Einleitung
Der Pädiater in der Praxis begegnet oft Eltern, welche Schlafstörungen bei ihren Kindern beklagen. Bis zu 25% aller Kleinkinder und fast 50% aller Schulkinder leiden unter Schlafstörungen von mindestens 6 Monaten Dauer. Bei Adoleszenten soll die Prävalenz bei 33% liegen.
Einleitung
Der Pädiater in der Praxis begegnet oft El-
tern, welche Schlafstörungen bei ihren Kin-
dern beklagen
1). Bis zu 25% aller Kleinkin-
der
2)und fast 50% aller Schulkinder 3)leiden
unter Schlafstörungen von mindestens
6 Monaten Dauer. Bei Adoleszenten soll die
Prävalenz bei 33% liegen
4). In einer kür zlich
erschienenen Publikation haben Hedger
Archbold und Kollegen
5)diese Störungen
noch einmal genauer aufgeschlüsselt. Die
«International Classification of Sleep Di-
sorders» (ICSD, 1990)
6) unterscheidet
über 80 Formen von Schlafstörungen. Für
praktische Zwecke ist es hilfreich, sich
3 Fragen zu stellen:
• Liegt eine Störung des Einschlafens
und/oder Durchschlafens vor
(Insomnie)?
• Besteht ein übermässiger oder un-
zeitgemäss auftretender Schlaf
(Hypersomnie)?
• Sind aussergewöhnliche Phänomene
mit dem Schlaf verbunden
(Parasomnie)?Einige Schlafstörungen sind alters- und si-
tuationsgebunden (Tabelle 1), andere kön-
nen in allen Lebensabschnitten vorkommen
(z.B. Schlafapnoe-Syndrom, schlafgebun-
dene Epilepsien). Tabelle 2zeigt wichtige
Ursachen der 3 verschiedenen Schlafstö-
rungen. Eine kindliche Schlafstörung istnicht nur ein Problem für die Eltern. Unge-
nügender Schlaf birgt auch Risiken für eine
beeinträchtigte kognitive Entwicklung
7) 8) des
Kindes mit Auftreten von Verhaltensprob-
lemen. Wie beim Er wachsenen scheinen
auch beim Kind und Jugendlichen Zu-
sammenhänge zwischen nächtlichen ob-
struktiven Atemstörungen und einer erhöh-
ten Prävalenz des metabolischen Syn-
droms* zu bestehen
9). Umso mehr ist es
eine grosse Herausforderung für den be-
handelnden Ar zt, eine der Schlafstörung zu
Grunde liegende Erkrankung nicht zu ver-
passen, wie z.B. Apnoen oder epileptische
Anfälle.
Physiologie des kindlichen Schlafes
Die Dauer und Zusammensetzung des
Schlafes sind im Kindesalter laufenden Än-
derungen unter wor fen. Minimale Grund-
kenntnisse erlauben es, echte Schlafstö-
49 Formation continue / For tbildung Vol. 14 No. 3 2003
Abklärungen von Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter
und der Stellenwer t der Polysomnographie
Tabelle 1:Wichtigste Schlafstörungen nach Altersgruppen
Altersgruppe
Säuglinge
Vorschulkinder
Schulkinder
AdoleszenteSchlafstörungen
Insomnie
Parasomnie
Parasomnie, Hypersomnie
Insomnie, Hypersomnie
* Das metabolische Syndrom ist beim Er wachsenen durch eine Insulinresistenz charakterisier t, welche zu Athe-
rosklerose und Her zkreislauferkrankungen führ t: Myokardinfarkt, Schlaganfälle, periphere ar terielle Verschlus-
serkrankung und Endotheldysfunktion. Ein Patient mit 3 von den folgenden 5 Risikofaktoren entspricht dem Syn-
drom: abdominelle Adipositas, Hyper triglyzerdämie, tiefes HDL Cholesterin erhöhter ar terieller Blutdruck, erhöh-
ter Nüchternblutzucker wer t.
Abbildung 1:Beispiel eines Schlafprotokolls bei einem
einjährigen Kind mit verhaltensbedingten Durchschlafstörungen.
50 Formation continue / For tbildung Vol. 14 No. 3 2003
rungen von Variationen der Norm abzu-
grenzen. Ungefähre Richtwer te für die
Schlafdauer über 24 Stunden sind: 16
Stunden beim Termingeborenen, 13 Stun-
den beim zweijährigen Kind, 11 Stundenmit 5 Jahren, 10 Stunden mit 9 Jahren und
etwa 9 Stunden bei 14-jährigen Adoles-
zenten
10). Angehende Er wachsene brauchen
immer noch um 8 Stunden, eine Tatsache,
welche oft vergessen wird. Die Streubreiteum diese Richtwer te ist recht gross, ent-
sprechend dem Vorkommen von geneti-
schen Kur z- und Langschläfern in der Be-
völkerung. Das individuelle Schlafbedür fnis
lässt sich am besten an Wochenenden und
in den Ferien ermitteln, wenn wir unserem
Körper erlauben, so lange zu schlafen wie
er möchte.
Die Nacht setzt sich aus drei Zuständen zu-
sammen: Wachheit, Non-REM-Schlaf und
REM-Schlaf. Ein Durchgang durch alle 3 Zu-
stände heisst Schlafzyklus. Der Schlafzyk-
lus ist recht kur z bei Neugeborenen und
kleinen Säuglingen. Ein kur zes Er wachen
alle 50 Minuten mit anschliessendem
selbstständigem Einschlafen ist daher nor-
mal, kann aber beunruhigte Eltern bereits
in die kinderär ztliche Sprechstunde führen.
Der Non-REM-Schlaf wird in die Stadien 1
bis 4 eingeteilt, wobei die Stadien 3 und 4
dem Tiefschlaf entsprechen. Aus dem Tief-
schlaf heraus können verschiedene Non-
REM-Parasomnien entstehen, z.B. bei klei-
neren Kindern der Pavor nocturnus, der mit
zunehmendem Alter durch das Schlafwan-
deln abgelöst wird. Da Schlafzyklen mit lan-
gen Tiefschlafanteilen in der ersten Nacht-
hälfte auftreten, sind diese Parasomnien
typischer weise in den ersten Stunden nach
dem Einschlafen anzutref fen. In den
Schlafzyklen der 2. Nachthälfte mehren
sich die REM-Anteile und damit die Fähig-
keit, zu träumen. Alpträume (REM-Para-
somnie) treten entsprechend eher gegen
Morgen auf. Warum der Mensch träumt ist
nicht abschliessend geklär t.
Abklärungen
Anamnese und klinische Untersuchung
Am Anfang der Abklärung steht eine um-
Tabelle 2:Mögliche Ursachen von Schlafstörungen
Schlafstörungen
Insomnie
Hypersomnie
ParasomnieUrsachen
• Ungünstige Rituale
• Falsche Schlafhygiene, -rhythmen
• Psychischer/physischer Stress
(Fieber, Schmerzen, Herz-/Kreis-
lauf, neurologisch, Schlafapnoe-
Syndrom)
• ADS
• Tic-Störungen, Tourette-Syndrom
• Angststörungen
• Depressionen
• Psychosen
• Ungenügende Schlafdauer in der
Nacht
• Gestörter Schlaf
– Schlafapnoe-Syndrom
– häufige Parasomnien
– Grundkrankheiten (s. Tabelle 3)
– Medikamente, Drogen, -entzug
(s. Tabelle 4)
• Erhöhter Schlafbedarf
– Narkolepsie
– idiopathische Hypersomnie
– Depressionen
– Kleine-Levin-Syndrom
• Gestörter Schlafzyklus
– Jet-Lag
– Advanced/Delayed Sleep Phase-
Syndrome
• Non-REM-Parasomnien
– Jactatio capitis
– Pavor nocturnus
– Schlafwandeln
• REM-Parasomnien
– Alpträume
• Enuresis
• Epileptische Anfälle
Wichtig: Gewisse Ursachen können mehr als eine Schlafstörung erklären. Zum Beispiel kann nächtliches Asthma den
Schlaf unterbrechen und verkür zen (Insomnie), dadurch aber auch Schläfrigkeit am Tag bewirken (Hypersomnie).
51 Formation continue / For tbildung Vol. 14 No. 3 2003
fassende Anamnese. Von unschätzbarem
Wer t sind Angaben aus Miktions- und
Schlafprotokollen (Abbildung 1), Schlaf-
fragebogen, aber auch das nächtliche Auf-
zeichnen eines Videos durch die Eltern. Im
Lichte einer Nachttischlampe gelingt es
auch, mit einer einfachen Amateurkamera
aufschlussreiche Bilder zu machen, z.B.,
um einen Pavor nocturnus von einem epi-
leptischen Anfall unterscheiden zu können!
Anamnese zusammen mit der klinischen
Untersuchung helfen auch Krankheiten auf-
zudecken, welche sich hinter einer Schlaf-
störung verbergen können (Tabelle 3). Es
gibt anekdotische Berichte, wonach die Ab-
klärung einer plötzlichen Durchschlafstö-
rung über die Entdeckung einer Nykturie zur
Diagnose eines Diabetes mellitus führ te.
Nicht vergessen dür fen wir die Frage nach
Genussmitteln und Medikamente. Eine gan-
ze Reihe gängiger Medikamente in der Pä-
diatrie können Ein- und Durchschlafstö-
rungen verursachen (Tabelle 4).
Zusatzuntersuchungen
Diese sind zum Teil recht kostspielig und
für das Kind aufwendig. Sie sollten gezielt
aufgrund der anamnestischen Angaben und
klinischen Befunde eingesetzt werden. Das
Spektrum reicht von Lungenfunktionsprü-
fungen und Allergietest bei Verdacht auf
Asthma bronchiale, einem Schlaf-EEG bei
möglichem Anfallsleiden bis zu radiologi-
schen Untersuchungen von oberen Atem-
wegs-Einengungen. Aktigraphen, Armband-
uhr ähnliche Messapparate zur Bestim-
mung körperlicher Aktivität, werden von
einigen Zentren eingesetzt, um Störungen
des Schlaf-Wach-Rhythmus abzuklären. Äl-
tere Kinder tragen die Aktigraphen am
Handgelenk, Säuglinge am Unterschenkel.Der eingebaute Speicher erlaubt es, mehr-
tägige Aufzeichnungen auf den PC hin-
unter zuladen und auszuwer ten. Im Multiple
Sleep Latency-Test (MSLT) wird während
des Tages im Schlaflabor nach Anzeichen
vermehr ter Tagesschläfrigkeit gesucht.
Dabei wird der Proband aufgeforder t, in ei-
ner ruhigen, abgedunkelten Umgebung
schlafen zu gehen. Mittels neurophysiolo-
gischen Messungen (EEG, EMG und EOG)
wird das Einschlafen gemessen. Nach 20
Minuten wird der Test abgebrochen, ob der
Proband geschlafen hat oder nicht. Dieser
Test wird 4- bis 5-mal im Abstand von je-
weils 2 Stunden wiederholt. Die Einschlaf-
latenz wird über alle Messungen gemittelt
und ergibt ein Mass für die Schläfrigkeit.Interessanter weise sind die Normwer te bei
Kindern abhängig von den Puber tätssta-
dien
11). In der Nacht vor dem MSLT muss
eine Polysomnographie durchgeführ t wer-
den, um nächtliche Ursachen der Tages-
schläfrigkeit auszuschliessen (z.B. Ap-
noen, Restless Legs). Eine Narkolepsie
wird vermutet, wenn nebst einer verkür zten
durchschnittlichen Einschlaflatenz bei meh-
reren Tests nach dem Einschlafen REM-
Phasen auftreten.
Genauigkeit der Untersuchung
Messungen von Schlafstörungen sind oft
Grenzen gesetzt. Dies trif ft auch für das ob-
struktive Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS)
zu, welches bei Kindern mit zunehmendem
Tabelle 3:
Den Schlafstörungen zugrunde liegende Erkrankungen
Mögliche Unterteilungen
Internmedizinische Leiden
Schlafapnoe-Syndrom
Andere Atemstörungen
Schlafgebundene Epilepsien
Andere neurologische ErkrankungenBeispiele
• Bauchkoliken und andere
Schmerzen
• Drogen und Drogenentzug
• Gastroösophagealer Reflux
• Diabetes mellitus
• Herzrhythmusstörungen
• Adenoid-/Tonsillenhyperplasie
• Makroglossie (Down-Syndrom)
• Prader-Willi-Labhart-Syndrom
• Cerebralparese
• Neuromuskuläre Erkrankungen
• Asthma bronchiale
• Cystische Fibrose
• «Rolandi»-Epilepsie (BECTS)
• Landau-Kleffner-Syndrom
• Aufwachepilepsien
• Narkolepsie
• Posttraumatische Hypersomnie
• Kleine-Levin-Syndrom
52 Formation continue / For tbildung Vol. 14 No. 3 2003
Interesse gesucht wird. Leider liegt der po-
sitive prädiktive Wer t zur Diagnose eines
OSAS mittels gründlichen Anamnese und
klinischen Untersuchungen nur bei 35%.
Wird zusätzlich eine nächtliche Pulsoxi-
metrie eingesetzt, steigt die Wahrschein-
lichkeit, eine Diagnose korrekt stellen zu
können auf über 80%. Noch etwas besser
steht die respiratorische Polygraphie mit
etwa 90% da. Diese setzt sich zusammen
aus der gleichzeitigen Messung von Sau-
erstof fsättigung, Her zfrequenz, Atemfluss
an Mund oder Nase sowie Atembewegun-
gen (mittels Ef for t-Bändern um Thorax
und/oder Abdomen). Sowohl Pulsoxymetrie
als auch respiratorische Polygraphie kön-
nen, falls die Eltern die Bedienung der ent-
sprechenden Ausrüstung verstehen, auch
zu Hause durchgeführ t werden. Bislang den
höchsten positiv prädiktiven Wer t für das
OSAS hat die nächtliche Polysomnographie
mit etwa 98%. Da es sich dabei um den
Goldstandard bei der Abklärung verschie-dener Schlafstörungen handelt, soll hier nä-
her auf diese Methode eingegangen wer-
den. Leider gibt es noch keine guten Stu-
dien bei Kindern und Jugendlichen bzgl. derDurchführbarkeit von unbeaufsichtigten,
automatisch registrier ten Polysomnogra-
phien zu Hause.
Standard und Indikationen für
Polysomnographien bei Kindern
und Jugendlichen
Standard und Indikationen von Polysom-
nographien bei Kindern wurden in einem
Consensus-Papier der American Thoracic
Society (1996)
12)veröf fentlicht. Die einzel-
nen Komponenten einer Polysomnographie
sind in Abbildung 2illustrier t.
Der Schlaf induzier t Änderungen in der
Funktion und der Kontrolle des respirato-
rischen Systems. Daraus können bedeu-
tende Veränderungen in der Funktion der
oberen Atemwege und des Gasaustau-
sches entstehen. Verschiedene Krank-
heitsgruppen werden daher mittels Poly-
somnographie abgeklär t. Die Empfeh-
lungskriterien für die Durchführung einer
Tabelle 4:In der Pädiatrie gängige Medikamente und Genuss-
mittel, welche Schlafstörungen verursachen können
• Antihyper tensiva
– Betablocker, Reserpin
• Anticholinergica
– Ipratropium Bromid
• ZNS-Stimulantien
– Methylphenidat
• Hormone
– Kontrazeptiva
– Levothyroxin
– Steroide • Sympathomimetika
– Bronchodilatatoren
– Xanthin-Derivate
– Abschwellende Medikamente
• Zytostatika
• Andere
– Phenytoine
– Antitussiva
– Kof fein, Nikotin
(Unvollständige Liste. Für mehr Informationen siehe
Obermeyer und Benca 15)
Abbildung 2: Vorbereitung einer nächtlichen Polysomnographie. Es fehlen noch die Ef for t-Bänder (Induktions-Ple-
thysmographie) um Abdomen und Thorax zur Messung der Atembewegungen sowie die Pulsoximetrie-Sonde am
Finger.
Elektroenzephalographie (EEG), Elektrokardiographie (EKG), Elektrookulographie (EOG), Diaphragma-Elektromyographie
(d-EMG), abdominelles EMG (a-EMG), Kinn-EMG (k-EMG), nasale Atemfluss-Sonde (n-Flow).
53 Formation continue / For tbildung Vol. 14 No. 3 2003
Polysomnographie sind in Tabelle 5zu-
sammengefasst.
Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS)
Das Spektrum der Symptome reicht von er-
höhter Atemarbeit mit Schnarchen über ei-
nen par tiellen Abfall des Atemflusses (Hy-
popnoe) bis zum vollständigen Aussetzen
der Atmung (Apnoe). Oft sind sich die Eltern
der Apnoen nicht bewusst. Sie wissen aber,
dass das Schnarchen zeitweise ein paar
Sekunden aussetzt (während der Apnoe)
und dann plötzlich ein lautes, röchelndes
Atemgeräusch einsetzt (Arousal). Im All-
gemeinen schlafen Kinder mit OSAS unru-
hig und sind nachts verschwitzt. Konse-
quenzen eines unbehandelten OSAS
beinhalten Tagesmüdigkeit, Aufmerksam-
keitsstörungen und Hyperaktivität, pulmo-
nale und systemische Hyper tonie, Cor pul-
monale, Gedeihstörungen
1) 3) und sogar eine
beeinträchtigte intellektuelle Entwicklung
8).
Neuere Studien zeigen auch, dass OSAS
ein unabhängiger Risikofaktor für das meta-
bolische Syndrom ist
9). OSAS ist gleich häu-
fig bei Kindern (Prävalenz 4–5%) wie bei Er-
wachsenen, kommt aber bei Mädchen
gleich häufig vor wie bei Knaben und ist
nicht an Übergewichtigkeit gebunden. Ri-
sikofaktoren für OSAS sind Hyper trophie
der Adenoide und Tonsillen, neuromusku-
läre Erkrankungen, Adipositas, genetische
Syndrome mit Mittelgesichts-Hypoplasie,
Mikrognathie (z.B. Down-Syndrom, Pierre-
Robin-Sequenz), seltener auch eine La-
r yngomalazie oder eine Sichelzell-Anämie.
Bronchopulmonale Dysplasie (BPD)
Einige Säuglinge und Kinder mit BPD wei-
sen längere Episoden mit Hypoxämien wäh-
rend des Schlafes auf, währenddem die
Tabelle 5:Indikationen für Polysomnographien (PSG)
Krankheitsgruppe
Schnarchen,
Verdacht auf OSAS
Bronchopulmonale
Dysplasie
Cystische Fibrose
Neuromuskuläre
Erkrankung
1
Alveoläre
Hypoventilation 1
ALTE
Tagesschläfrigkeit
PSG durchführen, falls zusätzlich
• unruhiger, unterbrochener Schlaf mit vermehrter Atem-
arbeit
• Hypoxämien während nächtlicher Pulsoximetrie
• Gedeihstörung
• Tagesschläfrigkeit
• Polycytämie unklarer Genese
• Neuromuskuläre Erkrankung, Retro-, Pro- und Mikro-
gnathie, Mittelgesicht-Hypoplasie
• Tonsillen und Adenoide vorgängig schon entfernt
wurden
• Laryngomalazie mit Gedeihstörung oder Cor pulmonale
• Sichelzellanämie mit häufigen nächtlichen venookklusi-
ven Krisen
• Risikofaktoren für postoperative Komplikationen nach
Adenotonsillektomie (Alter < 2j., RDI* > 10, Entsättigun-
gen nachts unter 70%, anatomische obere Atemwegs-
einengungen). Unter Umständen dann perioperative
CPAP-Therapie
• Sauerstofftherapie
• Bradykardien ohne Apnoen im Monitoring auftreten
• Schnarchen
• Wach-PaO2 < 60 mm Hg /-SaO2 < 90%, trotz stabilem
Zustand
• häufige Kopfschmerzen beim Aufwachen
• Polycytämie oder Cor pulmonale bei normalen Blut-
gasen tags
• respiratorische Insuffizienz mit FVC > 40% und/oder
pharyngeale Dysfunktion (Schnarchen, Schluckstörung)
Kopfschmerzen beim Aufwachen, Corpulmonale,
Gedeihstörungen trotz adäquater Kalorienzufuhr
• Grössere Eingriffe geplant
• Nicht-invasive Heimventilation geplant
• zur Diagnosestellung
• zur Titrierung der Heimventilation
• unter Heimventilation Auftreten von Cor pulmonale,
Polycytämie, morgendlichen Kopfschmerzen
• isolierte Bradykardien ohne zentrale Apnoen
• Verdacht auf obstruktive Apnoen oder Atem-
regulationsstörung
• Hinweise auf Narkolepsie (gefolgt von MSLT am Tag)
1)Zusätzliche Messung des end-exspiratorischen oder transkutanen CO 2während PSG empfohlen.
* RDI = Respirator y Disturbance Index (Anzahl Hypopnoen und Apnoen pro Stunde Schlaf)
54 Formation continue / For tbildung Vol. 14 No. 3 2003
Sauerstof fsättigung im Wachzustand nor-
mal sein kann. Besteht bereits eine Wach-
Hypoxämie, ist mit einer Verschlechterung
im Schlaf zu rechnen. Als klinisch ersicht-
licher Risikofaktor für eine Schlaf-Hypoxä-
mie bei BPD-Kindern gelten verlänger te
Phasen mit paradoxen Atembewegungen
(welche bis ins Alter von ca. 6 Monaten
auch physiologisch sein können).
Cystische Fibrose
Nächtliche Hypoxämien sind nicht selten!
CF-Kindern mit einem Wach-PaO2 < 60 mm
Hg verbringen bis zu 80% der Zeit im Schlaf
mit einer SaO2 < 90%, währenddem bei ei-
nem Wach-PaO2 > 70 mm Hg in weniger
als 20% der Schlafzeit ein SaO2 von < 90%
auftritt. Leider sind am Tage weder klinische
Scores, O2-Sättigungsmessungen, Lungen-
funktionstests noch Fitnesstests zuver-
lässige Detektoren für nächtliche Atem-
probleme
14).
Asthma bronchiale
Der Atemwegsdurchmesser änder t mit dem
circadianen Rhythmus. Diese Variation
scheint bei Kindern mit Asthma noch grös-
seren Schwankungen unter wor fen zu sein
und mit Abfällen des nächtlichen Peak Flow
bis zu 50% gegenüber dem Tag einher zu
gehen.
Neuromuskuläre Erkrankungen
Betrof fene sind lebenslänglich einem er-
höhten Risiko für sowohl zentrale, wie auch
obstruktive Apnoen/Hypoventilationen des
Schlafes ausgesetzt. Die nächtlichen Atem-
störungen verstärken sich insbesondere,
wenn eine phar yngeale Dysfunktion vorliegt
(Schluckstörungen am Tag!). Oft ist das Ri-
siko durch Untersuchungen am Tag, wieLungenfunktionsprüfungen, Blutgasanaly-
sen oder Kraftmessungen, nicht ab-
schätzbar.
ALTE (apparent life-threatening event)
Die Polysomnographie ist nicht Untersu-
chungsmethode der ersten Wahl bei ALTE.
Bei betrof fenen Kindern mit möglichen ob-
struktiven Apnoen, Bradykardien ohne
zentrale Apnoen oder abnormer Atemre-
gulationskontrolle ist die Polysomnographie
ein wer tvolles Instrument zur Er fassung
des Atemmusters, der Blutgase, Her zfre-
quenz, aber auch der Schlafarchitektur.
Zukünftige Forschungsschwerpunkte
bei kindlichen Schlafstörungen
Tatsächlich sind noch viele klinisch rele-
vante Forschungsgebiete unbearbeitet.
Hier nur einige Beispiele: Zusammenhän-
ge zwischen OSAS, dem metabolischen
Syndrom und kardiovaskulärer Morbidität?
Wann fängt Schnarchen an, ein gesund-
heitliches Risiko zu sein? Wie beeinflusst
eine obstruktive Atmung den Blutdruck?
Einfluss einer gestör ten nächtlichen At-
mung auf die intellektuelle Entwicklung ei-
nes Kindes? Wie viele nächtliche Apnoen
sind erlaubt, wie lange dür fen sie dauern?
Welche im Wachzustand durchgeführ ten
Tests erlauben eine Vorhersage von nächt-
lichen Atemproblemen bei Kindern mit CF
oder mit neuromuskulären Erkrankungen?
Standards für die Durchführung von Poly-
somnographien zu Hause.
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Weitere Literatur auf Anfrage beim
Ver fasser
Silvano Vella, Bern
Korrespondenz:
Dr. med. Silvano Vella
FMH Pädiatrie und Neuropädiatrie
Zentrum für Schlafmedizin
Lindenhofspital
Bremgar tenstr. 117, Postfach
3001 Bern
silvano.vella@gmx.net
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Silvano Vella , Kinder- und Jugendmedizin, speziell Neuropädiatrie, Praxis Lindenhofspital, Bern