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Bericht Delegiertenpool

Jahresberichte

Claudia Baeriswyl, Generalsekretärin

Im Delegiertenpool treffen sich die Vertreter:innen der regionalen Praxispädiatriegruppen und der Subspezialitäten mit dem Vorstand von pädiatrie schweiz. Der Delegiertenpool ist ein wichtiger Impulsgeber für den Vorstand und fördert die direkte Kommunikation zwischen den einzelnen Gruppierungen.

Am 10. März 2022 haben sich die Delegierten zur Frühjahrssitzung in Freiburg getroffen. Auf der Traktandenliste stand neben aktuellen Covid-Themen der Umgang mit Fieber bzw. die Fieber-App.

1. Long Covid bei Kindern:

Long- resp. Post-Covid ist – nicht nur – bei einigen Elternvereinigungen immer noch ein wichtiges Thema und wird teilweise kontrovers diskutiert. Deshalb hat sich der Vorstand entschieden, Frau Dr. med. Petra Zimmermann, leitende Ärztin pädiatrische Infektiologie, Freiburger Spital HFR und Herrn Dr. med. Andreas Jung, leitender Arzt pädiatrische Pneumologie, Kantonsspital Winterthur einzuladen.

Einführung über Epidemiologie, mögliche Ursachen, Stand der Forschung
Auf diese drei Punkte geht Petra Zimmerman in ihrem interessanten Referat ein. Bis heute gibt es keine klare Definition für Post-Covid. Auch über die Dauer der Symptome gibt es keine Einigung; in der Regel spricht man von Post-Covid, wenn die Symptome länger als 12 Wochen dauern. Über 200 Symptome wurden Post-Covid zugeschrieben, viele davon sind unspezifisch und in der Allgemeinbevölkerung weit verbreitet, wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Appetitlosigkeit, Muskel- und/oder Gelenkschmerzen. Dies macht eine klare Diagnose schwierig.

Laut Petra Zimmermann weisen zudem fast alle Studien erhebliche Einschränkungen auf; wie das Fehlen einer klaren Falldefinition, unterschiedliche Nachbeobachtungszeiten, das Einbeziehen von Kindern ohne bestätigte Covid-Infektion, die Selbstdiagnose der Symptome ohne klinische Bewertung sowie das Fehlen einer Vergleichsgruppe. Auch der Frage, wieso Kinder mildere Verläufe haben und sich generell schneller regenerieren, wurde selten nachgegangen. Wichtige Fragen der Zukunft werden die tatsächliche Inzidenz von Post-Covid, Risikofaktoren, vorbestehenden Erkrankungen und der Impfschutz sein.

Information über den Behandlungsalltag, wirksame Therapien, Probleme
Andreas Jung informiert über die Post-Covid Sprechstunden der Kinderspitäler Winterthur, Zürich und Luzern, welche in Zusammenarbeit mit der Hochgebirgsklinik in Davos geschaffen worden sind.

Trotz einer fast 100% Durchseuchung der Kinder blieben die Zuweisungen tief. Der Höchststand wurde im Juli 2021 mit 6 Kindern erreicht. Insgesamt waren es 27 Zuweisungen während fast einem Jahr, wobei die meisten Patienten zwischen 12 und 14 Jahre alt sind. Bei 9 Patienten konnte im Ausschlussverfahren von einem Post-Covid ausgegangen werden. Post-Covid äussert sich somit äusserst selten, d.h. weit unter 1 % der Erkrankungen. Ein Richtungswechsel hin zu psychosomatischen Symptomen zeichnet sich ab. Post-Covid Sprechstunden sind zeitaufwändig, da die Symptome meistens diffus sind. Sinnvoll wären gesamtschweizerische überregionale Zentren, um die Erfahrungen zu teilen. Dabei stellt sich jedoch die Frage, wie relevant Post-Covid in Zukunft sein wird. Wird es Post-Covid überhaupt weiterhin geben? Ein schweizweites Konzept muss also kritisch evaluiert werden.

2. Hygieneregeln in der Praxis nach Covid-19:

Der Präsident Philipp Jenny lanciert die Diskussion über die Hygienemassnahmen in der Praxis nach der Pandemie. Sollen Händedesinfektionsmittel beim Eingang beibehalten werden, die Holzspielsachen im Keller bleiben und was ist mit den Bilderbüchern? Wie weiter mit Masken, Schutzkleidern und Lüften? Mach es allenfalls Sinn, die Hygienemassnahmen je nach Saison anzupassen?

Es entspannt sich eine rege Diskussion mit Argumenten pro und contra. Klar zum Ausdruck kommt, dass Kosten und Nutzen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen. Es stellt sich auch die Frage, inwiefern die Fachgesellschaft für das Ausarbeiten solcher Empfehlungen zuständig ist oder ob dies nicht in die Kompetenz der Kantone fällt. Letztendlich sind Praxispädiater:innen ihre eigenen Unternehmer und entscheiden für Ihren Betrieb. Am Ende der angeregten Diskussion führt Philipp Jenny eine Konsultativabstimmung durch. Die Delegierten entscheiden sich mit einer Gegenstimme gegen Empfehlungen von pädiatrie schweiz und Kinderärzte Schweiz.

3. Umgang mit Fieber: Update seit 2018, Projekt Fieber App

Herr Dr. med. Tido von Schoen-Angerer von der Schweizerischen Interessengruppe integrative Pädiatrie hat bereits 2018 im Delegiertenpool über den Umgang mit Fieber referiert und präsentiert nun die Fieber App. Ziel der App ist es, den Eltern die Angst, den Stress und die Unsicherheit bei der Betreuung eines fiebrigen Kindes zu nehmen. Mit der Fieber App soll die elterliche Kompetenz und das Selbstvertrauen bei der Pflege fiebriger Kinder gestärkt werden.

Der derzeitige routinemäßige Einsatz von fiebersenkenden Mitteln entspricht nicht den aktuellen Erkenntnissen und kann eine Fieberphobie begünstigen. Gründe für die Unsicherheit sind oftmals Angst vor schweren Krankheiten; Fieber wird als Krankheit und nicht als Symptom fehlinterpretiert; falsche Vorstellungen über schädliche Auswirkungen von Fieber, Gefühl der Angst und Ohnmacht und die Herausforderung, den Alltag zu reorganisieren wie Kinderbetreuung und/oder Abwesenheit am Arbeitsplatz. Dabei geht der Nutzen von Fieber heutzutage immer mehr vergessen.

Als nächster Schritt wird die Fieber App, mittels einer Medienkampagne (Schwerpunkt soziale Medien) bei Eltern bekannt gemacht. Dies in Zusammenarbeit mit der Fondation Morgane Wild. Die App wird zuerst in der Romandie, in einer zweiten Phase im Tessin und zuletzt in der Deutschweiz getestet und eingeführt.