Empfehlung der Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie
Verfasst durch eine Arbeitsgruppe der Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie bestehend aus (in alphabetischer Reihenfolge) Romaine Arlettaz Mieth, Zürich; Laureline Barrielle Lausanne; Inga Hegemann, Zürich; Gabriel Konetzny, Aarau; Christoph Rüegger, Zürich.
Verantwortlicher Herausgeber; Christoph Rüegger Version 05/22
Die Erythrozyten-Transfusion (Ec-Transfusion)ist eine in neonatologischen Intensivstationen häufig durchgeführte Intervention, insbesondere, wenn sie als kleinvolumige «top-up» Transfusion zur wiederholten Korrektur von Anämien zum Einsatz kommt.1) Trotz dieser Häufigkeit sind die aus der Vergangenheit vorliegenden Daten zur neonatalen Ec-Transfusion auf Stufe der Spitallaboratorien und neonatologischen Abteilungen spärlich. Durch eine Reihe von kürzlich auf diesem Gebiet publizierten Studien und nationalen Richtlinien ergeben sich nun neue, evidenzbasierte Empfehlungen für die Vorbereitung, Indikation und Verabreichung von Ec-Transfusionen bei Neugeborenen, welche in dieser Guideline zusammengefasst werden.
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Erythrozyten -Transfusion bei Neugeborenen
Empfehlung der Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie
Verfasst durch eine Arbeitsgruppe der Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie bestehend aus (in
alphabetischer Reihenfolge) Romaine Arlettaz Mieth, Zürich; Laureline Barrielle Lausanne; Inga Hegemann, Zürich;
Gabriel Konetzny , Aarau; Christo ph Rüegger, Zürich.
Verantwortlicher Herausgeber; Christoph Rüegger Version 05 /22
1 Ein leitung
Die Erythro zyten -T ransfusion (Ec -Transfusion) ist eine in neonatologischen Intensivstationen häufig
durchgeführte Intervention, insbesondere, wenn sie als kleinvolumige «top-up» Transfusion zur
wiederholten Korrektur von Anämien zum Einsatz kommt.
1 Trotz dieser Häufigkeit sind die aus der
Vergangenheit vorliegenden Daten zur neonatalen Ec-Transfusion auf Stufe der Spitallaboratorien und
neonatologischen Abteilungen spärlich . Durch e ine Reihe von kürzlich auf diesem Gebiet publizierte n
Studien und nationalen Richtlinien ergeben sich nun neue, evidenzbasierte Empfehlungen für die
Vorbereitung, Indikation und Verabreichung von Ec-Transfusionen bei Neugeborenen , welche in dieser
Guideline zusammengefasst werden .
Die vorliegende Richtlinie für Neugeborene (bis zum 28. Lebenstag) basiert vorwiegend auf Studien,
welche bei sehr unreifen ( Engl.: very preterm [ < 32. Schwangerschaftswochen] ) oder sehr kleinen (Engl.:
very low birth weight - VLBW, [ <1.5 kg ]) Fr ühgeborenen durchgeführt wurden . Weil einige dieser Kinder
auch Transfusionen über 28 Lebenstage hinaus benötigen, schliesst die Richtlinie Neugeborene
jeglichen Gestations - und postnatalen Alters mit ein (ausser es wird etwas anderes festgehalten),
obwohl die wissenschaftliche Datenlage insbesondere für Termin geborene ungenügend ist. Im
Weiteren sind die Empfehlungen bei gewisse n seltenen Erkrankungen ( wie zum Beispiel bei
k ongenitale n Herzerkrankungen) oder Prozeduren wie d er extrakorporale n Membranoxygen ierung
nicht anwendbar.
2,3 Wie immer gilt, dass die individuellen Umstände des Patienten ein alternatives
Vorgehen nahelegen können.
Die se Richtlinie ist in drei Abschnitte gegliede rt: 1) Wie können Ec-Transfusionen bei Neugeborenen
verhinder t oder reduzier t werden, 2) welche Laborvorbereitungen sind vor der Gabe von
Erythrozytenkonzentraten erforderlich und 3) wann und wie sollen bei Neugeborenen Erythrozyten
transfundiert werden? Die diesen wichtigen Fragen zu Grunde liegende Literatur ist mit Hilfe von
3
MEDLINE sowie der COCHRANE Database gesichtet und ausgewertet worden. Desgleichen haben wir
Informationen wichtiger internationaler Guidelines mitberücksi chtigt. Z ur Festlegung des Evidenzgrades
und zur Bewertung der Stärke der Empfehlungen ist die Nomenklatur der « Recommendations
Assessment, Development und Evaluation » (GRADE) benützt worden . Die GRADE Kriterien finden sich
auf der nachfolgende n Internetsite : http://www.gradeworkinggroup.org/
.
2 Wie können wir Bluttransfusionen verhindern?
Es wird insbesondere bei Frühgeborenen empfohlen , Strategien zur Verminderung von Ec-
Transfusionen einzuführen .
4 Die Hauptursache von Blutarmut bei Frühgeborenen ist d ie iatrogen e
Anämie , bedingt durch wiederholte Blutentnahmen im Rahmen eines intensiven klinischen Monitorings
während den Wochen unmittelbar nach der Gebur t. Mögliche Ansatzpunkte zur Verringerung
iatrogener Blutverluste sind : weniger arterielle Katheter einlegen, Entnahmetechnike n bevorzugen, die
geringere Blutvo lumina erfordern, nicht invasive Methoden zur Blutgasüberwachung einsetzen sowie
Nabelschnurblut anstelle von direkt vom Kind gewonne nem Blut zum Screening von erythrozytären
Antikörpern und für Blutkulturen verwenden .
2.1 Spätabnabelung
Bei Termingeborenen gilt heute auf Grund von Studien mehr oder weniger als gesichert, dass ein
verzögertes Abnabeln (60 – 180 Sekunden) den Hämoglobingehalt unmittelbar nach der Geburt erhöht
und die Eisenspeicher in den ersten Lebensmonaten verbessert. Bei Frühgeborenen stabilisiert das
Spätabnabeln den Blutdruck in der postnatalen Transitionsphase und führt zu einem rascheren Aufbau
des roten Blutzellvolumens, einem verminderten Bedarf an Bluttransfusionen sowie einer geringeren
Inzidenz an nekrotisierende r
Enterokoliti s (NEC) und intraventrikulären Hirnblutungen (Engl.:
intraventricular hemorrhage , IVH).
5
Termingeborene sollten 1 – 3 Minuten und Frühgeborene mindestens 60 Sekunden nach Geburt
ab genabel t werden .
Stärke der Emp fehlung: Stark Evidenzlevel: Hoch
2.2 Erythropoietin
Bei Frühgeborenen scheint eine späte Verabreichung von Erythropoietin (EPO) zwischen acht und 28
Tagen nach Geburt die Anzahl an Ec-Transfusionen zu verringer n, nicht jedoch das pro Kind
transfundierte Blutvolumen. Ausserdem wurde im Zusammenhang mit einer späten EPO Gabe von
einem leicht erhöhten Risiko für d ie Entwicklung einer Frühgeborenen Retinopathie (Engl.: retinopathy
of prematurity , ROP) berichtet .
6 Die frühe Verabreichung von EPO , d.h. mit Beginn vor dem achten
Lebenst ag, führt zu eine r geringfügige n Reduktion der transfundierten Erythrozytenkonzentrate sowie
4
des totalen Transfusionsvolumens. Bezüglich des Auftretens einer ROP ist kein signifikanter Unterschied
gefunden worden , ein Umstand, der gerade in früheren Übersichtsarbeiten immer wieder zu Bede nken
Anlass gab .
7,8 Aufgrund grosser methodologischer und klinischer Unterschiede in den bisher
vorliegenden Studien zur Verwendung von EPO zur Stimulation der Blutbildung, sollte von dessen
routinemässige r Verabreichung bei Frühgeborenen abgesehen werden.
Bei Frühgeborenen sollte zur Vermeidung einer An ämie und zur Reduktion von Ec -Transfusionen kein
Erythropoietin verabreicht werden.
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Hoch
2.3 Eisensubstitution
Die vorliegenden Daten l egen nahe, dass Neugeborene, die Eisen substituiert erhalten, im Vergleich zu
nicht Substituierten einen leicht höheren Hämoglobinspielgel entwickeln, über verbesserte
Eisenspeicher verfügen und ein vermindertes Risiko für eine Eisenmangelanämie aufweisen .
9
International wird a us diesem Grund für Frühgeborene ab dem Alter von zwei Wochen bis zu einem
Alter von sechs Monaten eine enterale Eisenzufuhr von 2-3mg/kg/Tag (max. 5mg/kg/Tag) empfohlen .
10
Bei Frühgeborene n während einer EPO Behandlung oder nach einem signifikanten nicht kompensierten
Blutverlust sind höhere Eisendosen zu verabreichen (> 5mg/kg/Tag).
Bei Frühgeborenen sollte zur Prävention einer Eisenmangelanämie eine enterale Eisensubstitution
veranlasst werden .
Stärke der Empfehlung: Stark Evidenzlevel: Hoch
3 Labor vorbereitungen
3.1 Welche Art von Blut soll verwendet werden?
3.1.1 Leuko zyten depletion
Seit 1999 müssen in der Schweiz Leukozyten mit Hilfe eines spezielle n Filter s oder der
Differentialzentrifugierung von den übrigen Blutkomponenten abgetrennt werden
(Leukozytendepletion) .
11 Breit abgestützte Daten unterstreichen den Wert der Leuko zytendepletion bei
der Verhütung transfusionsbedingter Übertragungen einiger in fekti öser Kei me ( wie zum Beispiel des
C ytomegalie virus – CMV). Ausserdem re duzier t sie das Risiko einer transfusionsbedingen Graft- versus-
Host Reaktion (Ta- GvHD – siehe Abschnitt 4.3.2) .
12
Die Leuko zyten depletion von Blutprodukten verringert das Risiko einer CMV Infektion bei allen
Neugeborenen signifikant
Stärke der Empfehlung: Stark Evidenzlevel: Mittel
5
3.1.2 Bestrahlung
Die B estrahlung von zellulären Blutkomponenten (mit 25 Gy Gammastrahlung) wird zur
Risikoverminderung einer T a-GvHD verwendet, einer seltenen und üblicherweise letalen Komplikation
nach Transfusion von zellulären B lutprodukten.
Absolute Indikation Relative Indikation
Fötus und Neugeborene − Intrauterine Transfusion (IUT) 13
− Neonatal e Austauschtransfusion (ET)
− «Top -up» Transfusion en nach
vorgängiger IUT oder ET innerhalb von
6 Monaten nach dem errechneten
Geburtstermin
− VLBW Neugeborene 14,15
Immunschwäche − Bekannte oder vermutete kongenitale ,
zelluläre Immunschwäche
Besondere Blutprodukte − Blutkomponenten aus Spenden erst –
oder zweitgradig Blutsverwandter
In der Neonatologie wird empfohlen, zelluläre Blutprodukte bei intrauterinen Transfusionen (IUT) und
bei Spenden von erst- und zweitgradig Blutsverwandten zu bestrahlen . Bei neonatalen
Austauschtransfusionen ( Engl.: exchange transfusion, ET) ist eine Bestrahlung dann angezeigt, wenn sie
die Transfusion nicht verzögert .
13 Dagegen wird d ie Bestrahlung von Blutprodukten für Routine «top-
up» Transfusionen frühgeborener Kinder im Allgemein en nicht empfohlen, es sei denn, es habe
vorgängig eine IUT oder eine ET stattgefunden. In diesen Fällen sollten bis zu sechs Monate nach dem
errechneten Geburtstermin bestrahlte Produkte verabreicht werden .
13 In Spitälern, die vor Ort über
eine geeignete Bestrahlungseinrichtung verfügen, sind für VLBW Neugeborene (daher bis zum Erreichen
eines Gewicht es von 1500g) bestrahlte Blutprodukte in Betracht zu ziehen , da bei diesen
immunkompromittierten Patienten die Leuko zytendepletion zur Ver hinderung einer Ta-GvHD
wahrscheinlich nicht genügt.
14,15
Die Bestrahlung schädigt die Erythro zytenmembran, was den Kaliumverlust beschleunigt und damit die
Gefahr einer Hyperkali ämie erhöht, insbesondere nach grossvolumigen Transfusionen. Deshalb sollte
Frischblut vorzugsweise innerhalb von 5 Tagen nach der Spende bestrahlt und so bald als möglich
transfundiert werden, idealerweise innerhalb von 24 Stunden nach der Bestrahlung.
16
Sämtliche Blutprodukte zur intrauterinen Transfusion sollte n bestrahlt werden. Für die neonatale ET
wird die Bestrahlung nur dann empfohlen, wenn sie die Transfusion nicht verzögert. Bei
Frühgeborenen müssen Erythrozytenkonzentrate für Routine «top -up » Transfusionen nicht bestrahlt
werden. Bei VLBW Neugeborene n ist die Bestrahlung von Blutprodukten in Spitälern mit lokal
vorhandener Bestrahlungseinrichtung in Betracht zu ziehen .
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Niedrig
6
3.1.3 Cytomegalievirus
Die Richtlinien bezüglich der Verwendung CMV -seronegativer Produkte bei Neugeborenen sind
widersprüchlich und enthalten sowohl befürwortende als auch ablehnende Empfehlungen. Bei
routinemässiger Leuko zyten depletion ist das Risiko einer CMV -Übertragung durch zelluläre
Blutbestandteile niedrig, während Muttermilch eine häufige Infektionsquelle darstellt. Aus diesem
Grund e sin d CMV -seronegative Produkte im klinischen Alltag nicht erforderlich, sollten dagegen bei
grossvolumigen Transfusionen oder bei CMV -negativen Patienten mit schweren kombinierten
Immunde fekten in Betracht gezogen werden .
11
Im klinischen Alltag sind im Allgemeinen keine CMV -seronegative n Blutprodukte erforderlich.
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Niedrig
3.1.4 Gewaschene Erythro zyten
Durch Waschen zellulärer Blutkomponenten lassen sich residuale Substanzen quantitativ vermindern
(zum B eispiel Antikörper, Serumproteine, Zusatzlösungen, Kalium, Zytokine) oder es kann zur
Bereitstellung von intrauterine n Transfusionen ein Hämatokrit von 0 .8 erzielt werden.
Für neonatale Transfusionen ist das routinemässige Waschen der Erythro zyten nicht erforderlich.
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Niedrig
3.1.5 Blutgruppen
Rote Blutzellprodukte sollten gestützt auf eine r zwei fache n Testung mit den AB 0 Blutgruppen von
Mutter und Kind kompatibel sein. Ist k eine kompatible Blutgruppe verfügbar, wird bei neonatalen
Transfusionen universales, Rhesus- negatives Spenderblut der Gruppe 0 empfohlen. Dieser Ansatz
ermöglicht es, Blut aus einer einzelnen Blutkonserve mehreren Neugeborenen mit unterschiedlichen
AB 0 Blutgruppen zu verabreichen, um nicht verwertbare Überschüsse zu verringern.
Rote Blutzellprodukte sollten nach zweifacher Testung mit den AB 0 Blutgruppen von Mutter und Kind
kompatibel sein. Zur Universalspende bei neonatalen Transfusionen wird Rhesus -negatives Blut der
Gruppe 0 empfohlen.
Stärke der Empfehlung: Stark Evidenzgrad: Niedrig
3.2 Was ist bezüglich Lagerung, Vorbereitung und Prätransfusionstestung bekannt?
3.2.1 Alter der Erythro zyten
Die meisten Blutbanken verfolgen die Politik, die ältesten, verfügb aren Erythro zyten einheiten
auszuliefern. In einer systematische n Übersichtsarbeit mit Metaanalyse aus fünf Studien bei
Neugeborenen konnte in Bezug auf Morbidität und Mortalität kein Unterschied zwischen der
Transfusion von frischeren im Vergleich zu älteren Erythroz ytenkonzentraten festgestellt werden .
17
7
Deshalb wird in der täglichen Rou tine die vorzugsweise Transfusion frischer Erythro zyten (< 7 Tage)
nicht befürworte t. Empfehlenswert ist s ie hingegen bei grossvolumigen Transfusionen (IUT oder ET). Bei
nicht bestrahlten «top- up» Transfusionen sollten zwischen Spende und Verabreichung nicht mehr als
28 Tage verflossen sein. Wird das Blut bestrahlt, ist es innerhalb von 24 Stunden zu transfundier en, in
allen Fällen aber innerhalb von 5 Tagen nach der Spende .
18,19
Die routinemässige Verwendung frischer Erythro zytenkonzentrate wird nicht befürworte t. Nicht
bestrahlte «top -up » Transfusionen können bis zu 28 Tage nach der Spende gelagert werden.
Bestrahlte Blutprodukte sollten innerhalb von 24 Stunden und nicht länger als fünf Tage nach der
Spende transfundiert werden.
Stärke der Empfehlung: Stark Evidenzlevel: Hoch
3.2.2 Satelliten beutel
D urch die Aufteilung eine s einzelnen Erythrozytenkonzentrates in mehrere, kleinere Portionen
(sogenannte Satellitenbeutel, Engl.: Pedipaks , ca. 50 ml) lässt sich für Routine «top- up» Transfusionen
die Exposition des Neugeborenen gegenüber verschiedene n Spender n reduzieren. Durch die
wiederholte Transfu sion aus der gleichen Ursprungskonserve kann das Risiko einer
transfusion sbedingten Infektionsübertragung und di e Belastung mit Fremdantigenen vermindert
werden. Um eine Volumenüberlastung zu vermeiden, wird in den Pedipaks das Plasmavolumen bis zu
einem Hämatokritwert von 0.5 – 0.7 reduziert .
Für alle «top -up » Ec -Transfusionen sollten Satellitenbeutel/ Pedipaks verwendet werden, um die
Exposition gegenüber multiple n Spender n zu minimieren.
Stärke der Empfehlung: Stark Evidenzlevel: Niedrig
3.2.3 Zeitliche Limiten für die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten
Es ist wichtig, dass Blutkomponenten, die nach Übernahme von der Blutbank auf Raumtemperatur
erwärmt worden sind , so rasch wie möglich transfundiert werden ( üblicherweise innerhalb von 30
Minuten). Die Transfusion selbst sollte innerhalb von 4 Stunden nach Entnahme aus einer gekühlten
und überwachten Blutbank beendet sein.
Einmal aus dem Kühler entnommen, sollten Ec -Transfusionen innerhalb von 30 Minuten beginnen
und innerhalb von 4 Stunden verabreicht sein.
Stärke der Empfehlung: Stark Evidenzlevel: Niedrig
3.2.4 Serologische Testung vor der Transfusion
Zur Durchführung eine r serologischen Verträglichkeitsprobe ( Kreuzprobe, Engl.: Type and Screen),
beschränkt auf das AB 0 sowie das Rhesus D System der Erythro zyten , benötigt die Blutbank vor der
Transfusion eine Blutprobe des Neugeborenen (kapillär, venös , arteriell oder aus der Nabelschnur) .
Innerhalb der ersten vier Lebenswochen kann für das Screening auf irreguläre , erythrozytäre A ntikörper
8
auch mütterliches Serum oder Plasma verwendet werden. Falls mütterliches Serum nicht verfügb ar ist,
soll das Antikörper screening mit einer neonatalen Blut probe erfolgen .
19
Prätransfusionelle blutgruppenserologische Untersuchunge n an kindlichem und mütterlichem Blut
Test Kindliches Blut Mütterliches Blut
AB0/D X X
DAT 1 X
Antikörpersuchtest (X)* X
Serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) (X)* X
Antikörperidentifizierung (X)* X
Antikörper -Elution X**
1DAT: direkter Antiglobulintest, *nur wenn mütterliches Blut nicht vorhanden, **nur bei positivem DAT (fakultativ)
Fallen das initiale mütterliche Antikörperscreening und der direkte Antiglobulintest (DAT , direkter
Coombs- Test) mit den Erythrozyten des Kindes negativ aus , ist es im Allgemeinen bis zum Alter von 4
Monaten nicht mehr erforderlich, die Kreuzprobe zu wiederholen . Bei positivem Antikörperscreening
bei der Mutter oder einem positiven DAT beim Neugeborenen, ist die Transfusion von Antigen negat iven
Erythro zyten nach negativer Kreuzprobe möglich.
Die vor der Transfusion notwendige Testung der Erythrozyten umfasst das AB 0 und Rhesus D System
(aus kindlichem Blut) und ein Screening auf erythrozytäre Antikörper ( aus mütterliche m oder
kindlichem Blut).
Stärke der Empfehlung: Stark Evidenzlevel: Niedrig
3.3 Zusammenfassung der Laborvorbereitungen
Erythro zyten konzentrate für kleinvolumige «top -up » Transfusionen bei Neugeborenen
Pedipaks Teilmengen (ungefähr 50 m l) aus eine m ganzen Eryt hrozytenkonzentrat
Zubereitung Leuko zytendepletiert mit reduziertem Plasma anteil (Hämatokrit 0.5 – 0.7)
Blutgruppe Kompatibel mit Mutter und Kind oder 0, RhD negativ
Bestrahlung Nicht erforderlich . Für VLBW Neugeborene in Spitälern mit eigene r
Bestrahlungseinrichtung in Betracht zu ziehen . Die Bestrahlung muss
innerhalb von 5 Tagen nach der Spende erfolgen.
Zeitl iche Limiten für die
Transfusion
Innerhalb von 30 Minuten nach Erwärmen des Erythrozytenkonzentrates
auf Raumtemperatur
Innerhalb von 4 Stunden nach Entnahme aus der Blutbank
Innerhalb von 24 Stunden nach Bestrahlung
Innerhalb von 28 Tagen bei NICHT bestrahlte n Pedipaks
9
4 Klinische Aspekte
4.1 Wann sollen Neugeborene transfundiert werden?
Bis vor Kurzem gab es nur wenige wissenschaftliche Daten bezüglich Transfusionsgrenzen bei
Frühgeborenen. Mehrere randomisiert -kontrollierte Studien sind inzwischen der Frage von Risiken und
Nutzen einer liberalen versus einer restriktiven Ec-Transfusion spraxis bei VLBW Neugeborenen
nachgegangen. Die PINT Studie zeigte in Bezug auf klinisch signifikante Komplikationen bis zur 36 .
p ostmenstruellen Woche keine Unterschiede zwischen hohen und niedrigen Transfusions grenzen.
20
Post hoc Analysen liessen jedoch vermuten , dass kognitive Beeinträchtigungen bei restriktive r
Transfus ionspraxis häufiger sein könnten.
21 Di e TOP und die ETTNO Studie untersuchten deshalb bei
extrem Frühgeborenen die Auswirkung der Transfusionspraxis auf die neurologische Entwicklung und
kamen zum Schluss, dass weder eine liberale noch eine restriktive Transfusionspraxis das Mortalitäts -
bzw. Morbiditätsrisiko bis zum korrigierten Alter von 24 Monate n negativ beeinflusst (kognitive Defizite,
Zerebralparese, schwerwiegende Seh - und Hörstörungen).
22,23 Bemerkenswert ist zudem, dass sowohl
in der TOP als auch in der ETTNO Studie eine Ec -Transfusion weder günstige noch ungünstige Effekte
auf das Auftreten einer B ronchopulmonalen Dysplasie, NEC Stadium 2 / 3, oder ROP zur Folge hatte.
Um die Exposition gegenüber mehreren Spendern und damit das Risiko transfusionsbedingter
Komplikationen zu begrenzen, wird eine restriktive Transfusionspraxis für Neugeborene mit An ämie
empfohlen. Obwohl für Termingeborene kaum entsprechende Daten vorhanden sind, befürworten wir
aus Praktikabilitätsgr ünden bei Früh- und Termingeborenen ohne akuten Blutverlust dieselben
Transfusions grenzen zu be folgen .
Bei Neugeborenen ohne akuten Blutverlust wird eine restriktive Transfusionsstrategie zur
Anwendung von E c-Transfusionen empfohlen.
Stärke der Empfehlung: Stark Evidenzlevel: Hoch
Üblicherweise werden Hämatokritgrenzen zur Verabreichung einer Ec -Transfusion auf das postnatale
Alter und den jeweiligen Gesundheitszustand des Neugeborenen bezogen (kritisch krank versus nicht
kritisch krank). In Üb ereinstimmung mit der restriktiven Vorgehensweise des ETTNO Studienprotokoll s
empfehlen wir für Ec-Transfusionen die folgenden Grenzwerte:
Grenz wert e für Ec -Transfusionen bei Neugeborenen ohne akuten Blutverlust
Kritisch krankes Neugeborenes 1
[Hämatokrit (%) / Hämoglobin (g/dl) ]
Nicht kritisch krankes Neugeborenes (%)
[Hämatokrit (%) / Hämoglobin (g/dl ]
Lebenstag 0 - 7 < 34 / 11.3 < 28 / 9.3
Lebenstag 8 - 21 < 30 / 10.0 < 24 / 8.0
10
Lebenstag > 21 < 27 / 9.0 < 21 / 7.0
1 Als kritisch krank wird ein Neugeborenes dann definiert, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist
− Invasive mechanische Beatmung
− Continuous positive airway pressure (C PAP) oder nicht- invasive Positivdruckbeatmung ( NIPPV) mit einem FiO
2 > 0.25 für >
12/24 Stunden
− Behandlung eines offene n Ductus arteriosus
− Akute Sepsis
− Nekrotisierende Entero kolitis , die einer zusätzlichen inotropen/vasopressorischen Behandlung bedarf
− Schwere Apnoen , die über Coffein und CPAP hinausgehende Interventionen benötigen
Ob ein Neugeborene s mit akutem Blutverlust transfundiert werden muss, hängt davon ab, ob nach
ausreichender intravaskulärer Volumensubstitution klinische Zeichen einer ungenügenden
Sauerstoffvers orgung fortbestehen .
4.2 Wie sind Ec -Transfusionen zu verabreichen?
4.2.1 Gefässzugang
Erythro zyten können über die meisten peripheren und zentral venösen Katheter transfundiert werden.
Obwohl gute Evidenz hierfür fehlt , wird im Allgemeinen ein separater peripher-venöse r Zug ang
g egenüber einem zentralvenösen Zugang bevorzugt, da dessen Risiko für Infektionen , Thrombosen ,
Katheter verschlüsse und Dislokation en geringer ist.
24 Klein lumige Katheter wie beispielsweise peripher
eingelegte Zentralvenenkatheter (Engl.: PICC-lines ) werden fü r die Transfusion von Erythrozyten nicht
empfohlen. Sie verlangsamen die Flussrate und erhöhen so die Gefahr für Gerinnselbildung en und
daraus entstehende Katheterverschlüsse s owie für Hämolysen bedingt durch exzessive Druck werte.
25,26
Für die Ec -Transfusion bei Neugeborenen wird empfohlen, einen separaten peripher -venösen Zugang
zu verwenden.
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Sehr Niedrig
4.2.2 Blutfilter
Zur zeit gibt es keine medizinischen Daten, die zeigen, dass bei Neugeborenen die Verwendung eines
Blutfilters während der Ec- Transfusion von Vorteil ist. Dennoch empfehlen die meisten
Blutspendedienste und Behörden zur Verabreichung kleinvolumige r Erythrozytenkonzentrate
Transfusionss ets mit einem 170 – 26 0 µm Blutfilter .
27,28 Mikroaggregatfilter werden nicht empfohlen.
Die Ec -Transfusion sollte über ein en Blutf ilter erfolgen , um Zellaggregate oder Gerinnsel
zurückzuhalten.
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Sehr niedrig
11
4.2.3 Transfusionsvolumen
Frühgeborene n mit A nämie werden im Allgemeinen kleinvolumige « top-up» Transfusionen verabreicht
(traditionell 10 – 20 m l/kg, typischerweise 15 m l/kg) , obwohl bezüglich optimalem Transfusionsvolumen
nur spärliche medizinische Daten vorliegen.
29 Grössere Volumina ma ximieren den Hämoglobingehalt
mit einer geringeren Anzahl von Transfusionen, können aber gleichzeitig das Risiko einer
transfusionsassoziierten Volumenüberlastung bei nicht b lutenden Neugeborenen erhöhen.
30,31
Angesichts der Daten, die für Frühgeborene restriktive Transfusions grenzen nahelegen, wird für «t op-
up» Transfusionen ein Volumen von 15m l/kg empfohlen . Grössere Volumina von >20 m l/kg sind
besonderen Situationen vorbehalten, beispielsweise einem hämorrhagischen Schock, schweren
Anä mien , weiterbestehenden Risikokonstellationen oder begleitenden Blutungen.
In den meisten Fällen wird für nicht blutende Neugeborene ein Transfusionsvolumen vom 15 m l/kg
empfohlen.
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Sehr niedrig
4.2.4 Transfusionsgeschwindigkeit
Je nach klinischen Umständen kann die Geschwindigkeit einer Ec- Transfusion bei Neugeborenen
erheblich variieren . Langsamere Transfusionsgeschwindigkeiten ve rringern die Gefahr einer
transfusions bedingten Volumenüberlastung (z um Beispiel bei Neugeborenen mit Herzinsuffizienz),
während eine schnelle Transfusion eine Hyperkaliä mie und hämodynamische Schwankungen
verurs achen kann. Solche sind bei VLBW Neugeborenen als potenzielle Risikofaktor en einer IVH und
eine s offenen Ductus arteriosus beschrieben.
32 Bei stabilen Neugeborenen wird im Allgemeinen eine
Transfusionsgeschwindigkeit von 5 ml/kg /h empfohlen, um derartige unerwünschte
Folgeerscheinungen zu verhindern, und um die Transfusion ab Entnahme aus dem Kühlschrank
innerhalb von vier Stunden zu beenden (siehe auch Abschnitt 3.2.2).
33,34 Neugeborene , die bluten oder
sich im hämorrhagischen S chock befinden, sind dagegen so rasch wie möglich zu transfundieren.
Langzeitergebnisse in Abhängigkeit der Transfusionsgeschwindigkeit existieren nicht.
Bei stabilen Neugeborenen wird eine Transfusionsgeschwindigkeit von 5m l/kg /h empfohlen.
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Sehr niedrig
4.2.5 Diuretika
Zur Verhinderung einer Flüssigkeitsüberlastung wird transfundierten Neugeborenen gelegentlich
Furosemid verabreicht. Es gibt einige Hinweise darauf, dass eine prophylaktische Einzeldosis von 1
mg/kg Furosemid den Sauerstoffbedarf nach Transfusion geringfügig verringert .
35,36 Posttransfusionell
kommen jedoch Diuretika nicht routinemässig zum Einsatz. Sie sollten lediglich dann verabreicht
werden, wenn klinisch Bedenken im Hinblick auf eine bedeutsame Flüssigkeits überladung bestehen.
12
Furosemid vor und nach einer Ec -Transfusion von Frühgeborenen wird nicht empfohlen.
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Niedrig
4.2.6 Kompatible Infusionslösungen und Medikamente
Infusionslösungen sollten über einen separaten, intravenösen Katheter verabreicht werden.
Kalziumhaltige Lösungen (z um Beispiel Ringer Laktat) antagonisieren z itrathaltige Antikoagulantien und
ermögli chen so die Gerinnselbildung, wenn sie sich im gleichen Katheter vermischen .
Dem Blutbeutel dürfen keine Medikamente hinzugefügt werden. Wenn immer möglich, sind intravenös
zu verabreichende Substanzen zwischen zwei Transfusionen oder über einen zusätzlichen venösen
Zugang zu applizieren (oder über ein separates Lumen eines mehrlumigen Katheters). Ist dies nicht
möglich, muss die Transfusion vorübergehend unterbrochen und der Katheter vor und nach einer
Medikamentenverabreichung mit physiologischer Kochsalzlösung gespült werden.
Die gleichzeitige Gabe von Blutprodukten zusammen mit Infusionslösungen und Medikamenten
durch denselben Transfusionskatheter ist zu vermeiden.
Stärke der Empfehlung: Schwach Evidenzlevel: Sehr niedrig
4.3 Welches sind die Risiken einer Ec -Transfusion bei Neugeborenen ?
Bluttransfusionen sind sowohl mit infektiösen (transfusionsvermittelte Infektionen) als auch nicht
infektiösen Risiken assoziiert. Hinzukommen gewisse Komplikationen, die für Neugeborene spezifisch
sind.
37,38
Mit Ec -Transfusionen assoziierte Risiken bei Neug eborenen
Unerwünschte
Sofort reaktionen
− Febrile, nicht- hämolytische Sofortreaktionen . Üblicherweise klinisch mild
verlaufend .
− Allergische Transfusionsreaktion en, von milde r Urtikaria bis zu
lebensbedrohliche m Angio ödem oder Anaphylaxi e reichend .
− Akute hämolytische Transfusionsreaktionen, z um Beispiel AB0
Inkompatibilität
− Bakterielle Kontamination der Transfusionseinheit , je nach Spezies von
einer milden Reaktion bis zum rasch und tödlich verlaufenden septischen
Schock.
− Transfusions -assoziierte Kreislaufüberlastung (TACO)
− Transfusions -bedingte akute Lungenschädigung (TRALI)
− Hypo thermie
− Hyperkaliämie
Verzögert und
langsam
ablaufende
Reaktionen
− Verzögerte hämolytische Tansfusionsreaktionen (DHTRs)
− Transfusions -assoziierte Graft- versus-host Erkrankung (Ta- GvHD)
− Eisenakkumulation
13
4.3.1 Schwere und lebensbedrohliche Sofortreaktionen
Akute hämolytische Reaktionen: Die Mehrzahl akuter hämolytischer Reaktionen wird durch die
Transfusion von AB 0 inkompatiblem Blut verursacht. Die meisten hämolytischen Reaktionen sind das
Ergebnis menschlicher Fehler , wie die Transfusion von korrekt angeschriebenem Blut in d en falschen
Patienten oder die ungenaue Identifikation prätransfusioneller Blutproben. Beim Neugeborenen
manifestiert sich ein akuter hämolytischer Zwischenfall durch ein erhöhtes freies Plasmahämoglobin,
eine Hämoglobinurie, eine erhöhte Kaliumkonzentrati on, einen erniedrigten pH-Wert sowie durch
unkontrollierte Blutung en auf Grund einer disseminierten intravasalen Gerinnung.
38 Management: Die
Transfusion stoppen, die Blutbank informieren und eine Blutprobe zur Nachuntersuchung einsenden,
Intensivbehandlungsmassnahmen einleiten wie zum Beispiel eine Hypotonie behandeln und den
renalen Blutfluss aufrechterhalten.
Bakterielle Kontamination einer Transfusionseinheit: Obwohl selten, ereignet sie sich häufiger bei der
Transfusion von Blutplättchen . Bakterien können zum Zeitpunkt der Blutspende, etwa von der Haut des
Spenders, auf grund einer Bakteri ämie des Spenders oder von Gegenständen, die bei der Blutspende
oder deren Weiterverarbeitung benützt worden sind , in den Beutel gelangen . Die Bakterien können sich
während der Lagerung vermehren. Bei Neugeborenen sind die frühen Zeichen einer Sepsis unspezifisch,
ein septischer Schock kann jedoch rasch fatal verlaufen. Manageme nt: Supportive Behandlung, beim
Kind und aus der Bluteinheit Blutproben zur Kultur entnehmen, Brei tspektrum Antibiotika verabreichen.
Schwere allergische (anaphylaktische) Reaktionen: Diese sind durch kardiova skuläre Instabilität mit
Hypotension, Tachykardie, kardialer Ar rhythmie, Schock und Herzstillstand gekennzeichnet. Manchmal
steht auch eine respiratorische Beteiligung mit Dyspnoe und Stridor im Vordergrund. Management:
Transfusion stoppen, supportive Behandlung einschliessli ch eines Atemwegsmanagements einleiten.
Adrenalin, Steroide und Antihistamini ka soweit erforderlich .
Transfusionsbedingte akute Lungenschädigung (TRALI): Eine klinische Ausschlussdiagnose, die durch
akute Atemnot und beidseitige Lungenö deme mit Hypox ämie char akterisiert ist und sich innerhalb von
2 – 8 Stunden nach der Transfusion entwickel t. Man nimmt an, dass die TRALI durch im
Erythrozytenkonzentrat vorhandene und gegen Leukozyten des Empfängers gerichtete Antikörper
ausgelöst wird. Die Aktivi erung von Granulozyten im interstitiellen Raum zwischen Alveolar –
und Gefä ssendothel führt zu einer Ausschüttung von Zytokinen,
Proteasen und Sauerstoffradikalen,
welche die Kapillarwände schädigen , die Permeabilität stark erhöhen und schliesslich zum Lungenödem
führen. Management: Symptomatisch supportive Behandlung der Atemnot (nicht -invasiv oder mittels
14
endotrachealer Beatmung, Sauerstoff). Die Symptome klingen im Allgemeinen innerhalb von 24 – 28
Stunden ab.
4.3.2 Verzögert und langsam ablaufende Reaktionen
Transfusions-assoziierte Graf -versus -Host Erkrankung (Ta -Gv HD): Diese seltene und fast immer fatal
verlaufende Komplikation erfolgt dann , wenn dem Patienten Spenderlympho zyten transfundiert
werden, die gegen Empfängerzellen mit unterschiedlichem HLA Typ eine Immunreaktion auslösen. Die
Spenderlympho zyten schädigen verschiedene Zielorgane, insbesondere das Knochenmark, die Haut, die
Leber und den Gastrointestinaltrakt. Neugeborene mit erhöhtem Risiko sind solche mit kongenitalen
Immun defekten , solche, die eine IUT oder eine ET erhalten haben sowie VLBW-Neugeborene. Ein
weiterer Umstand, über den im Zusammenhang mit der Ta-GvHD berichtet worden ist, betrifft
immunkompetente Empfänger von biologisch verwandten (direkten) oder identischen HLA Spendern,
bei denen die transfundierten Lympho zyten durch den Empfänger nicht eradiziert werden. Dieses
klinische Syndrom umfasst sepsisartige Symptome, Hautaussc hläge, Panzytopenie,
Leberfunktionsstörungen und Diarrhoe. Üblicherweise beginnen die Symptome bei Neugeborenen
mehrere Tage nach der Transfusion. Die Gamma Bestrahlung der zellulären Blutprodukte kann die Ta-
GvHD wirkungsvoll verhindern.
Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen (DHTRs):
Bei DHTRs kommt es innerhalb von zwei Wochen (3 – 28 Tage) nach Transfusion oder Schwangerschaft
zu einer Antikörperimmunreaktion . Antikörper gegen das Kidd Blutgruppensystem stellen die häufigste
und schwerwiegendste Ursache dar, gefolgt von Antikörpern gegen Duffy, Kell oder MNS Antigenen. Sie
verkürzen die Überlebenszeit der roten Blutzellen und führen zu klinischen Erscheinungen wie Fieber,
Gelbsucht und wider Erwar ten niedrigen Hämoglobinwerten nach Transfusion. Die meisten verzögerten
hämolytischen Reaktio nen erzeugen nur wenige Symptome und könne n auch unbemerkt verlaufen.
Wird beim prätransfusionellen Antikörperscreening ein Antikörper identifiziert, sollte geeig netes,
Antigen negatives Blut bereitgestellt werde n. Manchmal fallen die Antikörperkonzentrationen unter die
Detektionsschwelle (insbesondere Kidd) und entgehen so der prätransfusionellen Testung .
4.4 Welche Überwachung wird während und nach einer Ec-Transfusion empfohlen?
Neugeborene, die eine Transfusionen erhalten, s ollten in Bezug auf Zeichen einer möglichen
Transfusionsk omplikation überwacht werden. Vitalzeichen (Temperatur, Puls, Atemfrequenz,
Blu tdruck, Sauerstoffsättigung) sollten zu den folgenden Zeitpunkten gemessen und festgehalten
werden:
− Vor Beginn jeder Transfusion
15
− 15 Minuten nach Beginn jede s Beutels
− Stündlich bis zum Abschluss der Transfusion
− 4-stündlich innerhalb von 24 Stunden nach der Transfusion
4.5 Welche Sofortmassnahmen sind bei einer vermuteten Transfusionsreaktion erforderlich?
Bei Veränderungen oder Verschlechterungen des kindlichen Zustandes sollte eine Transfusionsreaktion
in Betracht gezogen werden .
1. Die Transfusion stoppen
2. Vitalzeichen überprüfen
3. Den venösen Zugang mit physiologischer Kochsalzlösung unter Verwendung eines neuen Besteckes
offenhalten
4. Kontrollieren, ob dem Patienten das korrekte Blutprodukt verabreicht worden ist
5. Supportive Behandlung, soweit nötig
6. Die Blutbank und das medizinische Behandlungsteam informieren
7. Eine Blutprobe (aus einer anderen Vene) z ur Blutgruppenserologie, für ein Blutbild und für eine
Serumbiochemie entnehmen
8. Blutkulturen entnehmen, wenn eine Sepsis vermutet wird. Bei Atemproblemen Blutgase
bestimmen, Urin auf Hämoglobinurie prüfen, Gerinnungsstatus wenn Blutungen vorhanden.
9. Eltern informieren.
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Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
PD Dr. med. Christoph Rüegger , Oberarzt Klinik für Neonatologie, Co-Leiter Newborn Research Zürich, Universitätsspital Zürich