen auf eine neue unterstützte hypnotische Erfahrung schaffen 2). Sie richten sich an die Entdeckungsfreude, Begeisterungsfähigkeit und Lernbereitschaft der Kinder. Sie adressieren vier Themenbereiche: Meisterung von Entwicklungskompetenzen, positive Erwartungen, Verhaltensänderungen / Motivation und Selbstregulation 2). Botschaften wie „ich habe etwas Interessantes, etwas Anderes anzubieten und ich werde dich lehren und dir zeigen was ich weiss. Kennst du den Schmerzschalter schon?“ evozieren Neugier weil sie auf Unbekanntes hinweisen 13). Zusätzlich laden sie ein, Teilnehmer eines Bündnisses zu werden.

Als verbale hypnotische Kurzintervention zur Reduktion von Stress und Steigerung des Wohlbefindens anerbietet sich „Weißt du, wie du dir während dieser Untersuchung helfen kannst? Lass mich dir zeigen, wie du ruhiger wirst. Du darfst dreimal ruhig atmen und ruhig werden. – Ausgezeichnet wie du das machst. Du hast eine wichtige Arbeit zu machen, weil du deinem Körper hilfst, sich besser zu fühlen». Solche verbalen hypnotischen Kurzinterventionen ermuntern Kinder Dinge zu tun, von denen sie vorher nicht wussten, dass es Strategien sind, die ihnen helfen, selbstwirksam medizinische Situationen zu beeinflussen und diese als Erfolg zu erleben.

Folgende hypnotische Kurzintervention ist, in Kombination mit einer adäquaten medikamentösen Analgesie, für akute Schmerzsituationen besonders empfehlenswert, weil sie augenblicklich eine zeitliche, örtliche und situative Dissoziation erlaubt: „Du siehst so aus, als ob du lieber nicht hier sein möchtest? – Ist das korrekt? – Wo möchtest du viel lieber sein als hier? – Gut so. Dann lade ich dich ein dir vorzustellen an dem Ort zu sein, wo du deiner Lieblingstätigkeit nachgehst oder…“ 2) 12) Die Selbstwahrnehmung und die Kraft der Gedanken können durch folgende hypnotische Kurzinterventionen verstärkt werden: „Es ist schon erstaunlich, was der Geist für den Körper tun kann. Ist es nicht interessant zu bemerken, dass bereits, wenn du intensiv daran denkst über die schmerzhafte Stelle zu reiben, Veränderung eintritt und die Stelle sich besser anfühlt?“
Ein vom Kind gebildeter Vers ist eine hypnotische Kurzintervention, die zum Beispiel während einer Desensibilisierung hilfreich für die Ich-Stärkung und Mut-Entwicklung ist. Ein Beispiel dazu ist „easy-peasy ich hab Mut, easy-peasy es geht gut“.

Hypnotische Kurzinterventionen eignen sich auch für die Verabschiedung. Fragen wie „mal angenommen es ginge viel besser, wie würdest du das merken?“ oder „wie würdest du merken, dass der Husten schon wieder vorbei ist?“ bieten sich dazu an. Sie machen auf mögliche Veränderungen aufmerksam und schärfen die entsprechende Wahrnehmung. Dass Erlebtes aus hypnotischen Kurzinterventionen nützlich für zukünftige Erfahrungen in anderen Kontexten ist, kann wie folgt vermittelt werden: „jetzt, wo du weisst, wie Du dir selbst helfen kannst. um dich zu entspannen und …, kannst du deine Fähigkeiten in vielen anderen Lebenssituationen gebrauchen, z.B. für Prüfungen und…, und je häufiger du es machst, umso besser wirst du dabei sein“.

Hypnoanalgesie

Der magische Handschuh (Magic Glove), konzipiert von Leora Kuttner, ist eine schnelle, kinästhetische hypnotische Kurzintervention. Er eignet sich als vielseitig verwendbare, hypnotische Schmerzbewältigungstechnik, weil sie antizipatorische Angst und die Angst während der medizinischen Intervention abzubauen hilft. Zusätzlich wird die Schmerzempfindung reduziert. Durch fokussierte Aufmerksamkeit wird die Vorstellungskraft des Kindes so genutzt, dass eine verminderte Empfindung oder eine Gefühlslosigkeit im Anwendungsgebiet des magischen Handschuhs eintritt. Dies unterstützt das Vertrauen des Kindes furchtbesetzte medizinische Interventionen selbstbestimmt zu meistern. Dabei werden Selbstregulationsfähigkeiten und das Selbstvertrauen des Kindes nachhaltig gestärkt. Für die erfolgreiche Anwendung des magischen Handschuhs sind das Vertrauen des Kindes in die Schmerzmanagementtechnik und eine positive Erwartungshaltung unabdingbar. Der magische Handschuh eignet sich für Kinder im Alter von 3-12 Jahren. Seine Verwendung wird für Blutentnahme, intravenöse Zugänge, Anstechen von Port-a-Cath und Nähen von Wunden empfohlen. Auf YouTube findet sich ein passendes Instruktionsvideo.
(www.youtube.com/watch?v=cyApK8Z_SQQ)

Hypnotherapeutische Sprechstunde

Die hypnotherapeutische Sprechstunde ist eine Plattform, wo Probleme, wie z.B. Enuresis, Nadelphobie oder funktionelle Bauchschmerzen mit genügend Zeit angegangen werden können. Es ist für die Kinder und die Kinderärztin attraktiv in einem partnerschaftlichen, kreativen Gesprächs- und Kooperationsprozess gemeinsam massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Die Ankündigung „Lass uns gemeinsam darüber nachdenken, welche Fähigkeiten du lernen möchtest, um die Schwierigkeit hinter dir zu lassen“ verdeutlicht dies. Diese Einleitung lädt Kinder dazu ein, sich am Prozess zu beteiligen. Sie signalisiert die Bereitschaft zur respektvollen Zusammenarbeit. Ausserdem macht sie klar, dass die Perspektiven der Kinder angehört, reflektiert und einbezogen werden. So wird der Aufbau eines vertrauensvollen Rapports gefördert, welcher die Basis einer erfolgreichen therapeutischen Arbeit bildet.

Der ersten Konsultation kommt eine grosse Bedeutung zu. Es lohnt sich deshalb genügend Zeit zu reservieren, benötigt werden 60-90 Minuten. Die erste Begegnung findet mit dem Kind / Jugendlichen und seiner Familie statt. Eine detaillierte, ressourcenorientierte und medizinische Anamnese aufzunehmen ist wichtig. Einladungen wie „erzähle mir von etwas, was du in deinem Leben machst und dabei ganz absorbiert bist, weil es dir so viel Freude macht, dass du das Gefühl für die Zeit verlierst“ ermöglichen die systematische Erkundung von Interessen, Vorlieben und Stärken 2) 12). Informationen zu Diagnostik, Therapie und involvierten Fachpersonen müssen erfasst werden. Genaues Hinhören und Beobachten sind Schlüssel, um das Auftreten natürlicher Trance zu erkennen. Was immer das Kind mitbringt, sagt oder tut ist relevant. Wichtig ist dabei die Erstellung von präzisen Notizen, z.B. Festhalten wortgetreuer Formulierungen 2). Die Kind-spezifischen Charakteristika werden später für die Einleitung und den Prozess der therapeutischen Trance verwendet 1). Es muss sichergestellt werden, dass alle Beteiligten gehört werden.

Hypnotherapie ist eine Vorwärtsstrategie. Ein positiv formuliertes Ziel, das meist die Verbesserung der Selbstregulation und der Autonomie beinhaltet, wird definiert. So werden Entwicklungsstand, Bedürfnisse, Ressourcen und Interessen des Kindes berücksichtigt 2).

Wie Elemente der Spontantrance genutzt werden, um definierte Ziele zu erreichen, wird mit den folgenden Fallvignetten skizziert.

  • Ziel: Meistern einer venösen Blutentnahme
    Ein 11-jähriges Mädchen mit einer chronischen Krankheit wünschte sich nichts mehr, als die regelmässig stattfindenden, venösen Blutentnahmen statt weinend und schreiend ruhig meistern zu können. Während der Beschreibung früherer Blutentnahmen befand sie sich in einer angstbesetzten, negativen Trance. Auf ihre Lieblingsaktivitäten angesprochen, begann sie zu lächeln und glitt während des Erzählens von Meerjungfrauen, Tanzen und Theaterspielen in eine positive Trance. Dabei bedeckte sie ihre Ellenbeugen stets schützend mit den Händen.
    Die Faszination für Meerjungfrauen, Tanzen und Theaterspielen bot sich als Ressourcenelement für die Entwicklung einer Geschichte an. In therapeutischer Trance wurde dem Mädchen die Geschichte einer Meerjungfrau erzählt, die zu einem Ball ins Königsschloss eingeladen war, sich jedoch nicht traute hinzugehen. Als sie unschlüssig im seichten Wasser liegend zum Strand blickte, entdeckte sie entzückende, zauberhafte Ballhandschuhe, die sie schnell bis über die Ellenbeugen hochzog. Die Ballhandschuhe überzogen Arme und Ellenbeugen mit einer wohltuenden, angenehmen Schutzschicht. Sie verliehen der Meerjungfrau so viel Mut, dass sie sich getraute am Ball teilzunehmen und dort zu tanzen. Die Ballgäste feierten die Schönheit, den Mut und das elegante Tanzen der Meerjungfrau. Jedes Mal, wenn die Meerjungfrau später die Ellenbeugen berührte, spürte sie darüber die stärkende Schutzschicht und den wachsenden Mut. In weiteren Konsultationen wurde eine graduelle Desensibilisierung angeboten. Die Blutentnahmen wurden zuerst imaginär, schrittweise durchgespielt. Später traute sich das Mädchen, das für die Blutentnahme notwendige Material zu berühren. Abschliessend nahm sie an einem imaginären Casting für einen Film teil. Gesucht wurde eine überzeugende, kompetente Schauspielerin, die Kindern erklärt und demonstriert, wie bei ihr einfach und schnell eine Blutentnahme gemacht wird.
  • Ziel: Genügend Schlaf
    Ein 15jähriger Jugendlicher, der zu später Zeit Hausaufgaben erledigte und mit seinen Peers kommunizierte, hatte festgestellt, dass er mehr Schlafzeit benötigte. Emotionale Anspannung behinderte das Einschlafen. Es war ihm nicht möglich innere Spannung abzubauen. Wenn er über Partys mit seinen Freunden und sein Skateboard erzählte, stellte sich Trance ein. Er ahmte diese Lieblingsaktivität mit rhythmischen Körperbewegungen nach. Während der therapeutischen Trance bot sich ihm der Schlaf als vertrauensvoller Freund an, der ihm beibrachte, Spannungen in kleinen Fortschritten wie Bläschen einer Cola loszulassen. Anschliessend lud der Freund ihn zum Skateboarden ein. Zusammen fuhren sie als Meister ihrer Boards einen Hang hinunter und tauchten vom hellen Tageslicht in die verheissungsvolle Ruhe des Traumlands ein.
    Die Konsultation wurde mit einer Sprachaufnahme aufgezeichnet, damit der Jugendliche zu Hause täglich Selbsthypnose üben konnte.
  • Ziel: Wohlgefühl im Bauch
    Ein 8jähriges Mädchen, mit offenen Augen in Trance, beschrieb, dass sich die Bauchschmerzen anfühlen würden, als ob ein Mann mit langem Bart sie kitzeln würde. Sie würde wohl überreagieren. Dieser spezifische Moment bot sich an, um sich dem Konstrukt des Mädchens anzuschliessen. Das Mädchen wurde dabei unterstützt, als Chefin des Körpers mit dem Mann mit langem Bart Kontakt aufzunehmen, um ihm klare Verhaltensinstruktionen zu geben, so dass sich mehr und mehr ein wohliges Gefühl im Bauch ausbreiten konnte.
    Dem Mädchen gelang es, die neue Erfahrung, die sie in einer einzigen hypnotherapeutischen Sprechstunde gemacht hatte, gekonnt und zielführend einzusetzen.

Das Angebot einer hypnotherapeutischen Sprechstunde ist eine substantielle Erweiterung des therapeutischen Spektrums in der pädiatrischen Praxis. Zeitgerecht und niederschwellig können kreative Lösungen für ein breitgefächertes Anwendungsgebiet wie akute, chronische und rekurrierende Schmerzen, Spannungskopfschmerzen und Migräne, rekurrierende Bauchschmerzen, irritable bowel syndrome, Enuresis, Enkopresis, Schlafschwierigkeiten, psychosomatische Krankheiten, Verhaltensauffälligkeiten wie Ängste und Anpassungsstörungen, Lernschwierigkeiten, Tics sowie andere emotional- und stressbedingte Symptome entwickelt werden 3).

Es gilt zu betonen, dass in der hypnotherapeutischen Sprechstunde ausschliesslich Krankheitsbilder adressiert werden, die im fachlichen Kompetenzbereich der betreffenden Pädiaterin liegen. Persönliche und therapeutische Grenzen müssen erkannt werden, um dann folgerichtig zu handeln. Komplexe psychiatrische Erkrankungen, z.B. Angsterkrankung, Depression oder Anorexie sind an die entsprechenden Fachpersonen zu überweisen. Kontraindikationen für die Anwendung von Hypnose sind das Risiko der Aggravation emotionaler Probleme, die Behandlung psychotischer oder emotional labiler Patienten sowie der Gebrauch medizinischer Hypnose zu Unterhaltungszwecken.

Rahmenbedingungen

Verschiedenste Bedingungen bestimmen, ob Hypnose angenommen und zum anvisierten Ziel führen wird. Mythen, die sich um die Hypnose ranken, sind vor Beginn der Therapie zu klären. Kind und Eltern müssen wissen, dass Hypnose nichts mit Kontrolle des Verstandes, Gedankenlesen oder Magie zu tun hat. Sie sollen Gewissheit haben, dass Bühnenhypnose und medizinische Hypnose sich klar unterscheiden, weil sich die letztere respektvoll in den Dienst des Patienten stellt, damit dieser seine eigenen, sehr persönlichen Ziele erreichen kann.

Nur wenn Kinder und Jugendliche offen und bereit für eine hypnotisch basierte Unterstützung sind, wird eine Veränderung eintreten, sonst wird nichts passieren. Sie sind es, die den Lösungsweg finden. Ihre Motivation spielt eine zentrale Rolle für das Erreichen des avisierten Ziels. Es braucht Durchhaltewillen und regelmässiges, selbstständiges Anwenden der neuen Fähigkeiten, genannt Selbsthypnose. Wie beim Trainieren von sportlichen Fähigkeiten oder dem Erlernen eines Instrumentes stellen sich so Erfolge ein. Es ist notwendig, dass die Eltern explizit oder implizit die Hypnose als gewählte Therapiemodalität gutheissen. Erst wenn das Kind um die elterliche Erlaubnis und Unterstützung weiss, wird es frei und selbstbestimmt gemachte hypnotische Erfahrungen umsetzen. Die elterliche Aussage „ich traue Dir zu, dass Du das schaffst“ stärkt das Kind in seinem Entwicklungsprozess. Von den Eltern wird eingefordert, dass sie nicht interferieren, wenn das Kind Selbsthypnose praktiziert. Die kindliche Eigenständigkeit gilt es zu respektieren und wertzuschätzen.

Die Kinderärztin versteht Kinder und Jugendliche als Teil eines Systems, weshalb es selbstverständlich ist, dass hypnosystemische Reflexionen im therapeutischen Prozess berücksichtigt werden. Wie die Ärztin die Patienten in ihrem Prozess unterstützt ist sehr wichtig. Ihr kommt zugute, wenn sie über eine grosse Palette von therapeutischen Methoden verfügt, um adaptiv und situationsgerecht während der Therapie reagieren zu können 15). Wie bei jeder ärztlichen Tätigkeit ist ein besonders sorgfältiger Umgang mit Macht und Beeinflussung zu pflegen 15). Es gilt zu respektieren mit welcher Geschwindigkeit das Kind neue Erfahrungen umzusetzen vermag. Eine iatrogene Steigerung des Tempos wirkt sich kontraproduktiv auf den therapeutischen Prozess aus. Es ist ausserdem lohnenswert, das Praxisteam zu schulen damit auch die medizinischen Praxisassistentinnen natürliche Trance erkennen, um den Kindern geeignete Suggestionen zur Verfügung stellen zu können. Es ist bedeutsam im Alltag als geeintes, interdisziplinäres Team, das sich dem Ziel der Steigerung des Wohlbefinden des Kindes in der pädiatrischen Praxis verschrieben hat, unterwegs zu sein. Dies wirkt sich positiv auf die Arbeitsqualität sowie die kindliche Wahrnehmung betreffend Sicherheit im Erfahrungsraum Kinderarztpraxis aus.

Ausbildung in Hypnose

Die Schweizerische Ärztegesellschaft für Hypnose (www.smsh.ch) bietet eine Ausbildung in medizinischer Hypnose an, die zur Erlangung des Fähigkeitsausweises führt. Die Ausbildung der Gesellschaft für klinische Hypnose (www.hypnos.ch) führt zur Zertifizierung. In der Schweiz gibt es noch kein spezifisch pädiatrisches Curriculum. Kinderärzte Schweiz (www.kinderaerzteschweiz.ch) offeriert Kurse in pädiatrischer Hypnose. Das National Pediatric Hypnosis Training Institute (www.nphti.org) in Minneapolis, USA, verfügt über ein exzellentes, pädiatrisches Training. Jährlich findet ein dreitätiger Workshop statt, der Vorlesungen in Kombination mit supervisierten praktischen Übungen beinhaltet. Im Milton Erickson Institut in Rottweil (D) gibt es ein Kindercurriculum (www.meg-rottweil.de). Die Kindertagung 2019 (cx-services.com/htx12/kita19.php) wird eine gute Plattform sein, um erste Eindrücke zum Thema Kinderhypnose zu sammeln.

Zusammenfassung

Hypnotische Kurzinterventionen und Hypnotherapie nutzen und wertschätzen natürliche Trance als Einstiegsmöglichkeit, um bestehende Ressourcen zu aktivieren, in den Vordergrund zu rücken und zu stärken. Die Imaginationsfähigkeit des Kindes wird aufgegriffen, um das Kind bei der Entwicklung eines neuen, situativ passenden Handlungs- und Verhaltensrepertoires mit verbesserter Selbstregulation zu unterstützen.
Kernstück der hypnotischen Kurzintervention und hypnotherapeutischen Sprechstunde ist die rezeptiv- und expressiv-hypnotische Sprache. Genaues Hinhören ist der Ausgangspunkt um sich der einzigartigen, individuellen Wahrnehmungswelt der Kinder und Jugendlichen anschliessen zu können. Die hypnotische Sprache knüpft an dieser Wahrnehmungswelt an und greift Ressourcen auf. Sie zeichnet sich durch Wertschätzung, Achtsamkeit und Vermittlung von Sicherheit und Hoffnung aus.

Hypnose ist eine kreative, kostengünstige und nebenwirkungsfreie Therapiemodalität, die sich zielführend für den klinischen Alltag der pädiatrischen Praxis anbietet. Sie kann alleine oder ergänzend zu einer medikamentösen Therapie erfolgreich zur Behandlung verschiedener Krankheitsbilder wie z.B. funktionelle Bauchschmerzen, akute und chronische Schmerzen, Ängste, Schlafschwierigkeiten, Enuresis, Tics, genutzt werden. Mit hypnotischer Kurzintervention und Hypnotherapie zu arbeiten ist deshalb gewinnbringend, weil sich der Erfahrungsraum Kinderarztpraxis nachhaltig verändert. Er wird von Kindern und Jugendlichen als sicherer, partnerschaftlicher Ort erlebt, wo sie neue Erfolgserfahrungen machen auf welche sie jederzeit zurückgreifen können. Die dazugewonnenen Fähigkeiten sind kontextuell übertragbar und damit letztlich nachhaltig.

Referenzen

  1. Kohen DP, Olness K. Hypnosis and Hypnotherapy with Children, 4th ed.; Routledge Publications; New York, NY, USA, 2011
  2. Pendergrast RA Jr. Incorporating Hypnosis into Pediatric Clinical Encounters. Children 2017, 4, 18
  3. Kohen DP, Kaiser P. Clinical Hypnosis with Children and Adolescents—What? Why? How? : Origins, Applications, and Efficacy. Children 2014;1:74-78
  4. Kuttner L. A. Child in Pain: What Health Professionals can do to help. 2010. Bethel. Crown House Publishing
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Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Die Autorin hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
Dr. med.  Camilla Ceppi Cozzio Kinder- und Jugendpraxis, Leepüntstrasse 5, 8600 Dübendorf