Kingella kingae ist ein gramnegativer, unbeweglicher Kokkus, ohne Sporenbildung noch Kapsel, paarförmig oder längere Ketten bildend (siehe Abb. 1). Es sind derzeit 5 Stämme von Kingella bekannt: K. kingae, K. indologenes, K. denitrificans, K. oralis und K. potus. K. kingae wird am häufigsten als Ursache von Endokarditiden, Pneumonien, Sepsis und osteoartikulären Infektionen (OAI) erwähnt und gehört im Übrigen zur HACEK-Gruppe (langsam wachsende, Endokarditiden verursachende Keime). K. kingae gilt als normaler Bewohner der Luftwege, die Erstbesiedelung findet im Oropharynx statt1). K. kingae wurde noch nie bei Kindern unter 6 Monaten isoliert, was eine von der Mutter übertragene humorale Immunität vermuten lässt. Dagegen sind 10% der unter 4-jährigen Kinder gesunde Träger, wobei K. kingae im Oropharynx nachgewiesen wird und sich als opportunistischer Keim verhält1). Dieser asymptomatische Trägerstatus ist im Kindesalter gut bekannt und wurde für bekanntere Keime wie Streptococcus pyogenes oder Streptococcus pneumoniae beschrieben.
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kannt, seine pathogene Rolle wurde erst
zu Beginn der 90er Jahre erkannt. Die
scheinbare Zunahme an K. kingae-beding-
ten OAI kann durch die besseren Er fas –
sungsmethoden erklär t werden, v. a. aber
durch die bessere Kenntnis dieses «auf –
strebenden» Keimes. K. kingae zu isolieren,
ist mühsam und oft verbleiben Kulturen
aus Gelenkflüssigkeit oder Knochenpunk –
tate negativ. Die negativen Kulturen erklä –
ren sich auch durch das oft spärliche
Inokulum bei osteoar tikulären Punktio –
nen
4). Um die Sensitivität der Methode zu
verbessern, wurden mehrere PCR (poly –
merase chain reaction) -Techniken entwi –
ckelt. Unspezifische PCR (broad – range
PCR) erlauben es theoretisch, in einer
Probe bakterielle DNA nachzuweisen,
ohne Bestimmung der gesuchten Spezies.
Leider ist die Sensitivität dieser unspezifi –
schen PCR beschränkt: 3000 bis 300 000
Bakterienkolonien (CFU, colony-forming
units) müssen vorhanden sein, um einen
Nachweis zu erlauben
5). Kürzlich wurde
eine spezifische real-time PCR für K. kin-
gae entwickelt, die gezielt die Gene rtxA
und rtxB nachweist
6). Die Analyse -Sensiti –
vität dieser Technik (qPCR-r t x) ist 100 –
fach grösser als jene einer broad-range
PCR. Es ist dehalb heute allgemein aner –
kannt, dass der Nachweis von K. kingae
mittels PCR- Methoden geschehen muss,
wobei die spezifische real-time PCR für die
TR X- Toxine von K. kingae die sensibelste
und spezifischste Methode zu sein scheint.
Einführung
Kingella kingae ist ein gramnegativer, unbe –
weglicher Kokkus, ohne Sporenbildung
noch Kapsel, paarförmig oder längere Ket –
ten bildend (siehe Abb. 1). Es sind derzeit 5
Stämme von Kingella bekannt: K. kingae,
K. indologenes, K. denitrificans, K. oralis
und K. potus. K. kingae wird am häufigsten
als Ursache von Endokarditiden, Pneumo –
nien, Sepsis und osteoartikulären Infektio –
nen (OAI) erwähnt und gehört im Übrigen
zur HACEK- Gruppe (langsam wachsende,
Endokarditiden verursachende Keime).
K. kingae gilt als normaler Bewohner der
Luftwege, die Erstbesiedelung findet im
Oropharynx statt
1). K. kingae wurde noch
nie bei Kindern unter 6 Monaten isoliert,
was eine von der Mutter übertragene hu –
morale Immunität vermuten lässt. Dagegen
sind 10% der unter 4-jährigen Kinder gesun –
de Träger, wobei K. kingae im Oropharynx
nachgewiesen wird und sich als opportunis –
tischer Keim verhält
1). Dieser asymptomati –
sche Trägerstatus ist im Kindesalter gut
bekannt und wurde für bekanntere Keime
wie Streptococcus pyogenes oder Strepto-
coccus pneumoniae beschrieben.
Mechanismen invasiver
Infektionen
Obwohl die Mechanismen der Pathogenese
von K. kingae zum Teil noch ungeklärt sind,
scheint die Interaktion mit viralen Infekten
definitiv gesichert
2). Es werden bei Kindern
mit invasiven K. kingae-Infektionen oft In –
fekte der oberen Luftwege, Stomatitiden oder Aphthen viralen Ursprungs gefunden.
Man denkt, dass die geschädigte Schleim
–
haut Eintrittspforte und damit Ursprung der
hämatogenen Verbreitung in verschiedene
Organe wie Herzklappen, Endokard, Kno –
chen, Gelenke, Wirbelkörper ist, mit nach –
folgender lokaler eitriger Infektion
2). Die
Bevorzugung dieser Lokalisationen durch
K. kingae bleibt ungeklärt. Kürzlich wurde
die Pathogenese von K. kingae, einschliess –
lich der verschiedenen Etappen der Koloni –
sierung der Luftwege, hämatogene Invasion
und Schädigung der Gelenke, auf die Pro –
duktion eines potenten Zytotoxins, RTX
genannt, zurückgeführ t
3). Dieses Toxin
scheint demnach für die Virulenz verant –
wortlich und entscheidend für den zytoto –
xischen Effekt auf die Schleimhaut der
Atemwege, die Gelenksynovia und die Ma –
krophagen zu sein
3).
K. kingae , ein «Schwellenkeim»?
Lange wurde die Rolle von K. kingae als
ätiologischer Faktor von OAI völlig ver –
Osteoartikuläre Kingella kingae-
Infektionen beim Kleinkind
Maruschka Francescato*, Abdessalam Cherkaoui**, Laura Merlini***,
Jacques Schrenzel** ,****, Dimitri Ceroni*****. Übersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux- de – Fonds
* Faculté de Médecine, Université de Genève,
1211 Genève 14
** Laboratoire de Bactériologie, Hôpitaux Univer –
sitaires de Genève, 1211 Genève 14
*** Ser vice de Radiologie, Hôpitaux Universitaires
de Genève, 1211 Genève 14
**** Laboratoire de Recherche Génomique, Ser vices
des Maladies Infectieuses, Hôpitaux Universi –
taires de Genève, 1211 Genève 14
***** Ser vice d’Or thopédie Pédiatrique, Hôpitaux
Universitaires de Genève, 1211 Genève 14 Abbildung 1:
Gramfärbung eines
Kingella kingae-Stammes. Abgebildet aus: P. P. Connell,
B. Carey, D. Kollpiara and S. Fenton. Kingella kingae orbital cellulitis in a 3-year-old. Eye
(2006) 20; 1086–1088.
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Schwierigkeit, eine bakteriologische Diag-
nose zu erhalten. K. kingae ist ein an und für
sich wenig virulenter Keim und die geringe
Keimzahl führt dazu, dass diese OAI dazu
neigen, selbstlimitierend zu sein. Es wurde
sogar gezeigt, dass K. kingae-bedingte OAI
spontan, ohne antibiotische Behandlung
heilen können
9). Trozdem wird die Heilung
durch die antibiotische Behandlung dras –
tisch beschleunigt und Komplikationen wie
Knochenabszesse werden damit wahr –
scheinlich vermieden. Mehrere Studien
weisen nach, dass die parenteral begonne –
ne Behandlung sehr schnell (48 Stunden)
zum Verschwinden der klinischen Sympto –
me führt und dass perorales Fortführen der
Behandlung während 14 zusätzlichen Tagen
die Heilung gewährleistet
7), 8) . Der Keim ist
sehr empfindlich auf Penizillin, Ampizillin,
Cephalosporine zweiter und dritter Gene –
ration, Makrolide, Cotrimoxazol, Tetrazyk –
line und Chloramphenicol
10). Chirurgische
Eingriffe wie Gelenkspülungen oder meta –
physäre Dekompression scheinen, insbe –
sondere bei frühzeitiger Diagnose, weniger
notwendig zu sein als bei Infektionen durch
grampositiven Kokken.
Zukunftsaussichten
Wir stehen z weifellos vor dem Anbruch
einer neuen Zeit und der Behandlung der
OAI eröf fnen sich bedeutende Änderun –
gen. Das Erscheinen und die Verbesse –
rung molekularbiologischer Techniken zur
Amplifikation bakterieller DNA und RNA
werden in naher Zukunf t bestimmt zu
einer präziseren Diagnose des verant –
wor tlichen Keimes führen, und den The –
rapeuten von der Frustration der Infekti –
on «ohne Keim» erlösen. Die ex treme
Sensitivität der molekularen Amplifikati –
on und v. a. deren höhere Spezifizität
werden z weifellos zu einer immer schnel –
leren, lediglich auf einer Blutentnahme
beruhenden bakteriologischen Diagnose –
stellung führen. Man kann deshalb hof –
fen, dass in naher Zukunf t Gelenks – und
Knochenpunktionen (wie auch Gelenks –
spülungen oder Knochenfenestrationen)
nur noch bei Kindern mit einer durch
pyogene Keime beding ten OAI not wendig
sein werden. Die genaueren Kenntnisse
des ätiologischen Profils der OAI werden
bestimmt dazu führen, dass OAI des
Kleinkindes frühzeitiger erkannt werden
und ihre Behandlung dem verant wor tli –
chen Keim angepasst werden kann.
Osteo-artikuläre
K. kingae -Infektionen
Vom epidemiologischen Standpunkt aus
betrachtet, wurden bei akuten kindlichen
OAI bisher in erster Linie Keime wie Staphy-
lococcus aureus, Streptococcus pyogenes
und pneumoniae oder Haemophilus influ-
enzae beschuldigt. Seit ca. 10 Jahren wird
vemehrt über K. kingae-bedingte OAI be –
richtet und dieser Keim wird inzwischen als
häufigste Ursache septischer Arthritiden im
Säuglingsalter betrachtet. K. kingae ist
ebenfalls für Osteomyelitiden verantwort –
lich und eine wichtige Ursache von Spondy –
lodiscitis beim Kleinkind. K. kingae ist damit
der am häufigsten isolierte Keim bei OAI bei
Kindern unter 4 Jahren; mehrere Serien
wiesen nach, dass K. kingae für 50–80% der
OAI im Kleinkindesalter, bei welchen eine
bakterielle Diagnose gestellt wird, verant –
wortlich ist
7), 8) .
Klinisches Bild der
K. kingae -bedingten OAI
Klinisches Bild und Laboruntersuchungen
der K. kingae -bedingten OAI lassen meist
kaum oder gar nicht an eine OAI denken.
Kinder mit einer K. kingae-bedingten OAI
sind oft kaum symptomatisch, die Schon –
haltung der oberen Extremität oder Hinken werden auf ein banales Trauma zurückge
–
führt.
Weniger als 10% der Kinder mit einer K. kin-
gae -bedingten OAI sind bei Spitalaufnahme
fiebrig
8) und die klinische Untersuchung des
betroffenen Gliedes ist wenig ergiebig. Die
Schmerzen sind weniger ausgeprägt als bei
Kindern mit einer Infektion durch klassische
Keime, die betroffene Stelle ist wenig gerö –
tet oder geschwollen, der Gelenkerguss ist
diskret, die Funktionseinschränkung ist
geringer, oft dank Einnahme von NSAID. Das
Blutbild trägt nur wenig zur Diagnose bei;
weniger als 10% der Patienten haben eine
Leukozytose, eine Linksverschiebung wird
sozusagen nie beobachtet, die CPR ist in
50% der Fälle normal und die Thrombozyto –
se fehlt bei 40% der Patienten. Einzig die
BSG scheint ein verwertbarer Parameter zu
sein, ist sie doch bei 80% der Fälle von
K. kingae – bedingten OAI beschleunigt
8). Kin –
der mit einer K. kingae-bedingten OAI kön –
nen demnach afebril sein und normale
Blut parameter aufweisen; diese Tatsache
trägt zur Erschwerung der Diagnosestellung
bei
8).
Radiologische Befunde der
K. kingae -bedingten OAI
Wie dies klassischerweise der Fall ist, ist
das Röntgenbild auch im Frühstadium einer
K. kingae-bedingten OAI enttäuschend, ra –
diologische Zeichen fehlen. Im besten Falle
kann ein periossäres Oedem mit Verwi –
schung der Muskelgrenzen oder ein Ge –
lenkserguss sichtbar sein. Im späteren
Verlauf können K. kingae-bedingte OAI zu
Unregelmässigkeiten der Kortikalis oder zu
metaphysären oder epiphysären Abszessen
führen (Abb. 2). Die immer häufigere Ver-
wendung von MRI hat zur Beschreibung von
Veränderungen geführt, die für K. kingae
spezifisch sind. So ist das Oedem bei K. kin-
gae Osteomyelitis weniger ausgeprägt als
bei Schädigung durch grampositive Kok –
ken. Auch die Befunde im Bereich der be –
nachbarten Weichteile sind, im Vergleich zu
denen bei Befall durch grampositive Kok –
ken, weniger ausgeprägt. Der auffallendste
Befund ist jedoch die Neigung dieses Kei –
mes zur epi- und apophysärem Befall.
Behandlung von
K. kingae -bedingten OAI
Erschwert wird die Behandlung von K. kin-
gae -bedingten OAI vor allem durch die
Abbildung 2: K. kingae -bedingte Osteomyelitis
der distalen Radiusmetaphyse: Das Kind
wurde mit einer Schonhaltung der rechten
oberen Extremität vorgestellt, die auf ein
banales Trauma zurückgeführt worden war.
Nach 20-tägiger Immobilisierung wurde eine
lytische Läsion der Metaphyse sichtbar,
Ausdruck einer lokalen eitrigen lnfektion.
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Korrespondenzadresse
Dr D. Ceroni
Service d’Orthopédie Pédiatrique
Hôpitaux Universitaires de Genève
1211 Genève 14
dimitri.ceroni@hcuge.ch
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191–3. Schlussfolgerung
K. kingae ist heutzutage der am häufigsten
gefundene Keim bei OAI des Kleinkindes. Die
durch K. kingae -bedingten OAI zeichnen sich
durch ihr diskretes klinisches Bild und die
meist nur wenig veränderten Laborparame –
ter aus. K. kingae kann mit konvetionellen
bakteriologischen Methoden nur schwer
nachgewiesen werden; die Diagnose wird oft
mittels molekularbiologischen Techniken
erbracht. K. kingae ist ein wenig virulenter
Keim, stark auf die meisten Antibiotika emp –
findlich, die Keimzahl am Infektionsort ist
gering. Die antibiotische Behandlung der
K. kingae -bedingten OAI ist deshalb leicht
durchzuführen, mit Therapieschemata, die
einen raschen Übergang zur peroralen Ver –
abreichung erlauben. Im Gegensatz zu den
durch pyogene Keime bedingten OAI, ist der
Nutzen chirurgischer Eingriffe bei K. kingae-
bedingten Infekten fraglich.
Referenzen
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an emerging paediatric pathogen. Lancet Infect Dis
2004; 4: 358–67.
Abbildung 3: K. kingae -bedingte Osteoarthritis des Fussgelenkes; der Infekt sitzt in diesem
Fall vor allem im knorpeligen Anteil des Sprungbeins, während die entzündliche Reaktion
des übrigen Knochens gering ist.
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Maruschka Francescato Abdessalam Cherkaoui Laura Merlini Jacques Schrenzel D. Ceroni Andreas Nydegger