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Der Laterale Scheibenmeniskus

Abstract

Der laterale Scheibenmeniskus ist die häufigste angeborene Fehlbildung der Menisken. Man unterscheidet drei Typen. Die Prävalenz ist im asiatischen Raum mit bis zu 17% am höchsten. Aufgrund seiner makroskopischen Form, seiner Gewebestruktur sowie seiner ungünstigen Blutversorgung ist er sehr anfällig für Rissbildungen – auch ohne konkret auslösendes Trauma. Darüber hinaus ist seine potenzielle Instabilität (Typ III versus Typ I und II) ausschlaggebend für Spontanverlauf, Symptomatik und Risiko zur Rissbildung. Ein asymptomatischer Scheibenmeniskus bedarf keiner Therapie. Eine gute Aufklärung der Patienten und ihrer Eltern über das Krankheitsbild sowie eine klinische Verlaufsbeobachtung sind ausreichend. Ein symptomatischer bzw. gerissener Scheibenmeniskus kann heutzutage mittels arthroskopischer Teilmeniskektomie/Meniskustrimmung und/oder ggf. Meniskusnaht mit sehr gutem mittel- bis langfristigem Ergebnis minimal-invasiv behandelt werden.

Einleitung

Das Kniegelenk als grösstes Gelenk im menschlichen Körper besteht aus drei Teilgelenken (mediales und laterales femorotibiales sowie patellofemorales Kompartiment), und weist aufgrund der speziellen Form seiner Gelenkpartner (Femur, Tibia, Patella) ein komplexes Bewegungsmuster auf. Durch die von ventral nach dorsal abnehmenden Femurkondylenradien wird bei zunehmender Knieflexion eine anteroposteriore Translation des Femurs gegenüber der Tibia erzwungen. Da dies auf den lateralen Femurkondyl mehr zutrifft als auf den medialen, führt dieser sogenannte «Rollback-Mechanismus» gleichzeitig zu einer Innenrotation der Tibia gegenüber dem Femur.

Eine entscheidende Funktion bei diesem Mechanismus kommt neben den Kreuz- und Seitenbändern den Menisken zu. Diese halbmondförmigen, im Querschnitt dreieckigen, fibrokartilaginären Strukturen befinden sich jeweils im medialen und lateralen femorotibialen Kompartiment. Sie dienen einerseits der Verbesserung der Kongruenz der Gelenkpartner sowie der verbesserten Kraftübertragung, und zählen andererseits zu den sekundären Stabilisatoren des Kniegelenkes. Der Innenmeniskus ist dabei eher C-förmig und zirkulär mit der Kapsel verwachsen; der Aussenmeniskus ist eher O-förmig und kann sich auf dem Tibiaplateau stärker hin- und herbewegen – abhängig vom Beugegrad des Kniegelenkes.

Definition und Klassifikation

Der Scheibenmeniskus ist eine angeborene, anatomische Normvariante, welche nicht mehr die typische dreieckige Querschnittsform aufweist, sondern oftmals dicker und scheibenförmig angelegt ist. Es ist vor allem der laterale Meniskus betroffen. Fälle von medialem Scheibenmeniskus sind nur anekdotisch in der Literatur beschrieben.1-4)

Aufgrund seiner Form, aber auch aufgrund seiner desorganisierten Gewebestruktur, schlechteren/abnormalen Durchblutung sowie seiner Hypermobilität bzw. ungenügenden Verankerung ist ein Scheibenmeniskus erwiesenermassen anfälliger für Meniskusrisse und frühzeitige Degeneration.4,5)

Die auch heute noch gängigste Klassifikation geht auf die Einteilung nach Watanabe et al.6) zurück, welche auf einer arthroskopischen Beurteilung und Stabilitätsprüfung beruht (Tabelle 1).

Tabelle 1. Klassifikation des lateralen Scheibenmeniskus nach Watanabe et al.6)

Der Typ III ist dadurch gekennzeichnet, dass er keine Hinterhornwurzel aufweist, sondern lediglich über das hintere meniskofemorale Ligament (Wrisberg-Ligament) befestigt ist, was zu einer Hypermobilität des Meniskus führt. Die Querschnittsform kann dabei normal sein. (Abbildung 1)

Abbildung 1. Schematische Darstellung der drei verschiedenen Typen eines lateralen Scheibenmeniskus,
Ansicht von dorsal:
A)   Typ I, kompletter Scheibenmeniskus (laterales Tibiaplateau zu 100% bedeckt), stabil mit normaler Verankerung
B)    Typ II, inkompletter Scheibenmeniskus (laterales Tibiaplateau zu ≤ 80% bedeckt), stabil mit normaler Verankerung
C)   Typ III, Wrisberg-Variante, normale Form, instabil, da die Hinterhornwurzel fehlt

Epidemiologie

Die Prävalenz für den lateralen Scheibenmeniskus ist je nach Kulturkreis stark unterschiedlich, und wird in der Literatur mit ca. 3-5% im US-amerikanischen Raum bzw. bis zu 17% im asiatischen Raum angegeben. Für den medialen Scheibenmeniskus wird eine Prävalenz von ca. 0.1-0.2% angenommen.2-4,7)

Da ein Scheibenmeniskus häufig lange Zeit asymptomatisch bleibt, geht man von einer weit höheren Prävalenz aus.2,3)

Des Weiteren wird angenommen, dass ein Scheibenmeniskus häufig bilateral auftritt, wobei in der Literatur die Prävalenz hierfür sehr variabel mit 7% und 97% angegeben wird.1-3)

Anamnese und Klinik

Wie schon erwähnt, bleiben laterale Scheibenmenisken häufig und lange Zeit asymptomatisch. Gelegentlich wird von Patienten ein schmerzloses oder schmerzarmes «Knacken» oder «Knirschen» über dem lateralen Aspekt des Knies bei endgradiger Flexion berichtet. Meist ist dieses Phänomen belastungs- bzw. aktivitätsabhängig, tritt jedoch ohne konkret auslösendes Trauma spontan auf, und bedeutet noch keine Meniskusverletzung.2-4)

Erst eine effektive Rissbildung des Meniskus führt in der Regel zu schwerwiegenden Symptomen wie starken Schmerzen, rezidivierenden Gelenksergüssen oder intermittierenden Gelenksblockaden und Streckhemmung.

Die klinische Untersuchung umfasst nebst Beurteilung des Gangbildes (Hinken) und der Beinachse (varisch oder valgisch) eine detaillierte Kniegelenksuntersuchung. Erfasst wird das Vorhandensein eines Kniegelenksergusses, Druckdolenzen über dem anterolateralen Gelenkspalt, das Bewegungsausmass des Kniegelenkes und die generelle Stabilität des Kapselbandapparates im Seitenvergleich sowie die spezifischen Meniskustests (McMurray oder Apley).4)

Diagnostik

Im Falle oben beschriebener Symptomatik wird in der Regel ein konventionelles Röntgenbild sowie ein MRI des betroffenen Knies angefertigt. Oftmals werden Scheibenmenisken allerdings auch zufällig diagnostiziert, wenn aus anderen Gründen diese Bildgebung erfolgt.

Der Röntgenbefund (Knie ap/seitlich, Patella tangential sowie ggf. Ganzbeinaufnahme) kann entweder unauffällig sein, oder indirekte Zeichen für einen lateralen Scheibenmeniskus aufweisen: Erweiterung des lateralen Gelenkspaltes, Veränderung der Oberflächenkontur des lateralen Femurkondyls oder des lateralen Tibiaplateaus.4,8) (Abbildung 2)

Abbildung 2. Röntgen und MRI eines 9-jährigen Patienten mit dem Zufallsbefund eines inkompletten lateralen Scheibenmeniskus Typ II am linken Knie. Der Bub kam in unsere Sprechstunde, nachdem er sich im Rahmen einer Kniedistorsion eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes zugezogen hatte.
A)   Röntgen Knie links ap mit erweitertem und nach lateral geöffnetem lateralen Gelenkspalt, angedeuteter Oberflächenunregelmässigkeit des lateralen Tibiaplateaus und stumpfer lateraler Spina der Eminentia intercondylaris.
B)    Entsprechender MRI-Schnitt mit intaktem lateralen Scheibenmeniskus Typ II.

Das MRI ist schliesslich wegweisend für die Diagnostik des Scheibenmeniskus. Es kann MR-tomographisch der Typ klassifiziert und das Vorhandensein sowie die Art der Rissbildung beurteilt werden. Drittens dient das MRI zur allfälligen präoperativen Planung.4)

Wichtig ist hier zu erwähnen, dass jegliches MRI nur basierend auf und ergänzend zur strukturierten klinischen Untersuchung und in Relation zur Anamnese und zum Leidensdruck erfolgen sollte. Denn Typ II und III Scheibenmenisken können sich bildmorphologisch unauffällig darstellen; umgekehrt ergibt sich aus dem zufälligen Nachweis eines Typ I Scheibenmeniskus, der klinisch asymptomatisch ist, keine unmittelbare therapeutische Konsequenz.2,4)

Therapie und Nachbehandlung

Im Falle eines Zufallsbefundes bzw. nur minimaler Symptomatik wie einem schmerzlosen «Knacken» im Knie ist in der Regel keine chirurgische Therapie nötig, bzw. sollte auch tunlichst nicht empfohlen werden. Hier bietet sich ein exspektatives Vorgehen an. Der Patient und seine Eltern sollten über die Diagnose «Scheibenmeniskus» informiert und aufgeklärt sein. Entsprechend liegt es in ihrer Verantwortung, den Alltag und die sportlichen Betätigungen des betroffenen Kindes so zu regulieren, dass kein subjektiver Leidensdruck entsteht.

Im Falle eines symptomatischen Scheibenmeniskus (insbesondere Typ I) ohne Rissbildung führen wir in der Regel eine arthroskopische Teilmeniskektomie durch, bei der das Volumen des Scheibenmeniskus sparsam reduziert und in eine möglichst normale Halbmondform zurückgetrimmt wird. Hierbei ist es essenziell, die Ringstruktur nicht zu verletzen, so dass der Meniskus seine Funktion und Stabilität weitestgehend behält. (Abbildung 3 und 4)

Abbildung 3. MRI eines 7-jährigen Patienten mit symptomatischem lateralen Scheibenmeniskus Typ I am rechten Knie:
A)   Präoperativ
B)    1 Jahr postoperativ nach «Trimmung»
C)   9 Jahre postoperativ mit gut erhaltenem lateralen Meniskus und beschwerdefreiem Patienten
Abbildung 4. Intraoperative Bilder einer Meniskustrimmung eines symptomatischen lateralen Scheibenmeniskus Typ I ohne Rissbildung.
A)   Vor der Resektion; das laterale Kompartiment ist mit der Kamera kaum einsehbar.
B) und C) Schrittweise Reduktion des Volumens durch gleichmässiges Resezieren des freien Randes, bis ein zufriedenstellendes Resultat und genügend «freies» laterales Tibiaplateau vorliegt.

Eine absolute Operationsindikation besteht jedoch nur bei effektiven Rissbildungen. Hier sollte ebenfalls ein arthroskopischer Eingriff zur Meniskusnaht mit gleichzeitigem «Trimmen» des freien Meniskusrandes und Fixation des Meniskus an die Kapsel bei instabilem Meniskus (Typ III) durchgeführt werden.4,9-11)

Die postoperative Nachbehandlung ist oftmals Ermessenssache des Operateurs und richtet sich im Wesentlichen nach der Art der durchgeführten Operation. So kann zum Beispiel nach einer Meniskusnaht eine initiale Flexionslimitierung im Brace notwendig sein, oder ambulante Physiotherapie zur Muskelkräftigung und Verbesserung von Propriozeption und Koordination verschrieben werden.

Prognose und Langzeitfolgen

Der Spontanverlauf eines oligo- oder asymptomatischen lateralen Scheibenmeniskus ist unbekannt, da noch kaum Langzeitbeobachtungen bis ins Erwachsenenalter vorliegen.

Nach Teilmeniskektomie mit oder ohne Meniskusnaht bei symptomatischen und/oder gerissenen Scheibenmenisken wird in bis zu 85% der Fälle von gutem bis exzellenten Outcome während eines Beobachtungszeitraums von bis zu fünfzehn Jahren berichtet.7,10) (Abbildung 3)

Restbeschwerden oder eine erneute Rissbildung sind Komplikationen, die nach einer Teilmeniskektomie oder Meniskustrimmung auftreten können und sowohl als Krankheitskomplikation als auch als Operationskomplikation verstanden werden können.9-11)

Das Risiko einer frühzeitigen Arthrose ist vor allem dann gegeben, wenn eine (sub-)totale Meniskektomie durchgeführt wird, was historisch der Fall war bei der Diagnose «Scheibenmeniskus», oder was unter Umständen bei komplexer Rissbildung noch immer unvermeidbar ist.12,13)

Fazit

  • Der laterale Scheibenmeniskus ist eine angeborene Normvariante des Aussenmeniskus. Man unterscheidet drei Typen.
  • Ein asymptomatischer Scheibenmeniskus bedarf keiner Therapie. Eine gute Aufklärung der Patienten und ihrer Eltern über das Krankheitsbild sowie eine klinische Verlaufsbeobachtung sind ausreichend.
  • Ein symptomatischer bzw. gerissener Scheibenmeniskus kann heutzutage mittels arthroskopischer Teilmeniskektomie/Meniskustrimmung und/oder ggf. Meniskusnaht mit sehr gutem mittel- und langfristigem Ergebnis minimal-invasiv behandelt werden.
  • Eine (sub-)totale Meniskektomie sollte nach Möglichkeit vermieden werden, um das Risiko der Früharthrose zu minimieren.

Referenzen

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  10. Lins LAB, Feroe AG, Yang B, Williams KA, Kocher SD, Sankarankutty S, et al. Long-term Minimum 15-Year Follow-up After Lateral Discoid Meniscus Rim Preservation Surgery in Children and Adolescents. J Pediatr Orthop. 2021;41(9):e810-e5.
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  13. Lee CR, Bin SI, Kim JM, Lee BS, Kim NK. Arthroscopic partial meniscectomy in young patients with symptomatic discoid lateral meniscus: an average 10-year follow-up study. Arch Orthop Trauma Surg. 2018;138(3):369-76.

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
Dr. med.  Kerstin Schneider, Kinder- und Jugendorthopädie & Traumatologie, Kinderchirurgische Klinik, Kinderspital Luzern, Luzerner Kantonsspital
Dr. med. Nikolaus Floimayr, Kinder- und Jugendorthopädie & Traumatologie, Kinderchirurgische Klinik, Kinderspital und Klinik für Orthopädie und Traumatologie, Luzerner Kantonsspital
Dr. med. Roberto Sossai, Kinder- und Jugendorthopädie & Traumatologie, Kinderchirurgische Klinik, Kinderspital Luzern, Luzerner Kantonsspital