Seit Januar 2011 wird im Rahmen des Neugeborenen-Screenings (NGS) in der Schweiz auch auf Cystische Fribrose (CF) getestet. Mit dieser Studie soll das erste Jahr (2011) der Implementierung des CF-NGS evaluiert werden. Das CF-NGS besteht aus einem zweistufigen Testverfahren (Immunreaktives Trypsinogen/DNA-Screening) aus dem Fersenblut («Guthrie-Test») aller Neugeborenen am 4. Lebenstag. Alle positiv gescreenten Kinder werden an ein CF-Zentrum zur diagnostischen Abklärung (Schweisstest und Genetik) überwiesen. Den Eltern wurde nach der Untersuchung im CF-Zentrum ein Fragebogen abgegeben. Alle Resultate zum Screening und dem Elternfragebogen wurden zentral erfasst und ausgewertet. Aus 83’198 gescreenten Neugeborenen im Jahr 2011 wurden 84 positiv getestet und an ein CF-Zentrum überwiesen (0.1%). Von diesen wurde bei 27 Kindern eine klassische CF diagnostiziert (Positiver Prädiktiver Wert = 32.1%) und bei 3 eine fragliche oder atypische CF mit unklarem Verlauf. Dazu kam ein Kind mit CF und Mekoniumileus, dessen IRT normal war. Die 31 Diagnosen ergeben eine Inzidenz von 1:2683. Die Zeit von Geburt bis zur genetisch gesicherten Diagnose betrug 34 (Spannweite = 13-135) Tage. In der Elternbefragung waren 91% zufrieden, dass das Screening bei ihrem Kind durchgeführt wurde. Alle diagnostizierten Kinder wurden professionell in einem CF-Zentrum weiterbetreut.
24
Zusammenfassung
Seit Januar 2011 wird im Rahmen des Neuge-
borenen-Screenings (NGS) in der Schweiz
auch auf Cystische Fribrose (CF) getestet. Mit
dieser Studie soll das erste Jahr (2011) der Im –
plementierung des CF- NGS evaluiert werden.
Das CF- NGS besteht aus einem zweistufigen
Testverfahren (Immunreaktives Trypsino –
gen/DNA-Screening) aus dem Fersenblut
(«Guthrie-Test») aller Neugeborenen am 4.
Lebenstag. Alle positiv gescreenten Kinder
werden an ein CF-Zentrum zur diagnosti –
schen Abklärung (Schweisstest und Genetik)
überwiesen. Den Eltern wurde nach der
Untersuchung im CF-Zentrum ein Fragebo –
gen abgegeben. Alle Resultate zum Scree –
ning und dem Elternfragebogen wurden
zentral erfasst und ausgewertet.
Aus 83’198 gescreenten Neugeborenen im
Jahr 2011 wurden 84 positiv getestet und an
ein CF-Zentrum überwiesen (0.1%). Von die –
sen wurde bei 27 Kindern eine klassische CF
diagnostiziert (Positiver Prädiktiver Wert =
32.1%) und bei 3 eine fragliche oder atypische CF mit unklarem Verlauf. Dazu kam ein Kind
mit CF und Mekoniumileus, dessen IRT nor
–
mal war. Die 31 Diagnosen ergeben eine Inzi –
denz von 1:2683. Die Zeit von Geburt bis zur
genetisch gesicherten Diagnose betrug 34
(Spannweite = 13-135) Tage. In der Elternbe –
fragung waren 91% zufrieden, dass das Scree –
ning bei ihrem Kind durchgeführt wurde. Alle
diagnostizierten Kinder wurden professionell
in einem CF-Zentrum weiterbetreut. Zusammenfassed kann man sagen, dass
sich das vorgeschlagene Prozedere für das
CF- NGS bewährt hat und ohne grössere
Probleme implementiert werden konnte. Die
Akzeptanz war sowohl bei den Klinikern als
auch bei den Eltern sehr gut.
Einleitung
Das Pilotprojekt «Neugeborenenscreening
für Cystische Fibrose in der Schweiz» (CF-
NGS), wurde am 1. November 2010 vom
Bundesamt für Gesundheit (BAG) für 2
Jahre bewilligt und am 1. Januar 2011 ge
–
startet
1). Das zweijährige Pilotprojekt soll
verschiedenste Fragen zur Durchführbar –
keit, Effizienz und Akzeptanz des geplanten
CF-NGS beantworten
2), nachdem in einer
retrospektiven Studie gezeigt werden
konnte, dass das vorgeschlagene 2-stufige
Neugeborenen-Screening auf Cystische
Fibrose – Evaluation nach einem Jahr
Corina S. Ruegg 1, Claudia E. Kuehni 2, Sabina Gallati 3, Matthias Baumgartner 4, Toni
Torresani 5, Jürg Barben 6, für die Schweizer CF Neugeborenen-Screening Gruppe*
1 Projektleitung Evaluation CF-Screening, Institut für
Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern
2 Leiterin Abteilung internationale Gesundheit und
Umwelt, Institut für Sozial- und Präventivmedizin,
Universität Bern
3 Leiterin Abteilung für Genetik, Universitäts-Kinder –
klinik Bern
4 Leiter Abteilung für Stoffwechselkrankheiten und
Medizinischer Leiter Neugeborenen-Screening
Schweiz, Universitäts-Kinderkliniken, Zürich
5 Leiter Neugeborenen-Screening-Labor, Universi –
täts-Kinderkliniken, Zürich
6 Leiter Task Force Neugeborenen-Screening für Cys –
tische Fibrose, Präsident Swiss Working Group for
Cystic Fibrosis (SWGCF), Leitender Arzt Pneumolo –
gie/Allergologie, Ostschweizer Kinderspital St.Gallen
* Prof. Dr. Constance Barazzone (Genf ), PD Dr. Jürg
Barben (St. Gallen, Präsident), Prof. Dr. Mathias Baum –
gar tner (Zürich), Dr. Carmen Casaulta (Bern), Dr. Peter
Eng (Aarau), Ralph Fingerhut (Zürich), Prof. Dr. Sabina
Gallati (Bern), Dr. Gaudenz Hafen (Lausanne), Prof. Dr.
Jürg Hammer (Basel), Prof. Dr. Claudia Kuehni (Bern),
PD Dr. Alex Möller (Zürich), Dr. Anne Mornand (Genf ),
Dr. Dominik Müller (Aarau), Prof. Dr. Nicolas Regamey
(Bern), Dr. Isabelle Rochat (Lausanne), Corina Rüegg
(Bern), Dr. Barbara Schiller (St. Gallen), Prof. Dr. Mar tin
Schöni (Bern), Dr. Renate Spinas (Zürich), Dr. Johannes
Spalinger (Luzern), Dr. Toni Torresani (Zürich), PD Dr.
Daniel Trachsel (Basel), Dr. Maura Zanolari (Lugano)
Guthrietest
Abbildung 1: Algorithmus des CF-NGS seit 1. Januar 2012
–
–
–
auf
Diagnostik(CF Zentren)
Screening(NGS Labor Zürich)
Vol. 24 Nr. 3 2013
Fortbildung
25
Verfahren 98% der klinisch diagnostizierten
Kinder in den Jahren 2006–2009 erfasst
hätte
3). In der 2-jährigen Pilotphase soll
insbesondere evaluiert werden, ob das
Screening-Prozedere mehr als 95% der
Kinder mit CF entdeckt, das bisher beste –
hende NGS für andere Krankheiten nicht
gefährdet und die Bevölkerung nicht verun –
sichert wird. Dabei sollte auch der cut- off für
das IRT optimal eingestellt werden, um die
«recall rate» (weiterführende Massnahme
wie 2. Fersenbluttest oder Schweisstest)
möglichst tief zu halten ohne dabei erkrank –
te Kinder zu verpassen. Zur Evaluation wur-
de eine eigene Datenbank am Institut für
Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) Bern
erstellt, womit auch der Informationsfluss
zwischen den verschiedenen Partnerinstitu –
tionen (NGS Labor Zürich, CF-Zentren, Ge –
netik-Labor Bern, zentrale Datenbank ISPM
Bern) evaluiert werden kann, um den zeitli –
chen Verlauf des Screenings zu optimieren.
Im Folgenden werden die Ergebnisse des
ersten Jahres der Pilotphase zusammenge –
fasst.
4)
Anpassung des IRT Cut-offs
Im Anwendungskonzept wurde als cut-off
für die IRT-Messung die 99. Perzentile ge –
wählt, was gemäss Literatur 60 ng/ml
entsprach
1). In der Labor-Testphase im De –
zember 2010 zeigte sich, dass dieser Wert
für die IRT-Messungen in der Schweiz zu
hoch war: Der entsprechende Wert für die
99. Perzentile betrug lediglich 45 ng/ml.
Aus diesem Grunde wurde bereits am 1.
Januar 2011 mit dem erniedrigten IRT-
Grenzwert von 45 ng/ml begonnen. Nach
einer Zwischenauswertung nach vier Mo –
naten hatte keines der Kinder, welche
später eine CF diagnostiziert bekamen, ein
IRT < 50 ng/ml, sodass der cut-off des IRT
auf 50 ng/ml erhöht wurde. Ausserdem
wurde bei allen Kindern, die ein erhöhtes
IRT zwischen 50 und 60 ng/ml hatten und
bei denen keine CF-Genmutation gefunden
wurde, kein zweiter Fersenbluttest mehr
verlangt ( A b b . 1). Als Folge davon reduzier-
ten sich die zweiten Fersenbluttests in den
Monaten 5–12 um 52%: In den ersten vier
Monaten wurden bei 226/26 535 Kindern
(0.85%) ein zweiter Fersenbluttest zur er -
neuten IRT-Bestimmung verlangt; in den weiteren acht Monaten war dies lediglich
noch bei 230/56
663 Kindern (0.41%) der
Fall.
Anzahl Fersenbluttests
und Verweigerer
Im Jahr 2011 wurde bei 83 198 Kindern ein
IRT im Fersenblut bestimmt (Abb. 2) und es
wurden dem Screening-Labor nur vereinzel -
te Testverweigerer gemeldet, wobei letzte -
res im Rahmen der Vorjahre liegt. Im 2011
hat keiner der Verweigerer das neu einge -
führte CF-Screening als Grund angegeben,
sondern es wurden nur prinzipielle Erwä -
gungen zur Verweigerung des Neugebore -
nen-Screening genannt.
Überweisungen ins CF-Zentrum
und bestätigte CF-Diagnosen
Insgesamt hatten 647 Kinder (0.80%) ein er-
höhtes IRT und ein DNA-Screening wurde
durchgeführt (Abb. 2). Bei 65 Kindern wurden
eine oder zwei CF-Genmutationen gefunden.
Bei 456 Kindern wurde die IRT-Messung mit
einer zweiten Fersenblutentnahme wiederholt
(0.55%), davon hatten 19 einen erneut erhöh-
Schweisstest beim Säugling
Abbildung 2: Resultate des CF-Neugeborenen-Screening im Jahre 2011
83’198 Guthrie-Karten
1. IRT Messung
2. IRT Messung 437 (95.8%) negativ
456 ohne CF-Genmutation
54 ohne CF-Diagnose
84 Überweisungen an ein CF-Zentrum
(refe rral
rate
=
13.0%)
DNA Screening
65 mit 1 oder 2
CF-Genmutationen
19 (4.2%) positiv
31 Kinder mit CF plus ein Kind, klinisch diagnostiziert
infolge Mekoniumileus
647 (0.78%) positiv 126 ohne CF- Genmutation
und initiales IRT < 60ng/ml
82’551 (99.22%) negativ
27 mit klassischer CF (PPV = 32.1 %)
3 mit atypischer CF
-
- -
83’198 Guthrie-Karten
1. IRT Messung
2. IRT Messung 437 (95.8%) negativ
456 ohne CF-Genmutation
54 ohne CF-Diagnose
84 Überweisungen an ein CF-Zentrum
(refe rral
rate
=
13.0%)
DNA Screening
65 mit 1 oder 2
CF-Genmutationen
19 (4.2%) positiv
31 Kinder mit CF plus ein Kind, klinisch diagnostiziert
infolge Mekoniumileus
647 (0.78%) positiv 126 ohne CF- Genmutation
und initiales IRT < 60ng/ml
82’551 (99.22%) negativ
83’198 Guthrie-Karten
1. IRT Messung
2. IRT Messung 437 (95.8%) negativ
456 ohne CF-Genmutation
54 ohne CF-Diagnose
84 Überweisungen an ein CF-Zentrum
(refe rral
rate
=
13.0%)
DNA Screening
65 mit 1 oder 2
CF-Genmutationen
19 (4.2%) positiv
31 Kinder mit CF plus ein Kind, klinisch diagnostiziert
infolge Mekoniumileus
647 (0.78%) positiv 126 ohne CF- Genmutation
und initiales IRT < 60ng/ml
82’551 (99.22%) negativ
83’198 Guthrie-Karten
1. IRT Messung
2. IRT Messung 437 (95.8%) negativ
456 ohne CF-Genmutation
54 ohne CF-Diagnose
84 Überweisungen an ein CF-Zentrum
(refe rral
rate
=
13.0%)
DNA Screening
65 mit 1 oder 2
CF-Genmutationen
19 (4.2%) positiv
31 Kinder mit CF plus ein Kind, klinisch diagnostiziert
infolge Mekoniumileus
647 (0.78%) positiv 126 ohne CF- Genmutation
und initiales IRT < 60ng/ml
82’551 (99.22%) negativ
Vol. 24 Nr. 3 2013
Fortbildung
26
ten IRT-Wert. Insgesamt hatten im letzten Jahr
84 Kinder (65 + 19) ein positives Screening-
Resultat und wurden an ein CF-Zentrum
überwiesen (referral rate 13.0%). Bei 27 Kin-
dern konnte die Diagnose einer CF bestätigt
werden (PPV 32.1%), 3 Kinder hatten eine
atypische CF mit grenzwertigem Schweiss -
tests. Alle 30 Kinder wurden weiter in einem
der CF-Zentren betreut.
Mekoniumileus Problematik –
potenziell falschnegative
Screening-Resultate
Bei insgesamt 8 Kindern wurde bereits vor
der IRT-Bestimmung im Guthrie-Test die
klinische Diagnose eines Mekoniumileus
(MI) gestellt und gezielt nach einer CF hin
untersucht. In der weiteren Abklärung
konnte bei sieben dieser Kinder eine CF
diagnostiziert werden. Sechs von diesen
sieben Kindern wären im Screening positiv
(IRT > 50 ng/ml) getestet worden, eines
wäre jedoch im normalen Screening-Pro –
zedere verpasst worden. Im Jahr 2011
wurden sonst keine zusätzlichen Kinder
mit einer CF klinisch diagnostiziert, die im
Verlauf des Jahres geboren wurden. Damit
beträgt die Rate der möglichen falsch ne –
gativen Resultate im IRT-Test für das Jahr
2011 3.2% (1/31). Dieses Resultat muss
jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da eine CF ausserhalb eines Screening-
Programmes je nach dem erst nach einigen
Jahren dia
gnostiziert werden kann. Es ist
bekannt, dass Kinder mit CF und MI einen
normalen IRT-Wert aufweisen können. Aus
diesem Grunde wurde das Screening-Pro –
tokoll für das Jahr 2012 weiter angepasst:
In Zukunft wird bei allen Kindern mit be –
kanntem (und auch gemeldetem) MI im
CF-Screening gleichzeitig mit der IRT-Be –
stimmung direkt auch die genetische Ana –
lyse gemacht und das Resultat dem zustän –
digen CF-Zentrum gemeldet ( A b b . 1) . Inzidenz
Die Inzidenz im ersten Screening-Jahr be –
trug 1 : 2683 Kinder für alle CF-Diagnosen.
Bisher wurde die Inzidenz in der Schweiz
auf 1 : 2500 geschätzt, wobei die Inzidenz
in Frankreich 1 : 4150 und in Österreich 1 :
3500 beträgt
5). Wenn man die 3 Kinder mit
einer atypischen CF (sogenannte equivocal
CF) ausschliesst kommt man auf eine Inzi –
denz von 1 : 2971 Kindern.
Schweisstest-Resultate
Von den 84 an die CF-Zentren überwiese –
nen Kindern wurde bei 80 ein Schweisstest
versucht (Makroduct oder Nanoduct). Bei 4
Kindern konnte aufgrund von schweren
Abbildung 3: Mündliche und schriftliche Informationen zum CF-NGS im
Verlauf des Screenings.
Mutation NBemerkung
F508del 4214 mal homozygot
1717-1G > A 1
R347H 1atypische CF mit F508del
R347P 1
218 3 A A > G 1
6 21 +1 G > T 1
711 + 5 G > A 1
3849+10kbC >T 1
3659delC 1
R 11 7 H _ T 7 1atypische CF mit 4006-46del5
4006-46del5 1atypische CF mit R117H_T7
T5 1atypische CF mit T1086A
T1086A 1atypische CF mit T5
Q39X 1
2347delG 1
2307insA 1
G486E 1
neu entdeckte Mutation
Q525X1
420del9 1
2143delT 2Zwillinge
Ta b e l l e 1: Genetische Mutationen auf 62 Chromosomen der 31 dia –
gnostizierten CF-Kinder.
Farbcode: = 7 häufigste CF-Mutationen in der Schweiz = erweiterte
Diagnostik auf 32 Mutationen
= Totalscreening = atypische (equi –
v o c a l ) C F.
Broschüre vor Geburt erhalten
Mündliche Info vor Geburt erhalten Broschüre nach Geburt erhalten
Mündliche Info nach Geburt erhalten
Broschüre war zufriedenstellend
Mündliche Info war zufriedenstellend
Info am Telefon war zufriedenstellend
Info im CF-Zentrum war zufriedenstellend
Keine Antwort/Info erhalten NeinJa
Erkrankungen kein Schweisstest durchge –
führt werden und es wurde direkt eine ge –
netische Untersuchung im Blut gemacht. In
66 der 80 Fälle (79%) ergab einer der zwei
versuchten Schweisstests im ersten Anlauf
ein valides Resultat, was einer Fehlerrate
von 17.5% (14/80) entspricht.
Wegen der hohen Fehlerrate beim
Schweisstest wird seit April 2011 nach dem
ersten Schweisstestversuch schneller eine
genetische Bestätigungs-Analyse eingelei –
tet: Wenn der erste Schweisstest positiv,
borderline oder nicht auswertbar ist, wird
sofort das Blut auf die 32 häufigsten CF-
Genmutationen untersucht und es werden
keine weiteren Schweisstestversuche ab –
gewartet, bis ein eindeutiges Resultat vor –
handen ist. Dies soll lange Wartezeiten und
Unsicherheiten bis zur Diagnose für betrof –
fene Familien reduzieren, beinhaltet aber
das Risiko, auch Kinder mit atypischer CF
früh zu erfassen. Die Evaluation nach 2
Jahren wird zeigen, ob man zu viele atypi –
sche CF erfasst und das Prozedere weiter
angepasst werden muss.
Genetische Analyse
Von den 31 Kindern mit CF hatten 3 eine
atypische CF (sogenannte equivocal CF),
bei welcher die Diagnose nur genetisch
Vol. 24 Nr. 3 2013
Fortbildung
27
gestellt wurde und der Schweisstest nor-
mal oder borderline war. Von den 31 positiv
getesteten Kindern hatten 28 eine oder
zwei der häufigsten 7 CF-Genmutationen,
nach denen im DNA-Screening im NGS-
Labor gesucht wird. In der erweiterten
Diagnostik (32 CF-Genutationen) wurden
weitere 8 Mutationen erfasst und im Total –
screening konnten weitere 11 Mutationen
detektiert werden ( Ta b . 1) .
Zeitlicher Verlauf
Vor der Einführung des CF-NGS betrug die
durchschnittliche Zeit von Geburt bis zur
Diagnose 198 Tage (range 13–1307). Die –
se Zeitspanne wurde aus den zwischen
2000–2010 im Genetik Labor der Univer –
sität Bern gestellten CF-Diagnosen be –
rechnet bei Kindern, die < 4 Jahre alt
waren bei der Diagnose (n = 113). Diese
Zeit -spanne konnte seit der Einführung
des CF-NGS signifikant auf durchschnitt -
liche 34 Tage (range 13-135, p < 0.001)
reduziert werden. Das Screening-Resultat
im NGS- Labor war durchschnittlich am
20. Lebenstag bekannt und wurde an die
CF-Zentren gemeldet. Nach weiteren 4
Tagen wurden die Eltern vom CF-Zentrum
aus kontaktiert und informiert. Vom Tele -
fonat an die Eltern bis zum Besuch im
CF-Zentrum vergingen dann im Durch -
schnitt 2 Tage. Um die mit Angst verbunde -
ne Warte periode der Eltern möglichst kurz
zu halten, wurde bewusst mit dem Telefon
an die Eltern gewartet bis zu einem Da -
Parameter ErfolgEvalution nach einem Jahr
Er fassung der Kinder mit CF durch NGS im Vergleich zur Anzahl der
klinisch diagnostizierten Kinder vor 2011 ≥ 15 pro Jahr
30 (+ 1 Kind er fasst mittels klinischer
Diagnose eines Mekoniumileus)
Er fasste Kinder mit CF werden in einem CF-Zentrum weiter betreut > 90%10 0 % (31/31)
Gemeldete Anzahl Verweigerer des Guthrietests Nicht signifkant erhöht gegenüber
den VorjahrenNicht erhöht (5 im Jahr 2011 versus
6,4 im langjährigen Durchschnitt)
Recall rate (Anteil Kinder, bei denen eine weiter führende Massnahme
eingeleitet wird) vermutet < 1%
0.63% ((65+456)/83198)
Positive predictive value (PPV) der klassischen CF > 20%32.1% (27/84)
Anzahl falsch negative Resultate < 5% aller CF-Diagnosen3 . 2 % (1/31)
Durchschnittliche Zeit bis zur genetisch gesicherten Diagnose Bisher: 198 Tage (13-1307),
Ziel: < 60 Tage 3 4 Ta g e (13 –135)
Zufriedenheit mit dem Screening der Eltern der Kinder mit CF > 80% der Eltern finden das jetzige
Screening gut 10 0 % (18/18)
Zufriedenheit mit dem Screening der Eltern der Kinder mit falsch
positivem Screening > 70% der Eltern finden das jetzige
Screening gut8 6 % (25/2 9)
Ta b e l l e 2: Definierte Erfolgsparameter und Evaluation nach einem Jahr
tum, an welchem auch gleich ein Untersu –
chungstermin innerhalb der nächsten ein
bis zwei Tagen angeboten werden konnte.
Das heisst, die Telefonanrufe erfolgten
zum Beispiel nicht vor dem Wochenende.
Dies erklärt die verhältnismässig längere
Zeitspanne von der Meldung des positiven
Screening-Resultats bis zum Telefon an
die Eltern (4 Tage) im Vergleich zur ganz
kurzen Zeitpanne vom Telefon an die El –
tern bis zum Schweisstest im CF-Zentrum
(2 Tage). Nach dem Besuch im CF-Zentrum
mussten die Familien im Durchschnitt 14
Tage warten, bis die Diagnose genetisch
gesichert war.
Genetische Beratung
Im Februar 2012 wurden alle 10 in der
Schweiz zertifizierten genetischen Bera –
tungsstellen angeschrieben, deren Adres –
sen den betroffenen Eltern auf einer Liste
abgegeben wurden. Von diesen 10 Stellen
haben 7 geantwortet, davon haben 6
angegeben, im Jahr 2011 Beratungen
betreffend CF durchgeführt zu haben.
Im Durchschnitt wurden 10 Beratungen
durch geführt. Drei der sieben Stellen
gaben an, im Jahr 2011 Beratungen für
Eltern durchgeführt zu haben, deren Kin –
der im CF-NGS positiv getestet wurden.
Im Durchschnitt wurde eine solche Bera –
tung durchgeführt. Für keine der Bera –
tungsstellen bedeutete die Einführung
des CF-NGS in der Schweiz einen Mehr-
aufwand.
Elternzufriedenheit
Insgesamt wurden im letzten Jahr 81 Frage –
bogen zum CF-NGS an die Eltern von betrof –
fenen Kindern verteilt; bei drei Familien war
dies wegen komplexen familiären Verhältnis –
sen nicht möglich. Von den 81 Familien ha –
ben 47 (58 %) den Fragebogen zurückge –
schickt. Das Antwortverhalten unterschied
sich nicht signifikant bezüglich CF-Diagnose
(response rate 64% versus 56%, p = 0.460).
Vor der Geburt wurden gemäss den Eltern
nur wenige Informationen über das CF-
Screening abgegeben (Abb. 3). Die Broschüre
zum Neugeborenen-Screening haben offen-
bar nur rund 60% der Familien erhalten (30
von 47 vor oder nach der Geburt). Gemäss
Angaben vom NGS-Labor Zürich haben bis
auf drei alle Geburtsspitäler der Schweiz (n >
200) die Broschüre zum NGS bestellt.
Eine mündliche Information zum Neugebo –
renen-Screening vor oder nach der Geburt
haben 39 von 47 Familien erhalten. Insge –
samt waren 68% mit dieser Information
zufrieden. Die Zufriedenheit mit den erhal –
tenen Informationen nahm mit jedem
Screening-Schritt zu. Mit den telefonisch
erhaltenen Informationen beim Aufgebot
zum Screening durch den verantwortlichen
Arzt des CF-Zentrums waren fast 80%
(n = 37) zufrieden. Fast 90% (n = 42) waren
zufrieden mit der Information, die sie wäh –
rend dem Besuch im CF-Zentrum selbst
erhalten hatten (Abb. 3) .
Vol. 24 Nr. 3 2013
Fortbildung
28
Nach dem Anruf vom CF-Zentrum fühlten
sich 76% (n = 35) der Familien beunruhigt,
traurig oder ängstlich, gegenüber 24%
(n = 11) die zuversichtlich und gefasst waren.
Nach dem Besuch im CF-Zentrum fühlten
sich nur noch 34% (n = 16) der Familien be –
unruhigt oder ängstlich, gegenüber 66%
(n = 31) die zuversichtlich und erleichtert
waren. Dieses Gefühl unterschied sich für
Familien mit Kindern mit oder ohne Diagno –
se einer CF (p = 0.002). Zwei Drittel (11/18)
der Familien mit einer CF fühlten sich
schlecht gegenüber 17% (5/29) der Familien
ohne CF-Diagnose. Insgesamt wird hier aber
ersichtlich, dass viele Familien nach dem
Besuch im CF-Zentrum wieder beruhigt
werden konnten. Deshalb ist es sehr wichtig,
die Zeitspanne zwischen dem Anruf vom
CF-Zentrum für ein Aufgebot und dem Be –
such im Zentrum möglichst kurz zu halten.
Insgesamt waren 91% (n = 43) der Familien
froh, dass das Screening bei ihrem Kind
durchgeführt wurde. Diese Antwort unter –
schied sich ebenfalls nicht signifikant
bezüglich Diagnose einer CF oder nicht
(p = 0.257). Alle Eltern (100%, n = 18) bei
deren Kind eine CF bestätigt wurde, waren
zufrieden, dass das Screening durchgeführt
wurde. Bei Familien, deren Kind schlussen –
dlich keine CF hatte waren 86% (n = 25)
zufrieden damit, dass das Screening durch –
geführt wurde. Zusammengefasst waren
die Rückmeldungen der Eltern sehr positiv,
unabhängig davon, ob ein Kind mit einer CF
diagnostiziert wurde oder nicht. Erste Beurteilung nach einem
Jahr durchwegs positiv
Das Projekt ist gut angelaufen und kleinere
Stolpersteine konnten bereits in den ersten
Monaten beseitigt werden. Nach einer
kurzen Anlaufphase haben sich die Abläufe
gut eingespielt. Alle Erfolgsparameter
konnten bereits im ersten Jahr erfüllt wer –
den ( Ta b. 2) . Die Akzeptanz des Screenings
bei den Eltern ist gut: Praktisch alle Eltern,
die wegen eines falsch positiven Resultates
zu einem Schweisstest ins Spital eingela –
den wurden, fanden es dennoch gut, dass
das Screening bei ihrem Kind durchgeführt
wurde. Die Elternbefragung bestätigt die
Beobachtung aus Frankreich, dass ein CF-
NGS zwar zu falsch positiven Screening-
Resultaten führen kann, aber die dadurch
ausgelöste Angst bei den Eltern nach dem
normalen Schweisstest schnell verschwin –
det
6). Alle Kinder mit CF konnten professio –
nell in einem der acht pädiatrischen CF-
Zentren weiterbetreut werden. Alles in
allem war die Einführung des CF-NGS in der
Schweiz ein grosser Erfolg.
Bei entsprechenden Symptomen
weiterhin an CF denken
Auch das beste Screening wird nie alle Kin –
der mit CF zuverlässig erfassen. Das bedeu –
tet, dass auch in Zukunft bei entsprechen –
der klinischer Symptomatik (rezidivierender
Husten bzw. obstruktive Bronchitis, Gedeih –
störung, Fettstühle, chronische Bauch –
schmerzen, chronische Rhinosinusitis bzw.
Nasenpolypen usw.) immer an eine CF ge –
dacht werden muss. Dazu gehören auch alle
Kinder mit einem Mekoniumileus, die immer
einen Schweisstest bzw. eine genetische
Untersuchung zum Ausschluss einer CF
erhalten sollten, da diese Kinder ein norma-
les IRT bei Geburt haben können.
Literatur
1) Barben J, Torresani T, Schoeni M et al. Neugebore –
nen -Screening auf Cystische Fibrose – ab 1. Januar
auch in der Schweiz. Paediatrica 2010; 21 (5):38–39.
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protocol in Switzerland. J Cyst Fibros 2012; 11:
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Ef fects of False – Positive Results in Cystic Fibrosis
Newborn Screening: A Two -Year Follow- Up. J Pedi –
atr 2010; 156: 771–776.
Korrespondenzadresse
PD Dr. med. Jürg Barben
Präsident SWGCF
Leitender Arzt Pneumologie/Allergologie
Ostschweizer Kinderspital
CH-9006 St. Gallen
Juerg.Barben@kispisg.ch
Die Autoren haben keine finanzielle Unter –
stützung und keine anderen Interessenkon –
flikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag
deklariert.
Vol. 24 Nr. 3 2013
Fortbildung
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Corina S. Rueegg Prof. Dr. med. Claudia Kuehni , Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern / Universitäts-Kinderklinik, Inselspital, Bern Sabina Gallati Prof. Dr. med. Matthias R. Baumgartner , Ordinarius für Stoffwechselkrankheiten, Leiter Abteilung für Stoffwechselkrankheiten, Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung, Zürich Toni Torresani Prof. Dr. med. Jürg Barben , Leitender Arzt Pädiatrische Pneumologie/Allergologie Ostschweizer Kinderspital, St Gallen Andreas Nydegger