Einzeln betrachtet sind metabolische Krankheiten sehr selten; ihre Inzidenz variiert zwischen 1:8000 und 1:100000 (oder mehr) Geburten. Der allgemeine Pädiater begegnet im Laufe seines Berufslebens nur wenigen Fällen, die jeweils sehr unterschiedlich sind. Als Gruppe gesehen jedoch sind diese Krankheiten häufiger (1:4000 Geburten) und einige von ihnen sind potenziell behandelbar. Der Pädiater spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Verdachtsäusserung und der frühen Diagnostik dieser Krankheiten in den ersten Lebensjahren.
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Vol. 16 No. 5 2005 Fortbildung / Formation continue
Einzeln betrachtet sind metabolische Krank-
heiten sehr selten; ihre Inzidenz variiert zwi-
schen 1: 8 000 und 1:100 000 (oder mehr)
Geburten. Der allgemeine Pädiater begegnet
im Laufe seines Berufslebens nur wenigen
Fällen, die jeweils sehr unterschiedlich sind.
Als Gruppe gesehen jedoch sind diese
Krankheiten häufiger (1: 4 000 Geburten) und
einige von ihnen sind potenziell behandelbar.
Der Pädiater spielt eine sehr wichtige Rolle
bei der Verdachtsäusserung und der frühen
Diagnostik dieser Krankheiten in den ersten
Lebensjahren.
Die metabolischen Krankheiten bezeichnet
man als «hereditär», und nicht «kongenital»,
da sie genetischen Ursprungs sind (in den
meisten Fällen autosomal-rezessiv vererbt);
aber sie manifestieren sich nicht immer bei
der Geburt. Die Mutationen betreffen Gene,
die für Enzyme kodieren. Diese Enzyme ka-
talysieren biochemische Reaktionen, die
lebenswichtig für die Zellen sind. Die neue-
ren Erkenntnisse über diese Krankheiten und
ihre molekulare Basis zeigen, dass es eine
sehr grosse klinische Variabilität im Hinblick
auf den Schweregrad der Symptome und das
Manifestationsalter gibt. Diese Variabilität ist
abhängig vom genetischen Substrat, von der
Restaktivität des Enzyms und verschiedenen
Umweltfaktoren. Die schweren Formen fin-
det man überwiegend in den ersten Le-
bensmonaten im Spital mit einem schweren
klinischen Erscheinungsbild. Sie können
sich jedoch auch erst später im Leben ma-
nifestieren. Die milderen Formen hingegen
präsentieren sich meist auf eine unspezifi-
sche Art und Weise mit Symptomen, die de-
nen banaler pädiatrischer Krankheiten glei-
chen. Aus diesem Grund bleiben sie oft un-
diagnostiziert, was ein signifikantes Risiko für
die Gesundheit des Kindes darstellt.
Welches sind die metabolischen
Krankheiten, an die der Pädiater
denken sollte?
Man kann die metabolischen Krankheiten in
3 Hauptgruppen unterteilen (> 500 sind be-
kannt):a) Krankheiten mit einem chronischen Be-
ginn, langsam fortschreitend, oft mit
mehreren beteiligten Organen (Spei-
cherkrankheiten oder Krankheiten der
Makromoleküle);
b) Krankheiten mit akuter Präsentation
oder intermittierendem Verlauf, ausge-
löst durch Fastenperioden, Infektionen,
veränderte Ernährung (Krankheiten des
Intermediärstoffwechsels oder der klei-
nen Moleküle);
c) Asymptomatische oder wenig sympto-
matische Krankheiten beim Kind, die
Konsequenzen für das Erwachsenenalter
haben (wie z. B. Hyperlipidämien).
Die Krankheiten der ersten Gruppe beinhal-
ten zum Beispiel die lysosomalen (Mucopo-
lysaccharidosen, Oligosaccharidosen, Gan-
gliosidosen) und die peroxysomalen Krank-
heiten (Adrenoleukodystrophie, Zellweger-
Syndrom etc.), die meist neurodegenerativ
und progredient sind. Diese Krankheiten wer-
den in den meisten Fällen durch spezifische
klinische Zeichen vermutet (Dysmorphie, un-
erklärte Hepatosplenomegalie, Kombina-
tion von Skelett-, Augen- und neurologischer
Beteiligung). Die Diagnose wird in der Regel
von Spezialisten oder multidisziplinären
Gruppen (Metaboliker, Neuropädiater, Hä-
matologe etc.) gestellt. Die biochemische
Diagnostik dieser Krankheiten ist meist kom-
pliziert und wird deshalb in der Regel nicht
in der pädiatrischen Praxis durchgeführt. Der
Pädiater spielt jedoch eine wichtige Rolle bei
der frühzeitigen Diagnosestellung, indem er
den Patienten an einen Spezialisten über-
weist, sobald ein somatisches Problem oder
ein Entwicklungsproblem ihn an eine Stoff-
wechselkrankheit denken lässt. Heutzutage
steht in dieser Krankheitsgruppe nur für ei-
nen kleinen Teil der Patienten eine spezifi-
sche Therapie zur Verfügung. Nach einer sol-
chen Diagnosestellung hat der Pädiater die
Schlüsselrolle des Koordinators im Rahmen
der multidisziplinären Betreuung des Kindes.
Die Krankheiten der zweiten Gruppe bein-
halten die Enzymdefekte des Zuckerstoff-wechsels, der Aminosäuren, der organischen
Säuren und der Fettsäuren, was man als
Intermediärstoffwechsel bezeichnet. Der
Intermediärstoffwechsel ermöglicht den Ge-
brauch dieser kleinen Moleküle zur Ener-
giegewinnung (Katabolismus) und zur Um-
wandlung in für das Wachstum notwendige
Substrate (Anabolismus). Die klassischen
Formen der Krankheiten des Intermediär-
stoffwechsels (Methylmalonazidurie, Pro-
pionazidurie, Isovalerianazidurie etc.) mani-
festieren sich typischerweise beim Neuge-
borenen nach einem kurzen symptomfreien
Intervall, während dem das Kind ernährt wird
und sich mit den Substanzen «vergiftet», die
es nicht richtig verstoffwechseln kann. Auch
in dieser Gruppe gibt es mildere Formen, die
sich meist später und mit den Symptomen
allgemeiner pädiatrischer Krankheiten zei-
gen. In der Regel sind es die leichten bis
mittelschweren Formen dieser Stoffwech-
selkrankheiten, die in der pädiatrischen Pra-
xis vermutet werden können. Ein relativ gros-
ser Anteil dieser Krankheiten kann effektiv
mit einer Diät und/oder Medikamenten be-
handelt werden. Dadurch können akute
metabolische Krisen vermieden werden,
die potenziell lebensbedrohlich sind oder zu
einer bleibenden Behinderung führen kön-
nen. Ein Screening für diese Krankheiten wird
bereits in der pädiatrischen Praxis empfoh-
len, da eine frühe Diagnosestellung wichtige
Konsequenzen für das Kind und seine Fami-
lie hat.
Die Krankheiten der dritten Gruppe bein-
halten ebenfalls ein wichtiges Problem für
den Praxispädiater. Aufgrund ihrer Be-
sonderheit und der Problematik verbunden
mit der Prävention der Krankheiten im Er-
wachsenenalter werden diese Krankheiten in
einem separaten Artikel der Paediatrica be-
handelt.
Welche Untersuchungen
kann man in der pädiatrischen
Praxis durchführen und
mit welchen Indikationen?
Unter einem «selektiven» Screening versteht
man die biochemischen Tests, die man bei
den Kindern durchführen sollte, die unspe-
zifische Zeichen und Symptome haben, die
sich jedoch nicht durch geläufige pädiatri-
sche Krankheiten erklären lassen. Im Unter-
schied zum Neugeborenenscreening, das bei
der ganzen Population der Neugeborenen
durchgeführt wird und die präsymptomati-
Das selektive Screening für metabolische
Krankheiten in der pädiatrischen Praxis
Luisa Bonafé, Diana Ballhausen
Abteilung für Molekulare Pädiatrie, CHUV, Lausanne
Fortbildung / Formation continue
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Vol. 16 No. 5 2005
sche Diagnostik von vier Stoffwechselkrank-
heiten erlaubt (Phenylketonurie, Galaktosä-
mie, Biotinidasemangel, MCAD*-Mangel)
wird die Indikation zum selektiven Screening
durch Symptome gestellt. Das selektive
Screening kann potenziell mehr als 30 Stoff-
wechselkrankheiten diagnostizieren. Es ist
nicht notwendig, in der Differentialdiagnose
eine bestimmte Krankheit unter den mög-
lichen Stoffwechselkrankheiten zu vermuten
oder deren klinische Details alle zu kennen,
da die Analysen des selektiven Screenings
eine «Momentaufnahme» des Intermediär-
stoffwechsels zu einem bestimmten Zeitpunkt
darstellen, das Rückschlüsse auf eine Fehl-
funktion im Stoffwechsel mehrerer Moleküle
(Zucker, Aminosäuren, Fettsäuren) erlaubt.
Da der Intermediärstoffwechsel ein dynami-
scher Prozess ist, der sich schnell im Rahmen
unterschiedlicher Bedingungen ändert (Nah-
rungsaufnahme, Fastenzustand, fieberhafte
Krankheit, körperliche Aktivität etc.), ist der
Zeitpunkt für die Probengewinnung für das se-
lektive Screening von entscheidender Be-
deutung. Der Pädiater befindet sich in der Re-
gel in der besten Position, um die Probenge-
winnung durchzuführen, wenn das Kind
akute Symptome zeigt. Ein Screening, das im
asymptomatischen Zustand durchgeführt
wird, kann negative Resultate zeigen – auch
wenn ein Enzymdefekt vorhanden ist (z. B. bei
einer Fettsäureoxidationsstörung).
Tabelle 1zeigt Beispiele eines selektiven
Screenings, das in der pädiatrischen Praxis
möglich ist: Diese Analysen werden in Urin-
proben oder Blutproben gemacht und sind
einfach durchzuführen. Die Aufbewahrung
und der Transport der Proben hängt von der
Geschwindigkeit ab, mit der die Proben im
Speziallabor eintreffen.
Die Indikationen für verschiedene Analysen
sind in den Tabellen 2–4aufgelistet. Es istklar, dass diese Zeichen (klinisch und biolo-
gisch) sehr unspezifisch sind, und dass die
Entscheidung zur Durchführung eines Stoff-
wechselscreenings von den Überlegungen im
Einzelfall abhängt. Das Vorhandensein meh-
rerer dieser Zeichen bei einem Kind ohne
eine klare Erklärung für den Zusammenhang
sollte an die Durchführung eines Stoff-
wechseltests denken lassen. Zum Beispiel:
Eine Transaminasenerhöhung bei einem
Kind, das häufig erbricht oder eine verlang-
samte psychomotorische Entwicklung bei ei-
nem Kind, das oft im Rahmen von gastroin-
testinalen Infekten sehr dehydriert ist. Des
Weiteren sollte einen auch ein einzelnes Zei-
chen aus dieser Liste an eine metabolische
Ursache denken lassen, wenn es persistiert
oder sich ohne Erklärung wiederholt. Ein ty-
pisches Szenario, das man oft in der Vorge-
schichte von Kindern mit metabolischen
Krankheiten findet, ist das eines Kindes, das
im Rahmen einer banalen Infektion als «zu
krank» erschien (stark verminderter Allge-
meinzustand, Notwendigkeit häufiger Hos-
pitalisationen zwecks Rehydratation, Azido-
se, die im Rahmen von Episoden mit Diarrhoe
als zu stark erscheint).
Der Kontakt mit dem Stoff-
wechselspezialisten und dem
Speziallabor
Oft ist es für den Praxispädiater schwierig, zu
entscheiden, wann es wirklich indiziert ist,
ein selektives Stoffwechselscreening durch-
zuführen. Ein kurzer telefonischer Kontakt
mit einem Stoffwechselspezialisten und die
Diskussion der klinischen Situation mit ihm
können eine solche Entscheidung erleich-
tern. Da die akute Phase der Symptome in
Bezug auf die Laboruntersuchungen am aus-
sagekräftigsten ist, kann der Pädiater die not-
wendige Probengewinnung im richtigen Mo-
ment vornehmen und hinterher je nach wei-
terem klinischen Verlauf oder evtl. Rat desSpezialisten entscheiden, ob er die Proben
ans Labor einschickt oder nicht. Die Fall-
vorstellung beim Spezialisten kann auch
in Briefform vorgenommen werden, wenn
der Telefonkontakt sich schwierig gestaltet.
Somit kann verhindert werden, dass der
Pädiater eine Vielzahl von unnötigen Spezi-
alanalysen verlangt (was höhere Kosten zur
Folge hat). Des Weiteren kann die Wahr-
scheinlichkeit für das Vorliegen einer Stoff-
wechselkrankheit besser abgeschätzt wer-
den. In manchen Situationen gibt es bereits
genug Argumente für eine Stoffwechsel-
krankheit, die sofort eine umfangreichere
Untersuchung rechtfertigen: Das Kind wird
Tabelle 1: Analysen des selektiven Stoffwechselscreenings in der pädiatrischen Praxis
Urin:Versand gekühlt an Speziallabor am selben Tag oder einfrieren und später verschicken
Blut auf Filterpapierkarte:trocknen lassen (ohne Hitzeeinwirkung) und Versand bei Raumtemperatur
Auftragsformular (beim Speziallabor verlangen):Bitte Indikation und klinische Situation zum Zeitpunkt
der Probengewinnung vermerken (morgens nüchtern, nach verlängertem Fasten, im Rahmen einer Hypoglykämie,
während oder direkt nach einer akuten Phase mit neurologischen oder gastroenterologischen Symptomen etc.);
bitte Name des Spezialisten vermerken, falls Sie mit ihm den Fall diskutiert haben
Aminosäuren im Urin Urinportion 3–5 ml
Organische Säuren im Urin Urinportion 3–5 ml
Purine und Pyrimidine im Urin Urinportion 3–5 ml
Acylcarnitine im Blut 3–5 Bluttropfen auf Filterpapierkarte (Guthrie)
Tabelle 3: Indikationen für die Bestimmung
von Purinen und Pyrimidinen im Urin
●Nierensteine●Harnsäure im Blut erhöht oder
erniedrigt
●Gelenkbeschwerden (Gicht)●Neurosensorielle Schwerhörigkeit●Verhaltensstörungen (Automutilation,
Aggressivität, autistische Züge)
●Immundefekt und/oder mega-
loblastische Anämie kombiniert
mit neurologischen Symptomen
●Epilepsie kombiniert mit schwerem
Entwicklungsrückstand und/oder
Verhaltensstörungen
●Muskelkrämpfe, exzessive Ermüdung
nach Anstrengung
●Orange Kristalle in der Windel
Tabelle 2: Indikationen für die Bestimmung
von Aminosäuren und Organischen
Säuren im Urin
●Psychomotorischer Entwicklungs-
rückstand
●Kleinwuchs, Gedeihstörung●Wiederholtes Erbrechen●Ausgeprägte Azidose
bei Gastroenteritis
●Hepatopathie, Transaminasenerhöhung●Auffälliger Uringeruch●Unerklärte Mikro-/Makrozephalie●Krampfanfälle: rezidivierend /
therapierefraktär / + Kleinwuchs /
+ Entwicklungsrückstand /
+ andere neurologische Symptome
●Bewegungsstörung (Dystonie, Tremor)●Gangstörung / intermittierende Ataxie●Muskuläre Hypotonie, Krämpfe●Z. n. ALTE und/oder positive
Familienanamnese für plötzlichen
Kindstod (SIDS)
●Fluktuierende Bewusstseinsstörung●Cranio-faciale Dysmorphie●Nephrolithiasis
* MCAD: medium chain acyl-CoA déshydrogénase
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in diesem Fall für eine detaillierte klinische
und biochemische Untersuchung zu einem
Spezialisten weitergeschickt. In anderen Si-
tuationen wiederum kann der Spezialist den
Pädiater darin bestätigen, dass die vorhan-
denen Zeichen eines Patienten eher nicht auf
eine Stoffwechselstörung hinweisen.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Inter-
pretation der Resultate von biochemischen
Analysen. Die Analyse der organischen Säu-
ren und der Aminosäuren im Urin kann zwar
klar normale oder klar pathologische Resul-
tate zeigen. Viel häufiger jedoch finden sich
physiologische Zeichen eines bestimmten kli-
nischen Zustandes (verlängertes Fasten,
postprandiale Phase, Ernährung mit diäteti-
schen Supplementen) oder indirekte Zeichen
einer nicht-metabolischen Pathologie (Nie-
ren-, Leberprobleme, Hypoxie, Krampfan-
fälle, Medikamente etc.). Aus diesem Grund
ist es notwendig, dass mit der Probe auch die
wichtigsten klinischen Angaben an das Labor
geschickt werden, damit die Resultate kor-
rekt interpretiert werden können. In Abwe-
senheit solcher Informationen kann die
Interpretation der Resultate nur deskriptiv
oder partiell sein und ermöglicht dem Päd-
iater nicht, daraus Schlussfolgerungen zu
ziehen. Manchmal ist für die Interpretation
der Resultate ein direkter Kontakt mit dem
Labor und/oder dem Stoffwechselspeziali-
sten erforderlich.
Das selektive Screening:
Erwartungen
Wenn man ein selektives Stoffwechselscree-
ning durchführt, muss man sich bewusst
sein, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering
ist, dass man eine hereditäre Stoffwechsel-
krankheit neu diagnostiziert. Da die Stoff-
wechselkrankheiten sehr selten sind, mussman mit einer grossen Anzahl von negativen
Tests rechnen, selbst wenn die Indikationen
für das Screening korrekt gestellt sind.
Das darf trotzdem nicht dazu führen, dass
sich der Pädiater entmutigen lässt und die-
sen Krankheiten weniger Aufmerksamkeit
schenkt, da die Konsequenzen einer verzö-
gerten oder verpassten Diagnose für das be-
troffene Kind und seine Familie schwerwie-
gend sind. Vor allem bei den Krankheiten des
Intermediärstoffwechsels kann eine früh-
zeitige Therapie die langfristige Prognostik
entscheidend verbessern, indem schwere
metabolische Entgleisungen und perma-
nente neurologische Einschränkungen ver-
mieden werden. Des Weiteren kann eine feh-
lende Diagnosestellung schwerwiegende
Konsequenzen im Rahmen einer metaboli-
schen Stresssituation wie z. B. eine chirur-
gische Intervention, eine schwere interkur-
rente Krankheit, die post-partale Periode
oder andere katabole Situationen haben.
Kinder, die an einer Krankheit des Interme-
diärstoffwechsels leiden, erhalten bei Dia-
gnosestellung einen Notfallausweis, der ne-
ben der Diagnose die potenziellen Gefahren
für die Gesundheit und die Massnahmen im
Falle einer Infektion, eines Unfalls, einer Ope-
ration sowie die Adresse des betreuenden
Stoffwechselzentrums beinhaltet. Einzig
das Bekanntsein der Diagnose und der
möglichen Risiken im Vorfeld ermöglicht eine
korrekte Behandlung und verhindert Fehler,
die fatal sein können. Obwohl einerseits rich-
tig ist, dass sich in der pädiatrischen Praxis
vor allem die milderen Formen zeigen, ist an-
dererseits bekannt, dass diese Patienten
trotzdem ein gewisses Risiko für schwere
Entgleisungen im Rahmen ausgeprägter
metabolischer Stresssituationen haben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt eines negati-
ven Resultats ist die Tatsache, dass man da-
mit mit einer grossen Wahrscheinlichkeit ei-
nen Teil der potenziell behandelbaren Stoff-
wechselkrankheiten ausschliessen kann.
Eine Probengewinnung während einer akuten
Phase, die keine Zeichen einer Fehlfunktion
des Intermediärstoffwechsels zeigt, erlaubt
somit, den Pädiater und die Familie zu be-
ruhigen.
Ein Ziel des Stoffwechselscreenings ist auch
das bessere Verständnis unterdiagnosti-
zierter Krankheiten. Das ist der Fall bei z. B.
gewissen Organoazidurien, die sehr selten
sind, oder Krankheiten des Stoffwechsels
der Purine und Pyrimidine, bei denen man
bislang nur einen Teil des phänotypischenSpektrums kennt, da nur sehr wenige Fälle
gefunden wurden. Die bekannten Patienten
haben alle einen schweren Phänotyp und
stellen vermutlich die «Spitze des Eisbergs»
des möglichen klinischen Spektrums dar. Nur
eine biochemische Untersuchung kann solch
eine Krankheit bei weniger schwer betroffe-
nen Patienten vermuten lassen und dazu füh-
ren, dass man die Charakteristika dieser
Krankheiten besser kennen lernt und Dia-
gnosekriterien entwickeln kann.
Schlussfolgerungen
Das selektive biochemische Screening er-
laubt den Verdacht oder die Diagnosestel-
lung mehrerer Stoffwechselkrankheiten so-
gar ohne sie im Detail zu kennen. Es er-
möglicht die frühzeitige Diagnosestellung
potenziell behandelbarer Stoffwechsel-
krankheiten auf effiziente Weise. Der Praxis-
pädiater spielt eine zentrale Rolle bei der Er-
kennung dieser Krankheiten, vor allem in
Bezug auf die weniger schweren Formen, die
sich mit unspezifischen Zeichen und Symp-
tomen präsentieren.
Schliesslich muss man sich bewusst sein,
dass ein negatives selektives Screening nicht
jede Stoffwechselkrankheit ausschliesst,
und dass die Patienten, die Zeichen einer
Stoffwechselkrankheit zeigen, durch einen
Spezialisten breiter abgeklärt werden müs-
sen.
Adressen der Schweizer Universitäts-
laboratorien für Stoffwechselanalysen:
Lausanne – LCC- CHUV:
(Organische Säuren, Aminosäuren,
Purine und Pyrimidine, Acylcarnitine)
Laboratoire Centrale de Chimie Clinique
CHUV – BH18-Desk du laboratoire LCC
Rue du Bugnon 46, 1011 Lausanne
Tel. 021 314 41 21 (24h/24h) /
314 41 72 (Mo–Fr, 8–17 Uhr)
Kontakt: Dr. Olivier Boulat,
Prof. Claude Bachmann
Zürich – Klinische Chemie:
(Organische Säuren, Aminosäuren,
Purine und Pyrimidine, Acylcarnitine)
Abt. Klinische Chemie und Biochemie
Kinderspital
Steinwiesstrasse 75
8032 Zürich
Tel. 044 266 75 42 (Sekretariat)
Kontakt: Prof. Nenad Blau,
PD Dr. Beat Thöny
Tabelle 4: Indikationen für die Bestimmung
der Acylcarnitine im Blut
●Hypoglykämie●Myopathie, Rhabdomyolyse●Cardiomyopathie●Z. n. ALTE und/oder positive
Familienanamnese für plötzlichen
Kindstod (SIDS)
●Unerklärte Mikro-/Makrozephalie●Bewegungsstörung (Dystonie, Tremor)●Gangstörung / intermittierende Ataxie●Muskuläre Hypotonie, Krämpfe●Auffälligkeiten in den Organischen
Säuren im Urin (z. B. Dicarbonsäuren,
inadäquate Ketose)
Fortbildung / Formation continue
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Vol. 16 No. 5 2005
Bern – Klinische Chemie:
(Organische Säuren, Aminosäuren,
Purine und Pyrimidine)
Institut für Klinische Chemie,
Zentrale Annahme
Abteilung Metabolismus
Inselspital Bern
3010 Bern
Tel. 031 632 95 69 / 632 29 85
Kontakt: Dr. Jean-Marc Nuoffer,
Prof. Bendicht Wermuth
Basel – UKKB:
(Organische Säuren, Aminosäuren,
Purine und Pyrimidine)
Universitäts-Kinderklinik beider Basel
Stoffwechsel-Labor
Römergasse 8, 4058 Basel
Kontakt: Prof. Brian Fowler,
Dr. Terttu Suormala
Tel. 061 685 62 75 (Fowler)
Tel. 061 685 67 35 (Suormala)
Adressen der Stoffwechselspezialisten
für klinische Fragen:
Lausanne:
PD Dr. Luisa Bonafé
Dr. Diana Ballhausen
Division de Pédiatrie Moléculaire
CHUV, CI 02–35
Av. P. Decker 2
1011 Lausanne
Tel. 021 314 34 83 (Bonafé)
Tel. 021 314 34 82 (Ballhausen)
Tel. 021 314 34 80 (Sekretariat)
Fax 021 314 35 46
luisa.bonafe@c
huv.c h
diana.ballhausen@c huv.c h
www .pediatrics.c h
Zürich:
Prof. Beat Steinmann
PD Dr. Matthias Baumgartner
Stoffwechselabteilung – Kinderspital
Steinwiesstrasse 75
8032 Zürich
Tel. 044 266 73 10 (Sekretariat)
Fax 044 266 71 67
matthias.baumgartner@kispi.unizh.c
h
beat.steinmann@kispi.unizh.c h
www .kispi.unizh.c h/pf/ Kinderspital/ Medi –
zin/ Stoffwec hsel_en.html
Bern:
Dr. Jean-Marc Nuoffer
Universitätskinderklinik
Abt. Klinische ChemieInselspital Bern
3010 Bern
Tel. 031 632 95 69
Fax 031 632 48 62
jean
-marc.nuoffer@insel.c h
Genf:
Prof. Eric Girardin, Dr. Ilse Kern
Néphrologie et Métabolisme Pédiatrique –
Unité de maladies métaboliques
Hôpital des enfants – HUG
Rue Willy Donzé 6
1211 Genève 14
Tel. 022 372 73 53 (Kern)
022 372 46 03 (Sekretariat Prof. Girardin)
Fax: 022 382 45 05
ilse.k
ern@hcuge.c h
eric.girardin@hcuge.c h
Korrespondenzadresse:
PD Dr. Luisa Bonafé
Médecin Adjoint
Division de Pédiatrie Moléculaire
CHUV
1011 Lausanne
luisa.bonafe@c
huv.c h
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Prof. Luisa Bonafé , Division de Pédiatrie Moléculaire CHUV - CI 02-35