Venöse thromboembolische Ereignisse (VTE) kommen bei Kindern deutlich seltener vor als bei Erwachsenen. Der Grund dafür ist, dass VTE bei Kindern hauptsächlich sekundär als Komplikation therapeutischer Massnahmen auftreten, bei Erwachsenen hingegen zu einem grossen Teil idiopathischer Natur sind. Die bei Kindern in den letzten Jahren deutlich gewachsene Inzidenz von VTE widerspiegelt in paradoxer Weise eine konsequente und erfolgreiche Anwendung fortschrittlicher Therapieansätze bei der Behandlung schwerer und früher im Verlauf oft fataler Grunderkrankungen. Das dadurch in der Fachwelt aufblühende Interesse an VTE im Kindesalter hat Forschungsinitiativen stimuliert, welche zu beachtlichen Fortschritten und insbesondere zur Erkenntnis der in der Pädiatrie wesentlich komplizierteren epidemiologischen Verhältnisse führten. Es gibt jedoch noch sehr viele unbeantwortete Fragen, welche nach einer Weiterführung der laufenden prospektiven multizentrischen Studien verlangen und zusätzliche zielgerichtete Forschungsvorstösse erfordern.
In diesem Artikel wird der heutige Kenntnisstand über VTE in der Pädiatrie ausserhalb des Zentralnervensystems vorgestellt.
F o r t b i l d u n g / F o r m a t i o n c o n t i n u e
14
Vol. 18 No. 6 2007
Venöse thromboembolische Ereignisse (VTE)
kommen bei Kindern deutlich seltener vor
als bei Erwachsenen. Der Grund dafür ist,
dass VTE bei Kindern hauptsächlich sekun –
där als Komplikation therapeutischer Mass –
nahmen auftreten, bei Erwachsenen hinge –
gen zu einem grossen Teil idiopathischer
Natur sind. Die bei Kindern in den letzten
Jahren deutlich gewachsene Inzidenz von
VTE widerspiegelt in paradoxer Weise eine
konsequente und erfolgreiche Anwendung
fortschrittlicher Therapieansätze bei der Be –
handlung schwerer und früher im Verlauf oft
fataler Grunderkrankungen. Das dadurch in
der Fachwelt aufblühende Interesse an VTE
im Kindesalter hat Forschungsinitiativen sti –
muliert, welche zu beachtlichen Fortschrit –
ten und insbesondere zur Erkenntnis der in
der Pädiatrie wesentlich komplizierteren
epidemiologischen Verhältnisse führten. Es
gibt jedoch noch sehr viele unbeantwortete
Fragen, welche nach einer Weiterführung
der laufenden prospektiven multizentrischen
Studien verlangen und zusätzliche zielge –
richtete Forschungsvorstösse erfordern. In
diesem Artikel wird der heutige Kenntnis –
stand über VTE in der Pädiatrie ausserhalb
des Zentralnervensystems vorgestellt.
Inzidenz
Bei Erwachsenen liegt die Inzidenz der VTE
bei 19.2 Ereignissen pro 10 000 Erwachsenen
und Jahr. Bei Kindern konnte die Inzidenz
noch nicht so genau definiert werden. Schät –
zungen erhält man aus den verschiedenen
in Tabelle 1 zusammengefassten nationalen
Registern.
Es fällt dabei sofort auf, dass bei Kindern im
Alter zwischen 0 und 18 Jahren die Inzidenz
der in den Studienregistern dokumentierten
VTE stark altersabhängig ist und zwischen
0.07 und 0.49 Ereignisse pro 10 000 Kindern
und Jahr liegt. Ausserdem fällt auf, dass die
Inzidenz der VTE bei Kindern bedeutend
tiefer ist als bei Erwachsenen. Bei Kindern
im Alter unter 1 und über 15 Jahren gibt es
jährlich mehr Ereignisse als bei Kindern im
Alter zwischen 2 und 14 Jahren. Bei Teena –
gern war die Jahreshäufigkeit bei Mädchen
deutlich höher als bei Knaben, ein Unter –
schied der auf frühe Schwangerschaften
zurückzuführen ist. Bei allen Altersgruppen
gab es, gemäss dem National Hospital
Discharge Survey in den USA, etwa doppelt
so viele VTE unter Afroamerikanern als unter
Amerikanern europäischer Abstammung.
Die Mortalitätsrate der dokumentierten
VTE war hauptsächlich Folge der zugrunde
liegenden Krankheit, welche in über 90%
der Fälle identifiziert werden konnte. Als
Hauptrisikofaktor erwies sich der Zentralve –
nenkatheter, welcher bei einem Drittel der
dokumentierten VTE eingelegt worden war.
Die im Kindesalter relativ niedrige Inzi –
denz der VTE lässt sich durch drei wich –
tige Faktoren erklären, welche Kinder vor
VTE schützen. Zum Ersten gibt es die
spezifischen Eigenschaften des kindlichen
Gerinnungssystems. Im Vergleich zum Er –
wachsenenalter ist die Plasmakonzentration
mehrerer wichtiger Gerinnungsfaktoren und
die Fähigkeit, Thrombin zu bilden, über die
gesamte Kindheit vermindert. Die vermin –
derte Fähigkeit, Thrombin zu bilden, wird
unter anderem durch eine deutlich höhere
Plasmakonzentration des Thrombinhem –
mers, alpha-2-Makroglobulin verursacht.
Zweitens kommen bei Kindern Krankheiten
wie Diabetes, Dyslidipidämien und arterielle
Hypertonie, welche das vaskuläre Endo –
thelium schädigen, bedeutend seltener vor
als bei Erwachsenen. Drittens sind Kinder
seltener als Erwachsene einer Reihe erwor –
bener prothrombotischer Risikofaktoren ex –
poniert. Darunter stechen besonders orale
Kontrazeptiva, Hormonsubstitutionsthera –
pien, Schwangerschaft, Wochenbett und
Rauchen hervor.
Risikofaktoren
Zentralvenenkatheter
Zentralvenenkatheter stellen bei weitem
den grössten Risikofaktor für VTE im Kin –
desalter dar. Mehr als 90% aller VTE bei
Neugeborenen und fast 70% aller VTE bei
älteren Kindern werden durch Zentralve –
nenkatheter verursacht. Zentralvenenka –
theter wirken thrombogen, weil sie die
Gefässwände reizen und/oder schädigen
und lokal den normalen Blutstrom beein –
trächtigen. Eine zusätzliche Reizwirkung auf
die Gefässwand kann auch von durch den
Katheter infundierten Medikamenten ausge –
hen. Da Zentralvenenkatheter üblicherweise
im oberen Venensystem eingelegt werden,
entwickeln sich Zentralvenenkatheter-asso –
ziierte VTE in der Regel in der Vena jugularis
oder subclavia. Inguinal eingelegte Katheter
sind öfters mit VTE der Femoralis- und/oder
Iliacal-Venen assoziiert.
Angeborene prothrombotische
Risikofaktoren
Mehrere Studien haben überzeugend be –
legen können, dass angeborene prothrom –
botische Gerinnungsstörungen bei Erwach –
senen einen wichtigen Risikofaktor für VTE
darstellen. Zu den wichtigsten angeborenen
prothrombotischen Risikofaktoren gehören
der Mangel an Antithrombin, Protein C oder
Protein S, die Faktor (F) V Leiden-Mutati –
on, die Prothrombin G20210A-Mutation,
Venöse thromboembolische Ereignisse
bei Kindern
Manuela Albisetti, Zürich
Tabelle 1: Inzidenz von venösen thromboembolischen Ereignissen bei Kindern
Register Alter Zeitspanne Inzidenz
Canadian Registry
0–1 Monat 1990-1993 2.4/1000 Eintritte auf Neonatologie
1 Monat–18 Jahre 1990-1992 0.07/10000 Kinder
German Registry 0–1 Monat 1992-1994 0.51/10000 Geburten
Dutch Paediatric
0–1 Monat 1997-1998 14.5/10000 Neugeborene
Surveillance Unit
0 –18 Jahre 1997-1998 0.14/10000 Kinder
US National Hospital
0–1 Monat 1979-2001 1.50/10000 Neugeborene
Discharge Survey
0–17 Jahre 1979-2001 0.49/10000 Kinder
British Paediatric
Surveillance Survey 1 Monat–16 Jahren
2001-2003 0.07/10000 Kinder
15
Vol. 18 No. 6 2007 F o r t b i l d u n g / F o r m a t i o n c o n t i n u e
die Hyperhomozysteinämie und erhöhtes
Lipoprotein (a). Die Prävalenz dieser ange –
borenen prothrombotischen Risikofaktoren
in der Normalbevölkerung und bei erwach –
senen Patienten mit VTE ist in Tabelle 2
dargestellt.
● Antithrombin, Protein C und Protein S
sind natürlich vorkommende Gerinnungs –
inhibitoren. Die erhöhte Thrombosenei –
gung durch Mangel dieser Gerinnungs –
inhibitoren beruht auf ungenügender
Hemmung des Thrombins, aktivierten
FIX, FX, FXI und FXII im Fall eines Anti –
thrombin-Mangels, und ungenügender
Hemmung von aktivierten FV und FVIII
im Fall eines Protein-C- oder Protein-
S-Mangels. Angeborene Antithrombin-,
Protein-C- und Protein-S-Mängel sind
im homozygoten Zustand eine Rarität
und im heterozygoten Zustand sehr sel –
ten. Charakteristischerweise treten bei
homozygoten Trägern bereits im Neu –
geborenenalter schwere thrombotische
Ereignisse, auch in Form einer Purpura
fulminans auf. Bei heterozygoten Trägern
treten VTE typischerweise im frühen
Jugend- und Erwachsenenalter auf.
● FV Leiden-Mutation ist eine Punktmu –
tation im FV-Gen, welche einen Amino –
säureaustausch (Arginin wird ersetzt
durch Glutamin) an Position 506 des
FV-Proteins bewirkt, so dass das verän –
derte FV-Genprodukt nur noch unzurei –
chend vom aktivierten Protein C (APC)
gespalten und inaktiviert werden kann
und zur so genannten APC-Resistenz
führt. Die daraus entstehende Akku –
mulation von aktiviertem FV führt zu
vermehrter Thrombinbildung und somit
zu einer erhöhten Thromboseneigung.
Eine FV Leiden-Mutation erhöht das Thromboserisiko um das 7-Fache im h
e-
terozygoten Zustand und um das 80-
Fache im homozygoten Zustand.
● Prothrombin G20210A-Mutation ist
charakterisiert durch einen Austausch
von Guanin nach Adenin an Position
20210 im Prothrombin-Gen. Diese Muta –
tion verursacht eine bis zu 30-prozentige
Erhöhung der Prothrombinkonzentration
im Plasma und somit vermehrte Throm –
binbildung und dadurch ein höheres
Thromboserisiko. Träger einer Prothrom –
bin G20210A-Mutation haben ein 2- bis
4-fach höheres Risiko einer VTE zu
erleiden als Nicht-Träger.
● Hyperhomozysteinämie kann sowohl
erworben als auch angeboren sein.
Erworbene Hyperhomozysteinämien
werden durch Vitaminmangel (Vitamin
B6, B12 oder Folsäure), chronische
Krankheiten (zum Beispiel eine chro –
nische Niereninsuffizienz) oder durch
Medikamente (Methotrexat, Phenytoin
oder Carbamazepin) verursacht. Die
häufigste Ursache einer angeborenen
Hyperhomozysteinämie ist die Methy –
lentetrahydrofolsäure-Reduktase- (MTH –
FR)-Mutation. Dabei handelt es sich um
eine Punktmutation an Position 677
des MTHFR–Gens, welche einen Amino –
säurenaustausch von Alanin nach Valin
verursacht und dadurch die Entstehung
einer thermolabilen Enzymvariante mit
vermindertem Abbau des Zwischenpro –
duktes Homozystein bewirkt.
● Lipoprotein (a) ist ein genetisch deter –
miniertes LDL-Partikel mit einem zusätz –
lichen Apo-Protein, dem Apo (a). Auf –
grund seiner Homologie zu Plasminogen
bewirkt eine Erhöhung von Lipoprotein
(a) über 300 mg/l die Verdrängung von
Plasminogen von den Bindungsstellen
der Endothelzellrezeptoren und damit
eine verminderte Fibrinolyse.
Anders als bei Erwachsenen, ist bei Kindern
die Bedeutung der angeborenen prothrom –
botischen Risikofaktoren in der Entstehung
von VTE noch unklar und kontrovers. Bei
VTE-betroffenen Kindern schwanken die
veröffentlichten Häufigkeiten angeborener
prothrombotischer Risikofaktoren zwischen
10% und 59%. Studien aus der Schweiz,
Holland, Kanada und Argentinien zeigen
übereinstimmend, dass die Prävalenz ange –
borener prothrombotischer Risikofaktoren
bei VTE-betroffenen Kindern sich nicht
wesentlich von der Prävalenz derselben
Risikofaktoren in der normalen Population
unterscheidet. Dagegen zeigen Studien aus
Deutschland und, zum Teil, aus England
deutlich erhöhte Prävalenzwerte prothrom –
botischer Risikofaktoren bei VTE-betrof –
fenen Kindern. Die Untersuchung der Rolle
angeborener prothrombotischer Risikofak –
toren bei Kindern mit rezidivierenden VTE
führte zu einem ebenso widersprüchlichen
Bild. Bislang gibt es noch keine Erklärung
für die unterschiedlichen Resultate der
verschiedenen Studien. Ein generelles und
wahlloses «screening» nach angeborenen
prothrombotischen Risikofaktoren bei Kin –
dern mit VTE lässt sich jedoch aufgrund
dieser widersprüchlichen Resultate und der
bestehenden Ungewissheit darüber, ob mit
diesen Untersuchungen die Behandlung, der
Langzeitverlauf und die Rezidivrate von VTE
überhaupt positiv zu beeinflussen sind, wohl
kaum rechtfertigen.
Andere erworbene Risikofaktoren
Bei Kindern gibt es, zusätzlich zum Zen –
tralvenenkatheter, noch weitere Risikofak –
toren, die VTE begünstigen können. Von
Bedeutung sind insbesondere Infektionen,
chirurgische Eingriffe (vor allem kardio-
chirurgische und orthopädische Eingriffe),
Traumata, nephrotisches Syndrom und Lu –
pus erythematodes. Symptomatische VTE
werden ausserdem in einer Häufigkeit bis zu
14% als Komplikation bei der Chemotherapie
einer akuten lymphoblastischen Leukämie
mit L-Asparaginase beobachtet.
Orale Kontrazeptiva stellen einen weiteren
wichtigen erworbenen Risikofaktor für VTE
dar. Der prothrombotische Effekt dieser un –
ter Adoleszentinnen immer verbreiterteren
Kontrazeptiva ist auf Veränderungen des
Tabelle 2: Prävalenz angeborener prothrombotischer Risikofaktoren in der Normal – bevölkerung und bei erwachsenen Patienten mit venösen thromboembolischen
Ereignissen
Risikofaktor Prävalenz (%) Prävalenz (%)
Normalbevölkerung Patienten mit VTE
Antithrombin-Mangel 0.02–0.2 1
Protein C-Mangel 0.2–0.5 3
Protein S-Mangel < 1 1–2
FV Leiden-Mutation 2–15 15–20
Prothrombin G20210A-Mutation 2–4 6–15
MTHFR-Mutation 4–50
Erhöhtes Lipoprotein (a) (> 300 mg/l) 7–10.3
F o r t b i l d u n g / F o r m a t i o n c o n t i n u e
16
Vol. 18 No. 6 2007
hämostatischen Systems zurückzuführen,
welche bei regelmässiger Einnahme auftre –
ten können. Speziell vorkommen können
eine Erhöhung von FVII, FVIII, FX, Fibrinogen
und Prothrombin, eine erworbene APC-Resis-
tenz, eine Verminderung von Protein C und
Protein S und eine vermehrte fibrinolytische
Aktivität. Bei erwachsenen Frauen ist das
Risiko für VTE unter Einnahme von oralen
Kontrazeptiva um das 2- bis 9-Fache erhöht
und höher bei oralen Kontrazeptiva der drit –
ten Generation (Desogestrel, Gestodene,
Norgestimate) als bei solchen der zweiten
Generation (Norgestrel, Levonorgestrel,
Norgestrione). Dieses Risiko ist von der
Dauer der Einnahme abhängig: Im ersten
Jahr ist es am höchsten, sinkt dann um 50%
in den darauf folgenden Jahren. Bei Abset –
zen der oralen Kontrazeptiva verschwindet
dieses zusätzliche Risiko wieder. Bei Frauen
mit angeborenen prothrombotischen Risiko –
faktoren ist das Risiko einer VTE durch orale
Kontrazeptiva signifikant höher ( Tabelle 3 ).
Über das Risiko einer VTE bei Jugendlichen
unter oralen Kontrazeptiva gibt es zurzeit
noch keine Daten.
Aktuelle Empfehlungen bezüglich Beratung
bei der Verschreibung von oralen Kontra –
zeptiva beinhalten die ausführliche Infor –
mation betreffend VTE-Risiko und mögliche
Symptome einer VTE. Eine persönliche VTE-
Anamnese stellt eine Kontraindikation für
orale Kontrazeptiva dar. Adipositas und
positive Familienanamnese für VTE sind
dagegen keine Kontraindikation, betroffene
Patientinnen sollten dennoch orale Kon –
trazeptiva der zweiten Generation bevor –
zugen. Die Untersuchung auf angeborene
prothrombotische Risikofaktoren vor der
Verschreibung oraler Kontrazeptiva wird
nicht empfohlen, ausser bei Frauen mit
einer positiven persönlichen oder familiären
Anamnese für VTE.
Die bei einer Thrombophilie-Abklärung emp –
fohlenen Laboruntersuchungen sind in Ta-
belle 4 zusammengefasst.
Klinische Manifestation
Die klinische Manifestation von VTE ist un –
terschiedlich und hängt von der Lokalisation
und der Grösse des Thrombus ab. Da bei
Kindern die grosse Mehrheit der VTE durch
Zentralvenenkatheter verursacht wird, befin –
den sich die meisten Thrombosen im oberen
Thoraxvenensystem oder in den Inguinal –
venen. Nicht durch Zentralvenenkatheter
verursachte Thrombosen können hingegen
in jedem Venensystem auftreten, sind aber
am häufigsten in den unteren Extremitäten
zu finden. VTE können aber auch spezifische
Organsysteme betreffen, speziell zu erwäh –
nen sind Lunge, Leber und Nieren.
● Zentralvenenkatheter-assoziierte VTE.
Die akute Manifestation einer durch
Zentralvenenkatheter verursachten VTE
umfasst Schmerzen, Schwellung und
rötliche oder violette Verfärbung der
betroffenen Extremität, Schwellung des
Gesichts, Lungenembolie, Chylothorax,
und/oder Vena cava superior Syndrom.
Öfters kommt aber auch vor, dass
eine Zentralvenenkatheter-verursach –
te Thrombose asymptomatisch bleibt
oder sich durch chronische Symptome
bemerkbar macht, wie zum Beispiel
einen sichtbaren Kollateralkreislauf am
Rücken, Nacken und Gesicht und im
Schulterbereich sowie indirekte Zei –
chen wie ein schlecht funktionierender
Katheter oder eine Kathetersepsis. Man
schätzt, dass asymptomatische VTE bei
etwa 66% aller Kinder mit eingelegtem
Zentralvenenkatheter und bei 40% päd-
iatrischer Onkologiepatienten mit Port-
à-Cath vorkommen.
● Lungenembolien. Fallberichte, retro –
spektive oder Autopsie-Studien zeigen,
dass Lungenembolien bei Kindern eher
selten diagnostiziert werden. Ähnlich
wie bei Erwachsenen kann sich eine
Lungenembolie bei Kindern durch Tho –
raxschmerzen, Tachypnoe, Husten, Ta –
chykardie, Atemnot und Kollaps manifes –
tieren. Bei Kindern und speziell bei den
jüngsten kommt öfters auch vor, dass
Lungenembolien eher unspezifische
Symptome verursachen, welche zudem
noch die klinische Manifestation der zu –
grunde liegenden Krankheit nachahmen
können. Aus diesem Grund und weil
Kleinkinder ohnehin Mühe haben ihre
Symptome in Worte zu fassen, sollte
eine Lungenembolie in der Differential –
diagnose einer kardio-respiratorischen
Insuffizienz mitberücksichtigt werden.
● Nierenvenenthrombosen. Nierenve-
nenthrombosen können sich durch eine
palpable abdominale Masse, Hämaturie,
Proteinurie, Anurie, Erbrechen, Hypo –
volämie und Thrombozytopenie mani –
festieren. Bei ausgedehnten VTE, die
bis in die Vena cava inferior reichen,
können beide unteren Extremitäten zy –
anotisch und ödematös werden. Nie –
renvenenthrombosen treten vor allem
bei Neugeborenen oder Säuglingen als
Folge von Asphyxie, Schock, Dehydra –
tation, Sepsis oder Diabetes der Mut –
ter auf. Nierenvenenthrombosen bei
älteren Kindern entstehen üblicherweise
in Folge eines nephrotischen Syndroms,
Verbrennungen, systemischem Lupus
erythematodes oder einer Nierentrans –
plantation.
● Portalvenenthrombosen. Thrombosen
des hepatischen Venensystems betref –
fen meistens das portale Venensystem.
Portalvenenthrombosen können sich
insbesondere bei älteren Kindern durch
Symptome eines akuten Abdomens prä –
sentieren. Es kommt aber auch vor, dass
Tabelle 3: Die Kombination von oralen Kontrazeptiva mit angeborenen prothrom – botischen Risikofaktoren und das relative Risiko für venöse thromboembolische
Ereignisse
FV Leiden FV Leiden Prothrombin G20210A
Heterozygot Homozygot Heterozygot
Keine oralen Kontrazeptiva 5–8 Bis 80 2–4
Mit oralen Kontrazeptiva 20–30 50–100 16
Tabelle 4: Thrombophilie-Abklärung nach venösen thromboembolischen Ereignissen
● Quick, aPTT, Fibrinogen
● Antithrombin funktionell
● Protein C funktionell
● Protein S funktionell
Freies Protein S
Totales Protein S
● APC-Resistenz und/oder
FV Leiden-Mutation
● Prothrombin G20210A-Mutation
● Lipoprotein (a)
● Homocystein
● Lupus Antikoagulans
Anti-Cardiolipin-Antikörper
Anti-Beta-2-Glykoprotein-I-
Antikörper
17
Vol. 18 No. 6 2007 F o r t b i l d u n g / F o r m a t i o n c o n t i n u e
Portalvenenthrombosen über längere
Zeit asymptomatisch und unerkannt
bleiben, bis Symptome einer portalen
Hypertension auftreten, insbesondere
Splenomegalie oder gastrointestinale
Blutungen infolge Oesophagusvarizen.
Bei Neugeborenen entstehen Portalve –
nenthrombosen zum grössten Teil als
Komplikation von Umbilikalvenenkathe –
tern. Bei älteren Kindern entsteht eine
Portalvenenthrombose meistens in Fol –
ge einer Lebertransplantation, Sepsis,
Splenektomie, Sichelzellanämie oder
Chemotherapie.
Diagnose
Die Phlebographie gilt sowohl bei Erwach –
senen als auch bei Kindern als Gold –
standard zur Diagnose eines VTE. Infolge
schlechter Venenverhältnisse und der Not –
wendigkeit einer Sedation oder Narkose ist
die Durchführung einer Phlebographie aller –
dings bei Kindern oft nicht möglich. Darum
wird in der Pädiatrie öfters bei der ersten
Untersuchung eine Doppler-Ultraschall-
Untersuchung bevorzugt. Im Gegensatz zu
Thrombosen der unteren Extremitäten, der
Beckenvenen und der Jugularvenen ist die
Darstellung von Thrombosen der oberen
Thoraxvenen mittels Doppler-Ultraschall
durch das Schlüsselbein und den Brustkorb
allerdings limitiert und kann oft falsch-
negative Resultate ergeben. Deshalb wird
die Kombination von Phlebographie und
Doppler-Ultraschall bei der Thromboseab –
klärung des oberen Thoraxvenensystems
empfohlen. Als Alternative zu dieser Kom –
bination bietet sich die Magnetresonanz
(MR)-Venographie.
Therapie
Ziele der antithrombotischen Therapie sind,
dem lokalen Wachstum der Thrombose und
Embolien vorzubeugen, den Thrombus aufzu –
lösen sowie Thrombusrezidive und Langzeit –
komplikationen zu verhindern. Bei Kindern
besteht die antithrombotische Therapie aus
Verabreichung von gerinnungshemmenden
(unfraktioniertes oder niedermolekulares
Heparin, Coumadin) oder fibrinolytischen
(Urokinase, tPA) Medikamenten. Einzel –
heiten über Wirkungsmechanismus, Dosie –
rung und Monitoring dieser Medikamente
wurden 2002 in Paediatrica publiziert (Al –
bisetti M. Antikoagulation im Kindesalter.
Paediatrica 13: 34–37, 2002).
● Generell werden VTE bei Kindern in den
ersten 5–10 Tagen mit niedermoleku –
larem oder unfraktioniertem Heparin
und anschliessend während 3 Monaten
(sekundäre VTE), 6 Monaten (spontane
VTE) oder länger (bei rezidivierenden
VTE oder persistierenden Risikofak –
toren) mit niedermolekularem Heparin
oder oralen Antikoagulantien behan –
delt. Orale Antikoagulantien können
bereits am zweiten Tag nach Beginn der
Antikoagulationstherapie und solange
überlappend mit niedermolekularem
oder unfraktioniertem Heparin einge –
setzt werden, bis der Ziel-INR zwischen
2 und 3 erreicht ist. Bei ausgedehnten
VTE kann in manchen Fällen eine fibrino –
lytische Therapie erwogen werden, sie
ist aber bei Patienten mit einem rechts-
links Shunt wegen der Gefahr einer arte –
riellen Embolie im Zentralnervensystem
grundsätzlich kontraindiziert.
● Lungenembolien werden in der Regel in
den ersten 7–10 Tagen mit niedermole –
kularem oder unfraktioniertem Heparin
und anschliessend während mindestens
3 (bei schweren Lungenembolien 6–12)
Monaten mit niedermolekularem Hepa –
rin oder oralen Antikoagulantien behan –
delt. Bei ausgedehnten und hämodyna –
misch relevanten Lungenembolien kann
eine fibrinolytische Therapie erwogen
werden.
● Episoden von VTE bei Kindern mit syste –
mischem Lupus erythematodes werden
mit niedermolekularem oder unfraktio –
niertem Heparin und anschliessend mit
niedermolekularem Heparin oder oralen
Antikoagulantien behandelt. Die Dauer
der Therapie hängt in erster Linie von
der Persistenz der Antiphospholipid-An –
tikörper aber auch von der Lokalisation
der Thrombose ab. In der Regel werden
Kinder mit einer ersten VTE bis zum
Verschwinden der Antiphospholipid-An –
tikörper mit Antikoagulantien behandelt.
Bei Kindern mit Thrombusrezidiv und
persistierenden Antiphospholipid-An –
tikörpern muss eine lebenslängliche
Antikoagulation in Erwägung gezogen
werden.
Referenzen1) Andrew M, Monagle P, Brooker LA. Thromboembolic complications during infancy and childhood. BC Decker Inc, Hamilton, Ontario 2000.
2) Albisetti M, Moeller A, Waldvogel K et al. Congenital
prothrombotic disorders in children with venous and arterial thrombosis. Acta Haematol 2007; 117: 149–155.
3) Chalmers, EA. Heritable thrombophilia and childhood thrombosis. Blood Rev 2001; 15: 181–189.
4) Nowak-Göttl U, Dübbers A, Kececioglu D et al. Factor
V Leiden, protein C, and lipoprotein (a) in catheter-related thrombosis in childhood: A prospective study. J Pediatr 1997; 131: 608–612.
5) Bonduel M, Hepner M, Sciuccati G et al. Prothrombo – tic abnormalities in children with venous thromboem – bolism. J Pediatr Hematol Oncol 2000; 22: 66-72.
6) Van Ommen CH, Heijboer H, Van den Dool EJ et al.
Pediatric venous thromboembolic disease in one single center: congenital prothrombotic disorders and the clinical outcome. J Thromb Haemost 2003; 1: 2516–2522.
7) Revel-Vilk S, Chan A, Bauman M, Massicotte P.
Prothrombotic conditions in an unselected cohort of children with venous thromboembolic disease. J Thromb Haemost 2003; 1: 915–921.
8) Martinelli I. Thromboembolism in women. Semin
Thromb Hemost 2006; 32: 709–715.
9) Male C, Chait P, Ginsberg JS et al. Comparison of
venography and ultrasound for the diagnosis of asymptomatic deep vein thrombosis in the upper body in children: results of the PARKAA study. Pro – phylactic Antithrombin Replacement in Kids with ALL treated with Asparaginase. Thromb Haemost 2002; 87: 593–598.
10) Monagle P, Cham A, Massicotte P et al. Antithrombo – tic therapy in children. Chest 2004; 126: 645–687.
11) Albisetti M. Antikoagulation im Kindesalter. Paedi – atrica 13: 34–37, 2002.
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Manuela Albisetti
Universitäts-Kinderkliniken
Steinwiesstrasse 75
8032 Zürich
Tel. 044 266 71 38
Fax 044 266 71 71
manuela.albisetti@kispi.uzh.ch
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Prof. Dr. med. Manuela Albisetti , Abteilung Hämatologie, European Haemophilia Comprehensive Care Center, Universitäts-Kinderspital, Zürich