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Lungenfunktiontestung in der pädiatrischen Praxis

Die Spirometrie spielt bei der Diagnose und Überwachung von respiratorischen Erkrankungen eine wichtige Rolle. Sie gilt unter den Lungenfunktionstests als die meist durchgeführte Untersuchung.

Einführung

Die Spirometrie spielt bei der Diagnose und Überwachung von respiratorischen Erkrankungen eine wichtige Rolle. Sie gilt unter den Lungenfunktionstests als die meist durchgeführte Untersuchung. Im Jahr 2021 hat die European Respiratory Society (ERS) neue Richtlinien für die Diagnosestellung des Asthmas bei Schulkindern publiziert(1). Danach wird für die Asthmadiagnose bei Vorhandensein einer passenden Klinik eine Bestätigung durch eine Lungenfunktionstestung gefordert, wobei dies durch eine einfache Spirometrie erfolgen kann. Entsprechend wurden die Empfehlungen der schweizerischen Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie (SGPP) aktualisiert (s. Artikel in gleichem Heft). Die Durchführung einer Spirometrie und somit die Diagnosestellung sowie die Therapie-Einleitung können in der hausärztlichen Praxis erfolgen. Hierzu ist jedoch sowohl eine korrekte Ausführung als auch eine richtige Interpretation der Spirometrie unabdingbar. Dieser Artikel soll Kinderärztinnen und Kinderärzten in der Praxis bei der Ausführung der Lungenfunktion und deren Interpretation eine Unterstützung bieten.

Geschichte

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden durch den Londoner Mediziner John Hutchinson die ersten Spirometrie-Geräte erfunden(2). Die damaligen Glockenspirometer konnten allerdings nur statische Volumina messen. Die Technik basierte auf einer im Wasser schwimmenden Glocke, welche durch die darin gefangene Luft über Wasser gehalten wurde. Der Proband atmete via Mundstück Luft in diese schwimmende Kammer ein und aus, wodurch sich die Glocke rauf und runter bewegte, was mit der Volumenänderung korrelierte.

Dabei wurde erstmalig ein linearer Zusammenhang zwischen der Vitalkapazität (VC) und der Körpergrösse im Erwachsenenalter und eine stete Abnahme der VC mit der Alterung dokumentiert. In den frühen 60er Jahren konnte man anhand von Nomogrammen die prädiktiven Werte für VC, FEV1 (forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde) und MVV (maximum voluntary ventilation, maximale willentliche Ventilation) an einer Alters- und Körperskala ablesen. Im Jahr 1961 wurden die ersten Sollwerte von kaukasischen, gesunden Männern publiziert(3). 15 Jahre später erschienen dann die ersten Normwerte von Kindern und Jugendlichen(4).

Lungenfunktionen in der Praxis

Eine Umfrage unter 360 Hausärzten und Hausärztinnen im Jahr 2010 hat ergeben, dass nur 52% eine Spirometrie anwenden, dies mehrheitlich von Hausärzten, während nur etwa 1/3 der Pädiaterinnen selber Spirometrien durchführten(5). In der Schweiz können Spirometrien im Gegensatz zur Bodyplethysmographie auch von Nicht-Pneumologen durchgeführt und nach Tarmed abgerechnet werden. Eine Spirometrie ergibt gemäss Tarmed aktuell 30.75 Taxpunkte, die Bodyplethysmographie 171.40 Taxpunkte. Heutzutage ist die Spirometrie in der Praxis mit portablen und preisgünstigen Geräten wirtschaftlich interessant (Preis zwischen 500.- und 2000.- CHF).  Zu den Herausforderungen der Durchführung in der Praxis zählt neben dem benötigten Zeitaufwand v.a. die Erhaltung der Qualität(6). Idealerweise sollte die Spirometrie vor der ärztlichen Untersuchung stattfinden, um die Resultate anschliessend im Beisein des Patienten bzw. der Betreuenden zu besprechen, so dass diese mit einem Therapieplan die Praxis verlassen können. Gemäss einer älteren Studie war die Spirometrie in der Praxis in 15% der asthmatischen Kindern relevant für die Entscheidung des Therapieplans, was häufig ein Ausbau der Therapie bedeutete(7). Eine weitere Lungenfunktionstestung, welche in der Praxis von Interesse sein kann, ist die Messung der exhalierten Stickstoffmonoxid-Fraktion (FeNO), welche ebenfalls einen Stellenwert in der Asthmadiagnostik gemäss den neuen Richtlinien hat.

Die Spirometrie ermöglicht die Unterscheidung einer normalen Atmung von einer obstruktiven und einer restriktiven Ventilationsstörung, wobei letztere nur über eine Bestimmung der funktionellen Residualkapazität (FRC, Bodyplethysmographie oder Gasauswachmethode) zu beweisen ist. Mittels moderner Spirometriegeräte mit integriertem Biofeedback (z.B. Kerze auspusten) ist die Untersuchung nicht selten auch bereits im Vorschulalter möglich(8). Studien von Kindern im Vorschulalter zeigen eine Erfolgsquote zwischen 55% bis 83%(9). Kinder mit Entwicklungsretardierungen oder anderen Einschränkungen können den Test oft nicht korrekt ausführen.

Funktionsweise der Spirometrie

Die Spirometrie dient zur Messung von statischen und dynamischen Lungenfunktionsparametern. Praxisübliche Spirometer messen die Flussgeschwindigkeit und die Zeit. Die Lungenvolumina werden danach berechnet. Heutzutage eingesetzte Spirometer basieren auf dem Prinzip der Pneumotachographie oder der Ultraschalltechnik, während der Hitzdraht-Anemometer und die Turbinen-Spirometriegeräte weniger gebräuchlich sind. Pneumotachographen errechnen anhand eines Druckabfalls über einen definierten Widerstand die Strömungsgeschwindkeit (s. Abb. 1). Der Ultraschallsensor misst die Beschleunigung bzw. Verzögerung der Schallüberleitung, welche diagonal durch das Atemrohr geführt wird. Bei den Hitzdraht-Anemometern hingegen wird die Spannungsveränderung gemessen, wenn der erhitzte Draht durch den Luftstrom gekühlt wird, was proportional zum Atemfluss geschieht. Da Luftvolumina von der Umgebung beeinflusst werden, werden die Messwerte durch integrierte Algorithmen nach BTPS („body temperature, pressure, saturated with water vapor“) korrigiert.   

Abbildung 1. Pneumotachograph. Der Pneumotachometer berechnet nach dem Hagen-Poiseuille-Gesetz den Fluss über die Zeit anhand der Druckdifferenz vor und nach einem eingebauten Strömungswiderstand, gemessen via Strömungssensoren. Die Strömung in einem starren Rohr verhält sich bei laminarer Strömung proportional zur Druckdifferenz pro Längeneinheit.

Definitionen der Lungenvolumina

Die mittels Spirometrie erhaltenen Parameter umfassen folgende statischen und dynamischen Werte (Abb. 2):

Abbildung 2. Definitionen der Lungenvolumina und Flussparameter sowie der Fluss-Volumen Kurve.

Statische Parameter:

  • VC Vitalkapazität: Nach kompletter Exspiration maximal eingeatmetes Atemvolumen
  • FVC forcierte Vitalkapazität: forciert ausgeatmetes Volumen nach maximaler Einatmung

Dynamische Parameter:

  • FEV1:  Volumen, das nach tiefstmöglicher Einatmung in der ersten Sekunde forciert ausgeatmet wird
  • FEV1/FVC:  Tiffeneau-Index oder relative Einsekundenkapazität
  • PEF:  Maximale Geschwindigkeit des Luftsstroms beim Ausatmen
  • MEF50: Maximaler exspiratorischer Fluss bei 50% der forcierten Vitalkapazität
  • MEF25:  Maximaler exspiratorischer Fluss bei 25% der forcierten Vitalkapazität
  • MEF75-25:  Mittlerer maximaler exspiratorischer Fluss, zwischen 25 % und 75 % der forcierten Vitalkapazität

Anmerkung: Anstelle des MEF wird gelegentlich auch der Forcierte Exspiratorische Fluss (FEF) angegeben. Dabei entspricht das FEF25 dem MEF75, bzw. das FEF75 dem MEF25. Das exspiratorische Reservevolumen (ERV) spielt in der Spirometrie keine Rolle und wird deshalb meist nicht angezeigt. Für die Bestimmung der Funktionellen Residualkapazität (FRC) sowie des Residualvolumens (RV) und der Totalen Lungenkapazität (TLC) ist eine Bodyplethysmographie oder eine Gasverdünnungsmethode (Helium, Stickstoff) erforderlich. Die inspiratorische Kapazität (IC) und das inspiratorische Reservevolumen (IRV) sind keine klinisch relevanten Grössen.

Indikation

Die Spirometrie ist in der Praxis sowohl für die Diagnostik wie auch für das Monitoring von Nutzen. Zu den diagnostischen Fragestellungen im Kindesalter gehören v.a. der chronische Husten, das persistierende Pfeifen und die Anstrengungsdyspnoe. Fragestellungen in der Klinik umfassen zusätzlich das Monitoring von chronischen Lungenerkrankungen, die präoperative Abklärung vor chirurgisch/orthopädischen Eingriffen, z.B. i.R. von neuromuskulären Erkrankungen, die Verlaufskontrollen bei kongenitalen Thorax-Deformitäten sowie die regelmässige Überwachung bei hämatologisch-onkologischen oder Bindegewebserkrankungen, wobei diese meist eine FRC-Bestimmung und andere Parameter erfordern.

Kontraindikation und Risiken

Es gibt keine absolute Kontraindikation für die Lungenfunktionsmessung. Durch die forcierten Atemmanöver generiert der Patient jedoch einen erhöhten intrathorakalen, intraabdominellen und intrakraniellen Druck, was sich auf den venösen Rückfluss und den systemischen Blutdruck auswirkt. Die Indikation sollte bei jeder kürzlich stattgehabten Operation im Abdominal- und Thoraxbereich sowie nach Augenoperationen gut überlegt sein, empfohlen wird ein Mindestabstand von vier Wochen. Andere relative Kontraindikationen sind ein interkurrenter Atemwegsinfekt, ein Pneumothorax, eine unklare Hämoptyse, ein Aneurysma sowie eine unkontrollierte arterielle Hypertension(10,11). Allerdings muss bedacht werden, dass Spirometrien eine maximale Mitarbeit der Patienten erfordern, und daher bei jeglichem Hemmnis (z.B. durch Schmerzen, Angst etc.) keine verlässlichen Messungen erwartet werden können. Für Erwachsene existieren Checklisten mit Auflistung der Kontraindikationen(12).

Nebenwirkungen sind nicht zu erwarten. In der Literatur beschrieben sind durch die Spirometrie induzierte Bronchokonstriktionen(13) und, extrem selten im Kindesalter, kardiale Arrhythmien, welche aber häufiger bei der Spiroergometrie vorkommen(14).

Das Übertragungsrisiko von Infektionen vom Patienten auf den Untersucher ist sehr klein.  Eine Transmission kann allenfalls erfolgen über den direkten Kontakt mit dem Kind (interkurrenter Luftwegsinfekt, Gastroenteritis) erfolgen oder indirekt via Aerosoltropfen (Mundstück oder Aussenhülle des Geräts). Eine Übertragung von Krankheitserregern über die Spirometriegeräte unter Probanden gilt anhand der vorhandenen Datenlage als sehr unwahrscheinlich, wenn die vom Hersteller empfohlenen Reinigungs- und Desinfektionsempfehlungen eingehalten werden. Einweg-Filter sind vielleicht gar nicht nötig, werden aber empfohlen, da sie günstig und effektiv sind in der Absorption von Bakterien aus der Ausatemluft. Sie beugen so einer potentiellen Kontamination der Geräte vor(15). Die Auswirkung der Filter auf FEV1 und FVC wird allgemein als minimal und klinisch unbedeutend erachtet. Nasenklemme und Mundstücke sollen sterilisiert oder entsorgt werden(16,17).

Voraussetzungen für die Spirometrie

Vorbereitung

1. Patientinnen und Patienten

Patientendaten wie Körperlänge, Alter, Geschlecht und Gewicht sollen dokumentiert werden. Die Körperlänge (KL) soll ohne Schuhe und mit flachem Rücken an der Wand gemessen werden. Alternativ kann z.B. bei Kyphoskoliose oder rollstuhlpflichtigen Patienten annäherungsweise der Fingerspitzenabstand (hier als Armspannweite definiert) benützt werden. Aggarwal et al. haben hierfür eine Formel: Körpergrösse = Armspannweite /1.06 publiziert(18). Die Spirometrie soll im Sitzen oder im Stehen erfolgen. Normgewichtige erreichen im Sitzen und im Stehen die gleichen Messwerte, während adipöse Menschen im Stehen gelegentlich bessere FEV1 und Flusswerte generieren. Im Idealfall soll das Kind aufrecht mit geradem Rücken sitzen. Der Stuhl soll keine Räder haben und in der Höhe verstellbar sein sowie Armlehnen besitzen(12). Die Spirometrie soll in einer hellen und komfortablen Umgebung stattfinden. Eine Stunde vor der Messung soll auf grosse körperliche Anstrengungen verzichtet werden, wenn möglich auch auf das Rauchen. Zudem soll das Tragen von engen Kleidern vermieden werden(17).

Medikamente inklusive der Uhrzeit der letzten Einnahme sollen notiert werden. Auf die Inhalation von Bronchodilatatoren vor der Untersuchung soll je nach Indikation der Spirometrie wie folgt verzichtet werden: bei kurzwirksamen Beta2- Agonisten (SABA: Salbutamol, Albuterol) für 4 – 6h, bei kurzwirksamen Muskarinantagonisten (Ipratropiumbromid) für 12h, bei langwirksamen Beta2-Agonisten (LABA: Salmeterol, Formoterol) für 24h, bei ultra-langwirksamen Beta2-Agonisten (ULABA: Indacaterol, Olodaterol, Vilanterol) für 36h, und bei langwirksamen Muskariantagonisten (LAMA: Tiotropium, Glycopyrronium, Umeclidinium, Aclidinium) für 36 – 48h(17). Inhalative Steroide und Leukotrien-Rezeptor Antagonisten (Montelukast) müssen nicht pausiert werden.

2. Personal

Der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Lungenfunktionsprüfung sind motivierte und enthusiastische Untersucher(16). Die Spirometrie erfordert die Kooperation zwischen Kind und Untersucher, denn die Resultate hängen stark von der Interaktion zwischen ihnen ab. Wichtig sind bei der Instruktion die Körpersprache und der Gesichtsausdruck(19). Um Bestwerte zu erreichen, ohne dabei bedrohlich zu wirken, muss das Personal geschult sein. Die ATS (American Thoracic Society) hat minimale Anforderungen an die Qualifikation der Untersucher formuliert, u.a. dass die Tests verstanden und charakteristische Merkmale von Lungenerkrankungen erkannt werden, und dass Verbesserungsstrategien nach fehlerhaften Manövern bekannt sind(20). Die ERS bietet zertifizierte Trainingsprogramme in Spirometrie an (ersnet.org), in der Schweiz werden Schulungen für die Spirometrie u.a. durch die Lungenligen angeboten.  

3. Geräte

Es kann davon ausgegangen werden, dass alle CE-gelabelten kommerziellen Spirometriegeräte verlässliche Messwerte liefern. Sie sollen die neuesten ATS/ERS Standards implementiert haben, und die Messungen sollen in Echtzeit visualisiert werden. Es gibt preisgünstige Spirometer, welche nur die Ausatmung messen. Dies erfordert aber mehr Koordination des Patienten und erhöht den Schweregrad für den Untersucher. Idealerweise wählt man ein Spirometriegerät, welches dem Kind ermöglicht, ruhige Atemzüge zu machen (Tidalvolumina). Der Prüfer kann somit gezielt auf Mundstück und Nasenklipp fokussieren, um maximale Lungenvolumina zu erzeugen(12). Im Display des Geräts sollen sowohl die Fluss-Volumen Kurve als auch die Volumen-Zeit Kurve angezeigt werden, da die Kurven eine rasche Überprüfung der Qualität wie z.B. End-of-Test Kriterien (siehe Abschnitt Qualitätsanforderungen) ermöglichen oder aber auch Artefakte wie Husten erkennen lassen. Die Form der Fluss-Volumen Kurve widerspiegelt den maximalen Effort und die vollständige Exhalation. Labordetails wie Zimmertemperatur, Atmosphärendruck und Datum der Untersuchung sollen ebenfalls notiert werden. Moderne Geräte messen die Umgebungstemperatur oft selbst. Eine Kalibration ist bei den neueren Geräten oft schon integriert und wird von der Software übernommen.

Die hinterlegten Referenzwerte müssen angegeben werden, denn je nachdem können die Resultate variieren. Die Global Lung Initiative (GLI) empfiehlt die Referenzwerte von 3 bis 95 Jahren von Quanjer(21). Die Referenzwerte für FEV1, FVC und FEV1/FVC stammen von gesunden, asymptomatischen Individuen. Einige Spirometriegeräte haben die NHANES III-Referenzwerte von 8 bis 80 Jahren hinterlegt(22). Ein GLI-Rechner mit Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Körpergrösse und Ethnie findet sich auch online auf der Homepage der ERS.

Die Lungenvolumina werden hauptsächlich durch die Körpergrösse bestimmt. Sie hängen aber auch vom Geschlecht und von physiologischen Veränderungen durch das Wachstum und die Pubertät ab. Die Lungenvolumina nehmen bei Mädchen bis ca. zum 18. Lebensjahr und bei Knaben bis zum 20. Lebensjahr zu(12). Erwachsene Männer haben im Vergleich zu gleichaltrigen und gleichgrossen Frauen grössere Lungenvolumina. Individuen asiatischer Herkunft haben im Verhältnis zur Körpergrösse etwa 2-8% geringere Lungenvolumina als Kaukasier, solche afrikanischer Herkunft aufgrund der Körperproportionen etwa 10% weniger Lungenvolumen(21).

4. Vorbereitung der Messung

  1. Kalibrierung (meist nicht erforderlich)
  2. Patient vermessen und Daten eingeben (Körpergrösse, Gewicht, Alter, Geschlecht, gegebenenfalls Ethnie. Nach GLI: Kaukasier, Afro-Amerikaner, Nordost-Asien, Südost-Asien)
  3. Umgebungsbedingungen notieren
  4. Medikamenten-Anamnese (siehe Karenzzeiten für Asthmamedikamente)
  5. Patient vorbereiten
    • Keine engen Kleider
    • Sitzen (oder Stehen)
    • Nasenklipp, Mundstück. Nasenklipps werden im Allgemeinen empfohlen, damit keine Luft durch die Nase ausgeatmet wird. Wobei Studien bei Kindern keinen systematischen Unterschied in der FEV1 oder FVC Messungen ergeben haben(13).
  6. Gewünschtes Test-Manöver auswählen

Durchführung

  1. Sauberer Mundschluss um Mundstück ohne Obstruktion (Zähne, Zunge)
  2. Normales, ruhiges Ein- und Ausatmen
  3. Auf Kommando: vollständige Inhalation, anschliessend
  4. (Ev. auf Kommando): forcierte Ausatmung (keine Pause, kein Husten oder Atemzug während der Ausatmung, ggf. keine Ausatmung durch die Nase)
  5. Ausatmen bis Untersucher das Ende der Exspiration anordnet (Plateau auf der Zeit-Volumen Kurve erreicht). Hier braucht es am meisten Motivation.
  6. Die Untersuchung sollte 3-mal wiederholt und auf Akzeptabilität und Reproduzierbarkeit überprüft werden.

Beim Bronchodilatator Response (BDR) Test müssen die Zeit der letzten Inhalationstherapie beachtet und die Karenzzeiten eingehalten werden (siehe Vorbereitung der Patienten). Die Untersuchung der BDR wird 15 min nach 4 Hüben à 100ug Salbutamol (2 Hüben à 100ug Salbutamol bei Kindern <6J) per Vorschaltkammer durchgeführt. Der Test gilt als positiv, wenn die Differenz zwischen den beiden gemessen FEV1 (L/s) mehr als 10% des Sollwertes (L/s) beträgt (23). Dazu folgendes Beispiel:

Ein 12-jähriges Mädchen mit einem FEV1-Sollwert von 2.14 L/s hat vor Salbutamol ein FEV1 von 1.24 L/s, danach ein FEV1 von 1.51 L/s. Die Differenz von 0.27 L/s entspricht 12.6% des Sollwertes. Die BDR ist somit positiv.

Eine negative BDR schliesst ein Asthma nicht aus. Die Diagnose soll auf Anamnese, Klinik und Spirometrie basieren.

Qualitätsanforderungen

Im Jahr 2000 beschrieb Enright(19) die Qualitätskriterien für eine gute Spirometrie. Bereits damals wurde auf den Wert eines optimalen Inspirationsmanövers hingewiesen, da bei einer maximalen Einatmung eine grössere VC und somit ein besserer FEV1 Wert erreicht werden. Gegen Ende der Exspiration muss darauf geachtet werden, dass genügend lange ausgeatmet wird, was sich über eine Plateaubildung im Volumen-Zeit Diagramm erkennen lässt. Ein maximaler Kraftaufwand ist wichtig in der Initialphase der Ausatmung, da er den Peak-Flow und auch das FEV1 beeinflusst, gegen Ende der Ausatmung ist der Fluss jedoch nicht mehr abhängig von der aufgewendeten Kraft. Hier soll der Fokus darauf gelegt werden, dass die Exhalation maximal zu Ende geführt wird (in Ruhe sagen «weiter ausatmen, ich sehe du kannst mehr Luft ausatmen»). Die bei Erwachsenen geforderte Minimaldauer der Exhalation von 6 Sek. wird von Kindern meist nicht erreicht, die ATS/ERS Empfehlungen 2005 nannten eine Mindestdauer von 3 Sek. für Kinder unter 10 Jahren(11). Im Alltag sind Kinder aber häufig schon früher fertig (was physiologisch mit der sog. Zeitkonstante zusammenhängt).

Aktuelle Kriterien der Akzeptabilität und Reproduzierbarkeit sind in Tabelle 1 zusammengefasst (adapt. (17,24)). Die Manöver sollen bei Husten oder vorzeitigem Abbruch der Ausatmung nicht gewertet werden. Ziel sind 2-3 akzeptable Manöver. Bezüglich der Reproduzierbarkeit soll die Differenz zwischen den zwei besten Messwerten des FEV1 und des FVC maximal je 150ml, respektive bei unter 6-Jährigen maximal je 100ml betragen. Das Problem der Reproduzierbarkeit liegt meist an unterschiedlichen Efforts des Kindes. Typische Fehler sind suboptimales inspiratorisches Coaching oder eine ungenügende Ausatmung mit Nicht-Erreichen des Plateaus.

Tabelle 1. Akzepatbilitäts- und Reproduzierbarkeits-Kriterien

Eine Pilotstudie aus Portugal hat die Wertigkeit der Spirometrie als Screening Methode für Asthma bei Schulkindern evaluiert mit der Schlussfolgerung, dass Asthma bei Kindern unterdiagnostiziert sei(8). Bei der Auswertung erfüllten allerdings nur die Hälfte der Spirometrien die Akzeptabilitätskriterien der ATS/ERS.

Eine weitere Studie aus Italien hat nach einem 10-stündigen Trainingsprogram für Spirometrie aus Theorie und Praxis bei zehn Praxis-Pädiatern die Untersuchungen auf Akzeptabilität und Reproduzierbarkeit getestet(25). Die Kriterien trafen in 80% der Spirometrien zu mit einer zugleich korrekten Beurteilung in 4/5 der Fälle. In den übrigen Fällen war ein langsamer Start und eine ungenügend lange Exspirationszeit das häufigste Problem. Im Hinblick auf die Interpration waren in der italienischen Studie in der Hälfte der diskrepanten Fälle eine milde Obstruktion von den Praxispädiatern als unauffällig abgegeben worden. Interessanterweise waren 4 Patienten mit resktriktiver Ventilationsstörung ebenfalls als normal beurteilt worden. Eine wichtige Botschaft dieser Studie war, dass die Spirometrie nicht nur zur Diagnose von obstruktive Erkrankungen dient, sondern auch hinweisend auf eine Restriktion sein kann.

Interpretation

Interpretation der Spirometrien:

  1. Überprüfe die Manöver auf Akzeptabilität und Reproduzierbarkeit
  2. Definiere ob normal, obstruktiv, (eventuell) restriktiv, gemischt
  3. Einteilung in den Schweregrad (LLN)
  4. Finale Beurteilung im Kontext der Klinik

Eine obstruktive Ventilationsstörung ist charakterisiert durch eine Verminderung der exspiratorischen Flusswerte (FEV1) und eine Konkavität der Flusskurve. Je nach Ausmass der Überblähung ist die VC ebenfalls erniedrigt (sogenannte Pseudo-Restriktion). Eine restriktive Ventilationsstörung wird durch eine verminderte VC ohne Obstruktion suggeriert. Da Kinder bei erniedrigter VC auch weniger Volumen in der ersten Sekunde ausatmen können, ist auch das FEV1 entsprechend erniedrigt, ohne dass dies eine Obstruktion anzeigt.

Peak Flow: Die Peak Flow Messung allein hat in der Erkennung von abnormen Lungenfunktionen lediglich eine Sensitivität von 48%, in etwa 1/3 der asthmatischen Kinder mit abnormen dynamischen Parametern ist der Peak Flow nicht diagnostisch(26). Vor allem ist der Peak Flow enorm Effort-abhängig und daher im Kindesalter notorisch unzuverlässig.

Tiffeneau-Index: die FEV1/FVC Ratio (früher FEV1/VC) ist altersabhängig, es soll also nicht strikt ein Wert < 0.7 als Grenzwert angenommen werden. Zudem kann, wie oben beschrieben, die VC ebenfalls vermindert sein, wodurch der Tiffeneau-Wert erhöht wird und dann das Ausmass der Obstruktion nicht widerspiegelt.

MEF50, MEF25: Die Flusswerte in den kleinsten Atemwegen sind sehr variabel, eine periphere Obstruktion anhand erniedrigter Flusswerte des MEF50 oder MEF25 zu diagnostizieren ist daher wenig verlässlich. Sie sollen daher nicht überbewertet werden(27,28).

Normbereich

Die ATS/ERS empfehlen für die Definition des Normbereichs die sogenannt untere und obere Normgrenze (lower/upper limit of normal [LLN/ULN]). Bei einer normverteilten Population entsprechen diese Grenzen einer Standardabweichung von ± 1.645 vom Mittelwert bzw. einem z-score von ± 1.645, was die 5. und 95. Perzentile wiedergibt. Dies bedeutet aber auch, dass 5% der Normalbevölkerung Werte unter der LLN aufweisen. Dies muss bei der Interpretation berücksichtigt werden. Lungenfunktionen werden jedoch bei vorhandener Erkrankung durchgeführt, sodass die Vortest-Wahrscheinlichkeit (pretest probability) eines abnormalen Resultats i.d.R. höher als 95%, bzw. ein physiologischer Wert unter der LLN unwahrscheinlicher ist. Für die Schweregradeinteilung soll vermehrt der z-score herangezogen werden. Hier wurde folgende Einteilung publiziert: mild -1.645 bis -2.50, mässig -2.51 bis -4.00, schwer > -4.01(23).

Da die Standardabweichung das Ausmass der Streuung der Normalwerte widerspiegelt, ist diese Definition präziser als die traditionelle Definition der Untergrenze von z.B. 80% des Sollwertes. Dieser Cut-off basiert auf Erwachsenen mittleren Alters und ist bei Kindern, jüngeren und bei älteren Erwachsenen häufig fehlerhaft.

Der Testbericht soll folgende Informationen enthalten: Den Sollwert (entspricht dem Mittelwert der Population), den aktuellen Messwert, die untere Normgrenze (lower limit of normal, LLN), den Prozentwert des Solls (weil wir es gewohnt sind) und den z-score. Die Fluss-Volumenkurve und Zeit-Volumen Kurve sind für die Einschätzung der Qualität wichtig und sollten ebenfalls dargestellt werden.

Abbildungen 3. Beispiel einer Spirometrie bei einem 12-jährigen Mädchen mit Asthma. Durch das System beurteilte Qualität anhand der Fluss-Volumen-Kurve und Volumen–Zeit-Kurve: Trial 1 gute Qualität, Trial 2 ungenügender Effort mit langsamem Start, rascher Abbruch, Trial 3 keine vollständige Einatmung. Koordination zwischen Ex – und Inspiration häufig schwierig.

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Weitere Informationen

Korrespondenz:
Autoren/Autorinnen
Dr. med.   Diana Reppucci Pneumologie und Intensivmedizin, Universität Kinderspital beider Basel (UKBB), Basel

Prof. Dr. med.  Daniel Trachsel Pädiatrische Pneumologie und Intensivmedizin, Universitäts-Kinderspital beider Basel UKBB, Basel