Die Versorgungssicherheit von pädiatrischen, patentabgelaufenen Arzneimitteln verbessern
Viele Medikamente für Kinder – insbesondere preisgünstige, deren Patente abgelaufen sind – fehlen auf dem Schweizer Markt. Neue Produkte werden teilweise nicht eingeführt, da die Zulassungsanforderungen als zu hoch und der Verkaufspreis für den kleinen Markt als zu niedrig angesehen werden. Am Treffen der parlamentarischen Gruppe Kinder- und Jugendmedizin wurde eine Lösung vorgeschlagen, die auf Stufe Verordnung umgesetzt werden kann, sofern der politische Wille dazu besteht.
Viele Faktoren führen zur Knappheit an pädiatrischen Arzneimitteln, nur einzelne davon kann ein Kleinstaat wie die Schweiz selber beeinflussen. Die Expertengruppe Kinder und Jugendmedizin hat dem Berner Arzt und Anwalt Andreas Wildi (WalderWyss) den Auftrag erteilt, einen Lösungvorschlag für eine bessere Versorgung an patentabgelaufenen pädiatrischen Arzneimitteln auszuarbeiten, die auf Verordnungsstufe umgesetzt werden kann.
Am Treffen der parlamentarischen Gruppe hielt der Nationalrat und Co-Präsident Benjamin Roduit (Mitte VS) eine Einleitung. „Fragen Sie den Preisüberwacher, dann sind die Preise der patentabgelaufenen Arzneimittel zu hoch, fragen Sie die Industrie, dann sind diese zu tief“, führte Roduit aus. Marc Sidler, Präsident von Kinderärzte Schweiz, zeigte auf, wie viele Arzneimittel in der Praxis heute fehlen und welche Aufwände für die Kinderärzt:innen entstehen. Andreas Wildi präsentierte seinen Vorschlag. Dieser sieht vor, dass die Pädiater:innen eine Liste derjenigen ambulant und stationär eingesetzten Arzneimittel verfassen, die sie benötigen. Arzneimittel, die auf der Liste stehen, aber in der Schweiz nicht verfügbar oder (nicht) mehr zugelassen sind, sollen durch eine Veränderung der Verordnungen befristet legal beschafft werden. Im Vordergrund stehen Teilrevisionen der Verordnung über die Pflichtlagerhaltung von Arzneimitteln und die Verordnung des WBF über die Pflichtlagerhaltung von Arzneimitteln, der Arzneimittel-Bewilligungsverordnung (AMBV) sowie der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV).
Der Apotheker Franz von Heeren (Mepha/Teva) zeigte die Problematik auf, dass die Umsätze im Bereich der patentabgelaufenen pädiatrischen Arzneimittel so tief sind, dass sie die Kosten der Aufrechterhaltung einer Zulassung oft nicht decken. Die Apothekerin Nadine Broder, Leiterin Heilmittelstelle, zeigte die Möglichkeiten und Grenzen des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung BWL auf.
Die Ständerätin und Co-Präsidentin Flavia Wasserfallen (SP BE) moderierte die anschliessende Fragerunde souverän. Einige Behördenvertreter:innen verteidigten ihre Position, wonach es immer eine nationale Zulassung brauche, damit die Patientensicherheit und Qualität der Arzneimittel gesichert werden könne. Es wurde entgegnet, dass die vorgeschlagene Lösung sicherer sei als die aufwändige und komplizierte Einzeleinfuhr, die heute rechtlich möglich ist. Andere zeigten sich offen für einen politischen Auftrag zur Verbesserung der Versorgungssicherheit.
Als nächster Schritt sucht die Expertengruppe das Gespräch mit den betroffenen Departementen (WBF, EDI) und Ämtern (BWL, BAG, Swissmedic). Danach wird sie mit dem Co-Präsidium der parlamentarischen Gruppe über die Lösungsmöglichkeiten sprechen. Je stärker der Vorschlag im Parlament und von den Behörden unterstützt wird, desto rascher kann eine Lösung in Kraft treten.
Eine breite Unterstützung sollte möglich sein, weil der Vorschlag keinen Paradigmenwechsel mit sich bringt. Das Primat der nationalen Zulassung von Arzneimitteln bleibt bestehen. Es ist eine Überbrückungslösung, welche auf den bestehenden Prozessen aufbaut. Die Lösung soll zum Einsatz kommen, falls es keine nationale Zulassung gibt oder keine zugelassenen Arzneimittel verfügbar sind. Sobald ein Arzneimittel auf dem ordentlichen Weg verfügbar ist, wird die Überbrückungslösung ausser Kraft gesetzt.