Die Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU) ist ein seit 1995 bestehendes nationales Erhebungssystem, das gemeinsam von der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie und dem Bundesamt für Gesundheit betrieben wird. Im Rahmen der Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU) wurden in den Jahren 2019 und 2020 folgende sicheren Krankheitsfälle gemeldet:
2019: von 30 beteiligten pädiatrischen Ausbildungskliniken für sieben laufende Studien insgesamt 117 sichere Krankheitsfälle: 41 von invasiven Infektionen Gruppe A Streptokokken, 27 von kongenitaler Zytomegalie, 19 von aktiver Tuberkulose, 14 von Pertussis, zwölf von akuter schlaffer Lähmung, als Indikator der Poliomyelitisüberwachung, zwei von neonataler Listeriose und zwei von Vitamin-K Mangelblutung.
2020: von 29 beteiligten pädiatrischen Ausbildungskliniken für sieben laufende Studien insgesamt 940 sichere Krankheitsfälle: 884 von SARS-CoV-2, 22 von kongenitaler Zytomegalie, 18 von invasiven Infektionen Gruppe A Streptokokken, neun von Pertussis, fünf von akuter schlaffer Lähmung, als Indikator der Poliomyelitisüberwachung, einer von neonataler Listeriose und einer von Vitamin-K Mangelblutung.
Die Anzahl Fälle der laufenden und abgeschlossenen Studien sind in der Tabelle wiedergegeben.
Dank: Wir danken allen Verantwortlichen in den Kliniken für die wertvolle Mitarbeit, die für das Funktionieren und den Erfolg des SPSU-Meldesystems entscheidend ist.
Für das SPSU-Komitee: A. Wörner, Basel (Präsident); I. Bolt, Bern; C. Hagmann, Zürich; B. Laubscher, Neuchâtel und Lausanne; G. Simonetti, Bellinzona; F. Stollar, Genf; M. Mäusezahl, Bern; D. Beeli, Bern; F. Tschaggelar, Bern.
Den kompletten Jahresbericht lesen Sie weiter unten
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
16 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
SPSU–Jahresbericht 2019/2020
1. ZUSAMMENFASSUNG
Im Rahmen der Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU) wur –
den in den Jahren 2019 und 2020 folgende sichere Krank-
heitsfälle gemeldet:
2019: von 30 beteiligten pädiatrischen Ausbildungskliniken
(s. teilnehmende Kliniken) für sieben laufende Studien insge –
samt 117 sichere Krankheitsfälle, 41 von invasiven Infektionen
Gruppe-A-Streptokokken, 27 von kongenitaler Zytomegalie,
19 von aktiver T uberkulose, 14 von Pertussis, zwölf von akuter
schlaffer Lähmung, als Indikator der Poliomyelitisüber –
wachung, zwei von neonataler Listeriose und zwei von Vita-
min-K-Mangelblutung.
2020: von 29 beteiligten pädiatrischen Ausbildungskliniken
(s. teilnehmende Kliniken) für sieben laufende Studien insge –
samt 940 sichere Krankheitsfälle, 884 von SARS-CoV-2,
22 von kongenitaler Zytomegalie, 18 von invasiven Infektionen
Gruppe-A-Streptokokken, neun von Pertussis, fünf von akuter
schlaffer Lähmung, als Indikator der Poliomyelitisüber –
wachung, einer von neonataler Listeriose und einer von
Vitamin-K-Mangelblutung.
2. ALLGEMEINES ZUR SPSU
Die Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU) 1 ist ein Melde –
system zur Erfassung von seltenen pädiatrischen Krankheits –
bildern und seltenen Komplikationen häufigerer Krankheiten
von Kindern unter 16 Jahren, die im Spital behandelt werden
(Zimmermann et al. Soz Präventivmed 1995; 40: 392–5).
Betrieben wird die SPSU von der Schweizerischen Gesellschaft
für Pädiatrie (SGP) und vom Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Das Meldesystem zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:
• einfach, weil es mit minimalem Aufwand betrieben wird;
• flexibel, weil es die Möglichkeit bietet, kurzfristig auftreten-
de besondere epidemiologische Ereignisse zu untersuchen;
• umfassend, weil Fälle gemäss Falldefinition in jeder Klinik
aktiv gesucht werden; und
• national repräsentativ, weil alle 29 pädiatrischen Kliniken
der Schweiz beteiligt sind.
Das Ziel ist es, die Forschung im Bereich seltener pädiatrischer
Krankheiten zu fördern, sowie epidemiologische Trends zu
erfassen.
Weltweit bestehen in mindestens zehn weiteren Ländern ver –
gleichbare Erhebungssysteme: in Australien, Belgien, Deutsch-
land, England, Irland, Kanada, Neuseeland, den Niederlanden,
Portugal und Wales; die Zusammenarbeit und der Erfahrungs-
austausch erfolgen im Rahmen des International Network of
Paediatric Surveillance Units (INOPSU), www.inopsu.com (siehe
Internationales).
Die Resultate aus den einzelnen Studien werden regelmässig
auch in Fachzeitschriften publiziert (siehe Publikationsliste).
Die Richtlinien zur korrekten Zitierung der Autorenschaft in
Anerkennung der SPSU sind im Internet unter www.spsu.ch
zu finden.
Anträge für neue Studien sind an den Präsidenten des
SPSU-Komitees, Dr. A. Wörner (Leitender Arzt, UKBB, Spital-
strasse 33, 4056 Basel, andreas.woerner@ukbb.ch), zu richten.
Ein Beschrieb des Erfassungssystems und die Richtlinien für die
Aufnahme von Studien können beim SPSU-Sekretariat
(Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Übertragbare Krank –
heiten, 3003 Bern, Tel. 058 463 02 97 oder 058 463 87 06,
Fax 058 463 87 59, daniela.beeli@bag.admin.ch) oder im
Internet unter www.spsu.ch bezogen werden.
3. ÜBERSICHT ÜBER DIE ERHEBUNGSJAHRE 2019/2020
Wie in den Vorjahren haben auch 2019/2020 alle pädiatrischen
Ausbildungskliniken an der SPSU-Erhebung teilgenommen. Die
Meldecompliance war wiederum 100%, das heisst, alle Kliniken
haben jeden Monat vollständig gemeldet (Tabelle 1 und 2).
Im Jahr 2019 haben 25 Kliniken insgesamt 140 Erkrankungs-
fälle gemeldet. Davon konnten 117 als sichere Fälle klassiert
werden. 23 Fälle entsprachen nicht den Falldefinitionen oder
waren Doppelmeldungen. Sechs pädiatrische Kliniken hatten
in dieser Zeit zu den überwachten Krankheiten keine Erkran-
kungsfälle zu vermelden.
Im Jahr 2020 wurden in der SPSU, aufgrund der Lancierung
der SARS-CoV-2-Studie, sehr viel mehr Erkrankungsfälle erfasst
als gewöhnlich. Insgesamt haben 28 Kliniken 2121 Erkran-
kungsfälle gemeldet. Für die Studien, die nicht SARS-CoV-2
betrafen, konnten 56 als sichere Fälle klassiert werden. Acht
Fälle entsprachen nicht den Falldefinitionen oder waren
Doppelmeldungen. In der SARS-CoV-2-Studie wurden 2054
Fälle gemeldet, aber nur von 895 lagen im Juli 2021 detail –
lierte Daten vor. Die grosse Anzahl gemeldeter Fälle ohne
detaillierte Daten ist möglicherweise auf die Umstellung im
November 2020 zurückzuführen, als detaillierte Daten nur
noch von hospitalisierten Fällen erhoben wur den.
1 SPSU-Komitee: A. Wörner, Basel (Präsident); C. Hagmann, Zürich; I. Bolt, Bern; B. Laubscher, Neuchâtel und Lausanne; F. Stollar, Genève;
G. Simonetti, Bellinzona; M. Mäusezahl, Bern; D. Beeli, Bern.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021 BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
47/21 17 1647/21 ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Internationales
Die SPSU bietet mit ihrer Mitgliedschaft in der Internationalen Vereinigung der Pädiatrischen Surveillance Units (INOPSU), die
Möglichkeit, Studien in internationaler Zusammenarbeit durchzuführen. Über INOPSU haben Forschende und Interessierte
einen einfachen und niederschwelligen Zugang zu Studienprotokollen aus anderen Ländern, die mit der SPSU vergleichbare
nationale Überwachungssysteme betreiben (www.inopsu.com). Dadurch entsteht eine weltweit einzigartige Möglichkeit,
Daten zu seltenen pädiatrischen Erkrankungen in Bezug auf demographische, diagnostische, klinische und therapeutische
Faktoren zu vergleichen.
Alle zwei bis drei Jahre treffen sich die Vertretungen der derzeit zehn Mitgliedstaaten, um die neusten Erkenntnisse im Rah-
men eines wissenschaftlichen Symposiums auszutauschen. Seit Beginn der Pandemie hat sich dieser Austausch intensiviert
und wurde auf regelmässige virtuelle Meetings umgestellt.
Eine Auswahl von Publikationen (in chronologischer Reihenfolge) illustriert die Aktivitäten der INOPSU:
• Abu Raya B, Jost M, Bettinger J A, Bortolussi R, Grabowski J, Lacaze-Masmonteil T, Robinson J L, Posfay-Barbe K M, Galanis
E, Schutt E, Mäusezahl M, Kollmann T R. Listeriosis in infants: Prospective surveillance studies in Canada and Switzerland.
Paediatrics & Child Health. 2021; pxab035. https://doi.org/10.1093/pch/pxab035
• Katzman DK, Madden S, Nicholls D, Mawjee K, Norris ML. From questions to answers: Examining the role of pediatric
surveillance units in eating disorder research. Int J Eat Disord. 2017; 50: 259–65. https://doi.org/10.1002/eat.22663
• Desai S, Smith T, Thorley BR, Grenier D, Dickson N, Altpeter E, SPSU Committee, Sabbe M, Elliott E, Zurynski Y. Performan-
ce of acute flaccid paralysis surveillance compared with World Health Organization standards. J P Paediatr Child Health.
2015; 51(2): 209–14. https://doi.org/10.1111/jpc.12691
• Grenier D, Lynn R, Zurynski Y. On behalf of all national paediatric surveillance unit investigators. Public Health impacts
of the International Network of Paediatric Surveillance Units. J P Paediatr Child Health. 2009; 14(8): 499–500.
http://doi.org/10.1093/pch/14.8.499
• Grenier D, Elliott EJ, Zurynski Y, Pereira R, Reece M, Lynn R, von Kries R. Beyond counting cases: Public Health Impact of
National Paediatric Surveillance Units. Arch Dis Child. 2007; 92(6): 527–55. http://dx.doi.org/10.1136/adc.2006.097451
Tabelle 1
SPSU 2019: Übersicht über die gemeldeten Fälle und Rücklauf der Meldekarten
Studie Anzahl Meldungen SPSURücklauf
SPSU in% Total Fälle
Sichere
Fälle Keine
Fälle Fehlende Angaben /
Ausstehende
Fragebögen
Akute schlaffe Lähmung 14100 14 122
Kongenitaler Zytomegalievirus 35100 35 278
Invasive Infektion Gruppe-A-Streptokokken 44100 44 413
Neonatale Listeriose 2100 2 20
Pertussis 22100 22 148
Tuberkulose 20100 20 191
Vitamin-K-Mangelblutung 3*100 3 21
*Eine Meldung vom November 2018 (Studie gestartet am 1.9.2018)
Tabelle 2
SPSU 2020: Übersicht über die gemeldeten Fälle und Rücklauf der Meldekarten
Studie Anzahl Meldungen SPSURücklauf
SPSU in% Total Fälle
Sichere
Fälle Keine
Fälle Fehlende Angaben /
Ausstehende
Fragebögen
Akute schlaffe Lähmung 5100 5 50
Kongenitaler Zytomegalievirus 27100 25 223
Invasive Infektion Gruppe-A-Streptokokken 20100 20 182
Neonatale Listeriose 1100 1 10
Pertussis 13100 12 93
SARS-CoV-2 2054100895 88411
Vitamin-K-Mangelblutung 1100 1 10
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
18 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Tabelle 3
Laufende und abgeschlossene SPSU-Studien
Dauer Sichere Fälle
Laufende Studien
Akute schlaffe Lähmung 1/1995, läuf t weiter285
Kongenitaler Zytomegalievirus 4/2016, läuf t weiter128
Invasive Infektion mit Gruppe-A-Streptokokken (iGAS) 12/2017, läuf t weiter107
Vitamin-K-Mangelblutung 9/2018, läuf t weiter3
SARS-CoV-2-Infektionen 4/2020, läuft weiter884
Neu ab 1.7.2021: Varizella-Zoster-Virus-assoziierte
Hospitalisationen (inkl. post-infektiöse Komplika t ionen)
Abgeschlossene Studien
Neonatale Listeriose 6/2017 bis 12/2020 9
Pertussis 4/2006 bis 3/2010 und 1/2013 bis 12/2020323
Tuberkulose 12/2013 bis 11/2019138
Kawasaki disease 3/2013 bis 2/2019331
Symptomatische konnatale Toxoplasmose 1/1995 bis 12/1998 und 6/2009 bis 5/201721
Kongenitale Röteln 1/1995 bis 12/20162
Harnstoffzyklusdefekt 1/2012 bis 12/20155
Mycoplasma-pneumoniae-Enzephalitis 7/2013 bis 6/20150
Extended-Spectrum-Beta-Lactamase-(ESBL-)
produzierender gramneg. Erreger 7/2008 bis 6/2012
403
Schwere Hyperbilirubinämie 10/2006 bis 12/201117 2
Vitamin-K-Mangelblutung 1/1995 bis 12/2000 und 7/2005 bis 6/201127
Akutes rheumatisches Fieber 6/2000 bis 5/201024
Anaphylaxie 5/2007 bis 4/201058
Hämolytisch-urämisches Syndrom 4/1997 bis 3/2003 und 4/2004 bis 3/2010249
Neonataler Herpes 7/2002 bis 6/20085
Neuralrohrdefekt 1/2001 bis 12/2007258
Schütteltrauma 7/2002 bis 6/200750
Invagination 4/2003 bis 3/2006243
Schwere RSV-Infektionen 10/2001 bis 9/2005462
Varizella-Zoster-Virusinfektion 1/2000 bis 3/2003235
Frühsommer-Meningoenzephalitis 3/2000 bis 2/200323
Zyst. periventrikuläre Leukomalazie 1/1996 bis 12/199748
Teilnehmende Kliniken
Pädiatrische Klinik, Kantonsspital, Aarau; Pädiatrische Klinik, Kantonsspital, Baden; Universitäts-Kinderspital beider Basel, UKBB,
Basel; Istituto Pediatrico della Svizzera Italiana, Bellinzona; Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Bern; Neonatologie,
Uni versitätsklinik für Kinderheilkunde, Bern; Kinderspital Wildermeth, Biel; Klinik für Kinder und Jugendmedizin, Kantonsspital,
Chur; Service de Pédiatrie, Hôpital du Jura, Delémont; Service de Pédiatrie, Hôpital Cantonal, Fribourg; Hôpital des Enfants,
HUG, Genève; Service de Pédiatrie, CHUV, Lausanne; Hôpital de l’Enfance, Lausanne; Division de Néonatologie, CHUV,
Lausanne; Pädiatrische Klinik, Kantonsspital, Luzern; Service de Pédiatrie, Hôpital de Zone, Morges; Klinik für Kinder und
Jugendliche, Kantonsspital, Münsterlingen; Département de Pédiatrie, Hôpital Pourtalès, Neuchâtel; Service de Pédiatrie,
Centre hospitalier, Rennaz; Neonatologie, Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, St. Gallen; Pädiatrische Klinik, Ostschweizer
Kinderspital, St. Gallen; Service de Pédiatrie, CHCVs, Sion; Pädiatrische Klinik, Spitalzentrum Oberwallis, Visp; Kinderklinik,
Kantonsspital, Winterthur; Service de Pédiatrie, eHnV, Yverdon; Pädiatrie/Neonatologie, Zollikerberg; Universitäts-Kinderspital,
Zürich; Klinik für Kinder und Jugendliche, Spital Triemli, Zürich; Neonatologie, Universitäts-Frauenklinik, Zürich.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021 BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
47/21 19 1847/21 ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Tabelle 4
Auszug der Daten ab 2010: sichere Fälle von akuten schlaffen Lähmungen (ASL) bei Kindern < 15 Jahren
Jahr Total ASL (< 15 J.) Total ASL «Non Polio» Rate ASL
total (pro 100 000 )
Total ASL mit
1/2 Stuhlproben % der ASL-Fälle mit
≥ 1 Stuhluntersuchung
2020 4 40.29 0/0 0
2019 12 120.86 4 /4 67
2018 16 161.39/0 56
2 017 8 80.6 2/0 25
2016 25 251.912/2 56
2015 8 80.7 1/2 38
2 014 9 90.7 2/0 22
2013 9 90.7 0/1 11
2012 8 80.7 1/5 75
2011 3 30.3 2/2 67
2010 9 9 0.85 /4 55
4. RESUL TATE DER LAUFENDEN STUDIEN
4.1 Akute schlaf fe Lähmungen
Hintergrund
Die Poliomyelitis, auch Kinderlähmung genannt, ist eine virale
Infektionskrankheit, die zu bleibenden Behinderungen, selten
auch zum Tod führen kann. Darum hat die Weltgesundheits -
organisation (WHO) 1988 entschieden, die Poliomyelitis aus -
zurotten. Dieses Ziel hat die Schweiz bereits 1983 erreicht.
Damals registrierte das BAG den letzten Fall vom Wildtyp des
Poliovirus.
Die WHO hat im Jahr 2002 die WHO-Region Europa, also auch
die Schweiz, für poliofrei erklärt. Diesen Status muss das BAG
jährlich gegenüber der WHO belegen. Gemäss WHO ist der
Nachweis von akuten schlaffen Lähmungen, bei denen Polio -
myelitis ausgeschlossen werden kann, ein Beleg dafür, dass in
der Schweiz die Poliomyelitis immer noch aktiv überwacht
wird. Daher hat das BAG die Meldung von akuten schlaffen
Lähmungen (ASL) bereits 1995 in der SPSU in Ergänzung zur
Meldepflicht für Poliomyelitis im obligatorischen Meldesystem
eingeführt.
Die WHO definiert zwei Qualitätsindikatoren für diese Über -
wachung:
• Die Rate der erfassten Fälle von ASL sollte bei Kindern unter
15 Jahren mindestens 1/100 000 betragen.
• Der Anteil der ASL-Fälle mit zwei Stuhluntersuchungen auf
Polioviren im Abstand von 24 bis 48 Stunden sollte mindes-
tens 80% betragen.
Ziele der Studie
• Der Nachweis, dass die Schweiz poliofrei ist; sowie
• die Sensibilisierung der Ärzteschaft für die Poliomyelitis.
Alle Fälle von ASL sind auf Polioviren zu untersuchen [1].
Dadurch sollen epidemiologische, klinische und mikrobiologi -
sche Charakteristika der ASL beschrieben werden. Falldefinition
Klinische Symptomatik bei einem Kind unter 16 Jahren:
• akutes Auftreten einer schlaffen Lähmung in einer oder
mehreren Extremitäten mit abgeschwächten oder fehlen-
den Sehnenreflexen oder
• akutes Auftreten einer Bulbärparalyse.
Resultate
Die Einschlusskriterien für die Studie stimmen nicht ganz mit
denjenigen der WHO überein. In der SPSU werden Kinder un-
ter 16 Jahren eingeschlossen, die Vorgaben der WHO bezie-
hen sich jedoch auf die unter 15-Jährigen. In diesem Bericht
werden deshalb nur die ALS-Fälle bei unter 15-Jährigen ausge-
wiesen. 2019 sind 14 Meldungen von ASL eingegangen.
Davon erfüllen zwölf die Falldefinition. Die Melderate beträgt
somit 0.86 Fälle auf 100 000 Einwohner und Jahr . In acht
Fällen wurde mindestens eine Stuhlprobe untersucht. Dies ent -
spricht 67%. 2020 sind fünf Meldungen von ASL eingegan-
gen. Davon erfüllen vier die Falldefinition. Die Melderate
beträgt somit 0.29 Fälle auf 100 000 Einwohner und Jahr .
In keinem Fall wurde Stuhl auf Polio- oder Enteroviren unter -
sucht.
Wie in den Vorjahren, erreicht die Schweiz weder im Jahr
2019 noch im Jahr 2020 die Qualitätsvorgaben der WHO
(Tabelle 4). Es wurden zu wenig Stuhlproben auf Enteroviren
bzw. Polioviren untersucht.
Aus diesem Grund klassifiziert das BAG neu ASL-Fälle als
«Poliomyelitis ausgeschlossen», falls Magnetresonanzimaging,
Elektroneurographie und Elektromyographie einen entspre-
chenden Befund ergeben und/oder klinisch ein gleichzeitiger
Befall von Motorik und Sensorik vorliegt.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
20 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
4.2 Pertussis ÂAbschlussbericht
Hintergrund
Vom 1. April 2006 bis 31. März 2010 wurde Pertussis im
SPSU-Meldesystem erstmals erfasst [1]. Infolge neuer Impf -
empfehlungen für Säuglinge, die eine Betreuungseinrichtung
besuchen, Schwangere und Jugendliche [2] sowie wegen
Zunahme der von Sentinella registrierten Meldungen in den
Jahren 2010–2013 [3] wurde die Pertussis-Erfassung ab 2013
wieder in das SPSU-Meldesystem aufgenommen. Im Februar
2017 wurden die Impfempfehlungen erneut revidiert [4],
weshalb diese Studie um weitere vier Jahre bis einschliesslich
31. Dezember 2020 verlängert wurde. Hier präsentieren wir
eine Zusammenfassung der Resultate für den gesamten Zeit-
raum von 2013 bis 2020. Eine ausführliche Publikation ist in
Vorbereitung. Ziele der Studie
Das Ziel war es, die Häufigkeit der Hospitalisationen wegen den
Pertussis, die Merkmale der Krankheit und deren Behandlung,
Pertussis-Impfstatus der betroffenen Kinder und Jugendlichen,
wahrscheinliche Infektionsquellen sowie die Aus wirkungen der
Impfempfehlung für Schwangere auf die Krankheitshäufigkeit
bei Neugeborenen und Säuglingen zu untersuchen.
Meldekriterien
Zu melden waren alle Hospitalisationen von Kindern unter
16 Jahren mit der klinischen Diagnose Pertussis.
Falldefinition
Klinisches Bild:
Klinisches Bild vereinbar mit Keuch husten, d. h.:
a) mindestens 14 T age andauernder Husten mit mindestens
einem der folgenden Symptome ohne andere erkennbare
Ursache: Hustenanfälle, Keuchen beim Einatmen, Erbre-
chen nach dem Husten; oder
b) Apnoen bei Säuglingen (< 1 Jahr alt) unabhängig vom V or -
handensein von Husten und dessen Dauer.
Laborkriterien:
1) Nachweis von Bordetella pertussis oder von B. parapertussis
mittels PCR; oder
2) Kultur von B. pertussis oder von B. parapertussis; oder
3) Nachweis von spezifischen Antikörper n gegen B. pertussis
oder B. parapertussis mittels Serologie.
Möglicher Fall:
Klinischer Fall oder Laborkriterien erfüllt, aber klinische Kriterien
nicht vollständig erfüllt.
Wahrscheinlicher Fall:
Klinischer Fall, der einen epidemiologischen Zusammenhang
mit einem sicheren Fall aufweist (d. h. Kontakt zu einem siche -
ren Fall im Zeitraum von 4 bis 21 Tagen vor eigenem Krank-
heitsbeginn).
Sicherer Fall:
Klinischer Fall, der die Laborkriterien erfüllt.
Resultate
Seit dem letzten Bericht (für das Jahr 2018) wurden 14 Fälle
im Jahr 2019 und neun Fälle im Jahr 2020 (letzter Fall im Mai
2020), bei Kindern und Jugendlichen < 16 Jahr en registriert,
für die auch eine detaillierte Ergänzungsmeldung vorlag. Wei-
tere acht (2019) bzw. drei (2020) Meldungen wurden nicht
berücksichtigt (Falschmeldungen, ambulante Fälle, Wohnsitz
im Ausland). Auch die durch B. parapertussis hervorgerufenen
Fälle, die sich bekanntlich von denjenigen durch
B. per tussis
unterscheiden [5], werden hier nicht berücksichtigt.
In Tabelle 5 sind wesentliche Merkmale der 220 gültigen Fälle der
Jahre 2013 bis 2020 dargestellt. Die Anzahl hospitalisierter Kinder
zeigte während des gesamten Studienzeitraums eine rück läufige
Tendenz. Bemerkenswert ist auch, dass nach Ausbruch der
COVID-19-Pandemie Anfang 2020 im Mai 2021 die letzte Hospi -
talisation wegen Pertussis stattfand und seitdem – vermutlich
wegen der Bekämpfungsmassnahmen inkl. Lockdown und
Abstandsregeln – keine weiteren Fälle mehr gemeldet wur den.
Schlussfolgerungen
Eine Weiterverbreitung von allfällig importierten Polioviren muss
unter allen Umständen vermieden werden. Deshalb empfiehlt
das BAG in Anlehnung an die WHO folgende Massnahmen:
• Erreichen einer hohen Durchimpfung;
• Umsetzung einer qualitativ hochstehenden, aktiven Über -
wachung, damit allfällig importierte Polioviren oder zirkulie-
rende Impfviren schnell entdeckt werden; und
• sichere Lagerung und sicherer Umgang mit Polioviren in
Laboratorien mit einem adäquaten Sicherheitsniveau.
Da die Schweiz den Qualitätsvorgaben der WHO punkto Stuhl-
untersuchungen nicht genügt, werden die Kliniken wieder inten-
siver auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass bei allen Fällen,
welche die Einschlusskriterien erfüllen, mindestens eine Stuhl -
probe auf Polioviren zu untersuchen ist. In Anbetracht der hohen
Qualität der schweizerischen Laboratorien betrachtet das BAG
die Untersuchung von einer Stuhlprobe als ausreichend. Die
Kosten übernimmt das BAG. Stuhlproben sind an das Nationale
Referenzlabor für Poliomyelitis (Institut für Medizinische Mikro-
biologie, Petersplatz 10, 4003 Basel) zu senden.
Die Polioimpfung wird für alle nicht geimpften Personen un -
abhängig vom Alter empfohlen. Reisende, die sich in Endemie -
gebiete begeben, sollten ihren Impfstatus überprüfen und für
die nötigen Auffrisch- oder Nachholimpfungen sorgen. Im Jahr
2020 gelten Afghanistan und Pakistan als Endemiegebiete.
Studienleitung
Dr. med. Ekkehardt Altpeter, MPH, Bundesamt für Gesundheit,
Abt. Übertragbare Krankheiten, 3003 Bern,
ekkehardt.altpeter@bag.admin.ch
CoÂStudienleitung Daniela Beeli, dipl. Hebamme HF, Bundesamt für Gesundheit,
Abt. Übertragbare Krankheiten, 3003 Bern,
daniela.beeli@bag.admin.ch
Literatur
1. Bienz K, Bour quin C. Die Labordiagnostik von Polioviren nach der Eradi -
kation der Poliomyelitis in Europa. Schweizerische Ärztezeitung. 2003;
84: 407–8.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021 BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
47/21 21 2047/21 ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Tabelle 5
SPSU 2013 bis 2020: wesentliche Merkmale
2013
N (%) 2014
N (%) 2015
N (%) 2016
N (%) 2017*
N (%) 2018
N (%) 2019
N (%) 2020
N (%) To t a l
N (%)
To t a l 5133 2541 3116 14 9220 (100)
Geschlecht
Männlich 29 (57)15 (45)15 (60)26 (63) 15 (48)13 (81) 6 (43)5 (56)124 (57)
Weiblich 22 (43)18 (55) 10 (40)15 (37) 15 (48) 3 (19)8 (57) 4 (44)95 (43)
Laborbestätigung
PCR 47 (92)30 (91)25 (100) 40 (98)31 (100) 16 (100) 12 (86) 8 (89)209 (95)
Alter bei Krankheitsbeginn
0 –1 M o n a t 24 (47)13 (39) 13 (52) 15 (37) 11 (35) 7 (44)7 (50)5 (56)95 (43)
2–3 Monate 19 (37)7 (21)6 (24)16 (39) 8 (26)4 (25)4 (29) 1 (11)65 (30)
4–5 Monate 2 (4)3 (9)1 (4)6 (15) 4 (13) 0 (0)0 (0)0 (0)16 (7)
6 –1 1 M o n a t e 0 (0)4 (12) 3 (12) 3 (7)1 (3)1 (6)2 (14) 0 (0)14 (6)
12–23 Monate 1 (2)2 (6)2 (8) 0 (0)3 (10) 1 (6)0 (0)1 (11) 10 (5)
≥ 24 Monate 5 (10)4 (12) 0 (0)1 (2)4 (13) 3 (19) 1 (7)2 (22) 20 (9)
Totale Hospitalisationsdauer
1– 3 Ta g e 17 (3 3)8 (24)7 (28)15 (37) 9 (29)3 (19)6 (43)2 (22)67 (31)
4 –7 Ta g e 11 (22)13 (39) 8 (32)13 (32) 10 (32) 7 (44)1 (7)5 (56)68 (31)
8–14 Tage 13 (25)10 (30) 7 (28)12 (29) 7 (23)4 (25) 5 (36) 0 (0)58 (26)
15–21 Tage 5 (10)1 (3)1 (4) 0 (0)2 (6)2 (13) 1 (7)2 (22) 14 (6)
> 21 Tage 5 (10) 1 (3)2 (8)1 (2) 2 (6)0 (0)1 (7) 0 (0)12 (5)
Wahrscheinliche Infektionsquelle
Geschwister 4 (8)7 (21) 5 (20)8 (20) 5 (16)2 (13) 1 (7)1 (11)33 (15)
Eltern 19 (37)4 (12)5 (20)15 (37) 8 (26)5 (31)3 (21) 1 (11)60 (27)
Eltern und Geschwister 10 (20)10 (30) 9 (36)7 (17)7 (23) 3 (19) 1 (7)0 (0)47 (21)
Andere** 8 (16)1 (3)0 (0)5 (12) 3 (10) 1 (6)2 (14) 2 (22)22 (10)
Unbekannt 10 (20)11 (33) 6 (24)6 (15)8 (26) 5 (31)7 (50) 5 (56)58 (26)
Symptome
Hustenanfälle 50 (98)32 (97)25 (100) 40 (98)30 (97)16 (100) 12 (86) 8 (89)213 (97)
Rhinitis 29 (57)22 (67) 15 (60)32 (78) 19 (61) 9 (56)10 (71) 5 (56)14 1 (6 4)
Zyanose 32 (63)18 (55)12 (48) 18 (44)20 (65) 10 (63) 6 (43)4 (44)120 (55)
Atemnot 28 (55)17 (52)16 (64) 14 (3 4)17 (55)11 (69) 8 (57)3 (33)114 (52)
Fieber 9 (18)6 (18) 1 (4)6 (15) 7 (23) 1 (6)3 (21) 3 (33)36 (16)
Apnoe 21(41)13 (39) 10 (40)15 (37) 14 (4 5) 8 (50)8 (57)2 (22)91 (41)
Erbrechen nach Huste n anfall 18 (35)18 (55) 8 (32)17 (41) 14 (4 5) 7 (44)8 (57)2 (22)92 (42)
Juchzendes Inspirium 11 (22)9 (27)6 (24)15 (37) 5 (16)5 (31) 1 (7)0 (0)52 (24)
Schlafprobleme 22 (43)18 (55)13 (52) 20 (49)13 (42) 6 (38)6 (43)1 (11)99 (45)
Komplikationen
Pneumonie 3 (6)1 (3) 1 (4)1 (2) 2 (6)3 (19) 0 (0)0 (0)11 (5)
Konvulsion 2 (4)0 (0)0 (0) 0 (0)2 (6) 0 (0)0 (0) 0 (0)4 (1.8)
Enzephalitis 0 (0)0 (0)1 (4) 0 (0)1 (3) 1 (6) 0 (0)0 (0)3 (1.4)
Otitis 0 (0)0 (0) 0 (0)0 (0) 0 (0)0 (0)1 (7) 0 (0)1 (0.5)
Impfstatus, Patientinnen und Patienten im Alter von 2 bis 6 Monaten bei Spital e intrit t (n=87)
0 Dosen7 (14)4 (12) 2 (8)5 (12) 5 (16)4 (25) 3 (21) 1 (11)31 (36)
1 oder 2 Dosen 13 (25)8 (24)5 (20)18 (44) 6 (19)1 (6)2 (14) 0 (0)53 (61)
≥ 3 Dosen 1 (2) 1 (3)0 (0)0 (0)1 (3) 0 (0)0 (0) 0 (0)3 (3)
Impfstatus, Patientinnen und Patienten im Alter von > 6 Monaten bei Spitaleintrit t (n=38)
0 Dosen 3 (6)4 (12) 1 (4)2 (5)5 (16) 3 (19) 1 (7)2 (22) 21 (55)
1 oder 2 Dosen 1 (2)0 (0)1 (4) 0 (0)0 (0) 0 (0)0 (0) 0 (0)2 (5)
≥ 3 Dosen 2 (4) 3 (9)3 (12) 1 (2)3 (10) 1 (6)1 (7)1 (11)15 (39)
*Bei einem Patienten Geschlecht und Dauer der Hospitalisation unbekannt.** Die Fälle mit Mehrfachexpositionen, in die ein Elternteil oder ein Geschwister und ein weiterer K ontakt ausserhalb der Familie
involviert waren, sind hier nicht noch einmal erfasst.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
22 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
4.3 Aktive T uberkulose – Abschlussbericht
Hintergrund
Die aktive Tuberkulose (TB) bei Kindern und Jugendlichen ist
heute in der Schweiz eine seltene Erkrankung mit jährlich zwi-
schen 20 und 30 Fällen und untersteht der Meldepflicht [1].
Die Daten, die das BAG erhebt, sind limitiert und epidemiolo-
gische Informationen, die insbesondere für die Diagnose und
Therapie der TB bei Kindern wichtig sind, können nicht er –
hoben werden. In den letzten Jahren wurde zunehmend klar,
dass epidemiologische Daten der TB in Europa sehr lückenhaft
sind und dass Ergebnisse aus Ländern mit hohen TB-Inzidenz-
raten nur bedingt auf unsere Patientinnen und Patienten an-
wendbar sind.
Aus diesem Grund ist es wichtig, epidemiologische TB Daten
auch in Ländern mit niedriger Inzidenz zu sammeln, um Diag-
nostik und Therapie von Kindern mit TB in der Schweiz opti-
mieren zu können. Dies gilt insbesondere auch im Zusammen-
hang mit den stark angestiegenen Zahlen asylsuchender
Kindern und Jugendlichen im Jahre 2015 [2].
Ziele der Studie
Die Studie erfasste die Fälle von TB bei Kindern ≤
16 Jahren
zwischen 1. Dezember 2013 und 30. November 2019. Das
primäre Studienziel war es, Daten zur Immuno-Diagnostik und
Epidemiologie der Kinder mit TB in der Schweiz zu erhalten.
Dies beinhaltete unter anderem den BCG-Impfstatus, die
Dosierung der antituberkulösen Medikamente und die Her –
kunft der Elter n.
Falldefinition
Meldung aller Kinder (bis max. 16 Jahre) mit TB mit:
• kulturellem oder molekularbiologischem Nachweis von
Mycobacterium tuberculosis, Mycobacterium africanum,
Mycobacterium bovis, Mycobacterium caprae oder des
Mycobacterium-tuberculosis- Komplexes; und/oder
• bei denen eine Behandlung mit mindestens drei antituber –
kulösen Medikamenten begonnen wurde bei Verdacht auf
Tuberkulose.
Resultate
Epidemiologie und Grund der Abklärung
Die Daten wurden vom 1. Dezember 2013 bis 30. November
2019 gesammelt. Gesamthaft wurden von den 172 der SPSU
gemeldeten Fällen für 161 Kinder mit TB-Erkrankung (94%) ein
ausführlicher Fragebogen zurückgeschickt und 139 wurden in
die abschliessende Analyse eingeschlossen. Ausschlussgründe
waren Alter ≥
16 Jahre (n=12), Doppelberichterstattung (n=8)
und latente TB-Infektion (n=2). Das Durchschnittsalter betrug
Das mediane Alter bei Krankheitsbeginn betrug über den ge-
samten Studienzeitraum 11.6 Wochen (Spannweite: 16 Tage
bis 15 Jahre). 39% der Patientinnen und Patienten hatten das
Alter von zwei Monaten noch nicht erreicht, also den Zeit-
punkt, zu dem die erste Pertussis-Impfung empfohlen wird.
Die Inzidenz für Hospitalisierung wegen Pertussis war mit
28/100 000 im ersten Lebensjahr am höchsten und betrug
2/100 000 im Gesamtkollektiv aller hospitalisierten Kinder .
Die durchschnittliche Hospitalisationsdauer der 220 Patientin-
nen und Patienten betrug acht Tage (Spannweite: 2–47 Tage).
Im Durchschnitt wurden die Patientinnen und Patienten
11.1 Tage nach dem ersten Auftreten der Symptome (Spann –
weite: 0–48 Tage) hospitalisiert.
Insgesamt wurden 29 (13%) Patientinnen und Patienten wäh-
rend 1–39 Tagen auf der Intensivstation betreut. 14 von ihnen
benötigten eine Unterstützung der Atmung, davon je sieben
Intubation bzw. CPAP-Beatmung (Continuous Positive Airway
Pressure).
Fast alle 214 (97%) Patientinnen und Patienten wurden anti-
biotisch behandelt, davon 135 (62%) mit Clarithromycin und
64 (29%) mit Azithr omycin.
162 (74%) der 220 Patientinnen und Patienten hatten in den
letzten drei W ochen vor Krankheitsausbruch einen bekannten
Kontakt zu mindestens einer Person mit Pertussis gehabt.
Bei 140 (64%) der Patienten waren die Eltern und/oder Ge –
schwister die mutmassliche Ansteckungsquelle.
Schlussfolgerungen
Die Anzahl hospitalisierter Kinder mit bestätigter Pertussis ging
im Laufe der Erfassungsperiode von 2013 bis 2020 stetig
zurück. Dies kann auf die erweiterten Impfmassnahmen zu –
rückgeführt werden, seit Anfang 2020 auch auf Bekämp-
fungsmassnahmen der COVID-19-Pandemie. Letztere sind
kaum nachhaltig, sodass nach deren Beendigung mit einem
Wiederanstieg der Fallzahlen gerechnet werden muss.
Um die Wirksamkeit der in den letzten Jahren erweiterten
Empfehlungen zur Pertussis-Impfung in der Schweiz, insbeson-
dere die Impfung in jeder Schwangerschaft, besser beurteilen
zu können, wäre eine prospektive Fall-Kontrollstudie unter
Einschluss nicht hospitalisierter Krankheitsfälle im ersten
Lebensjahr sinnvoll.
Wir danken den SPSU-Beauftragten der jeweiligen Spitäler,
welche die Meldungen und ergänzenden Angaben zur Ver –
fügung gestellt haben, sowie Daniela Beeli und Damir Perisa,
BAG, für die Unterstützung in diesem Projekt.
Studienleitung
Prof. Dr. med. Ulrich Heininger, Leitender Arzt Infektiologie/Vakzinologie,
Stv. Chefarzt, Universitäts-Kinderspital beider Basel, UKBB, 4056 Basel,
ulrich.heininger@unibas.ch
Literatur
1. Heininger U, W eibel D, Richard JL. Prospective nationwide surveillance of hospitalizations due to pertussis in children, 2006–2010. Pediatr Infect Dis J. 2014 Feb; 33(2): 147–51. doi: 10.1097/01.inf.0000435503.44620.74.
2. Bundesamt für Gesundheit. Anpassung der Impfempfehlung gegen Pertussis: für Jugendliche, Säuglinge in Betreuungseinrichtungen und
schwangere Frauen. Bull BAG 2013; 9: 118–23.
3. Bundesamt für Gesundheit. Pertussis-Sentinella-Meldungen Juni 1991 bis August 2015. Bull BAG 2016; 8: 137–9.
4. Bundesamt für Gesundheit. Empfehlungen zur Prävention von Keuch –
husten, Januar 2017, Bull BAG 2017.
5. Heininger U, Stehr K, Schmitt-Gr ohé S, Lorenz C, Rost R, Christenson P, Überall M, Cherry JD: Clinical characteristics of illness caused by Borde –
tella parapertussis compared with illness caused by Bordetella pertussis.
Pediatr Infect Dis J. 1994; 13: 306–9.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021 BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
47/21 23 2247/21 ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Tabelle 6a
Gesamtinzidenz pro 100 000, 2014–2019
/100 000 2014 2015 2016 20172018 2019
SPSU overall 1.221.66 2.172.15 1.171.96
FOPH overall 1.42.3 2.8 2.42.1 1.8
SPSU Swiss-born 0.7 61.26 0.841.32 0.41.38
SPSU foreign-born 5.285.1913.79.25 7.7 84.87
Grafik 6
Gesamtinzidenz pro 100 000, 2014–2019
6.7 (IQR 2.6 bis 13.8) Jahre und 58 (42%) Kinder waren
< 5 Jahre alt; 72 Kinder (52%) sind in der Schweiz geboren, 64
(46%) im Ausland und bei drei (2%) Kindern war das Geburts-
land unbekannt. Im Ausland geborene Kinder stammten aus
Eritrea (16%), Somalia (9%) oder Afghanistan, Brasilien oder
dem Sudan (jeweils 2%). Das Medianalter der in der Schweiz
geborenen Kinder betrug 3.1 (IQR 2.0 bis 7.6) und der im
Ausland geborenen Kinder 13.7 Jahre (IQR 8.8 bis 15.0)
(p < 0.001). Bei 89 (64%) Kinder n wurde ein Indexfall als Infek -
tionsquelle angegeben, und die Übertragung erfolgte bei 72/89
(81%) im selben Haushalt.
Bevölkerungsbasierte Inzidenz
Die Gesamtinzidenz der TB-Erkrankung betrug 1.7/100 000. Die
Gesamtinzidenzraten stiegen zu Beginn des Beobachtungszeit-
raums an und erreichten 2016 mit 2.2 (SPSU) Kindern im Jahr
2016 ihren Höhepunkt (Grafik 6). Die Inzidenzraten der in der
Schweiz geborenen Kinder waren im Beobachtungszeitraum
durchweg tief (0.4–1.3/100 000 Kinder), währ end diejenigen
der im Ausland geborenen Kinder 2016 einen signifikanten
Höchststand erreichten (p=0.018) und durchweg um mehr als
eine Grössenordnung höher waren 13.7/100 000 Kinder , alle
p-Werte < 0.01). Kinder im Alter von 5 bis < 10 Jahr en hatten in
beiden Datensätzen die niedrigste Inzidenzrate (Grafik 6).
Für die 67 im Ausland geborenen Kinder wurde die Zeit seit
der Ankunft in der Schweiz in 62 Fällen (93%) erfasst. Die me-
diane Zeit von der Ankunft bis zur TB-Diagnose betrug fünf
(IQR 1 bis 21) Monate. Nach sechs Monaten wurden 54% und
nach 24 Monaten 80% der Kinder diagnostiziert. Das längste
Zeitintervall der TB-Diagnose war zwölf Jahre. Das Zeitintervall
zwischen der Ankunft in der Schweiz bis zur TB-Diagnose
war zwischen den Altersgruppen ähnlich (< 5 Jahr e, 5 bis < 10
Jahre und > 10 Jahr e, p=0.4) und ähnlich bei denjenigen mit
und ohne Symptome (p=0.5), auf TB wurde bei der Ankunft
oder im Rahmen einer Kontaktverfolgung untersucht.
Formen der TB und klinische Präsentation
Insgesamt 118 Kinder (85%) hatten eine Lungentuberkulose.
Von den 20 (14%) Kindern mit extrapulmonaler TB wurden
folgende betroffene Areale angegeben: bei sechs Lymphkno-
ten, bei fünf Pleura, bei drei Zentralnervensystem, bei drei
abdominal, in zwei Fällen eine miliare Form ohne nähere An –
gabe und fehlende Angaben in einem Fall. Bei den 95 (68%)
Kindern mit Symptomen traten folgende am häufigsten auf:
Husten bei 63 (45%), Fieber bei 45 (32%), Gewichtsverlust bei
44 (32%) und Keuchen bei fünf (4%) Kindern. Es wurde be-
richtet, dass Husten für eine mediane Zeit von 28 (IQR 14–40)
und Fieber für eine mediane Zeit von zwölf (IQR 5 bis 21)
Tagen vorhanden waren.
Diagnostik
Bei 80 (58%) Kindern wurde die TB-Diagnose durch eine Kultur
oder molekulare Technik bestätigt. Davon waren 73 (52%)
positiv durch Kultur, 49 (35%) durch ein Molekular-Assay und
42 (30%) durch beide Methoden. Bei sieben Kindern wurde die
Diagnose nur durch den molekularen Test bestätigt, während
die Kultur negativ blieb, und bei 34 Kindern wurde die
Diagnose nur durch die Kultur bestätigt, während der moleku – lare Test negativ blieb. Die Rate bestätigter TB war mit 74.1%
bei Kindern > 10 Jahr
en am höchsten. In der jüngeren Alters –
gruppe wurde eine TB-Bestätigung wie folgt berichtet: 5 bis
< 10 Jahre 57%, 0 bis < 2 Jahr e 48% und 2 bis < 5 Jahr e 37%.
Die Konfirmationsrate war bei im Ausland geborenen (63%)
und in der Schweiz geborenen Kindern (53%, p=0.33) ver -
gleichbar. Merkmale, die mit einer TB-Bestätigung in der univa -
riablen logistischen Regression assoziiert waren, waren Alter,
Fieber, Gewichtsverlust und symptomatische Präsentation. In
einem multivariablen Modell waren die Altersgruppe der Kinder
>10 Jahre, das Vorliegen von Fieber und das Vorliegen von
Gewichtsverlust unabhängig mit der TB-Bestätigung assoziiert.
TST wurde in 82 (59%), T-Spot.TB in 22 (16%) und QFT in 79
(57%) Fällen durchgeführt und in 58 (71%), 15 (68%) und 60
(76%) als positiv gemeldet (76%).
Bei 135 (97.1%) Kindern wurde eine Thoraxröntgenaufnahme
und bei 52 (37.4%) ein Thorax-CT durchgeführt. Neuroima-
ging mit CT-Scan oder MRT wurde bei zehn (7.2%) Kindern
durchgeführt. Ultraschall wurde bei 32 (23%) Kindern durch-
geführt, meist zur Bildgebung des Abdomens (bei 22, 69%).
Im Thoraxröntgen waren eine hiläre Lymphadenopathie und
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
24 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
4.4 Kongenitaler Zytomegalievirus
Hintergrund
Die Zytomegalie (CMV-Infektion) wird durch ein Virus aus der
Familie der Herpesviridae verursacht. Es handelt sich um eine ver –
breitete Infektion bei Kindern und Erwachsenen, deren Seroprä-
valenz weltweit 40–90% beträgt [1], und um die am häufigsten
übertragene vorgeburtliche oder kongenitale Infektion; sie er –
reicht bei den Lebendgeborenen eine Prävalenz von 0.2 bis 2%
weltweit und von bis zu 6.1% in Entwicklungsländern [1,2,4].
10–15% der betroffenen Neugeborenen zeigen Symptome bei
der Geburt. Die wichtigsten klinischen Anzeichen sind Throm-
bozytopenie (verminderte Anzahl Blutplättchen), Hepatitis,
Hepatosplenomegalie (Vergrösserung von Leber und Milz),
Chorioretinitis (Ader- und Netzhautentzündung), Mikrozepha-
lie und intrauterine Wachstumsretardierung. Bei der Hälfte der
Kinder mit Symptomen bei der Geburt, aber auch bei 14% der
infizierten, jedoch bei der Geburt symptomfreien Kindern,
werden neurosensorische und entwicklungsbezogene Spät –
folgen verzeichnet [1,2,4].
Ein systematisches Screening auf eine mütterliche Serokonver –
sion während der Schwangerschaft wird derzeit in der Schweiz
(gynécologie suisse, Expertenbrief Nr. 47) oder weltweit nicht
empfohlen [4]. Es gibt nämlich kaum Möglichkeiten, einer
Übertragung der Krankheit von der Mutter auf das Kind vor –
zubeugen. Aus biologischer Sicht ist es sehr schwierig, eine
Erstinfektion von einer Reinfektion oder einer Reaktivierung zu
unterscheiden und die Immunität der Mutter vor der Schwan-
gerschaft schützt nicht vor einer Reinfektion oder Reaktivie-
rung: zwei Drittel der infizierten Neugeborenen stammen von
Müttern, die zu Beginn der Schwangerschaft CMV-seropositiv
waren [3,4].
Ziele der Studie
In der Schweiz liegen derzeit keine Daten zu den kongenitalen
CMV-Infektionen (kCMV) vor. Daten zur Diagnostik sowie zur
primären und sekundären Morbidität sind jedoch wichtig,
damit Empfehlungen betreffend Screening und Behandlung
abgegeben werden können. Seit dem 1. April 2016 erfasst
eine Studie im Rahmen der SPSU die bestätigten kCMV-Fälle
sowie die Verdachtsfälle. Die Studie soll die Prävalenz der
lebenden Neugeborenen mit bestätigter kCMV-Infektion mes –
sen und verfolgen. Ausserdem soll ein nationales Register zur
epidemiologischen Überwachung eingerichtet und die Auswir –
kungen dieser kongenitalen Infektion auf die psychomotori-
sche Entwicklung der Kinder bestimmt werden.
Mit der Studie könnten auch die Möglichkeit zur Organisation
eines systematischen kCMV-Screenings bei der Geburt geprüft
und die soziodemografischen Merkmale dieser Patientinnen
und Patienten in der Schweiz ermittelt werden.
Falldefinition
Bestätigte kCMV-Fälle: Neugeborene mit Inutero- oder Exutero-
kCMV-Diagnose durch PCR vor der dritten Lebenswoche
(Fruchtwasser, Nabelschnurblut, Blut/Urin des Säuglings), direkte
Isolierung des CMV mittels Kultur oder Antigennachweis.
kCMV-Verdachtsfälle: positive IgM-Serologie oder Isolierung des
CMV durch PCR (Blut, Urin) nach der dritten Lebenswoche, aber
vor dem ersten Lebensjahr, mit zu kCMV passenden Sympto –
men (Frühgeburt, Mikrozephalie, intrazerebrale Verkalkungen
usw.)
Resultate
In den Jahren 2019 und 2020 wurden 49 bestätigte Fälle regist –
riert, d.h. 2.9 Fälle pro 10 000 Geburten (169 474 Geburten in
der Schweiz in 2019 und 2020).
Die gesammelten klinischen Daten reichen noch nicht, für eine
vertiefte statistische Analyse aus, es kann aber bereits festge –
halten wer den, dass seit Beginn der Studie 2016 22 Kinder
(17%) zum Zeitpunkt des Fallberichts keine Komplikation hatten,
eine Konsolidierung die am häufigsten gefundenen Auffällig-
keiten. Bronchiale Kompression wurde häufiger bei Kindern
< 2 Jahren gefunden, verkalkte Lymphknoten häufiger bei
Kinder im Alter von 5 bis < 10 Jahr en und Ergüsse und Kaver -
nen häufiger bei Kindern > 10 Jahr en.
Total 78 Kinder (56%) wurden auf eine HIV-Infektion getestet,
alle waren negativ. In der Schweiz geborene Kinder wurden
signifikant seltener auf HIV-Infektion getestet (in 28 Fällen,
39%) als im Ausland geborene Kinder (in 43 Fällen, 82%,
p-Wert < 0.0001).
Therapie
Insgesamt erhielten 69 (49.6%) Kinder eine Dreifachbehand-
lung (Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid) und 53 (37.4%)
eine Vierfachbehandlung (mit Zusatz von Ethambutol).
Der Ber eich der verordneten Arzneimitteldosierungen korrelier -
te stark mit den nationalen Leitlinien, einige Kinder erhielten
feste Dosiskombinationen.
Schlussfolgerungen
Die jährliche pädiatrische TB-Inzidenzrate variierte nur bei im
Ausland geborenen Kindern und war im Jahr 2016 am höchs-
ten, als der Flüchtlingszustrom in Europa seinen Höhepunkt
erreichte. Wichtig ist, dass die meisten im Ausland geborenen
Kinder mit TB innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Ankunft in
der Schweiz diagnostiziert wurden. Somit ist die frühe Zeit nach
der Ankunft in der Schweiz mit einem erhöhten TB- Erkrankungs -
risiko bei Kindern verbunden, was bei der Screening-Beratung
bei Flüchtlingen berücksichtigt werden sollte.
StudienleitungPD Dr. med. Nicole Ritz, Chefärztin pädiatrische Infektiologie,
Kinderspital Luzern, Luzerner Kantonsspital, Spitalstrasse,
6000 Luzern 16, nicole.ritz@luks.ch
Literatur
1. Fritschi N, Schmidt AJ, Hammer J, Ritz N, Swiss Pediatric Surveillance Unit (SPSU). Paediatric tuberculosis disease during years of high r efugee arrivals : a 6-year national pr ospective surveillance study. 2021; 100(11): 1050–1059. doi: 10.1159/000517029. Epub 2021 Jul 29.
2. Fritschi N, W ind A, Hammer J, Ritz N, Swiss Pediatric Surveillance Unit (SPSU). Subclinical tuberculosis in children : diagnostic strategies for identification reported in a 6-year national prospective surveillance study. Clin Infect Dis. Clin Infect Dis. 2021 Aug 19:ciab708. doi: 10.1093/cid/ciab708. Online ahead of print.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021 BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
47/21 25 2447/21 ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Grafik 8
Festgestellte Anomalien 1 Jahr nach der Geburt (Mehr -
fachnennungen von Symptomen pro Kind sind möglich
und werden einzeln gezählt)
Grafik 7
Anzahl Komplikationen zum Zeitpunkt der Diagnose, alle Kinder seit Studienbeginn, n=75, (Mehrfachnennungen
möglich)
während 105 mindestens eine Komplikation aufwiesen. Von
diesen 105 symptomatischen Kindern erhielten 45 (43%) eine
antivirale Behandlung.
Die bei der Geburt auftretenden Komplikationen sind in der
Grafik 7 dargestellt: Für 84 Patientinnen und Patienten liegen
Einjahres- Follow-up-Daten vor . Von diesen 84 Kindern haben
29 immer noch Symptome, und es sind zwei Todesfälle aufge-
treten. Alle Anomalien, die im MR T, CT, US oder EEG innerhalb
eines Jahres nach der Diagnose einer kCMV festgestellt wur -
den, werden der Kategorie «Bildgebungsanomalien» zugeord-
net. Die Bedingungen ein Jahr nach der Geburt sind in der
Grafik 8 aufgeführt.
Schlussfolgerung
Diese vorläufigen Ergebnisse erlauben es uns noch nicht, neue
Empfehlungen für das Screening und die Behandlung von
Kindern mit CMV auszusprechen. Die systematische Aufnahme
von neuen Fällen in der Schweiz sowie die Einjahres-Nach -
beobachtung aller Probandinnen und Probanden wird es uns
ermöglichen, die Epidemiologie und die mittelfristige Entwick -
lung dieser Krankheit besser zu verstehen.
Studienleitung
Prof. Dr. Klara Posfay-Barbe, Cheffe de service de pédiatrie générale,
Responsable de l’unité des maladies infectieuses pédiatriques,
Hôpitaux Universitaires de Genève, Hôpital des Enfants, 6, rue Willy-Donzé,
1211 Genève 14, klara.posfaybarbe@hcuge.ch
Literatur
1. Naing ZW , Scott GM, Shand A et al. Congenital cytomegalovirus infec -
tion in pregnancy: a review of prevalence, clinical features, diagnosis
and prevention. Aust N Z J Obstet Gynaecol. 2016 Feb;56(1):9–18.
2. Bialas KM, Swamy GK, Permar SR. Perinatal cytomegalovirus and varicella zoster virus infections: epidemiology, prevention, and treat -
ment. Clin Perinatol. 2015; 42(1) :61–75.
3. Lanzieri TM, Dollar d SC, Bialek SR, Grosse SD. Systematic review of the
birth prevalence of congenital cytomegalovirus infection in developing
countries. Int J Infect Dis. 2014; 22: 44–8.
4. Rawlinson WD, Boppana SB, Fowler KB et al. Congenital cytomegalovi -
rus infection in pregnancy and the neonate: consensus recommenda-
tions for prevention, diagnosis, and therapy. Lancet Infect Dis. 2017;
17(6): e177–e188.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
26 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
4.5 Neonatale Listeriose – Abschlussbericht
Hintergrund
Listeriose wird durch eine Infektion mit dem grampositiven Bakte -
rium Listeria monocytogenes verursacht, das über kontaminierte
Lebensmittel wie Milchprodukte, Fleisch und pflanzliche Produkte
aufgenommen oder von der Mutter auf das Kind übertragen
wird [1]. In Europa ist zwar nur ein kleiner Teil aller lebensmittel -
übertragenen Infektionskrankheiten durch Listeriose bedingt,
doch trägt diese bedeutend zu schweren Erkrankungen bei. Sie
ist für rund 4% der Hospitalisierungen bzw. 28% der Todesfälle
wegen lebensmittelübertragenen Infektionskrankheiten verant -
wortlich [2]. Ein hohes Erkrankungsrisiko besteht bei älteren
Menschen, immungeschwächten Personen, Schwangeren und
Neugeborenen [3]. Bei Neugeborenen besteht zudem ein hohes
Risiko für schwere Krankheitsfolgen. Eine Infektion während der
Schwangerschaft äussert sich bei der Mutter in der Regel mit
grippeähnlichen Symptomen, kann aber zu einer Fehl- oder Tot -
geburt oder beim Neugeborenen zu schweren Manifestationen
wie Sepsis oder Meningitis führen [1,3,6]. Die Letalität kann bei
Neugeborenen bis zu 30% oder, wenn die Symptome in den ers-
ten vier Lebenstagen auftreten, sogar bis zu 50% betragen. Eine
Langzeitstudie hat gezeigt, dass 23% der infizierten Neugebore -
nen bei der Nachkontrolle nach zehn Jahren an einer mässigen
bis schweren Behinderung leiden [4].
In der Schweiz ist die Listeriose eine relativ seltene Krankheit. Ins -
gesamt werden lediglich 40–80 Fälle pro Jahr gemeldet [5]. Die
Fallzahlen bei Neugeborenen und Säuglingen sind tief und liegen
in der Regel bei einem bis zwei gemeldeten Fällen pro Jahr. Wäh -
rend bei der Frühform von neonataler Listeriose (Symptombeginn
vor den ersten sieben Lebenstagen) von einer Mutter-Kind-Über -
tragung ausgegangen wird, sind bei der Spätform (Symptom -
beginn nach den ersten sieben Lebenstagen) die mögliche Infek -
tionsquelle und die Risikofaktoren unklar [4]. Im obligatorischen
Meldesystem werden nur wenig Informationen zu Krankheits -
verlauf und -folgen sowie Übertragung und Exposition bei Neu -
geborenen erhoben. Die Suche nach der Infektionsquelle steht in
der Klinik meist nicht im Vordergrund. Durch diese SPSU-Studie,
die auf eine ähnliche Studie bei Neugeborenen in Kanada ab -
gestimmt ist, kann die epidemiologische Situation in der Schweiz
besser eingeschätzt werden. Zudem können mithilfe der Daten
aus anderen Ländern wie z. B. Kanada oder Gr ossbritannien die
Datengrundlage verbessert und somit Erkenntnisse breiter abge -
stützt werden, was zur Schliessung von Wissenslücken im Bereich
der neonatalen Listeriose beiträgt.
Ziele der Studie
Erhebung epidemiologischer Daten zur Listeriose bei Neuge-
borenen und Säuglingen bis zum Alter von sechs Monaten in
der Schweiz:
1) Erhebung von:
• demografischen Angaben (Alter, Geschlecht usw.);
• Inzidenz;
• Manifestation;
• Behandlung und klinischem Verlauf;
• Krankheitsfolgen;
• Exposition.
2) Erhebung von mütterlichen und perinatalen Risikofaktor en
und schwereren Krankheitsfolgen;
3) V ergleich der Daten mit den Ergebnissen von Studien zu
neonataler Listeriose in anderen Ländern (z.B. Kanada und
Grossbritannien).
Falldefinition
Neugeborene und Säuglinge bis zum Alter von 6 Monaten, die
folgende Kriterien erfüllen:
1) Sicherer Fall:
• positive Listerienkultur von einer normalerweise sterilen
Probe wie Blut, Liquor oder Pleuraflüssigkeit; oder
• Positive Listerienkultur von der Plazenta beim Vorliegen von
mit Listeriose kompatiblen klinischen Symptomen (Sepsis,
Meningitis, Atemnot usw.).
2) Wahrscheinlicher Fall:
• positive PCR auf Listerien aus einer normalerweise sterilen
Probe oder der Plazenta bei Vorliegen von mit Listeriose
kompatiblen klinischen Symptomen (Sepsis, Meningitis,
Atemnot usw.).
Resultate
Im Jahr 2019 traten zwei Fälle und im Jahr 2020 ein Fall von
neonataler Listeriose auf. 2019 waren beide Fälle Termin -
geburten, 2020 handelte es sich um eine Frühgeburt. Alle Fälle
erkrankten innerhalb der ersten 24 Stunden und entwickelten
eine Sepsis mit einem respiratorischen Atemnotsyndrom. Die
zwei Neugeborenen von 2019, eines nach Antibiotikabehand-
lung, sind wieder vollständig genesen, wobei keine Krank-
heitsfolgen bekannt sind. Das Neugeborene von 2020 konnte
nach antibiotischer Therapie das Spital nach sieben Tagen ver -
lassen, ob Krankheitsfolgen vorliegen, ist jedoch unbekannt.
Auch wenn die Infektionsquelle der Mutter unklar blieb, geht
man bei allen Fällen von einer Mutter-Kind-Übertragung aus.
Schlussfolgerungen
Die neun seit Beginn der Studie verzeichneten Fälle von neo-
nataler Listeriose entsprechen gemäss den Daten aus dem ob-
ligatorischen Meldesystem der erwarteten Inzidenz. Die drei
beschriebenen Fälle aus den Jahren 2019 und 2020 sind im
Vergleich zu den Vorjahren keiner Häufung zuzuordnen, ob-
wohl es insbesondere im Jahr 2020 zu ungewöhnlich vielen
Fällen bei Erwachsenen im Rahmen eines Ausbruches durch
kontaminierten Käse kam. Hingegen standen die beiden Fälle
im Jahr 2018 im Zusammenhang mit einer Häufung von zwölf
Listeriosefällen bei Erwachsenen, die später dem gleichen
Cluster des Ausbruchs von 2020 zugeordnet werden konnten.
Auch im Jahr 2017 traten gerade zu Studienbeginn unge-
wöhnlich viele Fälle von neonataler Listeriose auf, wobei drei
Fälle innerhalb einer Woche im gleichen Spital erkrankten. Es
konnte jedoch kein weiterer epidemiologischer Zusammen-
hang zwischen den Fällen ermittelt werden, und die Infek -
tionsquelle blieb unerkannt. Diese Beispiele von wiederkehren-
den Häufungen und Ausbrüchen zeigen das epidemische
Potenzial und unterstreichen unter Berücksichtigung der
Schwere der Erkrankung die Wichtigkeit der zeitnahen
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021 BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
47/21 27 2647/21 ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Tabelle 9
Charakteristika der gemeldeten Fälle von neonataler Listeriose nach Jahr, April 2017 bis Dezember 2020
2017 201820192020
Allgemein
Anzahl Fälle (n) 42 21
Inzidenz auf 100 0 00 Lebendgeburten 4.62.42.3 1.2
Geschlecht (n):
männlich
weiblich
2
2
2
2
1
Prenatal
Gestationsalter bei Geburt (Schwangerschaftswochen) 34–39333 7–3 8 36
Geburtsgewicht (g) 2220–377014 5 0 –1 8 4 02960–3190 3200
Geburtsart (n):
Spontangeburt
Sectio caesarea
3
1 21
1 1
Besonderheiten (n):
Mekonium im Fruchtwasser
Müt terliche Antibiotikagabe < 4 Stunden vor Geburt
Erhöhte mütterliche Leukozytenwerte
1
1
1 2
1
2 1
1
Manifestation
Alter bei Symptombeginn (Tage) < 1– 8<1<1<1
Symptome (n):
Sepsis
Meningitis oder
Meningoenzphalitis
Haut- und Schleimhautläsionen
4
4
1 2
21
Form der neonatalen Listeriose (n):
Frühform (Symptombeginn < 7 Lebenstage)
Spätform (Symptombeginn > 7 Lebenstage)
2
2 2
21
Behandlung
Therapie mit tels 2–3 Antibiotika (n):
Amoxicillin
Co-Amoxicillin
Gentamycin
Tobramycin
3
1
1 3 2
2 1
1 1
1
Dauer der Antibiotikatherapie (Tage) 5–211414 7
Intubation (n) 12
Krankheitsfolgen (n):
geheilt (ohne bekannte Krankheitsfolgen) 4 22n/a
Exposition
Übertragung (n):
Mutter-Kind-Übertragung
Unbekannt
1
3 2
21
Abklärung von Fällen, um die Infektionsquelle möglichst zu
identifizieren und weitere Fälle zu vermeiden.
Die Studie zur neonatalen Listeriose wurde per Ende Jahr 2020
abgeschlossen. Es erfolgte eine Publikation der Daten zusam-
men mit Daten aus dem «Canadian Paediatric Surveillance
Program» [7]. Insgesamt werden vier Fälle neonataler Listerio-
se aus der Schweiz und acht Fälle aus Kanada verglichen.
Es konnte gezeigt werden, dass Säuglinge mit einer Sepsis auf –
grund von Listeriose, insbesondere nach den ersten vier
Lebenswochen, nicht routinemässig eine empirische
Antibiotika behandlung benötigen. Zudem wur de festgehalten,
dass ausbruchsbedingte Fälle immer wieder auftreten können
und daher eine kontinuierliche Überwachung zur Früherken-
nung sowie Abklärung von Ausbrüchen zentral ist.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
28 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Studienleitung
Prof. Dr. Klara Posfay Barbe, Cheffe de service de pédiatrie générale,
Responsable de l’unité des maladies infectieuses pédiatriques,
Hôpitaux Universitaires de Genève, Hôpital des Enfants, 6, rue Willy-Donzé,
1211 Genève 14. klara.posfaybarbe@hcuge.ch
Marianne Jost, Abteilung Übertragbare Krankheiten, Bundesamt für
Gesundheit, 3003 Bern, marianne.jost@bag.admin.ch
Literatur
1. Farber JM, Peterkin PI. Listeria monocytogenes, a food-bor ne pathogen. Microbiological Reviews. 1991; 55(3): 476–511.
2. David L. Heymann. Contr ol of Communicable Diseases Manual. Ameri –
can Public Health Association 2015. eISBN: 978-0-87553-274-5
3. Jackson KA, Iwamoto M, Swer dlow D. Pregnancy-associated listeriosis. Epidemiol Infect. 2010; 138: 1503–1509.
4. Okike IO, Lamont RF , Trafford Heath P. Do we really need to worry about Listeria in newborn infants? Pediatr Infect Dis J. 2013; 32(4):
405–6.
5. Bundesamt für Gesundheit. Listeriose. A vailable at: https://www.bag.
admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/listerio-
se.html Accessed November 10, 2021. Accessed November 10, 2021.
6. Bortolussi R. Listeriosis: a primer . CMAJ. 2008; 179(8): 795–7. doi:10.1503/cmaj.081377
7. Abu Raya B et al. Listeriosis in infants: Pr ospective surveillance studies in Canada and Switzerland. Paediatrics & Child Health. In press.
4.6 Invasive Infektion mit Gruppe  A  Str eptokokken (iGAS)
Hintergrund
GAS-Infektionen bei Kindern sind normalerweise mild verlaufen –
de, selbstlimitierende Infektionen wie Mandelentzündungen. Sie
verursachen selten lokale, eitrige Komplikationen und führen in
Ausnahmefällen zu schweren rheumatischen Komplikationen
(z.B. rheumatisches Fieber). In den letzten Jahren haben die
Häufigkeit und die Schwere von iGAS in der klinischen Wahrneh –
mung der Mitglieder von PIGS (Pediatric Infectious Disease Group
of Switzerland) zugenommen. Mehrere Studien ergaben saisona –
le und geografische Unterschiede bei der Inzidenz von iGAS, wo –
bei die lokale Inzidenz im Laufe der Zeit relativ stabil blieb [1,2].
Die Gründe dafür sind weitgehend unbekannt. Ein bedeutender
Risikofaktor für iGAS ist eine primäre Varizelleninfektion, aber
auch andere Hautschäden wie Exkoriationen oder durch OP ent –
standene Läsionen und enger Kontakt zu Patientinnen und
Patienten mit GAS-Infektion wurden als Risikofaktoren für iGAS
beschrieben [2]. Die Virulenzfaktoren der Bakterien oder moleku –
lare Merkmale wie der emm-Typ sind für die iGAS-Epidemiologie
ebenfalls wichtig [3].
Bisher liegen keine epidemiologischen Daten vor zu Häufigkeit,
Altersverteilung, klinischem Erscheinungsbild oder Risikofaktoren
für iGAS bei Kindern in der Schweiz. Ausserdem sind die moleku –
laren Merkmale (Pathogenitätsfaktoren) und die emm-Typen der
infektionsauslösenden GAS weitgehend unbekannt.
Ziele der Studie
Sammlung und Auswertung von Daten zu iGAS bei Kindern in
der Schweiz ≤ 16 Jahren bezüglich:
• Inzidenz;
• Saisonalität;
• Altersverteilung;
• Klinische Ausprägungen und Komplikationen;
• Behandlung;
• Risikofaktoren (Grunderkrankung, Varizellen, Medikamente
[z.B. Ibuprofen, Paracetamoll]);
• Rückfallquote; sowie
• Morbidität und Mortalität.
Zusätzlich ist geplant, die GAS-Stämme in einem ersten Schritt
nur zur Aufbewahrung zu sammeln, aber zu einem späteren
Zeitpunkt soll in einem zweiten Schritt die emm-Typisierung
erfolgen. Dazu ist ein separates Projekt vorgesehen.
Falldefinition
Bestätigter Fall
Isolation von Gruppe-A-Streptokokken = GAS = Streptococcus
pyogenes aus einer normalerweise sterilen Probe (Kultur, Anti-
gen oder PCR) wie:
• Blut;
• Rückenmarksflüssigkeit;
• steriles Punktat (Pleura-, Gelenks- oder Perikar dflüssigkeit);
• Muskel-/Knochengewebe (tiefer e Gewebeschichten,
chirurgische Probe).
Wahrscheinlicher Fall
Schweres klinisches Krankheitsbild* ohne alternative Diagnose
und GAS-Isolation aus einer nicht sterilen Probe (Kultur, Anti-
gen oder PCR).
* Schweres klinisches Krankheitsbild
1) T oxisches Schocksyndrom
–Arterielle Hypotonie (systolischer Blutdruck < 5. Perzentile
für Alter)
plus ≥ 2 der folgenden Kriterien:
a) Nier eninsuffizienz (Kreatinin > 2 Obergrenze der
normalen Bandbreite für Alter);
b) Koagulopathie/Gerinnungsstörung (Thr ombozyten
< 100 G/L oder klinische Anzeichen einer dissemi -
nierten intravasalen Gerinnung = DIC);
c) Leberinsuf fizienz (ALAT, ASAT oder Bilirubin > 2
Obergrenze der normalen Bandbreite für Alter);
d) allgemeines Erythem mit/ohne nachfolgende
Abschuppung;
e) ARDS (Acute Respiratory Distr ess Syndrome).
2) Nekr otisierende Fasziitis
Resultate
Im Jahr 2019 wurden insgesamt 41 Fälle von invasiven Infektio –
nen durch Gruppe-A-Streptokokken (iGAS) bei Kindern < 16 Jah -
ren gemeldet. Im Jahr 2020 gingen insgesamt 18 Meldungen
von Kindern oder Jugendlichen < 16 Jahr en mit iGAS ein. Für alle
Patientinnen und Patienten konnten detaillierte Angaben zu
Demografie, Klinik, Therapie, Verlauf und Outcome mittels
Frage bogen erfasst wer den. Das mittlere Alter der Kinder lag
2019 resp. 2020 bei 77 bzw. 48 Monaten mit einem Alters -
bereich von 8 bis187 Monaten bzw. 13 bis 104 Monaten.
14 (34%) bzw. 7 (39%) der Kinder waren weiblich, 23 (56%)
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021 BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
47/21 29 2847/21 ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
bzw. 11 (61%) männlich und vier 4 (10%) bzw. keinem der
Kinder fehlte die Angabe des Geschlechts. Die Angaben zum
Schweregrad der Erkrankung (Behandlung auf der Intensiv -
station, Beatmung, Katecholaminbedarf, chirurgische Inter -
vention) sowie zu klinischer Präsentation und Outcome sind in
Tabelle 10 zusammengestellt.
Klinisch präsentierten sich in den beiden Berichtsjahren 2019
und 2020 insgesamt neun (22%) bzw. vier (22%) der Kinder mit
Haut- oder Weichteilinfektionen, 9 (22%) bzw. fünf (28%) mit
osteo artikulär en Infektionen, 15 (37%) bzw. neun (50%) mit
einer Infektion der ober en oder unteren Atemwege. Bei sechs
(15%) Kinder n wurde die Diagnose eines Toxic-Shock-Syndro -
mes (TSS) gestellt. Keines der Kinder hatte zuvor schon eine
iGAS-Infektion erlitten. Bei fünf (12%) bzw. drei (17%) der
Kinder wurde eine Grunderkrankung rapportiert. Dabei handelte
es sich um unterschiedliche Diagnosen (Rhabdomyosarkom,
Atopische Dermatitis, Sinusvenenthr ombose, fetales Alkohol -
syndrom, RSV-Infektion, Cerebralparese, Zoeliakie, Schlaf -
apnoesyndrom mit Adipositas). Als einziger bekannter Risikofak -
tor für iGAS wurden floride Varizellen bei fünf (12%) bzw. drei
(17%) der Kinder genannt. Bei je einem Kind 2019 und 2020
wurde ein enger Kontakt zu einer Person mit einer GAS-
Infektion berichtet (Haushaltkontakt).
19 (46%) der iGAS-Fälle wurden 2019 in den Monaten Oktober
bis März diagnostiziert, während 2020 16 (89%) aller gemelde -
ten Fälle in diesem Zeitraum auftraten. Anschliessend kam es zu
einem fast kompletten Verschwinden der iGAS-Fälle mit nur
noch einem Fall im April 2020 und einem im August 2020
(Grafik 11 inkl. Fälle 2018).
Grafik 11
Monatliche Fallmeldungen iGAS 2018–2020
Tabelle 10
iGAS-Fälle 2019/2020 nach Klinik
2019 2020
Schweregrad
Mittlere Dauer der Hospitalisation in Tagen 11 (2–23)10 ( 1–32)
Behandlung auf Intensivstation/ICU 19 (46%)4 (22%)
Intubation/Beatmung 9 (22%/47% von ICU)3 (17%/75% von ICU)
Katecholamine 12 (29%/63% von ICU)3 (17%/75% von ICU)
Chirurgische Intervention 2 1 ( 5 1%)9 (50%)
Klinische Präsentation
Haut-/Weichteilinfek tion 9 (22%)4 (22%)
Osteoartikuläre Infektion 9 (22%)5 (28%)
Obere oder untere Atemwegsinfektion 15 (37%)9 (50%)
ZNS-Infektion 3 (7%)1 (6%)
Peritonitis 1 (2%)0
Outcome
Vollständige Heilung 31 (76%)1 1 ( 6 1%)
Heilung mit Residuen 7 (17%)2 ( 1 1%)
Keine Information über Residuen bei Austrit t 3 (7%)5 (28%)
Todesfälle 00
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
30 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Diskussion und Schlussfolgerungen
Wie bereits im ersten Studienjahr (2018) traten invasive Infek-
tionen mit Gruppe-A-Streptokokken auch 2019 und 2020 in
knapp 90% aller Fälle bei zuvor gesunden Kindern auf. Als
einziger bekannter Risikofaktor sind floride Varizellen aufgetre-
ten und bei je einem Kind in den beiden Meldejahren bestand
ein enger Kontakt zu einem Haushaltsmitglied mit akuter
GAS-Infektion. Knapp die Hälfte aller Kinder mit iGAS mussten
2019 intensivmedizinisch betreut werden, während dies 2020
bei 22% der Kinder der Fall war. In den beiden Berichtsjahren
gab es keine iGAS-Todesfälle
Auffallend ist der Rückgang der gesamten Fallzahl um über die
Hälfte im Jahr 2020 im Vergleich zu den beiden Vorjahren und
das fast vollständige Verschwinden von iGAS-Fällen nach März
2020, der mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie zusam-
menfällt. Entsprechend zeigt sich 2020 im Vergleich der Vor -
jahre auch keine Saisonalität mehr. 2020 der Anteil der Kinder
mit iGAS, die auf der Intensivstation behandelt werden muss-
ten, war im Jahr 2020 deutlich kleiner. Die Beobachtung ver -
minderter Infektionen mit beispielsweise auch fast vollständi-
gem Fehlen von viralen Atemwegsinfektionen und auch von
Streptokokken-Pharyngitis sowie anderen Infektionskrank -
heiten bei Kindern wurde auch in anderen Ländern gemacht
(Hatoun et al). Zu diesem Zeitpunkt wurden in der ganzen
Schweiz aufgrund der COVID-19-Pandemie Hygiene- und
Distanzregeln intensiviert eingeführt und ab Mitte März trat
ein nationaler Lockdown mit genereller Schulschliessung in
Kraft, der bis zum 11. Mai 2020 andauerte.
Die reduzierten Kontakte und damit Expositionsgelegenheiten
tragen sicherlich relevant zum Rückgang der iGAS bei. Sie er -
klären allein aber nicht das fast vollständige Verschwinden von
iGAS, welche sich in den beiden Jahren 2019 und 2020 nur in
37% resp. 50% der Fälle mit Atemwegsinfektionen manifes-
tierten. Um andere Einflussfaktoren wie z.B. die asymptomati-
sche Besiedelung mit GAS und deren Auswirkung auf die
Inzidenz von iGAS beurteilen zu können, sind zusätzliche Stu -
dien notwendig. Auch der weitere Verlauf der Fallzahlen im
Kontext der COVID-19-Pandemie und den getroffenen Mass-
nahmen wird zusätzliche Informationen liefern.
Studienleitung
Dr. med. Anita Niederer-Loher, Ostschweizer Kinderspital, Oberärztin
Infektiologie und Spitalhygiene, Claudiusstrasse 6, 9006 St. Gallen,
anita.niederer@kispisg.ch
Dr. med. Christian Kahlert, Ostschweizer Kinderspital, Leitender Arzt
Infektiologie und Spitalhygiene, Claudiusstrasse 6, 9006 St. Gallen, christian.kahlert@kispisg.ch
Literatur
1. Nelson GE, Pondo T , Toews K-A, Farley MM, Lindegren ML, Lynfield R, et al. Epidemiology of Invasive Group A Streptococcal Infections in the
United States, 2005–2012. Clin Infect Dis. 2016; 63(4): 478–86.
2. T apiainen T, Launonen S, Renko M, Saxen H, Salo E, Korppi M, et al.
Invasive Group A Streptococcal Infections in Children: A Nationwide
Survey in Finland. Pediatr Infect Dis J. 2016; 35(2): 123–8.
3. W atanabe S, Takemoto N, Ogura K, Miyoshi-Akiyama T. Severe invasive streptococcal infection by Streptococcus pyogenes and Streptococcus
dysgalactiae subsp. equisimilis. Microbiol Immunol. 2016; 60(1): 1–9.
4.7 Vitamin ÂKÂMangelblutung
Ziele der Studie
Zur Verhinderung von Vitamin-K-Mangelblutungen (HDVK)
werden verschiedene prophylaktische Massnahmen empfohlen
[1,2]. In der Schweiz können Neugeborene seit 2003 [3] von
drei oralen Dosen Vitamin K (Konakion® MM, Stunde vier, Tag
vier, Woche vier) zur Vorbeugung von HDVK profitieren (offizi-
elle Leitlinie der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie).
Eine frühere SPSU-Studie zeigte, dass drei orale Dosen von
Vitamin-K eine akzeptable Prophylaxe darstellen [4]. Die Ver -
weigerung/Unterlassung der Vitamin-K-Prophylaxe und eine
nicht diagnostizierte hepatobiliär e Erkrankung sind die wich -
tigsten aktuellen Risikofaktoren für HDVK. Ziel dieser Studie ist
es, die aktuelle Epidemiologie der HDVK, ihre Risikofaktoren,
ihre mögliche Zunahme oder Clustereffekte zu ermitteln und
damit zu prüfen, ob die 2003 empfohlene Prävention in der
heutigen Gesellschaft noch angemessen ist.
Falldefinition
Blutung bei einem Neugeborenen oder Säugling im Alter von
weniger als sechs Monaten (26 vollendete Wochen):
• mit einem er niedrigten PT/Quick auf < 20% (INR > 4) bei
normaler (oder erhöhter) Thrombozytenzahl und norma-
lem Fibrinogen ohne Fibrinabbauprodukte;
• mit Normalisierung des PT/Quick (und/oder Beendigung
der Blutung) 30–120 Minuten nach Verabreichung von
Vitamin K.
Resultate
Vom 1. September 2018 bis 31. Dezember 2020 wur den vier
Fälle von HDVK gemeldet, drei sind sichere Fälle, einer ist per
Definition kein Fall.
Schlussfolgerungen
Es ist noch zu früh, um Rückschlüsse auf die Inzidenz von HDVK
seit 2018 zu ziehen. Die Studie wird wie geplant fortgesetzt
(2018–2024).
Studienleitung
Prof. Dr. med. Bernard Laubscher, Médecin chef Dép. de Pédiatrie, Réseau
hospitalier neuchâtelois RHNe, Rue de maladière 45,
2000 Neuchâtel, bernard.laubscher@rhne.ch
Literatur
1. Neonatal V itamin K Administration for the Prevention of Hemorrhagic Disease: A Review of the Clinical Effectiveness, Comparative Effective-
ness, and Guideline. 2015 May 28. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/
books/NBK304680/. Accessed March 1, 2018.
2. Mihatsch W A, Braegger C, Bronsky J, Campoy C, Domellöf M, Fewtrell M, Mis NF, Hojsak I, Hulst J, Indrio F, Lapillonne A, Mlgaard C, Embleton
4. Invasive Gr oup A Streptococcal Disease – igas.pdf [Internet]. [zitiert
1. Mai 2017]. Verfügbar unter: https://www.gov.mb.ca/health/publiche-
alth/cdc/protocol/igas.pdf
5. Goldstein B, Gir oir B, Randolph A. International pediatric sepsis
consensus conference: Definitions for sepsis and organ dysfunction
in pediatrics: Pediatr Crit Care Med. 2005; 6(1): 2–8.
6. Hatoun J, Corr ea ET, Donahue SMA, Vernacchio L. Social distancing for COVID-19 and diagnoses of other infectious diseases in children. Pedia-trics. 2020 Oct; 146(4): e2020006460-doi: 10.1542/peds.2020.006460.
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021 BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
47/21 31 3047/21 ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
4.8 SARS ÂCoV Â 2 Â Infektionen
Hintergrund
Ende 2019 wurden die ersten Fälle von Coronavirus-Erkrankun –
gen (COVID-19) gemeldet, die sich anschliessend schnell weltweit
ausbreiteten. Der Ausbruch wurde von der WHO am 11. März
2020 zur Pandemie erklärt, und fast alle Länder weltweit sind bis
April 2020 in die erste Welle der Ausbreitung eingetreten.
Modelle, die auf früheren Influenza-Pandemien, der saisonalen
Prävalenz von Coronaviren, saisonalen Schwankungen und Be –
mühungen zur Infektionskontrolle basieren, legten nahe, dass ein
zweiter Höhepunkt im Winter 2020/2021 eintreten werde, der
bis jetzt andauert. Danach werden mehrere Wellen vorhergesagt,
wobei COVID-19 zu einer saisonalen Pandemie wird.
Darüber hinaus wurden seit April 2020 Kinder mit einer verzöger –
ten entzündlichen Erkrankung gemeldet, die als «pädiatrisches
entzündliches Multisystem-Syndrom – zeitlich assoziiert mit SARS-
CoV-2 (PIMS-TS)» oder «Multisystem-Entzündungssyndrom bei
Kindern (MIS-C)» bezeichnet wird.
Ziel der Studie
Das Ziel der Studie ist es, epidemiologischen Daten zu
SARS-CoV-2-Infektionen und PIMS-TS bei Kindern in der
Schweiz zu erhalten, um diese bestimmen zu können:
• demografische Informationen (Alter, Geschlecht, etc.);
• Inzidenzraten (mit Altersstratifizierung);
• klinisches Spektrum der Erkrankung und Krankheits –
schweregrad;
• Sterblichkeitsrate (mit Altersstratifizierung);
• Komorbiditäten und Risikofaktoren für schwere Erkran –
kungen;
• Intensivpflege und Beatmungsunterstützung;
• Behandlungsansätze;
• Krankheitsverlauf; und
• Übertragungsmuster.
Falldefinition
Kinder < 18 Jahr en, die in einem Schweizer Spital mit bestätig -
tem COVID-19 und/oder PIMS-TS durch einen der unten auf-
geführten Tests betreut werden:
• Nachweis von SARS-CoV-2 aus einer klinischen Probe mit-
tels eines validierten NAAT (PCR), Serologie oder Antigen-
Schnelltests;
N, van Goudoever J. ESPGHAN Committee on Nutrition. Prevention of
Vitamin K Deficiency Bleeding in Newborn Infants: A Position Paper by
the ESPGHAN Committee on Nutrition. Pediatr Gastroenterol Nutr.
2016; 63(1): 123–9.
3. Schubiger G, Laubscher B, Bänziger O. V itamin-K-Prophylaxe bei Neu -
geborenen: Neue Empfehlungen. Schweizerische Ärztezeitung.
2003; 84(15): 673–4.
4. Laubscher B, Bänziger O, Schubiger G. Pr evention of vitamin K deficien -
cy bleeding with three oral mixed micellar phylloquinone doses: results
of a 6-year (2005–2011) surveillance in Switzerland. Eur J Pediatr.
2013; 172(3): 357–60.
• Diagnose von PIMS-TS gemäss den nationalen Empfehlun-
gen der Schweiz (Schlapbach et al. Front. Pediatr., 26. Mai
2021; doi.org/10.3389/fped.2021.667507).
Änderungen während des Studienzeitraums
Vom 1. März bis 31. Oktober 2020 wurden ambulante und
hospitalisierte Fälle gemeldet.
Ab dem 1. November 2020 wurden nur noch hospitalisierte
Fälle gemeldet, aber speziell auch Fälle von PIMS-TS.
PIMS- TS- Fälle, die vor dem 1. November 2020 gemeldet wur -
den, wurden retrospektiv identifiziert. Für alle gemeldeten
PIMS-TS- Fälle wir d ein Follow-up-Fragebogen zur Datener -
fassung vier bis sechs Wochen nach der Entlassung verschickt.
Resultate
Studienpopulation
Ein detaillierter Datensatz wurde für 682 Fälle zurückgeschickt,
von denen 678 in die endgültige Analyse aufgenommen wur -
den. Gründe für den Ausschluss waren Duplikation in der
Berichterstattung (n=3) und Alter ≥ 18 Jahren (n=1). Das Alter
der Kinder reichte von sieben Tagen bis 17.9 Jahre mit einem
Median von 12.2 Jahren (Interquartilsbereich (IQR) 5.0–14.6)
(Tabelle 12).
Krankenhausaufenthalt und Behandlung
Insgesamt wurden 126 (19%) Kinder hospitalisiert, von denen
14 (11.1%) aus anderen Gründen als einer Infektion mit SARS-
CoV-2 aufgenommen wurden. Insgesamt 16 (12.7%) Kinder
mussten aus folgenden Gründen auf die Intensivstation aufge-
nommen werden: hämodynamische Instabilität (n=8), respira-
torisches Versagen (n=4), Frühgeburtlichkeit (n=1), Koma
(n=1), Herz-Kreislauf-Stillstand (n=1), neurogener Schock
(n=1). Ein Jugendlicher mit einer leichten Erkrankung der obe-
ren Atemwege wurde aus einem nicht COVID-19-bezogenen
Grund (neurogener Schock nach einem Unfall) auf die Inten-
sivstation eingeliefert. Die Ethnizität der auf der Intensivstation
aufgenommenen Kinder war kaukasisch (n=8), schwarz (n=4),
hispanisch (n=3) und unbekannt (n=1). Sauerstoff war in 34
(27%), Inotrope in neun (7.3%) und mechanische Beatmung
in acht (6.3%) der stationär aufgenommenen Fälle erforder -
lich. Komplikationen wurden bei 25 (19.8%) hospitalisierten
Kindern berichtet, wobei kardiovaskuläre Komplikationen am
häufigsten auftraten (10 [7.9%]). Insgesamt wurden 48 Kinder
retrospektiv auf potenzielle PIMS-TS analysiert, von denen
17 Kinder aufgrund der verfügbaren Daten als Fälle identifi -
ziert wurden (8 nicht ICU-aufgenommen, 9 ICU-aufgenom-
men). Drei Todesfälle wurden registriert.
Insgesamt erhielten die meisten Kinder (646 [95.3%]) keine
Medikamente. Eine spezifische Behandlung erhielten zehn
(1.8%) der nicht-hospitalisierten, 15 (13.6%) der hospitalisier -
ten und zwölf (75%) der ICU-aufgenommenen Kinder. Von
den hospitalisierten Kindern (nicht auf der Intensivstation auf-
genommen) erhielten sechs (5.5%) Kortikosteroide, je zwei
(1.8%) Hydroxychloroquin und intravenöse Immunglobuline
und eines (0.9%) Tocilizumab. Von den auf der Intensivstation
aufgenommenen Kindern erhielten neun (56.3%) Biologicals
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
32 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Tabelle 12
(Aufgrund der Falländerung im Studienzeitraum, beinhaltet die Tabelle nur die Daten bis zum 31. Oktober 2020)
Insgesamt
n (%)
n=678 Nicht
hospitalisiert
n (%)
n=552 Alle
hospitalisiert
n (%)
n =1 2 6 ICU
n (%) n =1 6
Alter in Jahren
< 2 117 (17.3) 52 (9.4) 65 (51.6) 4 (25.0)
2 bis <5 49 (7.2) 4 2 ( 7. 6 ) 7 (5.6) 0 (0.0)
5 bis < 1 0 9 9 (14 . 6) 85 (15.4) 14 (11.1) 2 (12.5)
≥ 10 413 (60.9) 3 7 3 ( 6 7. 6 ) 40 (31.7) 10 (62.5)
Alter < 1 M onat 17 (2.5) 5 (0.9) 12 (9.5) 1 (6.2)
Weiblich 316 (46.6) 2 6 2 (4 7. 5 ) 54 (42.9) 5 (31.3)
Komorbiditäten 106 (15.6) 72 (13.0) 3 4 ( 2 7. 0) 5 (31.3)
Symptome
Fieber 305 (45.3) 209 (38.1) 96 (76.2) 11 (68.8)
Husten 277 (41.2) 229 (41.8) 48 (38.4) 4 (2 6.7)
Rhinorrhöe 191 (28.4) 14 2 (2 5 . 9) 49 (39.2) 4 (2 6.7)
Pharyngitis 187 (27.8) 164 (29.9) 23 (18.4) 3 (20.0)
Anosmie/Dysgeusie 76 (11.3) 73 (13.3) 3 (2.4) 1 (6.7)
Abdominaler Schmerz 76 (11.3) 60 (10.9) 16 (12.8) 5 (33.3)
Durchfall 68 (10.1) 46 (8.4) 2 2 ( 17. 6 ) 5 (33.3)
Erbrechen 59 (8.8) 37 (6.8) 2 2 ( 17. 6 ) 5 (33.3)
Atembeschwerden 4 9 ( 7. 3 ) 18 (3.3) 31 (24.6) 10 (62.5)
Ausschlag 22 (3.3) 6 (1.1) 16 (12.8) 5 (33.3)
Sauerstoffsättigung < 92% 18 (2.7) 1 (0.2) 17 (13.5) 6 ( 3 7. 5 )
Asymptomatisch 39 (5.8) 35 (6.3) 4 (3.2) 0 (0.0)
Grafik 13
Clusteranalyse Symptome SARS-CoV-2 (Anakinra [n=7], Tocilizumab [n=2]), sieben (43.8%) jeweils
Kortikosteroide, intravenöse Immunglobuline und zwei
(12.5%) Hydroxychloroquin. Es wurde keine weitere Behand-
lung einschliesslich Remdesivir gegeben. Die mediane Dauer
des Krankenhausaufenthalts betrug bei den nicht auf der In-
tensivstation aufgenommenen Kindern 3.0 (IQR 2.0–4.0) Tage
und bei den auf der Intensivstation aufgenommenen Kindern
14 (IQR 4.75–15.25) Tage.
Komorbiditäten
Insgesamt 106 (15.6%) Kinder hatten vorbestehende medizi-
nische Erkrankungen, die häufigsten Komorbiditäten wurden
in den folgenden Gruppen berichtet: Atemwegserkrankungen
(45 [42.5%]), Endokrinologie (15 [14.2%]), Hämato-Onkolo-
gie (12 [11.3%]) und kardiovaskuläre Erkrankungen (10
[9.4%]). Hospitalisierte Kinder hatten signifikant mehr Komor -
biditäten als nicht-hospitalisierte Kinder (p < 0.01). Fünf
(31.3%) Kinder, die auf der Intensivstation aufgenommen
wurden, hatten vorbestehende Komorbiditäten: drei Kinder
hatten Asthma/Bronchitis, ein Neugeborenes hatte eine Früh-
geborenen-Apnoe (geboren mit 29 Wochen Schwanger -
schaftsalter) und ein zwei Monate alter Säugling hatte eine
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021 BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
47/21 33 3247/21 ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
isolierte Mikrozephalie mit einem normalen zerebralen Ultra-
schall und ohne Nachweis von Cytomegalovirus im Urin.
Kinder, die auf die Intensivstation aufgenommen werden
mussten, hatten im Vergleich zu Kindern, die nicht auf der
Intensivstation aufgenommen wurden, nicht häufiger vorbe -
stehende medizinische Erkrankungen.
Symptome
Insgesamt war Fieber das am häufigsten beobachtete Symp-
tom bei Kindern mit COVID-19 (305 [45.3%]) (Tabelle 12). Bei
Kindern unter zwei Jahren waren Fieber, Husten und Rhinorr -
hoe die häufigsten Symptome und bei Jugendlichen zwischen
zehn und 18 Jahren wurden Fieber, Husten und Kopfschmer -
zen am häufigsten berichtet. Fieber und Hautausschlag traten
bei hospitalisierten im Vergleich zu nicht-hospitalisierten Kin-
dern häufiger auf (96 [76.2%] vs. 209 [38.1%], p < 0.001)
bzw. (16 [12.8%] vs. 6 [1.1%], p < 0.001). Im Gegensatz dazu
war Anosmie/Dysgeusie bei nicht-hospitalisierten Kindern
häufiger (73 [13.3%] vs. 3 [2.4%], p=0.001). Kinder, die auf
der Intensivstation aufgenommen wurden, hatten häufiger
Bauchschmerzen (5 [33.3%] vs. 11 [10%], p=0.034) und
Hautausschlag (5 [33.3%] vs. 11 [10%], p=0.034) als Kinder,
die nicht auf der Intensivstation aufgenommen wurden. Eine
Heatmap mit einer Co-Occurrence-Matrix für Symptome zeig-
te drei Cluster von Symptomen, die drei verschiedene klinische
Phänotypen repräsentieren (siehe Grafik 13).
Der erste Cluster stellt eine Erkrankung der oberen Atemwege
mit Fieber, Husten, Rhinorrhoe und Pharyngitis dar, der zweite
eine gastrointestinale Erkrankung mit Bauchschmerzen, Diarr -
hoe und Erbrechen, und der dritte Cluster entspricht eher kon-
stitutionellen Symptomen mit Kopfschmerzen, Myalgie und
Asthenie.
Komplikationen
Insgesamt 29 (4.3%) Kinder mit einer SARS-CoV-2-Infektion
entwickelten Komplikationen, diese waren bei hospitalisierten
Kindern häufiger als bei nicht hospitalisierten (p < 0.001). Die
häufigsten Komplikationen/nicht-pulmonale Organmanifestati-
onen waren bei zwölf (1.8%) Kindern kardiovaskulär, ein-
schliesslich Koronararteriendilatation (n=4), Erhöhung der
kardialen Enzyme (n=3), hypotensiver Schock (n=3), Myokardi -
tis (n=1), Vaskulitis (n=3), Lungenembolie (n=1). Eine bakteriel-
le Co-Infektion wurde bei neun (1.3%) Kindern berichtet,
ausschliesslich bei hospitalisierten Kindern. Weitere Komplika -
tionen waren: Panzytopenie (n=5), Nierenversagen (n=4),
Krampf anfälle (n=3), Enzephalopathie (n=1), Polyradikuloneu -
ritis (n=1) und Myopathie (n=1). Bei den hospitalisierten Fällen
wurden während des Studienzeitraums drei (2.4%) Todesfälle
gemeldet.
Diagnose
Die Diagnose wurde meist durch eine einmalige nasopharyn-
geale PCR bestätigt (620 [96.3%]). Von den 40 Kindern, bei
denen eine Serologie durchgeführt wurde, waren 35 (87.5%)
positiv. Fünf (55.6%) auf der Intensivstation aufgenommene
Kinder hatten eine positive Serologie mit negativer PCR. Eine
Röntgenaufnahme des Brustkorbs wurde bei 47 (6.9%) Kin- dern durchgeführt und zeigte einseitige und beidseitige Verän-
derungen in sechs (12.8%) bzw. 16 (34%) Fällen. Eine Echo-
kardiographie wurde bei 47 (6.9%) Kindern durchgeführt,
abnorme Befunde wurden bei acht (21.6%) Kindern festge-
stellt (Koronardilatation [n=4], reduzierte Ejektionsfraktion des
linken Ventrikels [n=3], Dyskinesie [n=1]), alle wurden statio-
när aufgenommen. Weitere diagnostische Untersuchungen
waren abdomineller Ultraschall (16 [2.4%]) und Thorax- CT -
Scan (9 [1.3%]).
Übertragung
Insgesamt hatten 309 Kinder (45.6%) ein Familienmitglied mit
einer bestätigten oder vermuteten SARS-CoV-2-Infektion. Eine
in der Gemeinschaft erworbene Infektion (einschliesslich
Schule und Kindertages stätte) wur de bei 86 (12.7%) Kindern
bestätigt oder vermutet. Bei einem Drittel der Kinder war der
Primärfall unbekannt 284 (41.9%).
Schlussfolgerungen
COVID-19 ist bei Kindern und Jugendlichen meist eine milde
Erkrankung mit geringer Mortalität. Fieber, Hautausschlag und
Komorbiditäten sind mit höheren Aufnahmeraten verbunden.
Das klinische Spektrum und der Schweregrad werden bei pädiat -
rischem COVID-19 vom Alter beeinflusst. Eine kontinuierliche
Beobachtung ist notwendig, um die pädiatrische COVID-19-
Infektion weiter und besser zu verstehen und um die Therapie
und Prävention zu steuern.
Studienleitung
PD Dr. med. Nicole Ritz, Chefärztin Pädiatrie, Chefärztin pädiatrische
Infektiologie, Kinderspital Luzern,
Luzerner Kantonsspital, Spitalstrasse, 6000 Luzern 16, nicole.ritz@luks.ch
Co-Leitung: Dr. phil. Dr. med. Petra Zimmermann, Leitende Ärztin
pädiatrische Infektiologie, Kantonsspital Fribourg (HFR),
Chemin des Pensionnats 2–6, 1708 Fribourg, petra.zimmermann@unifr.ch
5. PUBLIKA TIONEN UND KONGRESSBEITRÄGE
2021–2015
– Fritschi N, Schmidt AJ, Hammer J, Ritz N, Swiss Pediatric
Surveillance Unit (SPSU). Pediatric Tuberculosis Disease
during Years of High Refugee Arrivals: A 6-Year National
Prospective Surveillance Study. Respiration. 2021; 29(7):
1–10. doi: 10.1159/000517029
– Uka A, Buettcher M, Bernhard-Stirnemann S, Fougère Y,
Moussaoui D, Kottanattu L, Wagner N, Zimmermann P,
Ritz N, Swiss Pediatric Surveillance Unit (SPSU). Factors
Associated With Hospital and Intensive Care Admission in
Paediatric SARS-CoV-2 Infection: A Prospective Nationwide
Observational Cohort Study. Oral presentation at the an-
nual Meeting of Swiss Society of Paediatrics, online |
10–11th June, 2021.
– Uka A, Buettcher M, Bernhard-Stirnemann S, Fougère Y,
Moussaoui D, Kottanattu L, Wagner N, Zimmermann P,
Ritz N, Swiss Pediatric Surveillance Unit (SPSU). Factors
Associated With Hospital and Intensive Care Admission in
Paediatric SARS-CoV-2 Infection: A Prospective Nationwide
Observational Cohort Study. Oral presentation at the 39th
BAG-Bulletin 47 vom 22. November 2021
34 47/21ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN
Annual Meeting of the European Society for Paediatric In-
fectious Diseases (ESPID 2021), online | 24–29 May 2021.
– Fritschi N, Wind A, Hammer J, Ritz N and Swiss Pediatric
Surveillance Unit (SPSU). Subclinical tuberculosis in child-
ren: diagnostic strategies for identification reported in a
6-year national prospective surveillance study. Annual
Meeting of the European Society for Paediatric Infectious
Diseases (ESPID 2021), virtual and hosted from Geneva,
Switzerland, 24–29 May 2021.
– Uka A, Buettcher M, Bernhard-Stirnemann S, Fougère Y,
Moussaoui D, Kottanattu L, Wagner N, Zimmermann P,
Ritz N and Swiss Pediatric Surveillance Unit (SPSU). Factors
Associated With Hospital and Intensive Care Admission in
Paediatric SARS-CoV-2 Infection: A Prospective Nationwide
Observational Cohort Study. Oral presentation at the 9th
Research Day in Medicine UniFR, online| 14th April,2021.
– Fritschi N, Wind A, Hammer J, Ritz N, Swiss Pediatric Sur -
veillance Unit (SPSU). Subclinical tuberculosis in children:
diagnostic strategies for identification reported in a 6-year
national prospective surveillance study. Clinical Infectious
Diseases 2021 (in press).
– Abu Raya B, Jost M, Bettinger J, Bortolussi R, Grabowski J,
Lacaze-Masmonteil T, Robinson JL, Posfay-Barbe KM,
Galanis E, Schutt E, Mäusezahl M, Kollmann TR. Listeriosis
in infants: Prospective surveillance studies in Canada and
Switzerland. Paediatrics & Child Health. 2021; pxab035,
https://doi.org/10.1093/pch/pxab035
– Fritschi N, Schmidt AJ, Hammer J, Ritz N, Swiss Pediatric
Surveillance Unit (SPSU). Paediatric tuberculosis disease
during years of high refugee arrivals: a 6-year national
prospective surveillance study. Annual Meeting of the
European Society for Paediatric Infectious Diseases (ESPID
2020), virtual, 26–29 October 2020.
– Zumstein J, Heininger U. Clinical and Epidemiologic
Characteristics of Pertussis in Hospitalized Children:
A Prospective and Standardized Longterm Surveillance
Study. Pediatr Infect Dis J. 2021; 40(1): 22–5.
–Gradoux E, Di Bernardo S, Bressieux-Deguedre S, Mivelaz
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Kawasaki disease in children in Switzerland. Annual
Meeting Swiss Society of Paediatrics. 6–7 June, 2019.
– Maeusezahl M, Lynn R, Zurynski Y, Moore Hepburn C,
Duncan M, Rudin C. The power of surveillance data to
change Public Health Policy and practice in rar e paediatric
conditions. 36th Annual Meeting of the European Society
for Paediatric Infectious Diseases (ESPID 2018), to be held
in Malmö, Sweden | May 28–June 2, 2018.
– Mäusezahl M, Rudin C, Beeli D on behalf of the SPSU-
Steering committee. The Swiss Paediatric Surveillance Unit
SPSU contributes to change in Public Health Policy and
Practice. Oral presentation at the fPmH conference. Mai
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MedWkly. 2018; 148: 5.
– Abu Raya B, Jost M, Bortolussi R, Bettinger J, Grabowski J,
Lacaze T, Robinson J, Posfay-Barbe K, Galanis E,
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joint study Canada and Switzerland, Club de pathologie,
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– Huang S, Abu Raya B, Jost M, Bortolussi R, Bettinger J,
Grabowski J, Lacaze T, Robinson J, Posfay Barbe K, Mause -
zahl M, Kollmann TR. Listeriosis in neonates and infants in
Switzerland and Canada. INoPSU confer ence@RCPH (Royal
College of paediatrics and child health) annual confer ence,
13–15 March, 2018, Glasgow.
–Meyer Sauteur P, Moeller A, Relly C, Berger C, Plecko B,
Nadal D; for the Swiss Paediatric Surveillance Unit (SPSU).
Swiss national prospective Surveillance of paediatric
Mycoplasma pneumoniae-associated encephalitis. Swiss
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– Sekarski N. Kawasaki disease, Posterpräsentation «Epide-
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der Kardiopädiatrie, November 2016 in Bern.
– Sekarski N. Kawasaki disease, Präsentation der Resultate
der Erhebung 2013–2015. Kongress der Kardiopädiatrie,
November 2015 in Lausanne.
SPSU-Komitee
Bundesamt für Gesundheit
Abteilung Übertragbare Krankheiten
6. DANK
Wir danken den Ärztinnen und Ärzten der teilnehmenÂ
den Kliniken für die zeitgerechte Zustellung der MeldunÂ
gen und die wertvolle, erfreuliche Zusammenarbeit:
M. Albisetti; V. Bernet; M. Büttcher; F. Cachat; V. Colombo;
P. Diebold; Z. Dovhunovà ; G. Duvoisin; S. Fluri; E. Galiart;
M. Gebauer; M. Gehri; E. Giannoni; S. Grupe; E. Kellner;
K. Held-Egli; M. Horn; P. Imahorn; T. Karen; T. Keller;
L. Kottanattu; G . L aube; B. Laubscher; H. Madlon;
A. Malzacher; J. Mc Dougall; S. Minocchieri; M. Mönkhof f;
A. Moser; V. Muehlethaler; A. Niederer; S . Nikorelou;
V. Pezzoli; K. Posfay Barbe; L. Reinhard; T. Riedel; C. Rudin;
M. Russo; P. Schillinger; N. Schöbi; F. Stollar, E. Süess;
Z. Sufliarska; A. Ughetto; J. Wildhaber; A. Woerner; K. Woll;
M. Wopmann; A. Zemmouri; S.-A. Zoubir.
Presenters
Late
with
viral
hepatitis
Einladung
Swiss Hepatitis Symposium 2021
Montag, 29. November 2021, 13.30 bis 18.00 Uhr
Universität Zürich, mit Live Streaming
Moderation: Catherine Boss, Reporterin Research Desk Tamedia
Programm und weitere Informationen
unter www.hepatitis-schweiz.ch.
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Kontakt: info@hepatitis-schweiz.ch Keynote Speakers:
Joaquin Cabezas, Santander / Spanien
Jürgen Rockstroh, Bonn / Deutschland
Die Teilnahme ist kostenlos.