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Minimal invasive Thoraxchirurgie im Kindesalter

Vor ca. 30 Jahren begann mit der ersten im Kindesalter durchgeführten laparoskopischen Appendektomie ein neues Zeitalter in der Kinderchirurgie.

Einleitung

Vor ca. 30 Jahren begann mit der ersten im Kindesalter durchgeführten laparoskopischen Appendektomie ein neues Zeitalter in der Kinderchirurgie. Seither hat sich das Spektrum der minimal invasiv durchführbaren Eingriffe ständig erweitert. Dies betrifft auch die Thoraxchirurgie im Säuglings- und Kindesalter. Die videoassistierte thorakoskopische Chirurgie (VATS) steht sowohl für Diagnostik als auch für die operative Therapie von Erkrankungen im Thorax zur Verfügung, oft ist der Übergang hierbei fliessend.

Prinzipiell muss der Anspruch erhoben werden, dass das postoperative Ergebnis nach VATS qualitativ dem nach offener Thorakotomie entsprechen muss. Auch für die VATS treffen die für die minimal invasive Chirurgie allgemein bekannten Vorteile wie verminderter Schmerzmittelbedarf, schnellerer Kostaufbau, bessere Kosmetik, kürzere stationäre Verweildauer, etc. zu. Die nach offener Thorakotomie oft beobachtete, sekundär erworbene Fehlhaltung der Wirbelsäule wie z. B. Skoliose scheint nach VATS deutlich seltener beobachtet zu werden. Minimal invasive thorakoskopische Techniken sind daher auch im Kindesalter heutzutage in der Mehrzahl der Thoraxeingriffe «State of the Art».

Nachfolgend möchten wir die Möglichkeiten der VATS zur operativen Korrektur der häufigsten angeborenen und erworbenen Erkrankungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter zusammenfassen.

Ösophagusatresie – tracheo-ösophageale Fistel

Die erste minimal invasive Korrektur einer Ösophagusatresie wurde bereits 1999 von Tom Lobe durchgeführt, und im nächsten Jahr wurde der erste Fallbericht publiziert1). Diese OP-Technik setzt eine hohe Expertise des interdisziplinären Behandlungsteams (Chirurgie, Anästhesie, OP-Pflege) voraus und wird bisher routinemässig nur in entsprechenden Zentren durchgeführt2-6). Generell gelten dieselben Risikoklassifikationen und Ein- bzw. Ausschlusskriterien wie beim offenen Vorgehen. Mit Ausnahme des Zugangsweges unterscheidet sich auch das Prinzip der Operation nicht vom offenen Vorgehen. Umso mehr muss nochmals auf das eingangs erwähnte Postulat des qualitativ gleichwertigen OP-Resultates hingewiesen werden. Der Einsatz von 3mm-Instrumenten ist unseres Erachtens Grundvoraussetzung. Nach Einbringen von einem 3 oder 5mm Kameratrokar und zwei 3mm Arbeitstrokaren wird ein Kapnothorax mit 6-8mmHg erzeugt. Eine selektive seitengetrennte Beatmung ist meistens technisch nicht möglich, aber auch nicht erforderlich. Bei kurzstreckigen Defekten kann die primäre Anastomose in derselben Nahttechnik wie beim offenen Vorgehen durchgeführt werden. Bei langstreckigen Defekten können unterschiedliche Therapiekonzepte zum Einsatz kommen (Ösophagusersatz mit Magenhochzug, Kolon- oder Jejunuminterponat, Bougierungs- oder Traktionsverfahren mit Annäherung der Stümpfe). Beim Traktionsverfahren nach Foker7) können die Traktionsnähte mittels VATS-Technik angelegt und ggf. auch mit Folgeeingriffen korrigiert oder neu platziert werden, bevor dann die eigentliche Anastomose, wenn möglich ebenfalls in VATS-Technik, durchgeführt werden kann.

Das postoperative Vorgehen unterscheidet sich prinzipiell nicht von dem nach offener Operation. Bezüglich Inzidenz und Schwere möglicher bekannter Komplikationen im Zusammenhang mit der operativen Versorgung einer Ösophagusatresie im Vergleich VATS versus offene Operation, gibt es noch nicht genug randomisierte Studien, um zuverlässige und nachhaltige Aussagen machen zu können.

Thorakoskopische Aortopexie bei Tracheomalazie

Die Indikation für eine thorakoskopische Aortopexie erfolgt meist zur Behandlung von lebensbedrohlichen Apnoephasen aufgrund einer Tracheomalazie. Für diese ist meist eine angeborene Ösophagusatresie ursächlich, aber auch Anomalien des Aortenbogens können eine solche erzeugen. Der Eingriff erfolgt links thorakal bevorzugt mittels VATS.

Pleurempyem und Lungenabszess

Abhängig vom Ausgangsbefund, vom klinischem Zustand der Patienten und möglichen Komorbiditäten ist in den meisten Fällen zunächst eine parenterale, resistenzgerechte Antibiotikatherapie indiziert. Bei fehlendem Ansprechen auf die konservative Therapie und/oder Befundpersistenz oder gar Befundzunahme kommen invasive Massnahmen in Frage. Das stufenweise Vorgehen beinhaltet die Pleurapunktion, und bei persistierendem oder progredienten Befund mit möglicher Kompression der gesunden Lunge oder gar Mediastinalshift die Anlage einer Pleuradrainage. Um die oft zähflüssige, eitrige Pleuraflüssigkeit und/oder septierte Ergüsse suffizient zu behandeln, ist die intrapleurale Applikation von Fibrinolytika in Erwägung zu ziehen. Diese kann im Rahmen einer VATS kontrolliert unter Sicht durchgeführt werden. Septierte Ergüsse können damit unter Sicht vollständig entlastet werden8).

Abbildung 1. VATS bei septiertem Pleuraerguss
Abbildung 2. Stumpfes Lösen der Septen mittels Taststab

Spontanpneumothorax

Ätiologisch ist der primäre Pneumothorax beim bisher lungengesunden Patienten zu unterscheiden vom sekundären Pneumothorax bei vorbestehender Lungenerkrankung, was auch Einfluss auf Art und Intensität der Therapie haben kann. Kleine Spontanpneumothoraces bei asymptomatischen Patienten bedürfen zunächst keiner invasiven Therapie. Bei symptomatischen Patienten ist analog zum Vorgehen bei Pleuraempyem ebenfalls ein stufenweises Vorgehen empfohlen. Persistieren die (Atem-) Beschwerden und/oder zeigt sich im Rö-Thorax ein persistierender oder gar zunehmender Pneumothorax, ist die Anlage einer Drainage indiziert. Neuere Studien berichten allerdings von einem Rezidivrisiko von bis zu 40% nach primärem Pneumothorax (86% innerhalb des ersten Jahres), weshalb eine VATS auch frühzeitig in Erwägung gezogen werden sollte9). Insbesondere bei rezidivierenden Pneumothoraces muss gezielt mittels Thorax-CT nach bullösen Veränderungen der Lunge, meist apikal gelegen, gesucht werden. Diese können dann mittels VATS reseziert werden. Bei diffusem Befund kann ggf. eine Pleurodese mittels VATS durchgeführt werden. Postoperativ wird die Einlage einer Drainage empfohlen, bis die betroffene Lunge sich wieder ausreichend entfaltet hat.

Chylothorax

Im Kindesalter ist der Chylothorax fast immer iatrogen bedingt nach thoraxchirurgischen Eingriffen oder Traumafolge. Bei persistierendem oder progredientem Befund ist auch hier zunächst die Einlage einer Thoraxdrainage indiziert. Ergänzende konservative, allgemein bekannte Therapiemassnahmen beinhalten die enterale Nahrungskarenz, Beschränkung auf mittelkettige Triglyzeride, ggf. PEEP-Beatmung bei intubierten Patienten sowie die Gabe von Somatostatin bzw. Octreotid8). Bei ausbleibendem Therapieerfolg bzw. progredienter Sekretion ist abhängig vom Patientenalter bei grösseren Kindern ein unter Durchleuchtungskontrolle durchgeführter, interventioneller Verschluss mittels Coil-Applikation möglich. Der operative Verschluss des Ductus thoracicus kann dann thorakoskopisch oder offen chirurgisch durchgeführt werden.

Thorakale Tumoren – Tumoren der Brustwand im Kindesalter

Solide thorakale Raumforderungen wie z. B. ein Neuroblastom können nach zuverlässiger Diagnosesicherung abhängig von Grösse, Lage und angrenzenden Strukturen mittels VATS reseziert werden. Bei der Behandlung von Brustwandtumoren im Kindesalter sollte aufgrund des breiten Spektrums an möglichen Differentialdiagnosen und den sich daraus ergebenden therapeutischen Konsequenzen (R0-Resektion mit ausreichendem Abstand zum Gesunden, keine Kontamination des Zugangsweges, etc.) der Einsatz der VATS sorgfältig evaluiert werden.

Chirurgische Therapie der Hyperhidrosis

Bei Versagen sämtlicher konservativer Therapieansätze zur Behandlung der Hyperhidrosis ist die Indikation zur lokalen chirurgischen Exzision zu diskutieren. Am Ende eines stufenweisen Vorgehens bleibt in manchen Fällen nur die Sympathektomie bzw. die Ganglionektomie. Abhängig von der Lokalisation des betroffenen Areals bzw. der entsprechenden Versorgungsgebiete wie z. B. einer palmaren Hyperhidrosis kann mittels VATS die Sympathektomie durchgeführt werden (Resektion von Ganglion T2 und T3)10).

Zwerchfellhernien/-lücken

Grundsätzlich ist zwischen den Formen echter Zwerchfellhernien – somit mit Bruchsack nach thorakal – und kongenitaler Zwerchfelllücken – meist linksseitig dorsolateral – bei Persistenz des pleuroperitonealen embryonalen Kanals zu unterscheiden. Daneben kommen Hernien mit anatomischem Bezug zu den physiologischen Durchtrittstellen von Ösophagus und grossen Blutgefässen (Aorta/V. cava inferior) vor11).

Während der letzten 3 Jahrzehnte hat sich die minimal invasive endoskopische Versorgung sämtlicher Formen von Zwerchfellhernien/-lücken via abdominalem oder thorakalem Zugang neben der offen chirurgischen Zwerchfellplastik wegen des geringeren Zugangstraumas bei vergleichbaren Ergebnissen international etabliert. Wenn technisch möglich, geschieht dies analog der offenen Technik vorzugsweise ohne Patch. Jedoch kann abhängig von Grösse, Seite und Lage der Hernie/Lücke nicht jede Form endoskopisch angegangen werden. Häufig besteht die primäre Herausforderung in der suffizienten Behandlung der durch den fetalen Enterothorax ausgeprägten Lungendysplasie. Hierzu kommen fallbezogen auch die temporäre fetale endoskopische Tracheal-Okklusion (FETO) bzw. postpartal die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zum Einsatz12).

Zwerchfellraffung (Plicatio) bei Zwerchfellparese

Es wurde mehrfach wissenschaftlich gezeigt, dass eine thorakoskopische Raffung bei primärer oder sekundärer Parese des Zwerchfells sicher und mit vergleichbarem Operationserfolg auch im Kindesalter durchführbar ist. Die durch das geringere Zugangstrauma anzunehmende Überlegenheit der endoskopischen Technik wurde aber bis dato nicht in entsprechend designten klinischen Studien systematisch untersucht. Aufgrund der sehr niedrigen Inzidenz der Zwerchfellparese mit entsprechend ausgeprägter symptomatischer Relaxatio wird der Eingriff auch heute teilweise noch offen durchgeführt.

Kongenitale thorakale Malformationen (KTM)

  • CPAM, (congenital pulmonary airway malformations) werden anhand ihrer Histologie nach Stocker zwischen Typ 0 (azinäre Dysplasie) bis Typ 4 (grosszytisch 2-10cm multilokulär) eingeteilt. Sie entsprechen harmartösen zystischen Fehlbildungen des Bronchialsystems13).
  • Lungensequestrationen sind nichtfunktionelles Lungengewebe ohne Bronchialanschluss. Ihre arterielle Perfusion entspringt durch abnorme Äste der abdominothorakalen Aorta.
    • Die intralobäre Form (ILS) liegt innerhalb des normalen Lungengewebe meist des Unterlappens
    • Die extralobäre Form (ELS) findet sich häufig zwerchfellnah und besitzt einen eigenen Überzug der Pleura viszeralis. Ca. 90% finden sich linksseitig13).
  • Hybridmalformationen zwischen Sequestrationen und CPAM kommen vor,
  • Bronchiogene Zysten sind für ca. 50% der mediastinalen Raumforderungen im Kindesalter verantwortlich. Sie sind mit Flimmerepithel ausgekleidete dysplastische Knospungen des Vorderdarmes, welche in der Regel keinen Anschluss an das Tracheobronchialsystem zeigen. Hierdurch entsteht durch fehlende Drainage eine mukusgefüllte Zyste ohne Gaseinschluss13).

Für KTM haben sich folgende Indikationen zur operativen Resektion etabliert: Malignitätspotential, infektiöse Komplikationen und erhebliche kardiorespiratorische Symptome. Asymptomatische KTM können elektiv primär reseziert werden, um eine spätere risikoreichere Resektion im symptomatischen Verlauf zu vermeiden oder einer watch and wait Strategie unterzogen werden. Entsprechende EBM Daten zur Entscheidungsfindung hierzu fehlen bis heute.

Prinzip der Operation ist die R0-Resektion der KTM klassischerweise im Rahmen einer Lobektomie. In den letzten Jahren werden in der Fachliteratur zunehmend auch bereits im Säuglingsalter Segmentresektionen oder atypische Resektionen beschrieben und empfohlen. Auch in der pädiatrischen Thoraxchirurgie stellen minimal invasive Techniken (VATS) das Standardvorgehen dar.

Kongenitales lobäres Emphysem (CLE)

Das CLE ist durch eine häufig bereits präpartal darstellbare kongenitale Überblähung einzelner selten mehrerer Lungenlappen charakterisiert. Meist sind die Oberlappen, gelegentlich der rechte Mittellappen betroffen. In ca. 50% der Fälle finden sich anatomisch mechanistische Ursachen wie extrinsische Kompression, Stenosen oder Malazien des betreffenden Lappenbronchus. Die andere Hälfte der Fälle zeigt keine erkennbare strukturelle Ursache. Neugeborene werden zum Teil erst nach einem symptomfreien Intervall durch Tachydyspnoe auffällig (Ventilmechanismus!).

Bei asymptomatischen Kindern erfolgt eine watch & wait Strategie. Sobald diese symptomatisch werden, ist die Indikation zur Lobektomie wenn möglich in minimal invasiver Technik das Standardvorgehen.

VATS/Robotics bei Myasthenia gravis

Bei Kindern mit therapierefraktären Verläufen unter konservativer Therapie einer Myasthenia gravis hat sich die VATS Thymektomie via links thorakalem Zugang ggf. roboterassistiert als fester Bestandteil des Stufentherapieschemas etabliert.

Referenzen

  1. Rothenberg S. Thoracoscopic repair of a tracheoesophageal fistula in a newborn infant. Pediatr Endosurg Innov Tech (2000), 4: 289-94
  2. Holcomb III GW, Rothenberg SS, Bax KM, Martinez-Ferro M, Albanese CT, Ostlie DJ et al. Thoracoscopic repair of esophageal atresia and tracheooesophageal fistula: a multi-institutional analysis. Ann Surg (2005); 242: 422-8
  3. van der Zee DC, Bax KN. Thoracoscopic treatment of esophageal atresia with distal fistula and of tracheomalacia. Semin Pediatr Surg (2007), 16: 224-30
  4. Zani A, Eaton S, Hoellwarth ME, Puri P, Tovar J, fasching G et al. International survey on the management of esophageal atresia. Eur J Pediatr Surg (2014), 24: 3-8
  5. Ure BM. Esophageal atresia, Europe, and the future. BAPS Journal of Pediatric Surgery Lecture. J Pediatr Surg (2019), 54: 217-22
  6. Dingemann C, Ure BM. Aktuelle Therapiekonzepte der Ösophagusatresie. Monatsschr Kinderheilkd (2016), 164: 844-9
  7. Till H, Muensterer OJ, Rolle U, Foker J. Staged esophageal lengthening with internal and subsequent external traction sutures leads to primary repair of an ultralong gap esophageal atresia with upper pouch tracheoesophageal fistula. J Pediatr Surg (2008), 43: e33-e35
  8. Glüer S, von Schweinitz D. Fehlbildungen und Erkrankungen der Lunge, der Pleura und des Mediastinums in Von Schweinitz D, Ure BM. Kinderchirurgie, 3. Auflage (2019), Springer Medizin Verlag, Heidelberg
  9. Soler LM, Raymond SL, Larson SD, Taylor JA, Islam S. Initial primary spontaneous pneumothorax in children and adolescents: Operate or wait? J Pediatr Surg (2018), 53: 1960-3
  10. Nawrocki S, Cha J. The etiology, diagnosis and management of hyperhidrosis: a comprehensive review. J AM Acad Dermatol (2019), 81 No. 3: 669-80
  11. Wessel L M, Zahn K. Kongenitale Zwerchfellhernie in Von Schweinitz D, Ure BM. Kinderchirurgie, 3. Auflagen (2019), Springer Medizin Verlag, Heidelberg
  12. Osama A, Abdulaziz M.  Thoracoscopic repair of diaphragmatic eventration in children: a comparison of two repair techniques, J Pediatr Surg. 2020 Jun; 55(6):1152-6
  13. Dingemann J, Schwerk N, Fehlbildungen und Erkrankungen der Lunge in Von Schweinitz D, Ure BM. Kinderchirurgie, 3. Auflage (2019), Springer Medizin Verlag, Heidelberg

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
Dr. med.  Thomas F. Krebs Chefarzt, Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie, Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen

Prof. Dr. med.  Frank-Martin Häcker Stellvertretender Chefarzt, Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie, Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen