Die „Parlamentarische Gruppe Kinder- und Jugendmedizin“ wurde im September 2018 als Plattform für gesundheitspolitische Themen der Kinder- und Jugendmedizin gegründet. Sie setzt sich zusammen aus PolitikerInnen und ExpertInnen der Kinder- und Jugendmedizin, welche sich regelmässig austauschen und die Anliegen der Kinder- und Jugendmedizin ins Parlament bringen. pädiatrie schweiz ist die Hauptträgerorganisation.
„Mehr Zeit für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen…“
Das Bundesparlament hat in der Herbstsession drei für die Kinder- und Jugendmedizin sehr wichtige Motionen angenommen. Das Parlament erteilt damit dem Bundesrat den Auftrag, für folgende Aufgaben Umsetzungsvorschläge auszuarbeiten:
- Motion Ständerat (SGK-SR): «Kostendeckende Finanzierung der Kinderspitäler bei effizient erbrachten Leistungen», 19.3957
Die Motion der ständerätlichen Gesundheitskommission erteilt dem Bundesrat den Auftrag, in Kinderspitälern für sachgerechte ambulante und stationäre Tarife zu sorgen. Diese müssen die Kosten bei einer effizienten Leistungserbringung decken - Motion Ständerat Damian Müller (FDP LU): «Mehr Zeit für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen» 19.4120:
Die Motion von Ständerat Damian Müller ist umfassender. Es geht nicht nur um Tarife in Spitälern, sondern generell um Tarife der Kinder- und Jugendmedizin. Neben der Grundversicherung (Tarmed und SwissDRG) müssen auch die Tarife der Invaliden-, der Militär- und der Unfallversicherung kostendeckend ausgestaltet werden. - Motion Ständerat Hans Stöckli (SP BE). Erhöhung der Arzneimittelsicherheit in der Pädiatrie. Medikationsfehler durch E-Health reduzieren, 19.4119
Die Kindermedikation ist bekanntlich komplex und fehleranfällig. Deshalb fordert Ständerat Hans Stöckli, dass im stationären Bereich und in Offizinapotheken zukünftig Medikationsdatenbanken und klinische Entscheidunterstützungsinstrumente (Clinical Decision Support Tools) einzusetzen sind. Die Aufwände sind in den Tarifen zu berücksichtigen.
Die Vorstösse basieren auf Standesinitiativen der Kantone (Motion SGK SR) und auf dem Positionspapier der Expertengruppe Kinder- und Jugendmedizin «Für eine qualitativ hochstehende Kinder- und Jugendmedizin in der Schweiz», das im September 2019 vorgestellt wurde. Besonder erfreulich ist die hohe Zustimmung. So hat der Nationalrat die Motion von Damian Müller mit 193 zu Null und die Motion von Hans Stöckli mit 191 zu Null Stimmen angenommen. Die 40 Mitglieder der parlamentarischen Gruppe Kinder- und Jugendmedizin haben weitere Vorstösse eingereicht, die vom Parlament noch nicht behandelt worden sind.
Neu eingereichte Motion
In der Herbstsession 2020 hat Nationalrätin Katharina Prelicz (Grüne, ZH) eine Motion mit dem Titel «Lücken bei der Vorleistungspflicht der Kostenträger schliessen» (20.4044) eingereicht. Der Bundesrat soll sicherstellen, dass nach Vorliegen einer ärztlichen Indikation mit der Therapie begonnen werden kann, auch wenn noch keine Einigung über den Kostenträger vorliegt. Die Regierung hatte in der Antwort auf einen früheren Vorstoss von SR Maya Graf (Grüne BL) behauptet, dass das Problem gelöst sei. Katharina Prelicz zeigt anhand von konkreten Beispielen, dass das Problem nach wie vor besteht.
Erfreulicherweise haben 43 Mitglieder des Nationalrats die Motion mitunterzeichnet, so dass die Forderung parteipolitisch breit abgestützt ist.
Ein Rückblick
Die „Parlamentarische Gruppe Kinder- und Jugendmedizin“ wurde im September 2018 als Plattform für gesundheitspolitische Themen der Kinder- und Jugendmedizin gegründet. Sie setzt sich zusammen aus PolitikerInnen und ExpertInnen der Kinder- und Jugendmedizin, welche sich regelmässig austauschen und die Anliegen der Kinder- und Jugendmedizin ins Parlament bringen. Das aktuelle Co-Präsidium haben Ständerätin Marina Carobbio Guscetti (SP T), Ständerätin Maya Graf (Grüne BL), Ständerat Damian Müller (FDP LU), Nationalrätin Verena Herzog (SVP TG), Nationalrätin Tiana Moser (GLP ZH) und Nationalrat Benjamin Roduit (CVP VS) übernommen. Mittlerweile zählt die Gruppe 40 nationale Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller Parteien.
Für den fachlichen Austausch und zur Koordination der Inhalte wurde im November 2018 die «Expertengruppe Kinder- und Jugendmedizin» gegründet, welche die Inhalte und Themen für die Parlamentarische Gruppe aufbereitet. Die Expertengruppe setzt sich aus Vertretungen der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie SGP (pädiatrie schweiz), der Schweizerischen Gesellschaft für Kinderchirurgie SGKC, der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie SGKJPP, der Kinderzahnmedizin, der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie SKJP, AllKidS sowie der Allianz Pädiatrische Pflege Schweiz zusammen.
Als erste Grundlage wurden im Positionspapier «Für eine qualitativ hochstehende Kinder- und Jugendmedizin in der Schweiz» die sieben wichtigsten politischen Forderungen der Kinder- und Jugendmedizin zusammengefasst:
- Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen benötigt mehr Zeit
- Unterversorgung ist zu vermeiden, Folgekosten sind zu verhindern
- Die Vernetzung mit dem Lebensumfeld des Kindes ist zu gewährleisten
- Passende kinderspezifische Infrastrukturen sind bereitzustellen
- Notwendige Diagnostik und Therapien sind über die verschiedenen Kostenträger hinweg sicherzustellen
- Arzneimittel und Impfungen für Kinder und Jugendliche müssen in kindsgerechten Formen verfügbar sein
- Rahmenbedingungen des Berufsfeldes sind zu fördern
Jede Forderung wird kurz einleitend erläutert und mit einem Beispiel aus dem klinischen Umfeld erklärt. Die Kernforderungen wurden im September 2019 den nationalen Ratsmitgliedern an einem ParlamentarierInnentreffen vorgestellt. Bereits eine Woche später wurden die ersten Motionen und Interpellationen im nationalen Parlament eingereicht.
Zurück in die Gegenwart
Die Annahme der erwähnten Motionen erfreut uns sehr. Die hohe, parteiübergreifende Zustimmung erfüllt uns auch mit Stolz. Endlich erhalten wir vom Parlament Anerkennung und Wertschätzung, endlich anerkennen die Kammern die Besonderheit der Kinder- und Jugendmedizin.
Dennoch wissen wir, dass dies erst der erste Schritt war. Es ist noch ein weiter Weg bis zur Umsetzung der Motionen. Erfreulich ist, dass der Gesundheitsminister Alain Berset vor dem Corona Lock-Down zugestimmt hat, eine Delegation der Kinder- und Jugendmedizin zu treffen. Nach dem Erfolg im Parlament können wir mit dem EDI-Chef besprechen, wie wir uns die Umsetzung der Motionen vorstellen.
Anna-Barbara Schlüer, Co-Vorsitzende Allianz Pädiatrische Pflege Schweiz und Mitglied der Expertengruppe
Für pädiatrie schweiz überarbeitet durch Claudia Baeriswyl, Generalsekretärin pädiatrie schweiz
Ein Auszug aus dem Text erscheint als Newsletter der Schweizerischen Gesellschaft für die Gesundheit Adoleszenter SGGA.